Mein schaurig schönes Tagebuch – Episode 7: Leben im Kino

Ich liebe Filme. Keine Ahnung, wie viele ich schon gesehen habe, und wie oft ich manche Filme wiederholt angeschaut habe. Es müssen Tausende gewesen sein. Ganz besonders gerne gehe ich dafür ins Kino, vorausgesetzt der Film passt zum Kino. Es gibt sogar Filme, die sind meiner Ansicht nach nur fürs Kino gemacht. Twister, der Film mit dem Wirbelstürmen, zum Beispiel: Den kannst du zu Hause noch so laut stellen und auf einem noch so großen Fernseher genießen, es ist nicht zu vergleichen. Ich lasse mich lieber in die wohlige Dunkelheit des Kinosaals sinken und kralle mich in den Armlehnen fest, wenn im neuesten Mad Max die Fahrzeuge durch die Wüste rasen und einen Teil der Sinne völlig vereinnahmen. Ich erinnere mich noch ziemlich genau an meinen ersten Besuch im Kino. Im Grunde erinnere ich mich an viele Kinobesuche, vor allem dann, wenn sie mit kleinen Anekdoten aus schlechten und auch schönen Erinnerungen verbunden sind. Den ersten Kuss habe ich zum Beispiel im Kino genossen, meinen ersten Rausch im Kino ausgeschlafen und mich schon mal in eine Vorstellung für ältere reingeschmuggelt. Dies ist also kein Tagebuch-Eintrag über die besten und schlechtesten Filme meines Lebens, sondern mein Leben in Form von Kinobesuchen – dass ich noch nicht früher auf die Idee gekommen bin!

Das erste Mal

DchungelbuchIch war 5 Jahre alt, als ich zum ersten Mal im Kino gewesen bin. Meine 8 Jahre ältere Schwester begleitete mich, nicht etwa, weil ich allein Angst gehabt hätte, sondern weil das „Dschungelbuch“ erst ab 6 Jahren freigegeben war. Ordnung muss sein! 1979 lief der Film als Wiederholung im Sommerprogramm des Kinos, für ein paar Mark war das eine Art Videothek unserer Zeit. Als Dickkopf nötigte ich meine Schwester dazu, in der ersten Reihe zu sitzen, für ein 13-jähriges Mädchen die finale Höchststrafe. Doch damit nicht genug: Als Mogli von Schlange Kaa hypnotisiert wurde und drohte, lächelnd zu ersticken, habe ich als einziger im ganzen Kinosaal lauthals und dauerhaft gelacht und brachte damit meine Schwester und mich in den Fokus des Publikums. Doch wir haben uns zusammengerauft und wurden fast schon sowas wie Cineasten. Das jährliche Sommerkino Anfang der 80er Jahre (jeden Tag ein anderer Film zu 3 verschiedenen Tageszeiten und für jeweils 5 Mark) machte es möglich. Ich liebte das Kino und seine Filme! Ich wurde zu Indiana Jones, war Geisterjäger und wollte mit Gremlins kuscheln und den doofen Atréju hätte ich am liebsten vom Fuchur geschubst, um selbst auf dem Drachen zu fliegen. 1985 wurde ich dann zusammen mit meiner Schwester zu Luke Skywalker und Prinzessin Leia, denn unzählige Male haben wir „Krieg der Sterne“, „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ geguckt. Wir zwei, Bruder und Schwester, wie auf der Leinwand. Toll! Einziger Unterschied: Wir wussten voneinander und haben auch nicht geknutscht.

