Viele der Jugendlichen, die Ende der 70er Jahre im Punk eine neue und radikale Form der Selbstverwirklichung sahen, nähern sich mit müden Schritten dem Rentenalter. Die meisten von ihnen spielten damals in irgendeiner Band und folgten dem Motto „No Future“, schmissen Schule, Studium oder Berufsausbildung für ihren neuen Lebensweg, den Punk. Eine junge Punkerin aus Düsseldorf schilderte das 1981 so:
“Es ist einfach zu spät. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo man einfach Leben und warten kann. Warten worauf? Das die Bombe fällt.”
(Un)Glücklicherweise ist das bis heute nicht passiert. Eine Radiosendung auf WDR5 beschäftigte sich mit einer Studie des Kölner Institut für Musikwissenschaft, die die Lebenssituation von rund 100 Punks untersucht haben. Fazit: Den meisten Punks geht es heute nicht so gut, bis auf ein paar Ausnahmen wurden sie alle mit ihren Bands oder im Leben nicht erfolgreich. Gefangen zwischen Gelegenheitsjobs und Transferleistungen, sehen die meisten einem eher traurigen Lebensabend entgegen.
Für immer Punk! – Wer sich nicht belügt, geht unter
Die Goldenen Zitronen brachten in Gedenken an den verstorbenen Johnny Thunders das Stück „Für immer Punk“ heraus, das selbst Anfang der 90er die Fahne des Punks fest in den Boden der Realität zu rammen scheint.
Doch sind wir ehrlich, wer sich nach seinen wilden Jahren als Punk nicht dem verhassten Establishment fügte, einen Beruf erlernte und irgendeiner täglichen Routine nachging, steht heute vor dem finanziellen Desaster. Den meisten Bands ist der Erfolg verwehrt geblieben, manchmal bucht man sie um der alten Zeiten willen. Berühmt wurden einige wenige, und die sind heutzutage weniger Punk als man gemeinhin annehmen dürfte. Die Toten Hosen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Campino lebt heute gesund, sportlich und erfolgreich. Sein „Selbstbestimmtes Leben„, von dem er im Interview des Podcasts erzählt, erscheint mir wie eine Lüge, denn nur der Erfolg und Geschäftssinn ermöglichen ihm heute diese Lebensweise.
Das Warten auf „die Bombe“ war vergebens. Stattdessen finden sich zahllose Schicksale derer, die genau dafür lebten. Egal was morgen ist, wichtig ist das heute! Wer von den weniger erfolgreichen Punks heute selbstbestimmt lebt, bewegt sich häufig am existenziellen Abgrund.
So ein bisschen belügen sich die, die sich heute noch wie ein Punk fühlen und von einem selbstbestimmten Leben reden. Ich finde das nicht schlimm. Wer von uns macht das nicht?
Gegen die Regierung, gegen den Mainstream, gegen das Establishment, gegen Kommerz? Alles kein Problem, wenn du für die finanzielle Grundlage sorgst, die dir ein Leben in seinen Grundbedürfnissen ermöglicht. Nahrung, Wohnung, Wärme, Gesundheit. Alles nicht umsonst. Wird es auch nie.
Als Jugendlicher schmeißt du dich in die Fluten des Flusses, den die Gesellschaft als Lauf des Lebens definiert. Du kraulst entgegen der Flussrichtung mit allen Kräften, die dir zur Verfügung stehen. Und tatsächlich! Manchmal kommt man ein Stück vorwärts, bewegt sich gegen den Strom und fühlt sich frei und unbesiegbar. Doch irgendwann lässt die Energie nach. Du wirst müde. Jetzt kannst du deinen Kopf benutzen oder dich treiben lassen, um letztendlich im Meer als Treibholz der Andersartigkeit um dein Überleben zu kämpfen. Wer seinen Kopf benutzt, schwimmt quer zum Strom. Klar, ein paar Meter treibt es dich flussabwärts, aber du erreichst irgendwann das andere Ufer und sicherst dir wenigstens ein Stückchen der legendären geistigen Freiheit.
Vergiss dabei nicht, einen Stein in den Strom zu werfen. Vielleicht findest du ja Gleichgesinnte, die auch einen Stein schmeißen und wenn irgendwann genug Steine im Flussbett liegen, verändert selbst der reissendste Strom seine Richtung.
Es gab und gibt für mich immer einen Spruch: Entweder du machst Punk oder du bist Punk. Viele die genau wie ich den ersten Weg gewählt haben sind immer noch froh und munter wenn auch nicht alles so verlief wie es sollte. Und der Spruch galt nicht nur für Punk sondern für alle Szenen.
Von denen die den zweiten Weg gewählt haben sind schon viel gegangen und liegen irgendwo verscharrt in der Erde. Drogen, Armut, Elend. Und ob dann der Spruch „Ja aber er/sie war selbstbestimmt“ so richtig ist glaube ich nicht.
In Jugendjahren hingen neben unserer kleinen (mehr oder weniger) schwarzen Clique auch immer ein ziemlich großer Haufen Punks ab…zu einigen hatte man auch guten Kontakt..stiessen auch häufiger mal auf ein Bier an..während bei uns Mixtapes mit Sisters, Placebo Effect, Christian Death usw. Cassettenplayer liefen. Ich kenne noch so den (oder die) eine(n) oder andere(n), der/die wirklich nicht am Existenzminimum lebt, nen Beruf und Kinder hat und trotzdem aber sowas von 100pro den Punk-Spirit lebt…einige spielen sogar noch in Bands. Überhaupt ist Erfolg sowieso immer relativ..wenn man die kleinen Sachen wertschätzt, geht es ja sowieso um Zufriedenheit. Punk war doch sowieso immer die Antithese von Erfolgsdenken (Die Toten Hosen kann man ja nun nicht wirklich als Referenz nennen..vielleicht eher ne Band wie EA80 die sich konsequent dem Kommerz verwährt und nur ihr eigenes Ding durchzieht). Also kann ich so nicht bestätigen, der Geist des Punk ist noch durchaus da…gefühlt vielleicht intensiver als Gothic & Co. Wie das H.Gen schon geschrieben hat, gab es natürlich auch solche, die aufgrund ihrer selbstdestruktiven Lebensweise schon das Zeitliche gesegnet haben..aber Sucht ist ja auch sowieso eine gesamtgesellschaftliche Angelenheit.
