Was ist eigentlich ein Hipster? Dieser inflationär von den Medien verbreitete Ausdruck bezieht sich auf ein möglicherweise subkulturelles Phänomen, dass irgendwann in den späten 2000ern irgendwo in den USA auftauchte und längst in die angesagten Ballungsräume deutscher Großstädte geschwappt ist. Der Hipster, so die landläufige Meinung, definiert sich rein über sein Äußeres. Flanellhemden, die so gerne von den typischen Holzfällern getragen werden, möglichst absurd gestrickte Pullover, die keiner gerne unter dem Weihnachtsbaum haben wollte, enge Röhrenjeans, Converse-Schuhe und die obligatorische Hornbrille definieren sein Outfit. Die Kleidung wirkt wie eine bewusst getragene Stillosigkeit, die wie eine „fetischisierung der Authentischen unter dem Deckmantel der Ironie“ 1 wirkt und sich dabei wahllos in den subkulturellen Stilen der letzten 70 Jahre bedient.
Niemand behauptet einer zu sein, eine Definition fällt schwer. Der Hipster scheint unpolitisch und gibt sich äußerlich radikal, während er aber gleichzeitig an seinen Status-Symbolen und Privilegien hängt. „Seine innere Haltung speist sich aus einem einfachen Dreiklang: ‚Abgrenzung, Narzissmus und einem Gefühl der Überlegenheit‘“ 2. Sie besiedeln angeblich ehemals angesagte Szene-Viertel und heruntergekommene Stadtteile, während in Ihrem Fahrwasser Immobilienmakler mit Kernsanierungen urbanen Lebensraum schaffen. Zurück bleiben genervte Nachbarn, die sich über die drastisch gestiegenen Mieten echauffieren.
Es klingt alles so vertraut. Menschen über ihr Äußeres zu definieren, ist ein äußerst menschliches „Problem“. Hippies, Punks und auch Gothics kennen sich bestens damit aus. Was den Hipster jedoch zu fehlen scheint, ist eine Ideologie. Jedenfalls eine, die sich in irgendeiner Form gegen gesellschaftlich anerkannte Ideologien richtet. Sie schwimmen nicht gegen den Mainstream, sie schwimmen noch nicht einmal quer, die Hipster schwimmen mit dem Mainstream, nur viel schneller. Sie konsumieren leidenschaftlich, nutzen die neuen Möglichkeiten der Technik exzessiv und wollen einfach nur individuell und andersartig sein. Alles, was einst als hässlich galt, wird durch den gnadenlosen Retrogedanken plötzlich wieder „hip“, Flanellhemden, Hornbrillen, Trucker-Schirmmützen, Oberlippenbärte und ein möglichst beißende Farbkombination.
Wenn man so möchte, halten sie der Gesellschaft einen Spiegel vor das Gesicht. Er scheint ein Egomane zu sein, ignoriert seine Umwelt und ist provokativ unpolitisch. Die Sinnfreiheit in seinem Handeln ist sein Lebensmotto, es sei denn es geht um Ihn selbst. „Der Anfang vom Ende der Subkulturen„, meint der Soziologe Mark Greif in einem jüngst gezeigten Beitrag der Fernsehsendung „Aspekte“:
Vielleicht aber auch ein Weckruf an die verbliebenen Subkulturen, sich selbst und ihre Zugehörigkeit zu hinterfragen und mit Inhalt zu füllen. Vielleicht erkennt man in Ihrem Äußeren die Rebellion. Ihr findet es hässlich? Ich trage es genau aus diesem Grund. Der Hipster ist auch ein Sinnbild für die Entwicklung in etablierten Subkulturen, für den Verlust der Neugier auf die eigene Zugehörigkeit. Ist der moderne Gothic nicht selbst zum Konsumenten geworden? Was versetzt uns in die Lage das abzulehnen, was der Hipster verkörpert?
