Heute vor 75 Jahren brannten die Synagogen in Deutschland. Die Reichskristallnacht markierte den Übergang von der Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung zur dessen systematischen Verfolgung. Die letzten Wochen und deren Ereignisse erinnern mich daran, dass auch heute noch immer möglich erscheint, was damals geschah.
Es macht mich nachdenklich, wenn Menschen gegen eine Asylunterkunft auf die Straße gehen und hinter den Banner der braunen NPD brüllen: „Wir sind das Volk!“ Bislang hatte ich immer den Standpunkt, dass in einer gesunden Demokratie braune Ideologien keinen Platz finden würden. Doch diese Demokratie ist nicht gesund, wenn man liest und sieht, wie 1800 „Besorgte Bürger“ einer kleinen Gemeinde im Erzgebirge gegen Menschen demonstrieren, die vor dem Krieg in ihrem eigenen Land geflohen sind. „Stört es sie, wenn sie hier Seite an Seite mit der NPD marschieren? – Ein bisschen vielleicht. Ich mag Nazis nicht. Aber ein klein bisschen Recht haben sie ja. “ Hinterwäldler, Dorftrottel, Unterschicht? Neonazis, neuzeitliche Nationalisten, die „Deutschland für Deutsche“ propagieren und alles ablehnen, was ihren Horizont übersteigt.
Ich bin jedoch schockiert, das die Story im Ersten auf den Schirm brachte. „Antisemitismus heute – Wie judenfeindlich ist Deutschland?“ zeigt, was 75 Jahre nach der Reichsprogromnacht in den Köpfen der Menschen vorgeht, wenn man sie mit dem Begriff „Jude“ konfrontiert. Ganz bewusst wird hier die „Mitte der Gesellschaft“ unter die Lupe genommen. Die Linguistin Monika Schwarz-Friesel hat 14.000 E-Mails an den Zentralrat der Juden und an die jüdische Botschaft untersucht und kommt zu einem schockierenden Ergebnis: „Sehr viele Akademiker, sehr viele gebildete Menschen die an den Zentralrat und die Botschaft schreiben. Also gebildete Antisemiten, die auch immer leugnen, dass sie Antisemiten sind, würden jetzt niemals vulgär Beschimpfungen oder Beleidigungen artikulieren und auch keine Morddrohung, wie das Rechtsextremisten machen. […] Sie treten als Moralprediger auf. Also wir mit unserem moralischen Gewissen und wir Deutschen die aus der Vergangenheit gelernt haben, wir müssen Ihnen, dem Zentralrat jetzt mal sagen, was sie alles falsch machen.“
Die Dokumentation soll zeigen, wie judenfeindlich Deutschland heute noch ist. Sie zeigt darüber hinaus, wie sehr man sich hierzulande an das klammert, was man hat und wie man in Einzelkämpfermanier an seine eigenen Vor(ur)teilen arbeitet.
Mit der Kippa, der traditionelle Kopfbedeckung, in Wedding oder Neukölln auf die Straße? Der Rabbiner Daniel Alter rät davon ab. Die große Zahl von arabischen und türkischen Migranten machen es schwierig, sich hier unbehelligt aufzuhalten. Muslimischer Antisemitismus im christlichen Deutschland? Hass aus der Mitte der Gesellschaft? Mittlerweile sollte es bei jedem halbwegs intelligenten Menschen angekommen sein. Ausländerfeindlichkeit, Rassenhass und Diskriminierung lassen sich nicht in äußerliche Schubladen einsortieren. Kranke Geister gibt es überall.
Ich habe kurz überlegt, ob dieses Thema überhaupt mit der sogenannten Szene zu tun hat. Schwarz ist die Farbe der Trauer und ich bin traurig darüber, dass die 1.800 Menschen Teilnehmer des Lichterlauf nicht über ihrem Horizont schauen können. Ich bin traurig, dass wir uns in unserer wohlhabenden Langeweile nur noch über das aufregen, was das eigene Leben unbequemer macht. „Wir sind das Volk!“ Nicht mein Volk. Da schaffe ich mir lieber mein kleines Paralleluniversum, in der Diskriminierung eine möglichst kleine Rolle spielt. Nicht, dass mich einer falsch versteht. Nicht dieses Land ist krank, sondern einige seiner Menschen. Ich wünschte, man könnte sie alle heilen, ihnen etwas verschreiben um ihnen die Augen zu öffnen. Wir brauchen Utopien.
