Es geschah am 30. Januar 1972. In Derry, einer nordirischen Stadt hatte eine Bürgerrechtsgruppe zu einem Protestmarsch aufgerufen um gegen die Internierungsgesetze der britischen Regierung zu protestieren. Dieses Gesetz ermöglichte es der Regierung Menschen ohne ordentliches Verfahren auf längere Zeit zu inhaftieren. Die Demonstranten trafen auf eine schwer bewaffnete Armee, die die Protestler mit Wasserwerfern, Gummigeschossen und Gas in den Stadtteil Bogside trieben. Dort begannen britische Fallschirmjäger aus bis heute ungeklärten Umständen auf die Menschen zu schießen. Sie töteten 13 unschuldige Demonstranten.
Der Fall wurde vertuscht, schlampig untersucht und nie wirklich aufgeklärt. Erst 2010 wurde der sogenannte Saville-Report veröffentlicht, der belegte, das die Armeeangehörigen das Feuer auf die Menschen eröffnete. Premierminister David Cameron entschuldigte sich 38 Jahre später im Name der britischen Regierung.
„Es fällt auf, dass die Britischen Soldaten an jenem Bloody Sunday nur Amok gelaufen sind und, ohne wirklich nachzudenken, wild um sich geschossen haben. Sie haben unschuldige Menschen getötet. Dass diese Menschen an einer nicht gestatteten Demonstration teilgenommen haben, rechtfertigt bei weitem nicht das Verhalten der Soldaten. Aus diesem Grund bezeichne ich das Verhalten der Soldaten als nichts anderes als bloßen Mord.“ (Hubert O’Neil, Rechtsmediziner der Stadt Derry)
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Es ist wirklich unbegreiflich, dass 26 Jahre vergehen konnten, bevor mit unabhängigen Untersuchungen begonnen wurde. Ebenso unglaublich ist die Dauer dieser Untersuchung. Erst nach 12 Jahre und über 200 Millionen Euro wurde offiziell feststellt, was im Grunde schon alle wussten. Leider liefert dieser 5000 Seiten umfassende Bericht wohl keine Antworten auf die Frage, wer an diesem Massaker nun politisch verantwortlich ist. Schließlich scheint die Spezialeinheit der britischen Armee schon vor dem Bloody Sunday Blut an den Händen gehabt zu haben. Und wie schaut es eigentlich mit der Bestrafung der unmittelbar Verantwortlichen aus?
Es bleibt bei einer Entschuldigung die im Gesicht der Hinterbliebenen wie eine Ohrfeige wirken muss. Auch die Tatsache das viele Menschen jetzt so entsetzt in „ferne“ Länder schauen irritiert mich, Ägypten erscheint den meisten unbegreiflich und „fern“. Die Erinnerung an den Blutsonntag sollte dagegen nochmal in Erinnerung rufen das so etwas doch nicht so fern erscheint wie es tatsächlich ist.
Mich würde interessieren, ob es ein europäisches Gericht gibt, bei welchem die Hinterbliebenen Klage einreichen könnten. Fraglich ist nur, ob sich ein Gericht mit so einer heiklen Frage beschäftigen möchte. Es ist eben einfacher, einen jugoslawischen Kriegsverbrecher anzuklagen, als britische Soldaten oder gar Politiker – ungeachtet dessen, dass in Derry auch Verbrechen begangen wurden, bei denen unschuldige Menschen ihr Leben verloren haben.
Die Textzeile aus Sunday Bloody Sunday ist bezeichnend und drückt eigentlich schon alles aus: „And it’s true we are immune when fact is fiction and TV reality and today the millions cry we eat and drink while tomorrow they die“.
@Madame Mel: In der Tat, die Textzeile drückt den Konsenz meiner Ansicht ziemlich gut aus. Interessant finde ich da auch eine Dokumentation aus der Hooligan-Szene: „Ihr findet es doch geil, wenn ihr nach dem Fussballspiel sehen könnt, wenn sich Arbeiterkids auf die Fresse hauen, während ihr zu Hause in eurer Mittelmäßigkeit an euren Fish & Chips erstickt.“ – Schlimm genug das es passiert ist, für viele ist die Mattscheibe Anlass genug sich eine Meinung zu bilden.
@Marcus: Vielleicht. Davon abgesehen hatten die Briten nun einige Jahrzehnte Zeit wirkliche Beweise, Namen und Tatsachen zu verfälschen oder verschwinden zu lassen. Den Musikern ist es doch eigentlich auch zu verdanken, das solch ein Ereignis im kollektiven Bewusstsein bleibt.
@Madame Mel
Ich würde noch eine Textzeile hinzufügen: How long… how long must we sing this song?
Es ist wirklich zum Verzweifeln, dass es zwar immer Menschen gibt, die auf Missstände hinweisen, dass das aber kaum jemanden dazu veranlasst, zu handeln.
Orphi: Nicht müde werden. Ein langer Atem ist die kleinste Form von Respekt die wir den Toten erweisen können.