„Den meisten Punks geht es heute nicht so gut,(…)Gefangen zwischen Gelegenheitsjobs und Transferleistungen, sehen die meisten einem eher traurigen Lebensabend entgegen.“
Was für eine (Spieß)Bürgerliche Sichtweise, übrigens vom Macher(?) der Sendung formuliert. Als wenn finanzielle „Unabhängigkeit“ (Würde ich im Bereich der Lohnarbeit generell infrage stellen) der Quell aller Glückseligkeit wäre. Das passt dann auch so gar nicht zu den Aussagen der Interviewten. Da klingt das nämlich alles andere als „traurig“. Die sind nämlich zufrieden.
„Alles kein Problem, wenn du für die finanzielle Grundlage sorgst, die Dir ein Leben in seinen Grundbedürfnissen ermöglicht. “
Genau, geh mal arbeiten! Soso, man/frau darf also nur dagegen sein, wenn man/frau Lohnarbeitet… was für ein (bürgerlicher) Blödsinn!
Das oben zitierte klingt sowas von nach meinem Vater mitte der 1990er Jahre.
Hey Robert: Auch „erwachsen“ geworden?
das H.Gen : Ja, ich kenne Deine Erfahrungen aus den vielen Erzählungen. Auch ich bin der Ansicht, dass Selbstbestimmung ein sehr trügerischer Begriff ist, den man – zumindestens nach meiner Erfahrung – nicht so leben kann. Vielleicht sehe ich das ganze auch zu „bürgerlich“ oder wir sind, um das aus der Antwort an Testbunker vorwegzugreifen, einfach alt geworden.
The Drowning Man : Ja, das ist was dran. Ich liebäugle durchaus mit dem Punk-Spirit, den du so treffend beschreibst, hadere aber wahrscheinlich mit meiner eigenen Prägung. Vielleicht ist meine Sicht der Dinge auch eine falsche, das will ich gar nicht abstreiten. Viel mehr geht es aber auch darum, dass es kein richtig und falsch gibt. Ich kenne auch Punks, die sich durchaus am Leben beteiligen und nicht am Existenzminimum überleben wollen. Punk beschränkt sich, wie ich das so sehe, nicht nur auf die eine und sehr extreme Lebensweise.
testbunker : Vielen Dank für deinen sehr gelungenen Kommentar! Der hat mich so intensiv beschäftigt, dass ich hier auf einzelne Punkte eingehen möchte:
Ich selbst stelle finanzielle Unabhängigkeit, wie sie hier von Dir augenscheinlich definiert wird, sowieso nicht als erreichbares Ziel für jedermann hin. Ich glaube es geht viel mehr darum, seine Lebenskosten zu decken, die einem einen gewissen – und für mich wichtigen – Lebensstandard zu halten. Aber natürlich hast du völlig recht. Ob das der Quell aller Glückseligkeit ist, wage auch ich zu bezweifeln. Jetzt wo du das aber so darstellst und ich mir den Podcast ein zweites mal angehört habe, stimme ich dir ein zweites mal zu. Die Färbung der Sendung ist tatsächlich etwas voreingenommen.
Kann man das aus meinem Text so interpretieren? Hmm, das wollte ich natürlich nicht zum Ausdruck bringen. Für mich ist Fakt, dass man zu Erhaltung der (für mich wohlgemerkt) wichtigsten Bedürfnisse nun mal Geld verdienen muss. Wohnungen sind nicht umsonst, Wärme im Winter ist nicht umsonst, Gesunderhaltung ist auch nicht kostenlos und teilhabe an Kultur ist ebenfalls mit Kohle verbunden. Dagegen sein darf jeder, völlig egal in welchen Lebensumständen er lebt. Vielleicht habe ich aber auch einen falschen Eindruck, wogegen ist Punk Deiner Meinung nach eigentlich?
Es ist sogar noch schlimmer: Ich bin „alt“ geworden!
Ich möchte jedoch zu bedenken geben, dass ich selbst nie Punk war und mich auch mit den „Zielen“ des Punk nicht identifizieren konnte. Ich stamme aus der bürgerlichen Mitte, wie die meisten Gothics und habe diese Mitte nie wirklich abgelehnt. Sicher, ich will Dinge besser machen und mich entwickeln und habe darüber hinaus auch einiges an Rebellion und „Dagegen“ zu sein verloren.
Mit dem Alter wird man müde. Eine unausweichliche Tatsache, die mit Sicherheit auf die Punks, die nun kurz vor dem Rentenalter stehen, ebenfalls zutrifft. Ob der „Glück“ dann eher mit der Gefühl einhergeht, sich den selbst gewählten Umständen ergeben zu haben, lasse ich mal dahingestellt. Mit Ende 50 bist du einfach müde geworden, um die tägliche Existenz zu strampeln, denn „Lebenskunst“ ist eine Lebensweise, die viel Energie kostet, wie ich finde.
