Das schwarze Netz teilt sich – wie jedes Jahr – in die üblichen 3 Lager. Da hätten wir die Pilger, die sich glücklich schätzen ins 4 Tage lang heilig gesprochene Leipzig fahren zu können, um dem Wave-Gotik-Treffen zu huldigen. Seit Tagen sind sie damit beschäftigt, Facebook mit ihren Outfits zu überfluten, Wettervorhersagen zur Diskussion zu stellen und ihr persönliches WGT-Programm zum Besten geben. Sie posten ihre Treffpunkte, bekunden ihre Teilnahme an allerlei Nebenveranstaltungen und sind chronisch aus dem Häuschen oder wahlweise übertrieben cool, was bei der aktuellen Wetterlage aber mehr als schwierig erscheint (Oder auch nicht: drei Wetterberichtsseiten, drei Vorhersagen, ich nehme ja gerne die ohne 40 Grad und ohne Gewitter).
Dann gibt es die Daheimgebliebenen, die dieser Tage scherzhaft Heimchen genannt werden und sich wahlweise ein linkes oder ein rechtes Bein (oder gleich beide samt Kopf und Arme) ausreißen würden, um auch nach Leipzig fahren zu können. Doch entweder sind sie mit einem akuten Loch im Geldbeutel gepeinigt, haben einen uneinsichtigen Arbeitgeber, sind von familiären Verpflichtungen gebeutelt oder stehen unter dem Bann einer mysteriösen Krankheit. Die überfluten Facebook dann mit schriftlichen Trauerbekundungen oder Fotos von ihren beleidigten Gesichtern, sie wünschen den Reisenden Glück, geben sogar noch Tipps und verteilen massenhaft zustimmende Daumen unter den Outfitpräsentationen der Pilger. Der Trauerflor für das gesamte kommende Jahr ist bei diesen Gebeutelten gesichert.
Und letztendlich haben wir die Missgoten. Die, die nicht gönnen können, die das Wave-Gotik-Treffen für einen kommerziellen Moloch halten und für die Szene eigentlich tot ist, Sterben wird, im Sterben liegt oder zu mindestens unheilbar krank ist. Die Missgoten erfreuen sich daran, immer dann ihren Senf dazuzugeben, wenn sich der Pilger freut oder das Heimchen sich ärgert. Wie unpassend das Outfit ist, wie szenefremd die bevorzugte Band ist, wie schrecklich das Rahmenprogramm und eigentlich sind alle anderen Veranstaltungen sowieso besser.
Im Grunde haben sie jedoch alle etwas gemeinsam. Sie interessieren sich für die Szene, das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig und sind im Internet aktiv. Für alle die haben wir ein virtuelles Rahmenprogramm geschnürt, das euch über die kommenden Tage begleiten soll, so ein bisschen wie Zini das Wuslon, falls das noch jemand kennt. Wehe jetzt kommt mir jemand mit „früher war alles besser“! Und so könnt ihr als Beifahrer auf dem Weg nach Leipzig einen frischen Artikel lesen, beim schlürfen des ersten Aufwach-Kaffees im Netz stöbern oder sonstwie mal vorbeischauen und einen Kommentar da lassen. Denn die Szene lebt nicht vom WGT, sondern hat viele Facetten.
Als etwas wehmütig guckendes Heimchen schonmal ein riesengroßes Dankeschön im Voraus :)
„Wat, imma noch dat olle Kommerzdingens dahinten. Früha wah dat doch eh allet bessa: Da jab et noch n Bier für zwo mark fuftzisch anne Theke und Dat Isch in Bestform uffe Bühne. Und da hatte dat allet noch wat zu Bedeuten. Wir wollten noch wat zum Ausdruck bringen un nich nur so rumhampeln.“
Ne, viel Spaß und vielen Dank vorab. Ich spar mir das WGT – aus Bequemlichkeit und aus beruflichen und privaten Verpflichtungen. Bin also gespannt …
Ein wehmütiges Zwangs-Heimchen wünscht euch viel Spass!