Die besten Tanzflächenmomente sind die, bei denen du keine Ahnung hast, von wem oder was die Stücke sind, die dich gerade zum tanzen animieren. Bei denen du nicht mitsingen kannst, weil du den Text nicht kennst und auch viel zu beschäftigt bist, um verzweifelt auf dem Smartphone die App zu suchen, die Musikstücke erkennt. Tanzflächenmomente, in denen es Dir völlig egal ist wie du auf andere wirkst, was die einsetzende Transpiration mit deinem Make-Up anstellt oder um wieviel Uhr du am nächsten Tag aufstehen musst. Dann bist du für 3-6 Lieder (je nach Kondition) völlig unbeschwert, befreit vom Gedankenkarussell und hast ein Stück von dem zurück, was du vom „früher“ so schmerzlich vermisst. Jeder dieser Tanzflächenmomente hat das Potential legendär zu werden! Das werden solche Momente immer dann, wenn man nicht in der Lage ist, diese Augenblicke zu wiederholen. Ort, Zeit, Umfeld, Klang, Stimmung. Der musikalische Fingerabdruck guter Nächte in schwarzen Tempeln. Irgendwann findest du raus, von wem die Stücke sind, besorgst sie Dir, hörst sie rauf und runter und feierst auch folgende Augenblicke, in denen diese Stücke wieder einmal aus den Lautsprecher der Lieblings-Discothek krachen. Aber der gleiche Moment wird es einfach nicht. Offenbar reicht eine minmale Abweichung der Parameter, die im Leben unvermeidlich erscheint.
Je älter du wirst, umso mehr zehrst du von diesen Augenblicken. Verfällst in Nostalgie, schwelgst in den Erinnerungen der Vergangenheit baust Dir unmerklich ein Korsett an Bedingungen, die es immer schwieriger machen, Tanzflächenmomente zu wiederholen oder gar legendär werden zu lassen. Dann ist der Nebel zu dicht, der Klang ist kacke, die Leute unangenehm und überhaupt hat man auch die falschen Schuhe an. Glaubt mir wenn ich Euch sage, dass das völlig Quatsch ist. Die finden immer dann statt, wenn man loslässt. Und die Tanzfläche ist genau der Ort, an dem man das von Zeit zu Zeit tun sollte. Nicht darüber nachdenken, wie man aussieht. Nicht darüber nachdenken, ob die Bewegungen dem Takt entsprechen. Und einfach mal alles andere für 3-6 Lieder (je nach Kondition) egal finden. Probiert es aus. Es lohnt sich.
Das M – Channel Surfer
„Channel-Surfer. Es wird ewig weitergehn, eine Ende ist nicht abzusehn!“ Martin Haidinger, selbstständiger Grafiker aus Österreich, macht nebenbei Musik. Und das bereits seit 1992 auf wechselnden Labeln, Medien und bei verschiedenen Gelegenheiten. „Das M“ ist nur eins seiner zahlreichen Projekte und musikalischen Ergüsse, die er aus den Schaltkreisen seiner Synthesizer zaubert. Zu Ohren gekommen ist mir das Stück „Channel Surfer“ auf irgendeiner Party 2015 und war tagelang nicht in der Lage, mich von diesem Ohrwurm zu befreien, der mich zu Transpirations-Exzessen auf der Tanzfläche fesselte. Wie konnte das sein? Wie hat es der Typ geschafft den 80er-Sound der neuen deutschen Welle in Hier und Jetzt zu transportieren, ohne dabei altbacken oder immitationswütig zu klingen? Nach endlosen Recherchen landete ich letztlich bei Kernkrach, die Martin aus der Versenkung befreiten und ihn zur Produktion eines Albums animierten. „Leidenschaft und Produktion“ nennt sich das Ergebnis, das mich beeindruckte. Im Ox stieß ich dann auf ein Interview, das mir mehr über den Österreicher verriet, aber mich nachwievor im Dunkel darüber ließ, warum der so klingt, wie ich es brauche.