Die verbotene Frucht

Lost Boys1987 bin ich dann schon selbstständig ins Kino gegangen, möglicherweise weil ich in diesem Alter ein furchtbar nerviger Bruder gewesen bin und meine Schwester sich nun für die Beendigung ihrer Lehre und die Jungs in der Handelsschule interessierte. In der Bravo habe ich jedenfalls einen Artikel zu „The Lost Boys“ entdeckt, ein Vampirfilm mit den angesagten Jung-Darstellern unserer Zeit. Blöd war nur, ich war gerade erst 13 Jahre alt und der Film erst ab 16. Mein Herz klopfte bis zum Hals, als ich die Karte kaufen wollte, 2 Mädchen hatte die Kassiererin in ihrem kleinen Häuschen bereits wegen ihres Alters abblitzen lassen, doch mein Körperbau und ein möglichst unaufgeregtes sachliches Verhalten waren die perfekte Maske. Ich war drin! Leider war ich die ganze Zeit so aufgeregt, dass ich mich kaum auf den Film konzentrieren konnte. Corey Haim, Kiefer Sutherland und die bezaubernde Jami Gertz – ich schmelze noch heute dahin. Wie gerne hätte ich einen großen Schluck aus der Vampir-Flasche genommen und wäre selbst zu einem Vampir geworden? Dann hätte ich Jami haben können, wäre stark und unsterblich und hätte möglicherweise ein Motorrad. Die große Cola, die als Ersatz für das Vampirblut verschlang, sorgte dann zusätzlich für einen permanenten Harndrang, den ich aber unter großer Anstrengung unterdrückte. Ich befürchtete wohl, ich würde nach Verlassen des Saals nicht wieder reinkommen. Die Lücken habe ich dann ein paar Jahre später schließen können, als ich mir den Film in der Videothek ausgeliehen habe, denn die gab es mittlerweile.

Der erste Rausch

Kevin allein zu Haus1990 begann dann meine rebellische Phase, nicht etwa gegen die Gesellschaft, sondern gegen meinen eigenen Geschmack. Alkohol fand ich immer schon schrecklich, egal wie süß und unscheinbar er verpackt war, ich mochte ihn einfach nicht. Gleichzeitig wollte ich aber Anschluss an eine Clique finden und bildete mir ein, das würde nur gehen, wenn ich mich den Gepflogenheiten der Gruppe unterordnete. So hatte sich bei den Jungs aus dem Wasserballverein eingebürgert, nach dem Training zusammenzusitzen und „Turmgeist“ (Ein Gemisch aus Maracuja-Saft und Korn) zu konsumieren. Als wir nach einem überraschend ausgefallenen Training schon am frühen Donnerstag-Abend die selbstgemischten Vorräte aufbrauchten, wurde zunächst vorgeschlagen, mir zwei Ohrlöcher zu stechen und anschließend ins Kino zu gehen. Jugendliche Pläne unter dem Einfluss von Alkohol. Ganz üble Idee! Mit frischen Ohrlöchern, pochenden Ohrläppchen und geschenkten Ohrringen von Alexander entschieden wir uns nach dem Studium der Filmplakate, „Kevin allein zu Haus“ anzuschauen. Ich habe keine Ahnung, wie wir darauf kamen. Zunächst wurden wir aber an der Tür abgewiesen, weil die laut polternden Glasflaschen in unseren Rucksäcken von verbotenerweise mitgebrachten Getränken zeugten. Auf den Vorschlag, die Flaschen nach der Vorstellung wieder an uns zu nehmen zu können, gingen wir nicht ein. Wir waren uns sicher, dass sich das Kinopersonal an unserem perfekten Gemisch laben würde. Wir beschlossen, die Flaschen selbst, schnell und restlos zu leeren. Das klappte. Ich ließ mich in den Kinosessel sinken und betrachtete die sich drehende Leinwand und noch bevor der Vorspann begann, war ich eingeschlafen. Ich kann mich weder an den Film erinnern noch daran, wie ich nach Hause gekommen bin. Eine Zeit lang wusste ich noch nicht mal mehr, warum ich plötzlich Ohrlöcher hatte.

