Die Loveparade, die dieses Jahr unter dem Motto „The Art of Love“ in Duisburg stattfand wurde durch eine Katastrophe nur noch ein Schatten ihrer selbst. Bei einer Massenpanik vor dem Haupteingang des Veranstaltungsgeländes sind nach Angaben von tagesschau.de mindestens 19 Menschen ums Leben gekommen, 342 wurden schwer verletzt. (Stand vom 25.07.2010 – 07:42) Wie es letztendlich zu dem Unglück kommen konnte ist noch ungeklärt, die zahlreichen und mittlerweile auf YouTube hochgeladenen Videos zeichnen ein erschreckendes Bild.
Wie auf dem Liveticker Der Westen nachzulesen ist, sieht Duisburgs Oberbürgermeister die Schuld bei den Besuchern selbst: „Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland sieht die Ursachen nicht im Sicherheitskonzept. Die Ursache sei, das 15 Menschen über die Absperrung und dann die Mauer hochgeklettert seien und – vermutlich aus acht bis neun Metern Höhe – heruntergefallen seien. Die Notärzte hätten bei den Toten und Verletzten Quetschungen des Rückenmarks festgestellt. Das unterstreiche seine These.“ (20:32)
Ich finde es unmöglich, verwerflich und respektlos das man sich zu solchen Äußerungen hinreißen lässt und den Toten die Schuld selbst zuschiebt. Wahrscheinlicher ist, das es durch viele Umstände zu der Massenpanik gekommen ist, die im Vorfeld unterschätzt wurden. In einer solchen Menschenansammlung aus der eine solche Panik entsteht, herrscht eine ganz eigene Dynamik, die man als einzelner nicht kontrollieren kann, was bei vielen wieder zu einer Panik führt. Die Menschen die auf gefährliche Art und Weise solche Wege nutzen und dann abstürzen handeln in Todesangst und niemand, der nicht gleiches empfunden hat, darf so vermessen sein zu urteilen wie man sich besser verhalten hätte. Das solche Veranstaltungen grundsätzlich beherrschbar sind, zeigen viele Beispiele aus der Vergangenheit: Die Loveparade in Berlin oder auch das Stillleben auf der A40 einige Tage zuvor.
Adolf Sauerland weiter: „Adolf Sauerland verteidigte sich auf der Pressekonferenz im Rathaus gegen Vorwürfe, das Festival-Gelände sei nicht geeignet und die Stadt Duisburg nicht auf den Andrang und Engpässe vorbereitet gewesen: „Alle Sicherheitsvorkehrungen, die notwendig waren, sind von den Ordnungskräften eingeleitet worden. Es ist dafür gesorgt worden, dass nur die Größenordnungen in den Tunnel geleitet wurden, die der Tunnel verkraftet. Aber soweit wir das Szenario kennen, sind die Toten entstanden, weil man Sicherheitsvorkehrungen überklettert hat und dann abgestürzt ist.“
Angesichts der Bilder und der Berichterstattung wirkt die letzte Aussage des Bürgermeisters wie ein schlechter Scherz. Ich denke, ein solcher Zugang ist grundsätzlich ungeeignet für eine Veranstaltung dieser Größenordnung und der Hauptgrund für ein solches Unglück. Man hat die Menschenmassen unterschätzt und sich zu einer vorschnellen Genehmigung verleiten lassen. Schuld sucht man nicht bei den Toten einer solchen Panik, sondern bei denen die im Vorfeld nicht weit genug gedacht haben.
[UPDATE]:
Den wohl eindringlichsten und objektivsten Bericht zur Katastrophe in Duisburg lieferte am Sonntagabend SpiegelTV, die mit einem Großaufgebot an Kameraleuten eigentlich die üblichen Nebenwirkungen der Loveparade dokumentieren wollten. Was die Redakteure dann bis Sonntagabend zusammentragen, ist unglaublich authentisch und erschreckend und dürfte den Veranstaltern und Verantwortlich das Genick brechen. Hier ist es mit einfachen Rücktritten und Beileidsbekundungen nicht getan.
Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 1
„Für die Stadt Duisburg sollte das Techno-Event ein Imagegewinn sein. Man wollte zeigen, dass man dem Ansturm auf die Parade auch in einer mittleren Großstadt gewachsen ist. Eine fatale Fehleinschätzung, wie die Katastrophe von Duisburg gezeigt hat. Sehen Sie eine Rekonstruktion der Ereignisse von SPIEGEL TV.“
Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 2
„Wie man auf die irrwitzige Idee kommen konnte, eine Million Menschen durch einen einzigen Tunnel zum Veranstaltungsgelände zu schleusen, bleibt das Geheimnis der Veranstalter. Am Haupteingang kommt es zur Massenpanik. Teil 2 der Rekonstruktion – Eine Treppe als Todesfalle“
Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 3
„Die Katastrophe ist eingetreten: Mehr als 300 Verletzte, 19 Tote und ein Massenspektakel, das zum Alptraum geworden ist. Teil 3 der Rekonstruktion – Die Retter.“
Spiegel TV Magazin – Chronik einer Katastrophe Teil 4
„19 20 Menschen sind tot. Das Sicherheitskonzept hat versagt. Teil 4 der Rekonstruktion – Es beginnt die Suche nach den Schuldigen.„
Da die Blog-Autorin den Wunsch geäussert hat, den Link zu verbreiten, tue ich das mal an dieser Stelle:
Auch wenn ich der Loveparade absolut nichts abgewinnen konnte. Und ich nur kopfschütteln mitverfolgte wie diese vor ein paar Jahren wieder reanimiert werden musste, so finde ich doch, dass dieses ein allzu zynisches Ende dafür darstellt.
Das Festival des Frohsinns und der Ausgelassenheit schlechthin, wird zum Schauplatz tödlicher Massenpanik. Da kann man mal wieder sehen, dass das Leben doch die „interessantesten“ Geschichten zu schreiben vermag.
Und genau dass ist der Grund, weshalb ich großen Massenaufläufen skeptisch gegenüber stehe. Eine kleine Gruppe von Menschen ist zumeist vernünftig. Aber diese Vernunft scheint mit zunehmender Gruppengröße getilgt zu werden. Und lässt diese Masse auf eine derart verstandlose Weise reagieren, dass keine Rücksicht auf Verluste genommen wird. Und da soll noch einmal jemand sagen, dass der Mensche sein Instinktverhalten abgelegt habe.
Ich bin aber mal gespannt wessen Kopf (und warum) dafür rollen wird.