Kein Weg für mich. Ja, wahrscheinlich hast du recht, ich bin erwachsen geworden. Auch ich bin damit glücklich. Möglicherweise steht es mir nicht zu, mir ein Urteil über die Lebensweise anderer Menschen zu bilden, meine Gedanken mache ich mir trotzdem. Der (glückliche) Mensch neigt dazu, seinen Lebensweg als Idealbild zu sehen und zu unterstellen, dass die „Anderen“ alles nur Rattenärsche sind :-)
Bin ja eher eine „stille“ Leserin hier und habe bisher nur wenige Kommentare (öh, vielleicht 3) hinterlassen, aber nun ist es wieder so weit.
Punk war/ist etwas mit vielen Aspekten und Ansichten.
Mich hat es sehr früh in meiner Jugend gelangweilt, wenn ich von anderen Punks nicht „anerkannt“ wurde, weil ich nicht auf der Straße lebe, keine System-Zecke bin, usw. Als wäre Punk eine reines asoziales Klischee-Dasein (Mein Knackpunkt: Für die Gothic_Szene zu aggressiv und zu laut, für Punk-Szene zu melancholisch und düster.). Irgendwann wurde ich gemieden, weil ich nach der Realschule eine Ausbildung angefangen habe (damit hab ich mich für einige ins System eingefügt). Was ich sogar lustig fand, weil die anderen schön brav sponsored by Mami&Papi weiter zur Schule/Studium gegangen sind. Elitäres (oder ist es Klischeehaftes) Denken gibt es in allen Szenen.
Punk war/ist für viele auch die Möglichkeit so zu sein, wie man ist. Auch mal laut. Kritisch. Dagegen. Aggro. Hässlich. Mal eine andere Seite raushängen zu lassen und das auch ganz kreativ. Ja, jetzt arbeite ich halt eben, als Nachtschwester im Krankenhaus. Damit bewirke ich mehr, als wenn ich klischeehaft punkmäßig auf der Straße sitze und mich betrinke und aufs System schimpfe. Man kann ja eine Anti-Haltung haben und predigen, aber sie umzusetzen, das schaffen die wenigsten. Man kann gegen das System schon sein, aber wenn man es ändern oder „zerstören“ will, dann muss man seinen Arsch halt hochkriegen und nicht nur jammern. Usw. usw.
Punk hat mir in meiner Jugend sehr viel Möglichkeiten der Selbstbestimmung, Authentizität, Persönlichkeitsentwicklung (ja eine gewisse Fuck-You-Mir-doch-egal-was-du-denkst-Haltung) und Kreativität gegeben. Und ich glaub damit bin ich nicht allein.
Entschuldigung..mir ist gerade der Sinn danach!
https://www.youtube.com/watch?v=8HLkYhXTfLk
ist zwar Hamburger Schule und nicht direkt Punk…aber zumindest ein NDW-Ableger
Für mich klingen Alkohol, Drogen und Hartz 4 – wie im Radiobeitrag beschrieben – nicht wie ein selbstbestimmtes Leben. In allen drei Fällen begibt man sich in eine Abhängigkeit von irgendwas, irgendwem oder sogar vom verhassten System. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man nicht selbstbestimmt handelt (handeln kann), oder?
„Der Quell aller Glückseligkeit“ (laut testbunker) ist finanzielle Unabhängigkeit natürlich nicht, aber mich würde es sehr stören, von einem Amt gesagt zu bekommen, wann ich wo sein soll, wie viele Bewerbungen ich an wen schreiben soll und welche Fortbildung ich machen muss, damit meine Miete bezahlt wird und ich mir gerade genug Lebensmittel kaufen kann. Da spürt man doch die Macht des Staats unmittelbar. Zweimal nicht gespurt, und die Leistungen werden gekürzt. Ich beziehe mich auf die Alt-Punks im Beitrag, die erzählen, dass sie von Hartz 4 leben. Ich verstehe auch das ganze Prinzip nicht. Wer arbeiten geht, passt sich dem System an. Wer vom Staat und von den Leuten, die arbeiten gehen, sein Leben finanziert bekommt, ist unabhängig? Erscheint mir total unlogisch.
Auch andere Punkte sind widersprüchlich. „Bier trinken“ wird von den Punks gepriesen. Ich zitiere mal von der Lobbypedia:
„Der Deutsche Brauer-Bund (DBB) ist die Interessensvertretung der deutschen Brauereien und eine der ältesten Lobbyorganisationen in Deutschland. Der DBB pflegt gute Beziehungen zur Politik. So wird seit 2002 jährlich der Titel „Botschafter des Bieres“ verliehen, häufig an Politiker_innen.“
Wie viele Milliarden Euro Umsatz mit diesem „Kommerz“ jährlich gemacht werden, weiß ich nicht. Müsste man Bier als Punk dann nicht ablehnen? Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin kein Punk. Mir erscheint dieser „Kampf“ nur so inkonsequent. Oder verstehe ich da was falsch?
https://www.investmentpunk.com/investment-punk/
@Robert
„Kann man das aus meinem Text so interpretieren?“
Jo, das hier hab ich dahingehend interpretiert:
„Gegen die Regierung, gegen den Mainstream, gegen das Establishment, gegen Kommerz? Alles kein Problem, wenn du für die finanzielle Grundlage sorgst,“
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„Vielleicht habe ich aber auch einen falschen Eindruck, wogegen ist Punk Deiner Meinung nach eigentlich?“
Also Punk war und ist für mich eigentlich eher ein „dafür“ als ein „dagegen“.
In erster Linie selbst was auf die Beine zu stellen ohne dafür viel Geld und know how zu benötigen. Sei es Bands gründen, Fanzines machen, Konzerte zu veranstalten (Geht in Städten, wo Häuser/AJZ´s erkämpft wurden i. d. Regel ziemlich einfach), Partys, politische Veranstaltungen usw.. Kurz: D.I.Y.!