Der erste Kuss

Star TrekFirst time first love oh what feeling is this – Electricity flows with the very first kiss…“ Meinen ersten Kuss vergab ich – unter sehr obskuren Verhältnissen – 1991 im Kino. Wo sonst? Da ich mir mit meinen 17 Jahren wie ein ungeküsster, hoffnungsloser Versager vorkam, schmiedete ich einen durchtriebenen Plan zur Erlangung meines ersten Kusses, denn bei einem Forst geht nichts ohne Plan. Die Idee: Nadine (Name verfälscht), die ich im Jahr zuvor bei einem Urlaub in Norwegen kennengelernt hatte, zum Kino einladen. Nach einem Treffen der alten Norwegen-Clique unterhielten wir uns stundenlang über Goth und die Welt, tauschten Nummer aus und telefonierten von nun an hemmungslos. Ich erfuhr, dass sie ebenfalls Star-Trek-Fan war und beschloss, dass der aktuelle Film der Star-Trek-Reihe „Das unentdeckte Land“ der ideale Filmtitel für den ersten Kuss sein musste. Schon hundertfach selbst in Filme gesehen: Kino, Popcorn, Dunkelheit, dann den Arm vorsichtig um das Mädchen seiner Wahl legen und irgendwann die Gunst der Dramaturgie nutzen und zuschlagen – also küssen. Leider lief der Film inzwischen nur in unserem Kellerkino, einem kleinen Saal unter den großen Kinos, nachdem er in den Wochen zuvor alle Besucherrekorde gesprengt hatte. Mit Popcorn und Cola in der linken und Nadine in der rechten Hand steuerte ich im leeren Kinosaal zielsicher auf freie Platz in der letzten Reihe zu – die sogenannte Lümmelbank. Mir ist gleich der unangenehme Geruch aufgefallen – eine Mischung aus übergelaufener Toilette und Raumspray. Doch Wolke 7 war mächtig und ich ein Dickkopf. Ich setze auf den Duft von Lagerfeld, das ich meinem Vater geklaut hatte. Auch den Riss in der Scheibe des Projektors, der einen kleinen Teil des Films unkenntlich machte, ignorierte ich völlig. Lampen aus, Vorhang auf, Lokalwerbung. Das Popcorn schmeckte auch furchtbar, die Cola war sowieso ohne Kohlensäure. Kaugummi, Trailer, Vorspann. Das Kino stank, überall lag Müll, der Film war kaum zu erkennen und 4 Reihen vor uns ein Kerl, der sich ständig laut räusperte. Alles egal, ich küsste! Nadine guckte wie die junge Vulkanierin, die von Spock gedankenverschmelzt wird. War wohl alles nicht so toll. Zur Krönung setzte ich Nadine anschließend noch in den falschen Zug: „Klar, ich bin mir sicher!“ und ihr Vater musste sie dann mitten in der Nacht an der einsamen Endstation nahe Köln abholen.

Liebes Tagebuch, noch stundenlang könnte ich vom Kino erzählen, aber bestimmt langweilst du dich schon. Von Melanie, mit der ich eine Woche zusammen war und die sich direkt nach dem „Fluch der Karibik“ von mir trennte, weil sie durch mich festgestellt hat, dass sie doch lesbisch ist, erzähle ich dir besser gar nicht. Ich liebe das Kino, obwohl es immer teurer wird und noch so absurde Techniken die Preiserhöhungen rechtfertigen. Ich habe in meinen fast 40 Jahren Kinoerfahrung Folgendes gelernt: Es gibt keine Pause-Taste im Kino, die Idee, kurz vor der Vorstellung auf Klo zu gehen, haben viele, manchmal ist der Trailer besser als der Film und Lehnen, die man nicht hochklappen kann, sind doof.

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Melle Noire
Melle Noire (@guest_50619)
Vor 9 Jahre

Huhu!

Auch ich liebe Kino, komme heute aber irgendwie zu selten dazu, wirklich reinzugehen. Bei meinem ersten Kinofilm war ich 12 – das war damals Jurassic Park. Vor allem in meiner Jugend war ich dann 2 Jahre lang extrem oft in irgendeinem Film. 2 mal wöchentlich vernichtete ich im Dunkeln dann auch wahlweise 6 Schachteln Eiskonfekt ( das Gesicht der Eis-und Knabbereienverkäuferin war auch immer echt göttlich, wenn sie mich nochmal fassungslos fragte: „…6????????????“ ) oder eine 20er-Tüte Chicken Mc Nuggets. Früher habe ich wesentlich mehr gegessen als heute dank einer sehr praktischen genetischen Veranlagung ( ich wog immer 50kg, egal was und wieviel ich aß ), mit 25 etwa musste ich dann allerdings meine Ernährung leicht umstellen und auch insgesamt die vertilgten Mengen reduzieren *flöt*… Aber spart ja auch Geld! :D

Bis zur Mitte der Nullerjahre war ich weiterhin häufig im Kinosaal anzutreffen, allerdings nicht mehr 2x die Woche. Danach wurde es mir irgendwann zu teuer und daher gehe ich inzwischen nur noch hin und wieder ins Kino – obwohl ich das nach wie vor total gerne tue! Hätte ich viel Geld, dann würde ich mir meinen eigenen Kinosaal bauen lassen, mit Samtsesseln und einem schweren Vorhang vor der Leinwand, vielleicht so mit 20-30 Plätzen *träumz*…