Ich habe mir die komplette Doku angeschaut und finde viele der angesprochenen Dinge nicht richtig…
ich kann jüdische Freunde haben und trotzdem gegen die Siedlungspolitik Israels sein, warum ist sowas antisemitisch? Und nein Israel kriegt keine extrawurst, Tibet sollte genauso befreit werden.
Ich glaube zur Demokratie gehört ein Fußpilz dazu, der wird immer wieder ausbrechen aber man kann den 1800 Demonstranten nur wünschen über den Tellerrand hinaus zu schauen.
Ich möchte mit dem Song einer wahnsinnig unterschätzten Band antworten, die zwar nicht besonders gruftig ist, dafür aber Tatsachen immer sehr genau und einfach auf den Punkt bringt.
https://www.youtube.com/watch?v=7IlUCJfl79M
Ich glaube nicht , dass sich die Menschheit im Kern jemals geändert hat oder ändern wird.
Ich schätze, die Frage ist das, was die Reportage interessant macht: »Wo hört die legitime Kritik (beispielsweise an Israel) auf und wo fängt Antisemitismus an?« Vieles der Phrasen entspringt dem, was den Menschen innewohnt: Oberflächlichkeit, Pauschalisierung und das freiwillige Unvermögen zur Differenzierung mit Sympathie zum einfach verständlichen platten Populismus. Ich schätze, anders würde man auch keinen Religions-Chauvinismus aufrechterhalten können.
Bzw. so etwas, was in der kleinen Gemeinde, die mir eigentlich einst recht sympathisch gewesen war, im Erzgebirge geschah. Im Grunde eine unnötige Aktion. Und auch eine, die gar nicht erst zustande gekommen wäre, wenn sich nur ein paar der besorgten Bürger die Mühe gemacht hätten, zwischen (Im)Migrant und Asylant zu unterscheiden.
Die einen hetzen auf Juden, weil sie den Glanz und die Herrlichkeit ihrer eigenen Religion gestört fühlen. Wenn man mich fragt, so ist das in sich völlig unlogisch. Da man nur dann die andere Religion fürchtet, bzw. vom Wesen des Glauben her zu fürchten hat, wenn man seine eigene in Unsicherheit lebt. Und Unsicherheit ist auch das große Triebrad, welches die Maschinerie jeglicher Anfeindung antreibt.
Die anderen hetzen, weil das Judentum der Inbegriff der Dekadenz ist. Ohne verstehen zu wollen, das die Arroganz der eigenen Ahnen dazu führte, das sich einst die jüdische Gemeinde quasi in das hineingerettet hatte, was heute als Stereotype der Missgunst ihr Gesicht gibt. Auch etwas, dass man schnell begreifen könnte, wenn man einfach ein paar sachdienliche Bücher lesen würde.
Aber wer will das schon, Wissen schaffen, hinterfragen, das Weltbild fließen lassen und sich seine eigene Unsicherheit eingestehen. Wenn man doch reine Stärke und Macht braucht, um im Leben nicht unterzugehen…
Ich glaube, es ist eine Debatte mit zwei Seiten. Und finde es dahingehend bedauerlich, dass nicht auch beide Seiten in dem Bericht angesprochen worden waren. Die eine Seite, der offenherzigen Antisemiten und der Mitläufer, die ins ähnliche Rhetorik-Horn blasen wie jene die sagen: »Ich bin nicht rechts / ich habe nichts gegen Ausländer, aber… «.
Jedoch kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht auch eine andere Seite gibt. Getragen von jenen, die in einer sachlichen, wenn vielleicht auch unangenehmen Kritik, an Israel oder dem Judentum gleich die Duftmarke des Antisemitismus wittern wollen. Bzw. jene, die einen gleich Antisemiten schimpfen, nur weil man anstelle von Betroffenheit ein wenig Sarkasmus hat walten lassen.
Post scriptum
Ich glaube sogar, dass es eines der typischen Merkmale der menschlichen Natur ist. Wir besitzen die Fähigkeit, Gegenstände, Lebewesen etc. zu erkennen, sie voneinander zu unterscheiden und letztlich auch zu bewerten. Allein darin liegt schon der Nährboden, also die Möglichkeit zur Entfaltung des Rassismus.