Dann eben eine „Verbundenheit“ von Menschen, egal welcher Herkunft, Geschlecht, sozialer Schicht etc., also Punk als verbindendes Element.
Ich bin Punk geworden (wenn man es denn so nennen will), weil das für mich ne unglaubliche Power hatte, und ich fand, die Leute sahen cool aus, die Mucke hat gefetzt. Ich weiß noch genau, wie ich die ersten Punkscheiben gehört hab und ne Gänsehaut hatte.
„Es ist sogar noch schlimmer: Ich bin “alt” geworden! “
Ich bin jetzt 40 und gerade Punk sorgt dafür, dass ich mich nicht alt fühle.
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Orphi:
„Für mich klingen Alkohol, Drogen und Hartz 4 – wie im Radiobeitrag beschrieben – nicht wie ein selbstbestimmtes Leben.“
Lohnarbeit auch nicht. Son Typ namens Adorno hat mal gesagt (oder geschrieben?) „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. So ausgelutscht der Spruch auch ist: Hier passt er mal wieder wunderbar, gerade in Bezug auf das von dir Geschriebene wie auch für Punk als ganzes.
„Auch andere Punkte sind widersprüchlich. “Bier trinken” wird von den Punks gepriesen.“
HARHAR! Nix für ungut, aber den finde ich richtig lustig!
Im Ernst: Die Anti-Kommerzhaltung erschöpft sich im Punk ja auch eher auf das Kulturelle wie Musik, bzw. Konzerte. Wobei hier auch eher nur ein Teil „der“ Szene hier einigermaßen konsequent ist.
Aber diese Anti-Kommerzhaltung hat ja den Hintergrund, dass Wert darauf gelegt wird, das Tonträger und Konzerte eben für alle erschwinglich sein sollen und niemand aufgrund von zu wenig Kohle ausgegrenzt wird. Zumindest habe ich das immer so verstanden. man versucht hier eben einen anderen Weg zu gehen, was oft auch sehr gut klappt und viele andere positive Effekte mit sich bringt.
Des weiteren geht es auch um Inhalte, die mit einer kommerzialisierung in Gefahr geraten.
@testbunker: Aber sowas von totale Bestätigung deiner Aussagen!! Und wie schon erwähnt mehr noch Spirit als die schwarze Szene…die schon seit vielen Jahren (oder sogar Jahrzehnten) immer auf irgendeinem verkopften Indentitätssuche-Trip sich befindet (ich ja auch leider oftmals)…da hat Punk (was ja auch der Papa der Grufti-Szene ist) schon real gefühlt wesentlich mehr Straightness!!
testbunker : „Alt fühlen“ bezog sich dann auf mein Gefühl, dass ich keine Lust mehr habe von der sprichwörtlichen Hand in den Mund zu leben. Ich habe meinen Frieden geschlossen mit der Welt und der Art, wie sie funktioniert. Bin ich deswegen Erwachsen geworden? Klar, ich gehe immer schön brav schuften, um die Lebensqualität zu erhalten, die ich mir hier in meiner kleinen Welt zusammengebaut habe. Wenn ich deswegen „Erwachsen“ bin, dann ist es wohl so.
Bei deiner Definition von „Punk“ bin ich übrigens voll bei Dir, Auch ich bin ein Freund von DIY und versuche Dinge auf die Beine zu stellen, andere dabei zu unterstützen und auch sonstwie einen positiven Einfluss auszuüben. 10 Jahre Kommerzfreies, Non-Profit Bloggen und mittlerweile 8 Selbstgemachte Magazine auf Spendenbasis, die ich an jeden kostenlos verteile.
Und auch ich fühle eine Verbundenheit zu den Leuten, die sich Gothic nennen. Egal welchen sozialen Background sie haben, welches Geschlecht sie haben oder haben wollen oder woher sie kommen. Die schwarze Szene ist auch bei mir das verbindende Element.
Für mich ist die Sicherung der Grundbedürfnisse, essentiell. Im Grunde für jeden Menschen darf ich behaupten. Kein noch so echter Punk kann mir erzählen, das es schön ist, draußen zu schlafen im Winter oder im Herbst. Ich kann mir nicht helfen, aber in Sachen „Selbstbestimmung“ unterscheiden sich die Sichtweise nicht allzu voneinander. Die Punks aus dem Beitrag fühlen sich möglicherweise genauso selbstbestimmt wie ich mich eben fühle. So richtig echt ist das beides nicht, oder?
wichtlhexe : Hallo stille Mitleserin. Schön, das dich dieses Thema in die Welt der Schreibenden befördert hat :) Argumentativ bin ich völlig bei Dir.
Auch das nehme ich mir heraus. Wenn es um den gelebten Gruppenzwang der Gesellschaft in Sachen Verhalten, Aussehen, Emotionen und Meinung, bin ich stets auch Provokations-Kurs.
Ich würde sogar behaupten, es macht viel mehr Sinn, das System von innen heraus zu verändern, als ständig von außen gegen die Mauern der Ablehnung zu hämmern. Seinen Beitrag zu leisten – so wie du es als Nachtschwester machst – halte ich für wesentlich wertvoller und vor allem revolutionärer, als sich hinzusetzen, Parolen gegen das verhasste System zu brüllen und sich mit Gelegenheitsjobs gerade so über Wasser zu halten.