Incubated Sounds – Anne’s Death
Da sitze ich nun mit meinem Talent. Und am langen Ende verkomme ich noch zum Verschwörungstheoretiker. Incubated Sounds erscheinen irgendwie so in meinem Horizont. „That was Then – This is Now“ heißt das Album, auf dem das Stück „Anne’s Death“ zu hören ist, erschienen nur auf Kassette. Die Musiker, die bei Discogs bezeichnet sind, scheinen sich nur für diese musikalischen Schaffensphase Anfang der 90er zusammengefunden zu haben. Mystische Kassettenverzierungen hinterlassen mehr Fragezeichen als Hinweise: Bänke in einer Kirche und: „Dedicated to Os 1/5“ – Ein Bibelvers? Das liegt nahe, denn „Divine Call“ auf der B-Seite referiert offenbar zu folgendem Vers: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ Und vor allem: Wer ist eigentlich diese Anne? DIE Anne Frank? Das jüdische Mädchen mit dem berühmten Tagebuch? Für mich übrigens eines der Lieder, das die Gothic-Dekade der 80er in die 90er überführte und damit den typischen Darkwave-Sound prägte.
Second Layer – Courts or Wars
Es ist diesig an diesem frühen Montag Morgen in London, als Adrian Borland den Bahnsteig am Bahnhof Wimbeldon betritt. Er fällt keinem der zahlreichen Pendler auf, die auf ihre Züge warten und auch Borland scheint seine Umgebung nicht wahrzunehmen. Er schlendert an den Wartenden vorbei und wirft sich ohne weitere Vorwarnung unter den einfahrenden Zug. Niemand der schockierten Reisenden weiß, dass es bereits sein dritter Versuch ist, seinem Leben ein Ende zu setzen. Niemand kannte den Mann, der als Sänger, Songwriter und Gitarrist Bands wie „The Sound“ oder „Second Layer“ gründete und formte, denn zu weltweitem Ruhm hatten ihm seine eindringlichen und melancholischen Songs nicht verholfen. Harmony & Destruction sollte sein neues Album heißen, an dem er noch an diesem Wochenende gearbeitet hatte, doch Destruction war das letzte, was ihn bewegte. Seit 14 Jahren kämpfte er schon gegen seine Depressionen und die psychische Krankheit, die man beim diagnostizierte. Er velor den Kampf, denn sein dritter Versuch war erfolgreich. Adrian Borland starb am 26. April 1999 im Alter von 41 Jahren.
von das M kannte ich bisher nur „ich träume“, dafür auch eins der meistgespielten lieder in meiner playlist
„Das M“ kannte ich bislang gar nicht – danke für den Tip!
Von Incubated Sounds lief in Berlin jahrelang sehr häufig in den Clubs „war is just a game“, „Anne’s death“ kannte ich hingegen noch nicht. Ich kenne noch einen „Solo“-Song von Adrian Borland, „vampiric love“, daher war mir sein Name geläufig, jedoch nicht die Zugehörigkeit zu The Incubated Sounds und The Sound. Traurig, dass er seinem Leben ein Ende machen musste.
Besteht Interesse an noch ein paar Musiktips von mir aus derselben Ecke?
Um nochmal auf den Text vor den Musikbeispielen einzugehen: Ich kenen eine Menge Leute, die immer nur zu Songs tanzen, die sie auch kennen. Die verpassen da wirklich eine Menge, denn wie Du es beschreibst, hat das tanzen zu einem (noch) unbekannten Song einen ganz eigenen Reiz. Man entdeckt die Musik auf körperbetonte Weise, muss aber auch etwas improvisieren, weil man noch nicht weiß, was als nächstes kommt, und seine Bewegungen damit nicht im Voraus „planen“ kann.
Wenn ein Song beginnt, den ich nicht kenne, dessen Anfang mir aber richtig gut gefällt, dann geh ich auch tanzen. Wenn mir der Song dann im weiteren Verlauf doch nicht gefallen sollte, entscheide ich spontan, ob ich es trotzdem durchziehe, oder ob ich die Tanzfläche wieder verlasse. Ob das jemand seltsam findet, ist mir dann auch wurscht.
Wenn ich genug Platz zum Tanzen habe, dann drifte ich dabei auch richtig weg, versinke in der Musik. Wenn es aber voll ist, und ich ständig aufpassen oder ausweichen muss, dann kann ich das auch nicht wirklich genießen, nicht „loslassen“, wie Du es nennst. Wenn es dann klappt mit dem Loslassen, kann ich auch richtig aus mir herausgehen und manche, die mich als eher ruhigen Menschen kennen, sind dann erstaunt, was ich dann für ein Energiebündel werde ;-) Tanzen ist eben ein gutes Ventil für alles Mögliche!
Danke für die tollen musikalischen Anregungen!
Ein Freund von mir kann leider gar nicht loslassen und sich auf unbekannte Musik einlassen. Er wartet immer erst ab, ob ihm ein Song gefällt… Dadurch ist es in meinen Augen nahezu unmöglich, überhaupt noch einen richtigen Zugang zu dem Lied zu erhalten. Und wenn man dann doch noch einsteigt, verpasst man doch das Beste?