In der Tat, eine etwas differenzierte Betrachtung der Kritik hätte dem Beitrag nicht geschadet. Was mich aber mehr wirklich nachdenklich macht ist die Tatsache, dass Juden noch in einem solchen Ausmaß abgelehnt und diskriminiert werden. Überhaupt fällt es mir schwer, diese ganze Religions- und Glaubensmentalität nachzuvollziehen. Christen gegen Muslime und Muslime gegen Juden und was weiß ich gegen was weiß ich. Das ist sowas von geistiger Dünnpfiff, dass sich mir die Nackenhaare sträuben. So eine phänomenale Zeitverschwendung. Genug davon, sonst rege ich mich auf :)
Ich glaube schon, dass sich die Menschheit ändern kann, in jeder Hinsicht. Dabei sei einmal dahingestellt, ob das zum „Guten“ oder zum „Schlechten“ ist. Es dauert nur unendlich lange. In gewisser Weise gebe ich Orphi und Death Disco jedoch recht, ich würde es nur anders ausdrücken. Dumme Menschen wird es immer geben.
Mir hat dieser Beitrag in sofern die Augen geöffnet, als dass ich meinen Humor noch einmal überdenken sollte, bzw. mit wem ich ihn teile. Es war mir bisher nicht bewusst, dass der „Mitte“ der Gesellschaft nicht klar sein könnte, das ich scherze wenn ich auf die jüdische Agenda anspiele. In diesem Zusammenhang muss ich wohl die homosexuelle Agenda auch aus meinem Wortschatz streichen.
Es scheint mir, der Mensch braucht ein klares Feindbild. Der Amerikaner hatte den Kommunisten und nun den Terroristen(dare I say muslim?), der Religiöse braucht den Homosexuellen und seine globale Agenda, die es sich zum Ziel macht Zahl und Einfluss Homosexueller schrittweise auszubauen und die „klassischen“ Familienwerte zu untergraben.In diesem Sinne braucht der Professor die jüdische Agenda, die mit der Gründung des Staates Israel und der Übernahme fast aller Großbanken nach weltweiter Dominanz strebt.
Es ist Schade zu sehen, dass der Mensch sich unsere so vielfältige und bunte Welt immer wieder in langweiliges Schwarz/Weiss/Grau runterbrechen muss, damit der Kopf nicht weh tut, sollte man nicht verstehen warum der Nachbar nur schwarz trägt und sich den Kopf (teil-)rasiert.
Humor überdenken? Es ist nicht die Aufgabe des Humors gefällig zu sein.
Alljenen, die dessen dunkle Seite nicht versteht (wollen), oder nicht akzeptieren wollen, dass Humor auch gerne einmal an den Karren des politisch korrekten rumsen darf, sollte man mit eigener Zurückhaltung nicht auch noch in die Hände spielen.
Oder um es mit Serdar Somuncus Worten zu sagen…
@ Death Disco:
Vollkommen logisch. Ohne die Fähigkeit, z.B. ein fauliges Stück Holz von einem Säbelzahntiger zu unterscheiden, wäre die Menschheit schon längst ausgestorben, und dann gäb´s natürlich auch keinen Rassismus.
So meinte ich das sicher nicht. Nimm doch zum Beispiel Hunde. Da spielt Rasse keine Rolle. Die nehmen sich größtenteils nicht einmal als Hunde wahr, wenn sie in den Spiegel sehen. Bei uns ist das ganz anders. Wir erkennen die Unterschiede zwischen den Menschen, nein, wir suchen sie sogar gezielt, und ordnen sie danach ein. Das ist fest in unserer Natur verankert. Solange es Menschen gibt, solange wird es Rassismus und Diskriminierung geben. Einzig darauf wollte ich hinaus.
Die sind nicht einmal das wirkliche Problem, wie in der Doku ja selbst aufgezeigt wird. Es sind die intelligenten Menschen und ihre Thesen, denen die Dummen folgen.
@ Death Disco: Schon klar, dass du es anders gemeint hast. Mein Kommentar war auch nicht wörtlich, sondern sarkastisch gemeint, weil du bei deinem Bezug auf die menschliche Fähigkeit zur Unterscheidung leider einige wichtige Unterschiede übersiehst.
Erstens: Die bloße Möglichkeit, rassistisch zu denken und zu handeln, ist nicht die Ursache (bzw. der „Nährboden“) für Rassismus. Ich muss ja nicht jede Möglichkeit nutzen, nur weil ich sie habe – also mir z.B. das Leben nehmen, bloß weil ich´s eben kann. Da müssen noch ganz andere Faktoren dazukommen, damit ich von dieser Möglichkeit auch Gebrauch mache.
