Liebes Tagebuch, Deutschland ist im Halloween-Fieber! Vergessen sind die traurigen Tage, die uns der 1. November damals servierte. Abgestreift wurde die Ideologie des halben Mantels, mit der uns Sankt Martin zur Barmherzigkeit anstiften wollte. Auch Kinder mit Laternen, die arglosen Bewohnern mit Gesangseinlagen zur Spende von Süßigkeiten erweichen, sind wie vom Kürbis verschluckt. Stattdessen hast du lieblos verkleidete Kids, die in Horden durch die Nachbarschaft ziehen und unter massiver Androhung von „Saurem“ die Herausgabe von Süßigkeiten fordern.
In den letzten Jahren habe ich mich immer wieder gegen Halloween gewehrt, um nicht zu sagen gemeckert. Und das, obwohl ich nie meckern wollte. Ich habe sogar Allerheiligen und Sankt Martin verteidigt und auf Tradition gepocht! Ich habe mit Samhain geliebäugelt, dem womöglich keltischen Ursprung dieses Festes, weil das ja irgendwie Alternativ schmeckte. „Echte Gruftis,“ so redete ich mir ein, „lehnen solche kommerziellen Feste ab!“ Ich fand Halloween-Partys doof, verkleidete Gruftis am 31. Oktober lächerlich und Dekorationsorgien mit ausgehöhlten Kürbissen völlig fehl am Platze. Geboren war die Hosentaschen-Rebellion.
Liebes Tagebuch, neulich erhielten wir eine Einladung zu einer Halloween-Party von einer sehr lieben Freundin. So richtig dick mit Klischees belegt. Spukige Muffins, künstliche Spinnweben, Gäste mit Vampirzähnen und garantiert Knabberzeug in Form von Geistern. Ich wollte gerade innerlich Luft holen um mich zu still und heimlich zu echauffieren, da platzte mir mein Gewissen, das ich vor ein paar Jahren mal Rüdiger getauft habe, in den wohlig warmen Wutbürger-Anfall.
„Du bist ein elender Heuchler.“ Völlig ohne Vorwarnung klatsche mir mein Gewissen Rüdiger diese Zeile in den Kopf.
„W-w-wiesoo?“ Ich stammelte, obwohl man bei einer rein gedanklich geführten Unterhaltung ja eigentlich gar nicht stammeln kann.
„Du verabscheust Halloween und machst dich anstatt dessen für kirchliche Traditionen stark?“
„Ja aber…“ weiter kam ich nicht. Rüdiger hatte mich eiskalt erwischt. Mit leerem Blick stand ich da und ließ mir einen gedanklichen Einlauf verpassen.
„Warst du nicht derjenige, der Kirche und Traditionen verabscheute? Schmückst du dich nicht damit, nicht an den ganzen Quatsch zu glauben?“
Er hatte recht. Blöd, wenn sich dein Gewissen ohne Hemmungen an deinen Erinnerungen und Weltanschauungen bedient und du es nicht mal mit billigen Argumenten blenden kannst. Mit Kommerzverabscheuung sollte ich Rüdiger besser nicht…
„Kommerz? Ist nicht alles, was du magst nicht irgendwie „Kommerz“? Dieses Wave-Gotik-Treffen und diese ganze Gothic Szene, die du dir an jeder Straßenecke zusammenkaufen kannst. Du fährst Weihnachten nach London und bewunderst die glänzenden Lichter und geschmückten Fenster?“
Rüdiger hatte den Nagel auf den schwarzen Kopf getroffen, liebes Tagebuch. Warum lehnte ich die einzige Jahreszeit im Jahr ab, in der es mal cool ist, sich zu gruseln? Ein Zeitraum, in dem sich alles um den Tod dreht, man das Morbide feiert und sich seiner Horrorleidenschaft an jeder Ecke hingeben kann. Wünschten wir uns nicht eigentlich, jeden Tag wäre Halloween?
Ja verdammt. So ein bisschen mag ich Halloween ja auch. Es gibt keine schönere Zeit durch Netz zu geistern (Ha! Halloween-Wortspiel) als zu dieser Zeit. Überall Horrorfilme, gruselige Geschichten, morbide Deko und tödlich gute Links. Ein Beitrag über Filme, die ich zu Halloween gerne sehen würde, hatte ich im Geiste schon vorbereitet. Endlich kann der entweichen (morgen!) und kann mein Mitteilungsbedürfnis befriedigen. Meinungen muss man auch mal ändern. Oder zumindest anpassen. Kommerz ist schließlich, was jeder selbst daraus macht.
