Tour of the Universe: Depeche Mode in Düsseldorf

Was lange währt wird endlich gut. Nachdem ich vor über einem Jahr und voller Vorfreude die Karten für die Tour of the Universe meiner 3 Lieblingsbriten erstanden habe, folgte ja eine wahre Odyssee. Dave wurde von einer plötzlichen Krankheit überrascht, musste kurzfristig einige Konzerte absagen und brachte damit den ganze Tourplan durcheinander, so ein Schuft. Das ursprünglich für den 4.6.2009 geplante Konzert fand nach langem hin- und her nun am 26.02.2010 in der inzwischen umbenannten Esprit-Arena in Düsseldorf statt.

Soweit so gut, gestern ist es dann soweit gewesen. Nach einer wirklich reibungslosen Anfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die man mit der Konzertkarte ja kostenlos benutzen konnte, fanden wir uns im Stadion ein und enterten zunächst den Merchandise-Shop, um die obligatorischen Tour-Shirts zu erwerben. Wir beeilten uns in den Innenraumbereich zu kommen um uns gute Plätze zu sichern und der Dinge zu harren die da kommen. Zeit kann so grausam sein, nach einer schier endloses Wartezeit in der beheizten und mit geschlossenem Dach zur Halle mutierten Arena zeigte sich endlich die Vorgruppe Nitzer Ebb auf der Bühne.

Ich war skeptisch, ob DM-Fans wirklich die richtige Zielgruppe für den eher EBM orientierten Sound Briten waren, versuchte aber die Dinge auf mich wirken zu lassen, denn vom neuen Album Industrial Complex hatte ich noch nicht wirklich was gehört. Trotz spärlichem Einsatz von Licht und einem eher bescheidenen Klang versuchte die Band ihr bestes, konnte das Publikum aber zu keinem Zeitpunkt für sich begeistern. Der stark elektronisch geprägte und harte Sound harmoniert nicht wirklich mit dem Sound von DM, obwohl beide Bands viele Einflüsse der 80er mitgenommen haben, entwickelten sie sich in zwei völlig unterschiedliche Richtungen. Wie Nitzer Ebb ins Vorprogramm rutschte lässt sich nur spekulieren, vielleicht liegt es auch an Ex-Depeche Mode Mitglied Alan Wilder, der sich für einen Remix von I am Undone verantwortlich zeigt.

Depeche Mode Bühne In ChainsNach einer Stunde Spielzeit und endlosen 15 Minuten Umbaupause war es dann endlich soweit. Mit dem Opener In Chains wurde das Konzert eröffnet und die Band wurde jubelnd empfangen. Gleich zu Beginn wurde einige Probleme mit dem Sound deutlich, die man erst im Laufe des Konzert verbessern, aber nie ganz abstellen konnte. Es ist und bleibt einfach schwierig eine so große Arena vernünftig zu beschallen. So klang auch die Singleauskopplung des aktuellen Albums Wrong auch irgendwie wrong, was an Dave Gahans Non-Verbaler Kommunikation mit dem Techniker zu sehen war. Die überdimensionale Leinwand im Hintergrund der Band war willkommenes visuelles Hilfsmittel, das neben eingespielten Filmsequenzen auch Szenen der Bühnenkameras einfing.

Depeche Mode - Let me see your HandsMit Hole to Feed folgte gleich das dritte Stück des aktuellen Albums, dessen Energie weder von Gahan ausging, noch auf das Publikum überspringen wollte. Das sollte sich beim ersten Klassiker Walking in my Shoes schlagartig ändern, es war deutlich zu spüren das nun der Funke auch im Publikum zündete und der Refrain begeistert mitgesungen wurde. Auch Gahan und Gore legten eine ordentliche Sohle auf das Parkett und verliehen dem Stück eine würdige visuelle Grundlage, die sich auch beim Song It’s No Good fortsetzen sollte, bei dem der Sound nun auch langsam besser wurde, erstaunlicherweise bekam das Stück in der Live-Version deutlich mehr Kraft, als auf dem Album Ultra auf dem es 1997 erschien. Nun bildeten sich auch ersten Schweißperlen auf meiner Stirn. Das die beim nächsten Knaller A Question of Time nicht trocknen sollte, war eine logische Konsequenz. Und langsam hatte sich auch das Publikum auf die Band eingeschossen und beteiligte sich bis in die Oberränge.

Depeche Mode Martin Gore SoloDas atmosphärische Precious war willkommene Abwechslung und sorgte für ausgelassenes Chill-Out, was vom nachfolgenden World in My Eyes jäh unterbrochen wurde. Ein kurzes Intermezzo mit einem angespielten Supersonic von Jamiroquai sorgte übrigens für die einzig nennenswerte Kommunikation Gahans, der sich wie immer sehr wortkarg zeigte. Die folgenden Solo-Einlagen von Martin Gore, der mit Insight und Home wieder einmal unter Beweis stellte das es sich um einen großartigen Künstler handelt, kann man nur als großes Kino bezeichnen. Für mich, das Highlight dieses Konzerts. Dem folgenden Miles Away schlossen sich dann wieder alle Protagonisten an, das Publikum war aber erst wieder bei Policy of Truth bereit, aktiv mit einzusteigen.