Zweitens: Die Fähigkeit, Unterschiede zu erkennen, ist in unserer Natur verankert – das ist als Aussage ziemlich banal. Aber welche Unterschiede zwischen Menschen wir als bedeutungsvoll bewerten, ist eindeutig kulturell und geschichtlich geprägt.
Drittens: Diskriminierung ist nicht gleich Rassismus – nur wenn man da nicht unterscheidet, sieht´s natürlich so aus, als hätte es Rassismus „schon immer“ gegeben. In der Antike wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, die Ungleichbehandlung von Sklaven durch so ein komisches Konstrukt wie die „Rasse“ zu begründen. Dieses Rassedenken hat sich erst im 19. Jahrhundert richtig herausgebildet, ist also ein sehr modernes Phänomen.
Was willst Du mir denn nun erzählen? Dass sie genutzt wird, darüber brauchen wir erst gar nicht zu diskutieren. Oder? Mit der stetigen Weiterentwicklung des Menschen in Richtung höher entwickelte Lebensform kam auch der Rassismus hinzu. End of Story.
Dass nicht für jedes menschliche Handeln ein Motiv gegeben sein muss, sollte auch klar sein.
Tut mir leid, dass ich keine Lust hatte, Romane zu schreiben. Der Großteil der Leser wird’s schon verstanden haben (zumal sie die Möglichkeit haben, ganze Sätze zu lesen und nicht nur beschnittene Zitate)…
Zeig mir die Stelle, an der ich das behaupte. Rassismus war ein Beispiel, weil Robert in einem seiner Sätze darauf einging.
Aha. Und „Wilde in Nordamerika“, Sklaven aus Afrika… alles Phänomene des 19. Jahrhunderts? Wohl kaum. Schon die alten Ägypter unterschieden Menschen anhand ihrer Hautfarbe. So werden Nubier als Eindringlinge ins Reich deutlich dunkler dargestellt.
Klar nutzen manche Leute diese Möglichkeit – wenn es keinen Rassismus gäbe, würden wir nicht drüber diskutieren. Aber die Möglichkeit „Gegenstände zu unterscheiden und zu bewerten“ beinhaltet auch die Möglichkeit, manche Unterschiede eben wichtig und andere unwichtig zu finden. Der Unterschied zwischen einem Stück Holz und einem Säbelzahntiger ist wichtig. Die Hautfarbe eines Menschen kann man eigentlich getrost vernachlässigen, auch wenn du scheinbar den Rassismus für eine wichtige evolutionäre Errungenschaft hältst – oder was willst du mir da über die „Weiterentwicklung des Menschen in Richtung höher entwickelte Lebensform“ erzählen?
Das ist ungefähr auf dem selben Niveau wie der Verweis auf die menschliche Natur: Die Leute sind halt so, da brauch ich gar keine Erklärung dafür suchen… Okay, wenn du das meinst – aber dann tu bitte nicht so, als würde der Verzicht auf weitere Erklärungen irgendwas erklären.
Ich meinte diese Stelle:
Da würfelst du eben Rassismus und Diskriminierung ziemlich unterschiedslos zusammen.
Nö, hab ich auch nicht behauptet. Lies noch mal nach. Ich habe vom „Rassedenken“ gesprochen und gemeint, dass z.B. die Sklaverei vorher nicht durch die „Rasse“ begründet wurde, sondern eher über den Verweis auf Christentum und die angebliche Kulturmission der weißen Europäer, den „Wilden“ die Zivilisation zu bringen.
Die Gesetze zur Rassentrennung in den USA wurden z.B. erst nach dem Bürgerkrieg und der Sklavenbefreiung erlassen. So wie sich der moderne, rassisch begründete Antisemitismus (als Gegensatz zum früheren Antijudaismus, der vor allem christlich-religiös begründet wurde) in Deutschland auch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchsetzte, nachdem die Juden rechtlich gleichgestellt worden waren.
Du willst mir das jetzt hoffentlich nicht als herausragende Erkenntnis verkaufen… Wenn Du meine Aussagen für banal hältst, frage ich mich, wie Du Deine eigenen Beiträge bewertest. Du reitest da teils auf Punkten herum, die im Bewusstsein eines halbwegs gebildeten Menschen längst Eingang gefunden haben dürften (ich nenn’s mal „Binsensuppe“). Wir sind nicht auf den Kopf gefallen und können das Geschriebene durchaus mit den eigenen Gedanken verknüpfen.