Musik hören, fast ausschließlich Independent, schwarze oder Gruft-Musik, Beschäftigung mit sich selbst, Nachdenken über sich und die Welt und mit anderen reden. Es entsteht der Eindruck einer abgeschirmten Zurückgezogenheit. (…) Die Jugendlichen Kreisen vielmehr um sich selbst, denken über sich und ihre Geschichte nach, durchaus auch über „große Themen“, ohne aber aktiv politisch zu handeln oder ihre Kritik lautstark zu artikulieren. (Werner Helsper 1992: Okkultismus, die neue Jugendreligion?)
Nachdenken über sich und die Welt, mit anderen reden und traurig sein? Wie viel von dieser „Ideologie“ ist denn noch übrig geblieben? Wenn heute auf schwarzen Veranstaltungen jeder für selbst agiert, feiert und tanzt um sich anschließend im Kreise von Gleichgesinnten bei einer Dose Bier über die Outfits der Anderen zu belustigen, drängt sich mir ein anderer Eindruck auf. Ist das zur Schau stellen seiner Individualität mit viel nackter Haut und provokativem Outfit ein stiller gesellschaftlicher Protest oder abgeschirmte Zurückgezogenheit? Machen wir uns nichts vor, Gothic ist mehr Hipster als uns lieb ist. Der Griff zur eigenen Nase notwendiger als je zuvor.
Einzelnachweise
- Artikel vom 30. Mai 2007: „Why the hipster must die – A modest proposal to save New York Cool“ aus dem TimeOut Magazin New York von Christian Lorentzen. http://www.timeout.com/newyork/things-to-do/why-the-hipster-must-die[↩]
- Aus einem Artikel der WELT vom 10. März 201: „Der Hipster mit dem Jutebeutel – das neue Hassobjekt“ von Daniel-C. Schmidt. http://www.welt.de/kultur/article13857560/Der-Hipster-mit-dem-Jutebeutel-das-neue-Hassobjekt.html[↩]
Ja, das stimmt allerdings. Zu sehr sogar. Veranstaltungen wie das WGT sind eigentlich mehr zu einem Schaulauf der Eitelkeiten verkommen. Zugegeben, ich nehme mich selber davon nicht aus und nutze diese Tatsache ganz bewußt dafür, immerhin bestreite ich ja meinen Lebensunterhalt mit der menschlichen Oberflächengestaltung ;-) Schwarzes Leben findet für mich eher im Alltag, im privaten statt. Die nicht zu übersehenden immerschwarzen Klamotten als bewußtes Statement gegen die moderne Konsumgesellschaft z.B., Musik, die ich gerne höre, die aber in den Clubs kaum bis nie gepielt wird, usw. Ich frage mich nur, wie wichtig ist es, all das ständig und überall als solches nach außen zu tragen? Ist es nicht wichtiger, daß man im Herzen mit dabei ist? Das ist es doch, was den Wochenend-Showoff-Kostümgrufti vom echten Schwarzkittel unterscheidet, oder?
Irgendwie kommt es mir unglaublich geschmacklos vor, von einer solchen Bewegung öffentlich zu reden, als ginge es um Ungeziefer. Ich denke, die meissten Subkulturen werden in ihren Anfängen falsch verstanden, oder gar verachtet…war ja bei Gothic nicht anders.
Irgendwie finde ich es nett, dass dieses Phänomän Erwähnung in deinem (eurem) Blog findet. Die kleine Reportage ist nett sarkastisch gemacht (jedenfalls hoffe ich, dass sie es ist) und dein Artikel trifft es ganz gut. Ich kenne „Hipster“ an meiner Schule als die Damen, die sich zu schick sind, um sich mit dem Rest abgeben zu wollen, unglaublich individuell und nostalgisch, aber immer mit ihren iPhones rumfummeln müssen.
Naja, leben und leben lassen.
„Im Herzen dabei zu sein“, um Alwas Formulierung aufzugreifen, ist eines. Ich glaube aber, dass es nicht unwichtig ist, das Innere auch entsprechend nach außen zu tragen.
Das nicht zu tun heißt letztlich, den „Kostümgruftis“, Cyber Ravern & Co „optisch“ das Terrain zu überlassen.
Nach dem WGT wird die Bildzeitung wieder jubeln: „So bunt und sexy sind die Grufties…“, mit der unvermeidlichen Ar…backenparade bei der Fotoauswahl.