Depeche Mode SchreibmaschineDie beiden Stücke In Your Room und I Feel you hatten wieder arg mit dem schlechten Sound und der üblen Akustik der Halle zu kämpfen, der Bass war viel zu laut und sorgte für einen recht matschiges Gerüst, das beiden Songs ihre Qualität nahm. Auch auf der Bühne schien es mir wie Business as usual. Dafür läutete man mit Enjoy the Silence wieder ein großartiges Finale ein, das nur noch vom Hymnenartig gefeierten Never let me Down again getoppt wurde. Spätestens hier versagte dann auch mein Deo und konnte seine antitranspirative Wirkung nicht mehr halten. Dem Getränkemann mit dem Bauchladen, der sich mitten im Höhepunkt an mir vorbeidrängen wollte, sorgte für ungeahnte Aggression meinerseits, am liebsten hätte ich ihn mit seinem Bauchladen durch die geschlossene Decke gefeuert.

Depeche Mode Bühne in RotDie Zugabe entschädigte dafür umso mehr, ein grandios gesungenes Dressed in Black sorgte für Gänsehautfeeling und Schüttelfrost, der Klassiker Stripped zeigte wieder einmal alle Nachahmern, wo der besagte Hammer hängt und degradierten Rammstein zu einem Haufen feuerspuckender kleiner Drachen, die wie Grisu versuchten Feuerwehrmann zu werden. Behind the Wheel offenbarte sich als würdiger Nachfolger und konnte wieder einmal beweisen, das Music for the Masses (1987) immer noch funktioniert. Übertroffen werden konnte es eigentlich nicht mehr, doch Personal Jesus eignete sich als krönender Abschluss.

Leider gab es keine weitere Zugabe, verdient hätten wir es ja, schließlich haben wir eine halbe Ewigkeit warten müssen, aber der Band ist das Alter und die Tour doch anzumerken. Das haben sie wohl mit ihrem Publikum gemeinsam, den wirklich jünger werden wir auch nicht mehr. Schön das uns wenigstens Konzerte wie dieses das Gefühl geben können, wie es einmal gewesen ist, ohne dabei die Zeichen der Zeit zu verachten.

Der Klang war erwartungsgemäß schlecht, ich hatte zwar gehofft man würde sich für die schlechte Akustik der Halle etwas einfallen lassen, leider schien es nicht funktioniert zu haben. Weitere Konzerte schaut man sich besser in anderen Räumlichkeiten an, die Köln-Arena hat hier beispielsweise die Nase rein klanglich weit vorn. Die Organisation ging in Ordnung, die Getränkeverkäufer die sich mitten im Konzert durch die Menge drückten dagegen eine Frechheit, zumal es dort auch nur Bier ohne Kohlensäure gab. Das Stadion in Düsseldorf ist trotzdem für musikalische Ereignisse ungeeignet, auch wenn Depeche Mode draufsteht. Ich hoffe für die Fans, die gleich in den Genuss einer immer noch großartigen Band kommen, dass sie das letzte Konzert der Tournee genießen können. Ich verneige mich vor Martin Gore, der es wie kein Zweiter versteht GEFÜHL zu vermitteln, ich verneige mich vor Dave Gahan, der ENERGIE eine Fleisch gewordene Hülle verleiht und natürlich auch vor Andrew Flechter, der die beiden immer noch zusammenhält.

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postpunk
postpunk (@guest_7157)
Vor 14 Jahre

Hmmm, habe ich mich jetzt verlesen oder wird grundsätzlich nichts mehr von den ersten beiden DM Alben gespielt?

stoffel
stoffel(@stoffel)
Vor 14 Jahre

Sehr schöner Bericht, danke Dir dafür … ich denke das Du nicht der Einzigste gewesen bist bei dem das Deo versagte ;)

Mysti
Mysti (@guest_7178)
Vor 14 Jahre

Jetzt wissen wir endlich, zumindestens ähnlich, was wir im letzten Jahr in Hamburg verpasst haben. Trotz einiger Mankos hoffe ich, dass sich das lange Warten in der Summe doch gelohnt hat.

Guldhan
Guldhan(@guldhan)
Vor 14 Jahre

[…]Ich war skeptisch, ob DM-Fans wirklich die richtige Zielgruppe für den eher EBM orientierten Sound Briten waren, versuchte aber die Dinge auf mich wirken zu lassen[…]Trotz spärlichem Einsatz von Licht und einem eher bescheidenen Klang versuchte die Band ihr bestes, konnte das Publikum aber zu keinem Zeitpunkt für sich begeistern.[…]

Gemäß meiner Erfahrung gehört Depeche Mode sowieso zu den Bands, bei denen eine Anstellung als Vorband allzu undankbar ist und ein gutes Ego der Interpreten erfordert. Ähnlich denen vor Front 242. Deren elitäre Fans ebenfalls nichts vor oder nach ihren „Göttern“ auf der Bühne tolerieren, akzeptieren oder respektieren wollen. Selbst bei Festivals, welche ja bekanntlich eine gewisse Spielzeit für andere Band voraussetzen, durfte ich schon fantastisch fanatischen Äußerungen lauschen.

Peter
Peter (@guest_14908)
Vor 13 Jahre

[…] Wie Nit­zer Ebb ins Vor­pro­gramm rutschte lässt sich nur spe­ku­lie­ren, viel­leicht liegt es auch an Ex-Depeche Mode Mit­glied Alan Wil­der, der sich für einen Remix von I am Undone ver­ant­wort­lich zeigt.[…]

Wie Nitzer Ebb bei DM ins Vorprogramm „rutschte“ ist eigentlich bei keiner anderen Band einfacher zu erklären. Es besteht eine jahrzehntelange Freundschaft zwischen den Bands. Nitzer waren bereits 1990 als Support von DM tätig, sie sind beim gleichen Label und Alan hat eins ihrer bekanntesten Alben produziert ;-)

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