So werden viele der Leser auch unweigerlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Einteilung in „wichtig“ und „unwichtig“ sowieso subjektiven Gesichtspunkten unterliegt (und auch das muss man hier wohl kaum erläutern).
Diesen Unsinn darfst Du gerne unterlassen. Nirgendwo war von Wichtigkeit oder Errungenschaft im Sinne von „Herausbildung als positive Eigenschaft“ die Rede. Eher betrachte ich das als eine bedauerliche Nebenerscheinung in der Entwicklungsgeschichte. Aber auch dieser Standpunkt ist bezüglich der Kernaussage vollkommen nebensächlich.
Unglaublich, aber wahr. Ja, die Menschen sind so. Komplex und dennoch widersprüchlich bis vernunftswidrig (oder gerade deshalb). Ist das neu? Ich glaube kaum. Ursachenfindung und -bekämpfung? Das ist für Leute, die an ein kollektives Vernunftdenken und eine positive Zukunft der Menschheit glauben. Da verharre ich lieber auf meinem „Niveau“.
Ich gebe zu, der Satz ist recht allgemein gehalten. Das passiert, wenn man versucht, thematisch verwandte Gedanken in kurze Sätze einzubetten, denn eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema war meinerseits überhaupt nicht geplant. Du darfst aber davon ausgehen, dass ich den Unterschied zwischen den Bezeichnungen kenne und sie nicht synonym nutze. Es wäre dann auch äußerst idiotisch, beide nacheinander in einem Satz zu verwenden. Meinst Du nicht?
Mir ist das zu pauschal. Dass sich daraus erst im Laufe der letzten Jahrhunderte eine Art (Pseudo-)Wissenschaft und strukturierter Rassismus entwickelte, schließt den Rassismus vor dieser Zeit doch nicht aus. Die iberischen Länder haben da beispielsweise kräftig Vorarbeit geleistet. Vieles ist aufgrund der lückenhaften Quellenlage auch gar nicht zu belegen und nur anhand einzelner Beispiele erörterbar (wie dieses Kastensystem in Indien). Und die ziehen sich über Jahrtausende.
Zum ersten Punkt: Natürlich ist das keine große Erkenntnis, die ich da verbreite. Menschen können rassistisch denken und handeln – aus dieser Möglichkeit folgt nicht, dass sie es müssen, wie du es unterstellst.
Um diese Debatte etwas abzukürzen: Meine Fähigkeit, „Gegenstände zu unterscheiden“ nutze ich jeden Tag z.B. beim Zähneputzen, wenn ich Rassismus blöd finde, dann „bewerte“ ich andere Menschen in ihrem Handeln usw.
Ich seh einfach nicht, inwiefern mich das zum Rassisten macht.
Gut, dann hätten wir das ja geklärt.
Ich werde das Gefühl nicht los, ihr argumentiert aneinander vorbei. Ich verstehe Death Disco ein wenig anders, denn ich denke – und verzeiht mir wenn ich daneben liege – ich glaube er meint, das wir in unsere Köpfen durchaus die „Rasse“ unterscheiden. Das ist ziemlich banal, denn natürlich sehe ich einen Unterschied, wenn ich einen Mensch aus Ghana, aus China und aus Italien nebeneinander stelle. Wenn man das Rasse nennen möchte, bitte.
Das was justus meint, ist ebenfalls richtig. Ich unterscheide zwar die Menschen, meinetwegen auch nach einer fiktiven „Rasse“, ich handle aber nicht danach. Ich behandle den Menschen aus Ghana nicht anders wie den aus China oder Italien. Ebenso sehe ich keinen Sinn darin, Rassistisch im Sinne von „wir bleiben unter uns“ zu denken oder zu handeln.
Ich glaube das müssen bezieht sich einfach darauf, dass wir in unseren Köpfen unterscheiden, meinetwegen auch in Rassen. Man könnte also durchaus die These aufstellen, dass wir alle in Rassen denken. Daran ist soweit auch nichts verwerfliches. Es ist nur eine Begrifflichkeit.
Jetzt kommt das können ins Spiel. Denn sobald wir anfangen aufgrund unserer Denkweise auch unterschiedlich zu handeln, wird es komplizierter. Zum einen handeln wir einfach unterschiedlich, aufgrund von Kulturkreisen und Sprachen, das ist einfach so. Die „Rasse“ im Sinne von Äußerlichkeit spielt keine Rolle. Beschränken wir „Rasse“ auf das Äußere, und behandeln den dunkelhäutigen Deutschen anders als den weißhäutigen könnte man „Rassist“ schimpfen. Konnte ich verdeutlichen, worauf ich hinauswollte?