Ich mache das ziemlich oft — einfach Augen zu und nur auf die Musik hören und dabei tanzen .
Oft bin ich beim DJ und frage nach dem jeweiligen Song der gerade lief .
Aber, das macht ja Musik aus und beim tanzen , kann ich sehr gut loslassen , den Alltag hinter mir lassen.
Leider st es aber oft so , das wenig Platz da ist um richtig los zulassen .
bin beim weggehen fast durchgehend auf der tanzfläche zu finden – gibt wenig tätigkeiten, wo ich so bei mir bin und mit mir im reinen bin.
Mir ging es gerade am Samstag so! Ich war mit meinem Liebsten endlich mal wieder tanzen beim Goettertanz in Heroldsbach (nahe Bamberg). Ich finde mich hier gerade bei sämtlichen Beschreibungen wieder. Da ich die letzten Male ohne meinen Mann weg war, fiel es mir anfangs schwer, mit ihm eine Ebene zu finden. Zwischendurch kamen auch super Lieder, die ich schon lange nicht mehr hörte und dieser schöne Aha- Effekt setzte ein. Dann kamen aber auch wieder ab und zu irritierende Momente dazu (Bin ich noch im Takt?, Der da drüben bringt mich völlig aus dem Konzept, Warum muss die hinter mir so viel Raum einnehmen und mich ständig anrempeln? und so weiter…). Irgendwann hatte ich das Gefühl, völlig desorientiert zu sein. Da dachte ich mir auch nur: „Augen zu und auf die Musik einlassen!“. Das war dann auch das Richtige. Schließlich wollte ich ja endlich mal wieder tanzen und nicht nur ständig mit diesen Gedanken jonglieren ob jetzt irgendwas passt oder nicht. Ich finde es aber klasse, dass es anderen scheinbar auch ab und zu mal so geht. Da fühle ich mich gleich besser. Danke Robert!
Im Übrigen gefällt mir Incubated Sounds total klasse! Danke für diese Perle! Werde ich heute wahrscheinlich noch um die 56 Mal hören:-)
Im Übrigen gefällt mir Incubated Sounds total klasse! Danke für diese Perle! Werde ich heute wahrscheinlich noch um die 56 Mal hören:-)
Einen wunderschönen Tanzflächenmoment hatte ich erst vor kurzem, den ich in meinem Herzen aufbewahren werde. Wiederholbar sind solche kostbaren Momente nicht, aber immer wieder abrufbar, solange sie in Erinnerung zu bleiben vermögen.
Adrian Borland… eine tragische Geschichte… Seine Band ‚The Sound‘ ist eine meiner Lieblingsbands. Wird ein Lied von ihnen in einem Club gespielt, ist das immer ein ganz besonderer Moment. Bei geschlossenen Augen kann die Musik in mein kleines Universum vordringen, wo der Bass den Takt meines Herzschlags vorgibt und ich mich ihm auf der Tanzfläche ganz hingebe. Es mag etwas makaber anklingen… bin ich mit der Bahn auf Reisen, höre ich am liebsten „From The Lions Mouth“, in vollem Bewusstsein, wie Adrian Borland starb. Warum weiß ich nicht. Eine seltsame Melancholie umfängt mich dann, die allein durch die Bahnfahrt hervorgerufen, durch diese Musik noch verstärkt wird. Wenn ich die Musik höre, so wie gerade jetzt, sehe ich vor meinem inneren Auge die Landschaft an mir vorüber eilen.
https://www.youtube.com/watch?v=n2y_l7DmnS8
Wenn der DJ die Stimmung eine gewisse Zeit halten kann (statt die Genres wild durcheinander zu würfeln *grummel*) und mir die mehr oder weniger getarnten Stinos nicht dauernd in den TanzWeg stolpern, kann ich mich mit geschlossenen Augen auch wunderbar in der Musik verlieren/finden… So sehr, dass ich am Ende gar nicht mehr genau weiss, welche Songs liefen <3
Ich bin wirklich erstaunt, wie sehr über das Tanzen „philosophiert“ werden kann. Aber es gibt da einiges, was mich auch verwundert
@le_lys_noire: muss man sich wirklich Gedanken machen, ob man im Takt tanzt oder nicht? Und wenn da einer einen anrempelt…na und??? Wo viel Leute, da viel Anremplungspotenzial. Aber du hast ja dann selbst gemerkt, dass Du Dir da offensichtlich zu viele Gedanken darüber gemacht hast.