Was ich aber nie gemocht habe: Flachbaukinos… *ARGS* Da MUSSTE ich mich immer in die erste Reihe setzen, denn im mittleren Teil machten die Sesselreihen immer eine Biegung nach unten, so dass man dann quasi in einer großen Kuhle saß ( ich habe nie verstanden, warum man dort tiefer sitzen musste als ganz vorne ). Und wenn ich eines hasse, dann sind es die Köpfe anderer Menschen, die mir die freie Sicht auf die Leinwand versperren, das geht für mich so GAR NICHT. Das vermehrte Auftauchen der ganzen Multiplexkinos mit ihren treppenstufig angelegten Sitzreihen im Saal empfand ich als wahren Segen. Endlich konnte man von fast jedem Platz aus alles sehen! Sehr genial. Dort verfrachtete ich mich am liebsten in die allerletzte Reihe. Seitdem ich mit meinem Freund zusammen bin, muss ich mich allerdings mit irgendeiner mittleren Reihe zufriedengeben, da er nicht so gute Augen hat und nur alle Jubeljahre mal zum Augenarzt geht. *gnarf*

Wenn ich an bisherige Highlights im Kino zurückdenke, dann fallen mir in erster Linie Filme ein wie Matrix, Das fünfte Element, Der Herr der Ringe I-III, Avatar, Starship Troopers, Star Trek 8 – Der erste Kontakt ( ich bin eindeutig ein Kind der Picard-und Janeway-Ära ), The 6th Sense, Silent Hill, Event Horizon, die Spiderman-Filme mit Tobey McTralala ( ich weiß net mehr, wie man den Nachnamen schreibt ), Hollowman, The Watchmen, Van Helsing, Blade, X-Men, Der König der Löwen *fg* ( da war ich 5x drin ), Independence Day ( auch wenn ich den erst hinterher mochte ), Men in Black alle Teile, Fight Club, Sieben, Heiter bis wolkig mit der Aussicht auf Fleischbällchen, Drachenzähmen leicht gemacht und und und … Es gibt ja so viel geilen Scheiß!!! Etliche Filme habe ich sicherlich auch längst schon wieder vergessen oder nur noch dunkel in Erinnerung. Wie zB Mimic, den ich damals echt gut fand.

Dunkle Grüße! :)
Melle

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 9 Jahre

Ja, gibt es noch hier im Cinestar :) Zumindest die paar Male in denen ich dort war, gehe dann doch lieber in das kleine Independentkino. Aber mir tut dieser arme Mensch, der dann durch den Kinosaal schreien muss immer leid, das Angebot wurde nie so wirklich genutzt…

Prinzipiell gehe ich furchtbar gerne ins Kino (nur auf diesen 3D Kram verzichte ich gerne^^). Dort entfalltet sich einfach eine ganz eigene und besondere Atmosphäre und man kann sich viel besser in den Film fallen lassen als zu Hause. Und klebrige Finger vom Popcorn, dass man schon in der Werbepause gegessen hat, gehören auch irgendwie dazu. Ich muss allerdings zu geben, dass ich mich nur an wenige Filme erinnere, die ich Kino gesehen habe und wenn, dann meistens weil sich mit anderen für mich bedeutsamen Ereignissen verbunden waren. Eigentlich spannend, wie sich am Kinoverhalten Lebensabschnitte und Prägendes festmachen lassen….

Melle Noire
Melle Noire (@guest_50641)
Vor 9 Jahre

@ Robert: Das Eiskonfekt habe ich mir meist VOR dem Betreten des Kinosaals an der Kasse geholt. ;) Aber es kamen früher tatsächlich auch noch mal Eismänner mit ihren Kühlboxen kurz vor dem Film rein. Ab und zu habe ich von ihnen auch was gekauft. Fand ich jetzt net megaunpraktisch *achselzugg*…

@ Flederflausch: 3D finde ich im Kino gar net übel, hab mir schon etliche Filme mit Brille auf der Nase reingezogen. Vor allem SciFi-Kracher kommen gut in 3D und auch Animationsfilme… :)

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