Ich glaube also, eure Diksussion beruht auf einer unterschiedlichen Auffassung von „Rasse“ und „Rassismus“, oder?
Ein unterschiedliches Verständnis von Rassismus, könnte sein. Falls es hier nur um ein Mißverständnis gehen sollte, entschuldige ich mich natürlich für die Polemik.
Wobei Death Disco den Begriff schon im Sinne von „Diskriminierung“ gebraucht hat, also wohl doch was anderes und bestimmteres meinte als bloß das Erkennen von offensichtlichen Unterschieden im Aussehen.
Macht’s doch nicht so schwer, Leute.
Erkennen von Unterschieden zwischen den Menschen -> Möglichkeit zur Entfaltung des Rassismus.
Das war die Kernaussage in meinem ersten Beitrag. Ich sehe Rassismus als Charakteristikum, das in der fortschreitenden Entwicklung des Menschen nicht gemindert, sondern salonfähig gemacht wurde. Und das beruht, natürlich ganz simpel ausgedrückt, auf der Fähigkeit zu unterscheiden und zu bewerten (in diesem Fall aufgrund der Unterschiede abzuwerten). Ich bezweifle, dass sich das durch gezielte Aufklärung flächendeckend vermindern oder gar tilgen lässt.
Von Müssen war nirgends die Rede. Dass soetwas individuell entschieden wird, sollte jedem klar sein (ich renne auch nicht menschenmordend durch die Landschaft, nur weil ich Mord und Totschlag in der menschlichen Natur verankert sehe). Deshalb halte ich das Beispiel mit der Einteilung in wichtig und unwichtig für nebensächlich. Für euch und mich mögen Punkte wie Hautfarbe, Herkunft/Abstammung (… Religion oder gar Sprache, um’s mal in Richtung Xenophobie weiterzuspinnen) keine Bedeutung in der Bewertung eines Menschen haben. Nur wen kümmert das? Wir können wohl kaum für 7 Milliarden Menschen sprechen, die teils aus eigener Überzeugung handeln. Wenn bspw. ein Teil der chinesischen Bevölkerung glaubt, dass Schwarze hässlich sind und stinken und nur für Sklavenarbeit taugen, dann mag uns das dumm erscheinen. Ändern werden wir’s wohl kaum.
Also doch richtig verstanden… Ich halte den Verweis auf die menschliche Natur einfach für ein schwaches Argument. Rassismus aus der Fähigkeit abzuleiten, zu unterscheiden und Unterschiede zu bewerten, ist ähnlich wie z.B. aggressives Verhalten aus der Aggression zu erklären, einfach eine Tautologie. Das Faktum, das erklärt werden soll, muss als Ursache für sich selbst herhalten – oder knapp gesagt: Die Leute sind halt so.
Wie wäre es denn, mal ein paar naheliegendere Gründe in Betracht zu ziehen, z.B. die nationalstaatliche Einsortierung von Menschen? Die Ereignisse in Schneeberg bieten da ja ein gutes Beispiel. Die Behörden isolieren Asylsuchende in Lagern am Arsch der Welt, um den Aufenthalt hier möglichst abschreckend zu machen. Der NPD geht das noch nicht weit genug, ihrer Meinung nach sollte es gar keine „Ausländer“ (mit oder ohne deutschem Pass) auf deutschem Staatsgebiet geben.
Ich sehe da nicht „die Menschen“, sondern klar benennbare Akteure, bei denen auch recht gut erkennbar ist, woher die ihre Motive beziehen. Ob ich was dran ändern kann, ist noch mal ´ne andere Frage – aber für mich ist zumindest klar, auf welcher Seite ich in diesem Konflikt stehe.
Da Rassismus kein Phänomen der Neuzeit ist, ist Nationalismus für mich kein wesentlicher Faktor in der Entstehungsgeschichte. An erster Stelle standen und stehen die biologischen Unterschiede zwischen den Menschen. Als Ägypter oder Araber vor tausend(en) Jahren mit Vorliebe Sklaven aus Nubien/Sudan/Äthiopien importierten, dann hatte das ’nen Grund. Gerade die Araber führten im Mittelalter Buch über ihre Aktivitäten in Sachen Menschenhandel. Schwarze betrachteten sie, genauso wie es die Chinesen taten und heute noch teils sinozentrisch tun, als minderwertige Rasse mit geringem Intellekt.