@Ella: zeugt es nicht von Hybris, wenn man von seinen „Tanzwegen“ spricht und andere Gäste als „getarnte Stinos“ abkanzelt? Jeder Mensch hat doch das Recht zu tanzen wie er will. Oder ist die Dunkeldisco der neue Ort für Standardtanz und Benimmregeln?
Wie war das bei Kontrasts „Einheitsschritt“: „Sie verwechseln Ehrlichkeit und Toleranz mit Oberflächlichkeit und Arroganz“. Einiges klingt bei diesen Kommentaren durch. Leider.
Ich kann mich an einen Abend erinnern, als im bereits geschlossenen „Pulverturm“ in München eine Frau mit weißer Bluse und Blümchenrock zu The Cure getanzt hat. Sie war nie im Takt, sie hat sich eher wie ein Hippie zur Musik bewegt und die Arme immer in die Höhe geworfen. Alle haben sie verächtlich angeschaut. Warum? Sie mag anscheinend diese Musik. Und dafür ist Musik da: sie soll die Menschen berühren. Wie diese letzten Endes aussehen oder sich dazu bewegen ist doch auch egal (wenn wir jetzt nicht gerade in einer Batcave-Veranstaltung mit explizitem Dresscode sind).
Auch ich habe gerne getanzt; früher war ich immer der erste auf der Tanzfläche, wenn mich ein Song anspricht. Und natürlich tanzt man zu jenen Liedern, die man bereits kennt, am liebsten. Und manchmal schafft der DJ durch geschicktes Auflegen die Leute bei der Stange zu halten, sodass sie auch zu einem neuen Song weitertanzen und sich nicht gleich in alle Winde verstreuen. Deswegen ist der DJ-Job nicht ganz ohne. Von daher auch ein Dank an all die Schallplattenunterhalter, die Wochenende für Wochenende versuchen, uns schöne Stunden zu bereiten.
@Robert: Danke Dir für die Songs, die mir bis jetzt auch unbekannt waren. Eine gelungene Horizonterweiterung :)
Jetzt will ich umso mehr tanzen gehen… *hach*
Wobei ich sagen muss, dass mir dieses komplette Loslassen schon immer richtig, richtig schwer fällt. Ich kann das eigentlich nicht. Leider.
Und wegen Stinos und so eine nette Anekdote: Vor ein paar Jahren nahm ich mal eine Schulfreundin mit in meine Stammdisko. Sie saß dann so da rum in Jeans, weißer Bluse, hellblauem Pullunder und mit ihrem Taize-Kreuz und fand das alles sehr faszinierend. Irgendwann gefiel ihr die Musik. Und weil sie nicht anders tanzen konnte, fing sie mit Figuren aus dem Ballett an. Total strange, eigentlich. Aber alle Anwesenden nahmen sie einfach so hin und an und viele fragten mich danach noch oft, ob sie nicht mal wieder kommen würde. :)
Für mich war das noch ein Grund mehr, die Szene einfach zu lieben…
Ich werfe mal allgemein so die Frage in die Runde ohne dabei wertend sein zu wollen:
Ist die Tanzfläche nicht auch irgendwo Bühne der Selbstinszenierung, des sich miteinander- verbunden- Fühlens aber auch der Aus- bzw. Abgrenzung? Natürlich ist Tanzen etwas sehr Individuelles und für uns alle ja irgendwo ein Kanal (wofür auch immer). Aber abgesehen davon ist es doch auch Projektionsfläche. Egal ob man das nun gut findet oder nicht. Aber man nimmt doch auch die anderen Tänzer wahr und gleicht ab, ob einem dieses oder jenes gefällt. Das ist natürlich nicht jedes Mal so bei jedem Lied. Aber tendenziell bekommt man doch auch etwas von diesem Mikrokosmos der anderen auf diesen wenigen Quadratmetern mit. Wie ist das bei euch?
+VLFBERH+T: Nö. Null Arroganz. Nur klare Sicht darauf. Es sind nunmal getarnte Bunte mit zumeist unberechenbaren und mehr als ausladenden Bewegungen im 08/15-Tanzstil auf sämtliche Musikrichtungen. Tatsächlich freue ich mich sogar über „Sternenpflücker“, „Hippies“ oder andere Szenefremde, die sich mit eigenem Tanzstil der Musik hingeben – und das meist eben OHNE den Nachbarn ZU nahe zu kommen…
@Le_lys_noire: Definitiv. Tanzfläche = Selbstinszenierung. Dann achtest du aber zu meist bewusst darauf, wie du dich bewegst. Für mich sind die Cyber mit ihren ausgefeilten und einstudierten Bewegungsabläufen bestes Beispiel. Das macht man meiner Ansicht nach, um sich zu präsentieren, weniger um sich der Musik und dem Gefühl hinzugeben.