Dagegen können wir „Flagge zeigen“, natürlich mit großzügigen Quantitäten schönen, schwarzen Stoffs… :)
Der Bericht in dem Video ist ja ganz schön feindselig und ich finde es etwas gewagt, gleich das Ende der Subkulturen zu sehen.
Ich persönlich kenne keine Hipster. Ich kenne sie nur über Witze von diversen Websites, von daher sind sie mir irgendwie gleichgültig.
Ich kann mich auch irgendwie fitzallan anschließen: Nicht für jeden Szeneanhänger ist das nach außen tragen ein muss, aber man kann auch nicht verleugnen, dass es irgendwie dazu gehört.
Und dass das „Lebensgefühl“ sowieso eine gaaanz schwammige Sache ist, haben wir schon soooo oft diskutiert ;)
Die Hipster machen vor nichts halt, jetzt landen sie schon auf diesem Blog… Schlimm! :>
Ich weiß nicht, ob man Hipster nicht zu ernst nimmt, wenn man sie als Subkultur bezeichnet. Meiner (wenn auch nur geringen) Erfahrung nach sind Hipster vor allem die Leute, die jedem neuen (Mode-)Trend hinterherlaufen, weil sie zeigen möchten, dass sie die „Trendsetter“ sind. Und da modisch sowieso erlaubt ist, was gefällt, bzw. was „Trendsettern“ gefällt, braucht es nur ein paar Leute, die diese furchtbaren Brillen stolz auf ihrer Nase tragen, damit sie plötzlich wieder als modisch gelten. Als langjähriger Brillenträger wundert man sich da schon, wieso plötzlich selbst Leute damit herumlaufen, die man sonst nie damit gesehen hat. Das mündet dann sogar in Brillen ohne Dioptrien. Verstehen muss man das nicht.
Genauso wenig wie die wieder in Mode gekommenen großen, runden Sonnenbrillen, aber das ist ein anderes Thema ;)
Das „Ende der Subkulturen“ sehe ich aber auch nicht. Hipster sind halt nur eine neue Erscheinung von Trendsklaven, vielleicht eine besonders markante, aber keinesfalls etwas, was noch nie da war.
Meiner Meinung nach hat das auch nichts mit fehlenden oder schwindenden Inhalten von Subkulturen zu tun. So traurig es ist, aber wohl jede Subkultur zieht auch einige Leute an, die nur „anders“ sein oder aussehen wollen, sich für Inhalte aber herzlich wenig interessieren. So lange es noch genug Leute gibt, die sich auch dafür interessieren, geht aber (hoffentlich) keine Subkultur unter. Es „verwässert“ das Ganze nur ein wenig.
Nett, mal etwas über die Jungs zu lesen, die einen im Moment am meisten nerven.
Nicht nur, dass sie einen von oben herab ansehen, einem auf jeder Party das Catering durch veganen Frass und alkoholfreie Cocktails versauen, nein, sie pesten einen auch noch mit Qualm von „nicht-an-Tieren-getesteten“ Zigaretten zu (wer’s glaubt …), mittlerweile sehe ich sogar immer mehr Hipsters, die nach 80er Post-Punk aussehen, aber keine Ahnung haben, was für eine Bewegung und Musik das überhaupt war. Zeitungen (die Neon war früher klasse!) geben sich heute ebenfalls möchtegern-öko-sozial, drucken nur noch Hipsterbilder ab und tun auf „nerdig“. Das Schanzenviertel wimmelt von ihnen, die „alten“ Subkulturen sieht man kaum noch, egal wo. Jeder wird „Hipster“. Furchtbar!
Das einzig gute: Es gibt wieder Röhrenjeans zu kaufen (:
Ich sehe solche Wesen auch immer, wenn ich unterwegs bin in Berlin.
Wie schon gesagt wurde es sind halt nur Leute dich echt alles mitmachen was halt zur Zeit In ist!!
Und solche Leute die nur mit der Mode mit gehen gab es schon immer nur jetzt tretten sie halt vermehrt auf !!!
Warum weiß ich auch nicht ….