„Was die Länder des Südens angeht, so sind alle ihre Einwohner schwarz … Es sind Leute, die dem Maßstab des Menschseins nicht genügen.“
Das z.B. stammt aus Persien um 982 n. Chr. Mit Nationalität hat das nichts zu tun.
Die NPD halte ich für eine irrelevante Kleinpartei, der zuviel Medienaufmerksamkeit geschenkt wird. ARD-Sendungen, wie der obig verlinkten, entnehme ungefähr denselben Wahrheitsgehalt wie einer Reportage über Grufties. Tendenziös zusammengeschnippelter Kram, der dem Zuschauer den Eindruck vermittelt, Deutschland wäre ein durch und durch fremdenfeindliches/rassistisches Land. Auf einer Kalt/Heiß-Skala ließe sich Deutschland irgendwo bei lauwarm einsortieren. Die Gebiete, in denen Rassismus am weitesten verbreitet ist, liegen nicht in Europa, noch nicht einmal in Nordamerika, wie man vielleicht vermuten möchte.
Wir haben übrigens eines dieser „Lager“ direkt in unserem Viertel, ein umgebautes Postgebäude. Von abschreckenden Methoden konnte ich da nichts erkennen. Dort lebt es sich wie in einer Jugendherberge… Auch das halte ich für eine einseitige Darstellung seitens der Medien.
Dieser Vergleich hinkt mehr als ein einbeiniges Pferd, das zu hinken schlichtweg nicht mehr in der Lage ist.
Wenn man schon so „kluge“ Worte wie Tautologie verwendet, sollte man um deren Bedeutung doch bitte auch wissen.
Weder ist aggessives Verhalten gleichzusetzen mit Aggression (man kann durchaus aggressiv reagieren ohne auch nur einen Funken Aggression zu verspüren, ebenso kann man Aggression durchaus auch ohne aggressives Verhalten „verpuffen“ lassen) noch die Fähigkeit abzuleiten, zu unterscheiden und Unterschiede mit Rassismus (und an dieser Stelle sei ein Gegenbeispiel für diese Gleichsetzung vom geneigten Leser selber zu finden, es gibt mehr als hinreichend). Logik: sechs, setzen.
@ mela: Woran ich bei dem Wort Tautologie dachte, war ungefähr dieses.
Und dass diese Argumentation in der Logik hinkt, habe ich doch selbst gesagt, oder?
Im Übrigen würde ich dir zustimmen: Den Bombenabwurf auf Hiroshima könnte man z.B. als „aggressives Verhalten“ einsortieren, weil dabei Menschen getötet oder verletzt wurden – aber ich glaube sicher nicht, dass die Piloten in diesem Moment besonders wütend oder durch irgendeine „Aggression“ motiviert waren. Es ist eben bloß ein gängiger Kurzschluss, z.B. Kriege aus einem allgemein-menschlichem Hang zur „Aggressivität“ zu erklären.
Ein ähnlicher Kurzschluss ist es, zu sagen: „Beim Rassismus werden Unterschiede erkannt und bewertet – also ist das Erkennen und Bewerten von Unterschieden die Ursache von Rassismus.“ Das war Death Discos Argumentation, die ich kritisiert habe.
@ Death Disco: Die historische Debatte kann man sicher endlos führen – die Frage ist nur, wie relevant der arabische Sklavenhandel für die Jetztzeit ist.
Der Nationalstaat geht eben von der Fiktion einer homogenen Bevölkerung aus, auf die sich der Staat als Legitimationsgrundlage beruft, und Leute mit einer anderen Hautfarbe werden dann regelmäßig als „Fremdkörper“ betrachtet.
Im Feudalismus sah das noch etwas anders aus. Für die Adeligen war eh klar, dass z.B. die Bauern eine ganz andere Sorte von Menschen darstellten – da konnten die Bauern noch so oft dieselbe Hautfarbe haben (über das indische Kastensystem, das du oben erwähntest, ließe sich wohl dasselbe sagen). Und den Königen war´s auch meist egal, über welches Leute sie da im Einzelfall herrschten – wenn einer in die spanische Königsfamilie einheiratete, war er eben König von Spanien, kein Problem. Diese Idee von „Wir sind alle ein Volk“ war da noch nicht so präsent, die Argumentation ging eher „Wir herrschen, weil wir anders sind als ihr“. Und solange sie sich loyal zeigten und rechtzeitig ihre Steuern zahlte, konnten unter dieser Voraussetzung auch ethnische Minderheiten problemlos toleriert werden, z.B. Muslime in der preußischen Armee unter Friedrich dem Großen.