Punk ist, so wie du schreibst, in der Jugend ein Weg, sich gegen die Zwänge – die in diesem Alter stetig zunehmen – zu stellen und seinen eigenen Weg zu finden. Mutig ist es dann, diesen gefunden Weg dann auch zu gehen. Und auch wenn man dazu eine Arbeit erlernt und diesen Job dann ausübt, dann ist daran nichts schlechtes. Und für mich fühlt das dann deutlich Selbstbestimmter an, als die Lebenswege der im Beitrag vorgestellten Menschen.
testbunker Das hat Adorno treffend formuliert. Man kann sein Leben (im Leben) nur so einrichten, wie es sich für einen selbst „am richtigsten“ anfühlt. Ich kann ja nur für mich selbst reden. Selbstbestimmtheit finde ich extrem wichtig, sonst fühle ich mich nicht wohl. Lohnarbeit (in einer Firma) zwängt ein. Keine Frage. Aber ich kann mir immerhin aussuchen, für wen ich arbeiten will und für wen nicht. Wenn ich beim Staat „Bitte bitte“ mache, habe ich keine Wahl mehr und muss beim Amt buckeln. Mir persönlich würde diese Ausgeliefertheit jeden einzelnen Tag versauen. Vielleicht ist das anders, wenn man Musiker ist und auch nichts anderes machen will, aber davon nicht leben kann. Trifft auf mich nicht zu.
Zum Bier: Das ist in der Tat lustig :smile: Ich dachte, die Kommerzkritik bezieht sich generell auf die Gesellschaft. Wenn es nur um Musik und Konzerte geht, dann hab ich nix gesagt.
@testbunker: Ich bin voll und ganz bei dir. Punk sorgt auch bei mir, das ich mich nicht alt fühle, sondern wenn dann maximal anders.
@Robert: Vielleicht bist du weder alt noch erwachsen geworden, sondern ein Stück weit gelassener. Die jugendliche Wut oder den Hang zur Provokation ist oft bei vielen „älteren“ Szeneanhängern da, aber man hat (hoffentlich) gelernt sie zu kanalisieren und seine Energie auf einzelne Aspekte zu richten. Man hat viele Dinge erlebt, gesehen und verarbeitet, da bleibt man dann im Alter bei vielen Sachen cooler. Seh dich einfach als gelassener und erfahrungsreichen Menschen. :wink:
Ein freundliches „Seid gegrüßt“ in die Runde. Ich lese hier jetzt seit geraumer Zeit mit und war schon öfter versucht mich auch aktiv zu beteiligen. Nun habe ich es endlich mal geschafft, den Wust an Gedanken, Bildern und Gefühlen, die beim Lesen in meinem Kopf durcheinanderwirbeln, einigermaßen in Worte zu packen. Juhu.
No Future! Könnte auch ein Slogan der heutigen Jugend sein…
Aktionismus vs Leistungsverweigerung.
Es gibt eine einfache Regel, die jedes Kind kennt: Alles was du tust, hat Konsequenzen!
Lasse ich den Schnuller los, fällt er runter. Springe ich ins Wasser, werde ich nass. Möchte ich „mein Auto, mein Haus, mein Boot“, muss ich fleißig ranklotzen. Gehe ich nicht zur Arbeit weil mein Chef ein Depp ist, muss ich zum Amt. (Wenn ich nicht im Wald wohnen möchte)
Die Punkbewegung hat sich für die Leistungsverweigerung entschieden. Innerhalb der Szene wurde ja durchaus was auf die Beine gestellt(, was hier ja auch schon Erwähnung fand). Dabei muss ich sagen, dass „der Staat“ den Punks in Sachen eigener Lebensgestaltung leider auch so einige Knüppel zwischen die Beine geworfen hat. Wagenburgen geräumt, von öffentlichen Plätzen entfernt, Treffpunkte geschlossen, so wurde halt ihr „Lebensraum“ empfindlich beschnitten. Trotzdem, dass die im Beitrag vorgestellten Menschen jetzt ein weniger selbstbestimmtes Leben führen, als wie wenn sie sich ins Berufsleben gestürzt hätten, kann ich nicht glauben. Man kann ewig darüber diskutieren, wie viel Konsum nötig ist, wann es ungesund wird und was man selbst bereit ist, an (jugendlichen) Idealen aufzugeben, um sich das Leben für sich angenehm einzurichten, wie wichtig einem diese Annehmlichkeiten sind.
Tatsache ist, alle diese Entscheidungen können von jedem ganz selbstbestimmt getroffen werden. Die daraus folgenden Konsequenzen sind in der Regel bekannt. Und weil ich die Königin der törichten Entscheidungen bin, weiß ich ganz sicher, dass man diese Entscheidungen durchaus später revidieren und jederzeit einen anderen Weg einschlagen kann. Nicht immer einfach, aber machbar. Wenn ich mich dafür entscheide
Was mir ungleich näher am Herzen liegt ist SIE.
Robert, Du hast SIE in Deinem Artikel erwähnt. Ganz hinten, fast am Schluss: die legendäre geistige Freiheit. Für mich liegt da der Knackpunkt. (Und vielleicht der Eingang zur Glücksseligkeit?)
Wie oft hört man von irgendwoher: du musst…, du kannst nicht…, … geht so nicht, es gehört sich so: bla,bla…, in deinem Alter solltest du….
So frei im Kopf bleiben, dass man sich vorstellen kann, dass ein „Anders“ immer sehr wohl möglich ist. Auf die eigene innere Stimme hören und nicht jedes „das ist jetzt halt so, damit musst du leben“ mit einem Seufzer hinunterschlucken. Auch wenn wir nicht gleich die Welt aus den Angeln heben, wie wir es uns vorgestellt haben, als wir noch unsterblich waren. Es gibt im Alltag viele kleine Gelegenheiten seiner Überzeugung zu folgen und kurz mal von den genormten Pfaden abzuweichen. Wenn dann einer seinen Kopf schüttelt und dir ein „Du Bist Unmöglich“ schenkt, ein schöneres Kompliment kann es doch gar nicht geben!
