Vor seinem Nachtclub, dem Blitz in Covent Garden, wedelte Gründer und Türsteher Steve Strange die Puderquaste in der Hand. Nur wer „weird an wonderful“ genug war, erhielt Einlass. Ende der 70er Jahre gründet er zusammen mit seinem Mitbewohner Rusty Egan den legendären Club, der alsbald zum Schmelztiegel der auffälligsten aller Jugendkulturen wurde, den „New Romantics“. Aus dem Mut zur Hässlichkeit, den der Punk vorlebte, wurde die Liebe zur Selbstdarstellung. Boy George, der im Blitz an der Garderobe arbeitete, nahm die Mäntel derer entgegen, die später Musikgeschichte schrieben. Spandau Ballet, Ultravox, Sigue Sigue Sputnik, Dead or Alive, King und Hot Gossip – Gäste und „Blitz Kids“ die den Stadtteil in London von 1979-1980 belagerten.
Strange gründete seine eigene Band „Visage“ und landete 1981 mit „Fade to Grey“ den größten Hit, der bis heute untrennbar mit dieser Zeit verbunden ist. Doch die Band der Extrovertierten löste sich auf, Midge Ure und Billy Currie gingen ihre eigenen Wege. Mitte der 80er, Visage hatte sich mittlerweile vollständig aufgelöst, machte Strange „seinen größten Fehler“, wie er später einmal sagte. Er nahm Heroin und wurde abhängig. Er erholte sich nie wieder. Nicht persönlich und auch nicht äußerlich. Ende der 90ern verhaftete man ihn wegen eines Ladendiebstahls, als er seinem Neffen eine Teletubby-Figur stehlen wollte.
2004 ein kurzer Lichtblick. Im Zuge der Retrowelle findet sich Visage wieder zusammen und tritt auf 80er Jahre Partys auf. Die Stilikone verkommt zur Attraktion der Feier-Kultur. Sein Herz blieb in der Vergangenheit. Ende 2014 wurde er in ein Londoner Krankenhaus eingeliefert, jedoch ohne weitere Befunde wieder entlassen. Mitte dieser Woche verstarb Steve Strange im Alter von 55 Jahren im ägyptischen Scharm el-Scheich an einem Herzinfarkt.
https://www.youtube.com/watch?v=Utjd76czUgI
Mhm, wenn ich bedenke, dass dies mal meine erste Vinyl-Single war, einst zum 11. Geburtstag bekommen, dann fühlt es sich schon so an, als würden die Einschläge näher kommen (was bei Todesfällen wie etwa J. Cocker nicht so ist.)
Aus gegebenem Anlass empfehle ich die BBC-Krimiserie „Ashes to Ashes“, in der eine angeschossene und im Koma liegende Polizeipsychologin sich im London von 1981 „wiederfindet“ (und dort von Bowies weißem Harlekin verfolgt wird). Episode 2 der ersten Staffel spielt rund um die Hochzeit von Prinz Charles und Lady Di und die Heldin ermittelt undercover im Blitz-Club. In der Szene stehen Visage grade auf der Bühne und performen „Fade to Grey“ (und sie sagt Boy George, der noch an der Garderobe steht, dessen baldige Karriere voraus) – sehr amüsant.
Uff ja, 1981….. da merkt man doch, dass man alt wird. Damals war ich so zwischen Kind und Teeny, naja und nu bin ich ne alte Henne.
Fade to Grey ist für mich eines der Lieder, was ich in einem Sondtrack meines Lebens auf alle Fälle mit aufnehmen würde. Dieses Lied hat mich – wie gute Lieder es gemeinhin tun – musikalisch schon mal vorgeprägt. Denn natürlich hatte ich mit 11 Jahren noch keine musikalische Identität. Da ging es los bei mir mit Spider Murphy Gang (jaaa, ich steh dazu! Und mal ehrlich: Gegen den ganzen Casting-Kram war das noch authentische Musik. Über Gefallen oder Nichtgefallen mag man sich streiten. Schönheit liegt auch bei der Musik im Auge des Betrachters.) und dann später natürlich, was man aus den Top Ten so aufschnappt.
Mitten unter dem ganzen Top-Ten-Gedönse, was ich damals noch mit Kasettenrekorder vor das Radio gehalten aufgenommen habe, hat mich „Fade to Grey“ immer ein bisschen begleitet. Und das waren noch die Zeiten, wo man zu allen Göttern, Teufeln und wem auch immer gebetet hat, dass a) der Moderator nicht reinquatscht und b) keine Werbeunterbrechung kam und (wichtigst!!!!) c) keine Mutter die just in diesem Moment ins ZImmer kam und einen zu Abendessen geholt hat.
Ich hatte damals noch keine Stereoanlage, sondern eben ein Radio im Zimmer und einen tragbaren Kasettenrekorder. So!
Ja und irgendwie kommen die Einschläge tatsächlich näher.