Liebes Tagebuch, ich habe der sehr guten Freundin natürlich zugesagt. Noch nicht ein widerwillig, sondern aus ganzer Überzeugung. Ich bringe auch Pechkekse mit fahre 205km mit einem Samtumhang bekleidet durch das Land, um in Halloween Deko zu versinken und aus dem Gruseln Unterhaltung zu machen. Ich habe meinen Frieden mit Halloween gemacht, habe keinen Bock mehr, mit meiner Hosentaschenrebellion allein dazustehen. Rüdiger redet dann wieder kein Wort mit mir. Meine Emotionen rebellieren dann gegen mich selbst und auch sonst werde ich nicht als Gewinner da steh’n. Sondern nur als meckernder Trottel, der einer unsinnigen Rebellion hinterherläuft.
Nein, natürlich mach‘ den Horden schlecht verkleideter Kids am Donnerstag nicht die Tür auf. Wir wollen ja nicht übertreiben. Misanthrop bin ich immer noch, Rüdiger auch. Und wir mögen Saures lieber als Süßes.
Das kenne ich zu gut Robert… Bedenken bezüglich solcher kommerzialisierter Veranstaltungen gerade wie Halloween….
Tja wie du weißt spuke ich mittlerweile begeistert als Monster durch den Oktober :D
Ich wünsche euch eine tolle Feier.
PS: Wobei ich es früher schon genossen habe mich mit meinen Mitschülern in die abgedunkelte Aula zu setzen, eine Andacht zu hören, dann mit den Laternen durch den Schulkeller zu laufen und im Anschluss eine von einer Lehrerin gebackene Martinsgans zu verputzen. ( Zum Thema kirchliche Traditionen).
Seid gegrüßt,
Samhain begehe ich schon ein ganze weile, immer am 1 Oktober hänge ich mein Pentagramm das ich aus Birkenzweigen gemacht habe, in ein Fenster, aus Pappe habe ich Buchstaben geschnitten. Nun werfen die Buchstaben seit Wochen einen einfachen Spruch in die Welt, „Fröhliches Samhain“ am 1 November wird es dann abgehängt.
Samhain wird auch das Keltische-Neujahr genannt. Es ist jedoch nicht sicher ob Neujahr überhaupt am 31 Oktober gefeiert wurde, es wird auch davon gesprochen, das an Yule, am Tag der Wintersonnenwende, Neujahr gefeiert wurde. Eines ist wichtig über die Kelten zu wissen, es gab keine Keltische-Mono-Kultur, die Kelten waren recht vielfältig in ihren Variationen.
Eines ist klar, Erntedank miteinander zu feiern, egal ob Halloween-Party oder Samhain-Fest ist Kultur.
Daher, euch ein schönes Erntedank, und haltet die Besucher aus dem dunkel von euch fern.
Zur abwehr des Bösen kann ein Zweig, Stechpalme oder Wacholder nicht schaden, einfach an den Türahmen oben befestigen.
Möchtet ihr mit den Jenseits in kontakt kommen kann ein Zwieg, Buchsbaum nicht schaden. Denn es wird gesagt das die Grenzen zwischen den Welten am 31. Sehr dünn sein sollen.
Mit Gruß, Lox
Wie kann ich die Gedanken nachvollziehen. Das ging mir lange ähnlich. Und jetzt habe ich ein Kind, was zwei Tage vor Halloween Geburtstag hat – und kann einfach die besten Feiern ausrichten. Sollen die anderen Kinder doch glauben, dass das „nur“ Geburtstagsdeko ist.