Zum Schluss
ein musikalischer Gruß
doch nicht, es ist mir nicht gelungen, den link hier einzubetten, sorry
Das Problem ist, das man zwar in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung alle Freiheiten hat, aber um materiell überleben zu können, diese Freiheiten aber wieder relativiert sind…
Mit anderen Worten, sehe ich irgendwie schräg aus finde ich z.B. keine Lehrstelle…(am ehesten noch im kreativen Bereich)
Also ist es für den/die auf Erwerbsarbeit Angewiesenen. schwierig ein selbstbestimmtes Leben zu führen !
So meine Erfahrungen …
Ich habe die Subkultur(erst nur Rockabilly, dann Punk/Wave) mit 17-18 Jahren so um 1987 für mich entdeckt und meine
Ausbildung an einer Berufsfachschule gemacht, da konnte man rumlaufen wie man wollte, die Probleme fingen dann aber nachher an, erst Recht als ich aufgrund von Arbeitslosigkeit zur Bundeswehr musste…
Rückblickend war es ja doch ganz lustig, aber damals hatte ich zu leiden und wrklich reich geworden bin ich bis heute auch nicht !
Wollte noch hinzufügen, das sich aus der Tretmühle ausklinken in dem man Leistungen vom Staat bezieht , auch nicht das wahre ist, vor Allem nicht seit den unseligen `Reformen“ von Schröder und Fischer,
also Arbeit nur zur den Bedingungen der Arbeitgeber !
Bedingungsloses Grundeinkommen würde vielleicht was bewirken…
Noch ein paar Gedanken zur Punkbewegung:
Eigentlich war es ja erst nur der Gag einiger Kunststudenten(also ein ziemlich elitäres Ding) ästhetisch beeiflusst vom Situationismus der
60er Jahre und politisch auf Anarchismus ausgerichtet, das es so einen Wiederhall auf der Straße findet hätte wohl 77 keiner ahnen
können…
Leider sind durch diese“ Proletarisierung“ auch einige Leute in die
Szene gekommen, für die Rebellion sich in Saufen/Gröhlen/Pöbeln
erschöpfte, vieles in dieser Hinsicht ist auch den Berichten in den Sensationsmedien geschuldet …
Auf der anderen Seite steht die kommerzielle Ausschlachtung der Sache !
Kann mich noch gut erinnern, als Punk/ Wave in den 80ern zum Modeding wurde, mit der aufkommenden Grunge- und Technoszene war es dann out in ging wieder mehr in Richtung Subkultur…
Leider fehlt heute,vor Allem der weniger gebildeten Jugend, meist
der rebellische Geist, man hört oder macht lieber unsäglichen „Deutschrap“…
Sorry, aber selbst wenn die Straßenpunks an ihrem Lebensstil ver-
reckt sind, sie haben wenigstens ihr Ding durchgezogen !
.
Ich glaube, jeder Szene leidet früher oder später unter „Proletarisierung“ und kommerzieller Ausschlachtung. Das lässt sich gar nicht vermeiden, das Leute, die nur rumgröhlen und pöbeln wollen sich irgendwann „punk“ fühlen und das der Markt jede halbwegs populäre Subkultur ausschlachtet. Viel wichtiger finde ich den Umgang damit. Wie du schon selbst schreibst, verläuft das in Wellen. Als Grunge und Techno die Poser „abwarben“ hatten wir knapp 5 Jahre wieder mehr Subkultur, bevor dann wieder „unrebellische Mitläufer“ und „übertriebene Poser“ da waren.
Du kannst diese Phänomene nicht vermeiden, du musst mit ihnen leben.
Ja, ich weiss auch wie diese Mechanismen ablaufen, hat mich aber trotzdem geärgert, früher aber mehr als heute…
(Diese Abläufe haben wir auch Mal im Sowi-Unterricht durchgenommen ,als ich mein Abi nachgeholt habe )
Die Reaktion der (westlichen) Gesellschaften auf Subkulturen läuft
schon seit den sog. Halbstarken in dieser Form(im Osten wurde eher mit Restriktionen reagiert,aber Kapitalismus ist halt flexibler…) damals hat man dann Figuren wie z.B. Pat Boone oder Peter Krauss erfunden, um dem Ganzen die Spitze zu nehmen, bei den Hippies war es schon schwieriger dagegen zu halten, da diese oft einen anderen
intellektuellen Background hatten als die Teddyboys, welche ja meist
aus der Arbeiterklasse stammten…
Das die Szene Mitte der 90er einen solchen Auftrieb hatte ist mir gar-
nicht mehr so erinnerlich, aus dieser Zeit sind mir eigentl. nur die
Chaostage in Hannover im Gedächtnis geblieben…
Ich fand einen starken Wandel in der schwarzen Szene gab es
eher Anfang der 90er als der “ klassische“ Wave(auch so ein schwammiger Begriff, ich weiss…) von der sog. Neuen deutschen
Todeskunst(ich glaube zumindest,so hieß das)mit Lakaien,Lacrimosa usw. abgelöst wurde, damit
änderte sich auch bei vielen Leuten das Styling, so Richtung Rüschen,Samt, bodenlange Mäntel, war Alles nicht so mein Ding…
In Clubs hört man diese Musik allerdings heute kaum noch .
Ich schweife aber schon wieder ab und die Diskussion ist ja eigentlich beendet, aber die paar Gedanken wollte ich doch noch eben los werden…
Sehen wir es doch mal so: Großen Dank an alle angepasste Regelbeachter, Duckmäuser und ewig Gestrige. Wenn jeder so lebt wie er es für richtig hält hätte es Punk und alle anderen Szenen nie gegeben. Die Subkulturen hießen dann Yuppis und Spießer. :grin:
um ehrlich zu sein, fühle ich mich dem punk sehr nahe. als ich mit 13 begann mich für alternative daseinsformen zu begeistern, begann das alles mit punk. gothic entdeckte ich erst wenig später. und obschon ich mit 20 aussah wie ein dreckiger ville valo verschnitt (unabsichtlich- ich sah schon so aus bevor der mann berühmt wurde) incl sakko usw, wurde ich von einem guten freund noch als punk bezeichnet.