Was das „Lager“ angeht: Ich hatte da eine Zeile aus dem Aufruftext im Kopf, in der von einem „Erstaufnahmelager für Asylsuchende vor den Toren der Stadt“ die Rede war. Tatsächlich handelt es sich um eine ehemalige Kaserne, also eher ein „Heim“, wenn du das Wort lieber magst… Wie in einer Jugendherberge lebt es sich da aber sicher nicht.
Es geht nicht wirklich um damals und heute oder um irgendeinen Nationalstaat, der nicht einmal zwingend rassistisch sein muss, da sich Nation auch anders definieren kann, sondern um den simplen Fakt, dass Rassismus menschlich ist. So banal dieser Punkt für Dich auch sein mag – er wird doch häufig übersehen. Denn während andere glauben, man könne diesen Hang zum Rassismus in ferner Zukunft überwinden, halte ich ihn für eine unüberwindbare Schwäche, die immer wieder aufflammen wird, solange es die Menschheit gibt. Das ist mein Standpunkt und eine direkte Antwort auf Orphis Beitrag. Und jetzt klink ich mich aus. Ist ja zäher als das Kauen eines Lederschuhs…
Eben nicht, du hast es mit einer Tautologie verglichen. Und die ist auch auf sprachlicher Ebene schlicht und einfach nicht gegeben.
Rassismus und das Charakterisieren von Menschen auf Grund biologischer Faktoren – das ist eine sprachliche Tautologie. Vielleicht klingt das für dich nach Haarspalterei, dass ich „Unterschiede erkennen und bewerten“ strikt von „Charakterisieren auf Grund biologischer Faktoren“ trenne. Genauer betrachtet aber ist ersteres eben nicht mit letzterem gleich zu setzen.
Ich zitiere den unvergessenen Herbert Wehner.
Mehr will ich dazu nicht sagen.
@ Death Disco: Gut, ziemlich viele Menschen handeln und denken rassistisch. Darauf können wir uns einigen.
@ mela:
Deine Haarspalterei ist schon okay, damit hab ich DD weiter oben bereits genervt ;)
Die „exakte“ Version des Arguments wäre wohl diese: „Aus dem Erkennen und Bewerten irgendwelcher Unterschiede folgt das Bewerten von biologischen Unterschieden, und daraus der Rassismus.“
Das sieht in der Debatte dann einigermaßen logisch aus, wenn man zwischen „irgendwelchen Unterschiede“ und (vermeintlich) „biologischen Unterschiede“ nicht so genau trennt. Je nachdem fehlt dann zwar der kausale Zusammenhang oder die Aussage wird tatsächlich arg tautologisch – aber man kann dann je nach Bedarf zwischen beiden Varianten wechseln.
Die Frage, ob wir es da mit einer bloßen „Möglichkeit“ zu tun haben oder mit einem „Nährboden“, aus dem der Rassismus dann mit einer gewissen Notwendigkeit erwächst, konnte leider auch nicht abschließend geklärt werden. Der Satz „Rassismus existiert, weil er eben möglich ist“ wäre dann übrigens eine Tautologie im logischen Sinne.
@ Sheik Yerbouti: Ein sehr guter Ratschlag. Ich selbst versuche auch, das Wort „Rassekatzen“ tunlichst zu vermeiden.
Und nun klugscheißere ich noch mal (sorry, aber du hsat dir gerade die falsche Diskussionspartnerin ausgesucht – ich habe Philosophie mit Schwerpunkt Formale und Aussagenlogik studiert ;)): In der Aussagen- und mathematischen Logik werden kausale Verknüpfungen nicht untersucht (eben weil mit „weil“ jeder Unsinn begründet werden kann, denn ob es Sinn ergibt, ist keine Frage der Logik!). Ich kann dir zu dem Thema das Werk von Hoyningen-Huene „Formale Logik“ empfehlen, würde ich es hier ausführen, welche Untersuchen logisch korrekt sind, würde vermutlich zum einen den Rahmen sprengen und auch noch alle gewillten Leser langweilen ;)
Ich kann zwar nur für mich sprechen, doch langweilen würde es mich nicht.