Ich befinde mich hier auf der Spalte, an der Kulturen entlang und übereinander laufen. Je nach Dorf, Bundesland, Gemeinde… Grenzregion halt…. gehen die Kinder zu Sankt Martin rum, singen und sammeln, oder an Rosenmontag (teilweise auch erst an Veilchen Dienstag). An Sankt Martin wird unverkleidet gegangen, und oft zB „Eine feste Burg“ gesungen. An „Karneval“ verleidet, ohne kirchliches Liedgut, dafür wird mit „Mutter ein Ei“ musikalisch fastenbrechende Speise gesammelt. Natürlich gibt’s heute Süßkram, die Zeit der halben Eierpappen und Mandarinen, war damals zu meiner Jugend. Ich denke, dass ist der Grund, warum „hier“ Halloween eher bei den Erwachsenen angekommen ist, und die Kinder „mit dem A… Zuhause“ bleiben. Im Umkreis von 45 Minuten veranstaltet nur eine Disco eine Grufti Halloween Party, ansonsten nur Spießer Discos mit Halloween Partys. Natürlich ist die Woche für egal welche Discos beliebt, weil ins Grenzgebiet NRW/NDS sowohl Allerheiligen wie auch der Reformationstag fallen. Witzig ist hier bei uns, dass große Teile der NDS Seite (mit dem Reformationstag) überwiegend katholisch sind, die NRW Seite (mit Allerheiligen), überwiegend evangelisch ist. Traditionell spannend ist der Tag natürlich für den Einkauf auf der anderen Seite der Grenze. So jetzt zu mir…. ich persönlich als „Fan“ von kath. „Volksfrömmigkeit/Volkskunst“, und ebenso „Fan“ von Woodoo, und Mittel/Südamerika Kunst+Brauch…. sprich Afrika/Westeuropa/Amerika orientiert, hab genug für Deko von „Wohnung und Hirn“ an morbiden Kunstschaffen und Bräuchen. Natürlich bietet auch „meine Liebe“ Wien viel. Die Kunst kann auch gerne 365 Tage meine Wohnung zieren, und/ oder mich gehört, gelesen, gesehen erfreuen. Ich trinke jetzt also nicht extra zum Dia de los Muertos meinen Kaffee aus dem buntfloralen Schädelbecher, oder dekoriere. Ich könnte allerdings zu Allerseelen, mal wieder meine Lieblingsoma besuchen und was dahin mitnehmen. Natürlich ziehe ich mich dann nicht extra schwarz an, und kaufe nicht extra dafür eine Grabkerze. P.S. Für alle die in dieser Woche „Horror“ als Film konsumieren wollen, den neuen Joker kann ich empfehlen. Ist zwar mehr Gesellschaftskritik als Horror… meine persönliche Meinung… aber passt ja irgendwie in diese Woche… so oder so.
Haha..ich wusste schon wohin deine Ausführungen gehen als ich den Titel gelesen hab. Kann ich sehr gut verstehen…mit kirchlichen Traditionen hab ich es nämlich genausowenig, aber im Prinzip geht aber auch Beides an mir relativ vorbei. In diesem Sinne…
https://www.youtube.com/watch?v=ksg2ESuEMhw
Haha…ich wollte nur den Song hier einbetten und hab was geschrieben um davon abzulenken. Ne Scherz…vielleicht gibt es wirklich gute Halloween-Parties..keine Ahnung..momentan hab ich keine wirklichen Berührungspunkte.
Kathi : Man muss die Dinge nehmen, wie sie einem gefallen und sich nicht krampfhaft was verbieten, was man mag.
Lox : Mit dem Jenseits komme ich noch früh genug in Kontakt, im Augenblick habe ich doch tatsächlich sowas wie totale ungruftige Lebenszufriedenheit erreicht. Jedenfalls solange ich die Nachrichten auslasse und ich mich nicht mit anderen Menschen umgebe.
Prinzessin : Du untergräbst Halloween also mit spukiger Trueness! Nice :D
Wiener Blut : Ja es ist verrückt. Von der Deko her wäre ich auch in der Lage so ziemlich jeden christlichen oder heidnischen Feiertag zu begehen. Irgendwo finden sich immer bedeutungsschwangere Symbole: Ein Artikel, in dem auch „Joker“ eine Rolle spielt, ist heute erschienen, kannst ja da mal deinen Kommentar zum Film hinterlassen! :)
The Drowning Man : Es wäre auch an mir vorbeigegangen. Wäre da nicht diese besagte gute Freundin gewesen, die mich ungewollt zu einer Art Entscheidung gedrängt hätte. Möglicherweise wäre es sonst zu diesem Artikel auch nicht gekommen. Möglicherweise.