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warum ist mir schleierhaft, ich hab nie hinterfragt was genau einen punk ausmacht. ich glaube, die art wie ich gothic interpretiere ist dem punk sehr nahe. ihr müsst euch 2 düstere gestalten vorstellen, die durchs land reisten, hie und da nächtigten, wein weib und gesang… natürlich durfte puder und kajal und ein ewig ranziges sakko nicht fehlen. also dem punk doch irgendwie nahe….. und doch: sex pistols oder exploited waren nicht unsere musiklaische untermalung, damals hörte man eben die berühmte deutsche dreifaltigkeit ( erben, sopor, lacri)… mit fields oder christian death durfte man damals ja niemand kommen, das gab nur genörgel^^
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also bin ich auch nur ein punk in schwarz der anstelle von rebellion die melancholie und die dunkelheit bevorzugt ? LEIDER hab ich eewiglich keinen punk mehr erblickt, wähnte diese sogar ausgestorben. da fällt mir ein, da gab es eine anti afd demo in – schwäbische stadt xy- , da sah ich drei 20 jährige, die wohl so aussehen wollten wie punks, starrten aber die ganze zeit in ihr smartphone android und rauchten teure eigene filterzigaretten und rochen irgendwie nach nivea oder garnier und hatten paar komische aufnäher bekannter spießer meddälbands.. …. wenn das punk anno 2019 ist…. Dann hockten wir im august in der normandie in rouen und schlüften kaffee und auf einmal liefen da zwei dreckige ältere punker herum, die eifrig diskutierten und selbst gedrehte zigaretten rauchten….
warum ich mich zu diesem kommentar hinreißen lies, weis ich nicht mehr…. übrigens- meine tastatur ist kaputt, groß u. kleinschreibung ist grad nervig aufwendig. pardon
@Nossi: Hach, das kommt mir so bekannt vor. Ein sehr guter Kollege von mir meinte auch, auf die damaligen Zeiten Anfang der 90er angesprochen: „Eigentlich waren wir doch Punks..nur in schwarz“. Dabei richtete sich der Focus ab einem gewissen Zeitpunkt musikalisch und vom Enthusiasmus her (Zillo komplett durchlesen, Gruftiwohlfühloase im Zimmer einrichten etc.) deutlich Richtung Gothic, Wave & Co..und vom Indentitätsgefühl war man eindeutig schwarz (Waver oder Gothic oder so aber keinesfalls das stereotype Bild des Batcavers..gab es damals nicht als Begriff für eine Hörerschaft oder Musikrichtung, nur den londoner Club).
Aber trotzdem es schon eine Menge Kategorien und Etiketten gab, schwammen diese erstmal gefühlt nur an der Oberfläche herum und man konnte sich zwar derer bedienen, aber es gab keine Erbsenzählerei mit Kategorien. In meiner Wahrnehmung war es immer irgendwie vom Geist des Punk durchzogen. War ja auch noch die Zeit bevor der Begriff „Alternative“ so etabliert war und die schwarze Szene als eigenständig losgelöste Initiation betrachtet wurde..vielmehr war Goth & Wave eingebettet in den „Independent“ Bereich..und zu dem gehörte halt auch Punk. Ich kannte auch Punks, die etwas mit Killing Joke anfangen konnten….The Damned bspw. war auch so der Schulterschluss zwischen Punk und Goth (man könnte im weiteren zeitlichen Verlauf auch Fliehende Stürme oder EA80 erwähnen).
Vor Kurzem hatte ich mal via Facebook das Musikvideo von „Tyranny For You“ von Front 242 gepostet und eine alte Bekannte, die eindeutig Punk ist, hat den Song weiterverlinkt…versehen mit dem Kommentar an eine ihrer Bekannten aus dem Punk-Umfeld „Mensch..das waren die alten Zeiten..kannst du dich noch erinnern?“. Hat mich dann auch ein wenig positiv überrascht…aber so ganz eindeutig war die Kiste für mich dann damals ebenfalls auch nicht.
Sex Pistols, The Clash und The Stranglers hatte ich aber damals schon auf Vinyl..weil mein Onkel mir ein Paar Sachen aus seiner Plattensammlung überlassen hatte. Die Beschäftigung mit den Einstürzenden Neubauten führte dann auch zur eigentlichen NDW..und da kommt man an Punk sowieso nicht vorbei.
wichtlhexe : Ja, möglicherweise bin ich gelassener. Das sind offenbar die Dinge, die mit dem Alter einhergehen. Möglicherweise kommt auch daher mein Unverständnis, wenn man mit Mitte 50 seinen Platz immer noch nicht gefunden hat. Aber, mein Goth, Leben und leben lassen.
Sometimes Sue : Sehr guter Kommentar! Ich glaube hier liegt tatsächlich mein Betrachtungsfehler verborgen. Ich gehe eben davon aus, dass „mein“ Leben geistig freier ist, als das der im Beitrag vorgestellten Protagonisten. Mich persönlich würde eben die gesamte geistige Freiheit ersticken, wenn ich nicht wüsste, wie ich den morgigen Tag bestreite, wenn ich zum Amt laufen müsste, um dieses oder jenes für mich einzufordern oder wenn ich nicht ein paar warme Wände hätte, die durch dein Fenster einen Blick auf die raue Umwelt ermöglichen.