@Saturin: Oh, das ist aber ein toller Tipp mit dieser Krimiserie! Nicht, dass ich auch gerne im Koma liegen würde, aber einen Ausflug in das London 1981 würde mir auch gefallen. Vielleicht um das Idealisieren endlich mal anständig auf den Boden der Tatsachen zu holen oder aber auch auf der Kings Road nach Herzenslust zu stöbern. Das täuscht natürlich nur über die Traurigkeit der Nachricht hinweg, denn „so jung“ abzutreten ist nun wirklich nicht schön. Mich hätte doch dann tatsächlich interessiert, wie das damals so war, im Blitz-Club. Steve Strange war einer der Menschen, mit denen ich gerne einmal zu Abend gegessen hätte. Ob die „Einschläge“ tatsächlich näher rücken? Mir ist neulich aufgefallen, dass ich – um mein Alter auf irgendwelchen Internetformularen anzugeben – immer tiefer scrollen muss um mein Geburtsjahr zu finden. Ich schätze, das ist der selbe Effekt wie „Einschläge“.
@Luni: Ich muss schmunzeln. Ich erinnere mich, auch wenn ich schätzungsweise ein paar Jahre jünger bin, auch an meine Aufnahmeversuche bei Depeche Mode. Um 13:15 war die Schule vorbei, um 13:00 begann aber schon die Hitparade auf WDR1 – deshalb bin ich oftmals nach Hause gerannt und habe den Kassettenrekorder mit einem 5-poligen DIN-Kabel (kennt das noch einer) mit dem Rekorder verbunden. Dann Aufnahme und Play gleichzeitig und die Pause-Taste gedrückt. Dann hieß es warten und hoffen, dass niemand reinquatscht. Die Kassetten mit den mitgeschnittenen Aufnahmen wurden dann solange im Walkman gedudelt, bis es Bandsalat gab. Hach!
Ich bin mir nicht sicher, aber sind wir schon in dem Alter in dem man sich die Frage stellt, was man bisher erreicht hat? (Nicht beruflich) Was hätte Steve Strange auf diese Frage geantwortet? Ich habe eine Jugendkultur begründet? Die „Einschläge“ lassen bei mir eine faden Nachgeschmack. Warum habe ich nicht mit 20 einen Nachtclub eröffnet? Vielleicht kann ich mich ja glücklich schätzen, weil ich so auch nie in Berührung mit der „dunklen Seite“ der Nacht gekommen bin – schließlich war Strange lange Drogensüchtig.
@robert: Die Frage, was man erreicht hat, also das hinterlässt bei mir irgendwie einen faden Beigeschmack. Wie misst man dieses „Erreichen“? Erreichen bedeutet für mich, dass man irgendwo angekommen ist. Kommt man jemals komplett irgendwo an? Also klar, schon komplett in einem STück – zumindest hoffe ich das. Aber besteht das Leben nicht daraus, dass man sich immer wieder neue Ziele setzt?
Wie diese Ziele aussehen, das muss jeder für sich selbst abmachen. Ich fand da einen Spruch von meiner yoga-Lehrerin ganz gut. Die meinte, dass man sein ganzes Leben lang dazu lernt. Dann, wenn man nichts mehr zu lernen hat, ist man bereit zu gehen.
Und haaa, der Walkmen. Ewig waren die Batterien leer! Und wenn man ein bestimmtes Lied hören wollte, jesses, immer das Gespule.
Zum ersten Teil würde ich jetzt wohl sagen ja und nein. Ja, weil ich denke, dass man für Momente und Augenblicke wirklich voll und ganz irgendwo angekommen sein kann. Und nein, weil sich immer alles wandelt und sich auch das wo man angekommen ist wandelt und nicht bleibt, man also wieder neu ankommen muss in dem was sich entwickelt hat.
Zum Zweiten: dem würde ich wohl so zustimmen. Der Spruch „der Weg ist das Ziel“ ist wohl einer der abgedroschensten überhaupt, aber irgendwie ist es auch wahr. Eben weil das Erreichte nicht anhält und weil mit dem Stillstand meiner Meinung nach auch der Zerfall beginnt…
Das mit den Walkmans und den Aufnahmen kenne ich tatsächlich auch noch und dabei bin ich noch recht jung^^ Sicher ist das heute praktischer und angenehmer, aber in meiner Erinnerung ist das auch immer fruchtbar schön vor dem Radio gesessen zu haben und zu versuchen etwas aufzunehmen oder „rüber zu spielen“…
@Luni: Auch wenn das Leben eine Reise ist, so bevorzuge ich die Reise von Ort zu Ort, von Erreichen zu Erreichen. Sicher besteht das Leben daraus, sich ständig neue Ziele zu setzen, gelegentlich möchte ich aber auch welche erreichen. So ist auch für mich das „Erreichen“ gemeint. Und Deine Yoga-Lehrerin stimme ich natürlich auch zu ;-)
Flederflausch: Deswegen setzt man sich auch neue Ziele oder – um mein Beispiel aufzugreifen – fährt zum nächsten Ort. Eine ständige Reise, ein „dauerhafter Weg“ ohne irgendwo anzukommen, etwas abzuschließen, zu beenden oder zu erreichen ist für mich nicht erstrebenswert.
P.S.: Das vor dem Radio sitzen fand ich persönlich sehr nervenaufreibend. Gerade wenn du ein Stück aufnimmst, womöglich auch noch ein seltenes und dann plötzlich jemand dazwischenlabert. Ich glaube, das hat mich damals einige Fingernägel gekostet.