Ich gebe Dir auch völlig recht. „Leben und leben lassen“ wir den Alternativen, den Punks und sonstigen Individuen sehr schwer gemacht. Ich halte es ebenso für unnötig, deren selbst gewählten Lebensräume, wie zum beispiel Land, Grundstücke oder Häuser, die sonst keinen mehr interessieren, zu beschneiden. Das Überflüssigste ist die „Entfernung“ von öffentlichen Plätzen, weil sich Passanten gestört und belästigt fühlen. Ehrlich, ich fühle mich vom Stand der AfD, dem ADAC oder auch nur vom „Probieren sie unsere Spezialitäten“ Stand mehr belästigt.
Klingt fast poetisch :) Ich mag Deine Sichtweise, Sue. Ein Stück weit bin ich jetzt näher dran an der Toleranz, die jeder für sich proklamiert, aber die schwieriger zu erreichen ist, als der höchste Berg. Danke für Deinen Kommentar!
Nossi : Vielleicht sollten wir für ein neues Keyboard sammeln? :-) Punk anno 2019 ist, genauso wie Gothic, immer noch (oder schon wieder) eine Modeerscheinung. Anders zu sein beschränkt sich für viele darauf, in anderen Klamotten, mit Tattoos, neuen Frisuren oder Piercings aufzutreten. Was es auch wiederrum schwer macht, Punks als solche zu erkennen. Punk ist ja auch irgendwie eine Lebenseinstellung. Von der Norm abweichen, den vorgekauten Weg der Gesellschaft ablehnen, staatliche Institutionen hinterfragen und ablehnen. Oder?
The Drowning Man : Damals hatten wir noch Zeit, Dinge Enthusiastisch zu leben. Da gab es eben nur einmal im Monat die Zillo und 2 Alben vom Lehrlingsgehalt. Die haste eben rauf und runter gehört :) Heute haben wir das Internet, das uns jederzeit mit allen Dingen der Welt zumüllt. Gewollt oder ungewollt. Gut oder Schlecht. Ich glaube für viele kommt die Sehnsucht nach früher auch daher, wieder Ruhe zu finden und nicht darin zu ertrinken, im täglichen Strom der Neuigkeiten und Nachrichten zu ertrinken. Das Gefühl, dass es nur diese Zillo gibt und nicht tausende andere Online-Magazine.
@Robert: Da pflichte ich dir absolut bei…sehe ich absolut genau so! Damals das Gefühl als „isolierte“ Person in seinen heimischen Wänden etwas für sich zu entdecken und nicht wie heute in der Flut von sensationsheischenden Banalitäten via Internet zu ertrinken trug meines Erachtens sehr viel zu diesem Enthusiasmus und Lebensgefühl bei.
Wenn ein 12, 13 oder 14-Jähriger sich diesen Radiobericht anhört, dann wird ihm doch buchstäblich verdeutlicht was passiert, wenn er/sie/es sich nicht diesem „System“ anpasst oder gar unterordnet. Verspürt er/sie/es danach noch den Wunsch, ein selbstbstimmtes, geistig-freies Leben führen zu wollen? Die Punkbewegung war eine „Gegenbewegung“ die auf vielen Ebenen angekämpft hat gegen die kalte und unsoziale Gesellschaft. Die Punkbewegung solidarisierte sich mit allen Menschen, auch mit denen die einen Beruf gelernt hatten und einer täglichen Routine nachgingen, die unter diesen unmenschlichen Bedingungen gelitten haben. Sie kämpften für soziale Gleichheit, bezahlbaren Wohnraum, gegen den Kapitalismus, organisierten Suppenküchen … die Freiheit und Würde eines jeden Einzelnen. Allerdings vermochte das „System“ mit all seiner Macht, vor allem durch Funk und Fernsehen, welche eigentlich unabhängig sein sollten, einen gegen den anderen auszuspielen und verhinderte somit ein solidarisches Miteinander.
Meiner meinung nach ist heutzutage eine ökonomische Grundsicherung eine notwendige Voraussetzung für eine „echte“ Freiheit. Daher bedarf es einer aktiven Vorsorge- und Förderungspolitik des Staates, welcher hierdurch als Ermöglichungsinstrument für die Freiheit fungiert. Aber warum übernimmt der Staat nicht diese Verantwortung, obwohl er es mit Leichtigkeit könnte?
Es existierte einmal ein zweiter deutscher Staat, welcher auf dem Weg zum Sozialismus war. Ein Staat, in welchem die Grundbedürfnisse, z.B. nach günstigen Lebensmitteln, bezahlbare warme Wohnungen, funktionierendes Gesundheitssystem, Sicherheit, Anerkennung und Wertschätzung etc. verwirklicht wurde und die Möglichkeiten gegeben waren, sich frei zu entwickeln. Aber letztendlich scheiterte dieser Versuch unter anderem daran, dass auch dieser Staat zu viel Angst hatte vor der persönlichen Freiheit eines jeden Einzelnen.
Ach, und eine Punk-Band die unbedingt berühmt werden möchte, ist keine Punk-Band. Punkt.
Die Punkmusik war ein Medium, um die sozialen und politischen Forderungen unter die Leute zu bringen. Es wurde bewußt versucht, alles selbst umzusetzen und herauszubringen, anstatt sich großen Plattenfirmen anzubiedern und dabei Gefahr zu laufen, Kompromisse eingehen zu müssen. Einige Bands erlagen der Hoffnung selbst zu bestimmen, was veröffentlicht wird. Sie glaubten daran, die großen Firmen austricksen zu können, um ihre aufrührerischen Ideen zigtausendfach auf Vinyl, und nicht nur wenige 200 Stück, unters Volk bringen zu können. Mit wenig bis gar keinem Erfolg.
Danke Eldin…
…addendum: eine Gothband, die unbedingt berühmt werden will, ist wohl auch keine…