+VLFBERH+T : Über den Tanz zur Musik kann man ganz ausführlich diskutieren :-) Und um die Brücke zu @Ella aufzubauen: Ich kann es gut nachvollziehen, wenn man sich durch x-beliebige Tanzstile auf der Tanzfläche unbeliebt macht. Natürlich ist Körperkontakt unausweichlich, vor allem wenn es voll ist, doch hier kann man in der Grufti-Disco verschiedene Phänomene beobachten, die dann doch im völligen Gegensatz zu der Art stehen, wie der gemeine Besucher sich auf der Tanzfläche verhält.
* Körperkontakt wird grundsätzlich gemieden
* Höflichkeit steht vor Selbstverwirklichung
* Der Takt ist nicht immer Rhythmus
* Die Melodie eines Liedes wird häufig in den Bewegungsablauf einbezogen
* Schleichen, Schwanken und hängende Glieder sind Tanzstil und nicht dem Alkohol oder der Müdigkeit geschuldet
Der gemeine Stino hingegen ist ein Beat-Tänzer. Ohne Beat keinen Tanz. Der Stino schwankt nicht, schlurft nicht und läuft auch nicht gebückt über die Tanzfläche. Häufig hoppelt er zum Tanz und seine bevorzugte Ausdrucksform ist die Fröhlichkeit und Ekstase beim Tanz, nicht die Traurigkeit und Melancholie „anständiger Goten.“ Außerdem bemerkt man ihn durch unangenehme Nähe, die er ja aus anderen Tempeln gewohnt ist.
NATÜRLICH ist das nicht allgemeingültig und sicherlich auch eine übertriebene Stereotypenbeschreibung. Doch ein Quentchen Wahrheit steckt immer drin ;)
Den Wahrheitsgehalt erkennst du dadurch, dass hier so viele Leser ausführlich über ihre schönen Momente auf der Tanzfläche sprechen. Wie sagtest du schön? Es erstaunt Dich, wie hier über das Tanzen philosophiert wird? Die Gruftis überlassen eben nichts dem gedankenlosen Zufall.
Robert, vielen lieben Dank für deine überaus treffenden Worte…
Ich kann mich Ella nur anschließen: Treffende Worte. Ein fast niedlich anmutende Einführung in den Tanzknigge der schwarzen Szene.
@Robert: Hast du wirklich den Eindruck, dass Cyber den als fertiges Produkt „auswendig lernen“? Ich habe immer den Eindruck, dass diese Fraktion generell nur zwei, drei Elemente in petto hat und diese dann immer wiederholen und ab und zu in anderer Anordnung anwenden, so dass es innovativ wirkt. Aber das eine muss das andere ja nicht ausschließen.
eine Freundin von mir gehört der Cyber Fraktion an und soweit ich mitbekommen hab, steckt da tatsächlich sehr viel einstudieren dahinter, vor allem dann, wenn es mit anderen synchron laufen soll. aber für mich als Beobachter ist das auch nicht abwechslungsreicher als mein klassischer Gruftitanzstil.
@Le_lys_noire: Tatsächlich halte ich Cyber für einen körperbetonten, darstellerischen Tanz aus erlernten Bewegungsabläufen. Der übliche Gothic-Tanz folgt keinem Stil, keinen Bewegungsabläufen und folgt häufig der eigenen Gefühlslage, die nicht vornehmlich aus heiterer Stimmung resultiert oder von Alkohol geschwängert ist. Das ist wertungsfrei und nicht als Besser/Schlechte oder True/Untrue zu verstehen :-)
Robert, was meinst Du denn mit „der übliche Gothic-Tanz“? Die berühmten „3 Schritte vor, 3 zurück“? Das war ja auch schon in den 80ern und 90ern nicht der alleinige Tanzstil, wie in den Videos aus älteren Szeneclubs gut zu sehen ist. Da war noch viel Disko-Gehabe drin und manche exzessive Selbstdarstellung. Die Damen, die sich recht sexy-punky mit Korsage und Minirock kleideten, bewegten sich auch meist so. Die „Teller- und Turm-Fraktion“ schlurfte auch nicht nur umhangwedelnd rum, sondern legte auch mal eine flottere Sohle hin ;-)
https://www.youtube.com/watch?v=GdnYoQOM_Bo
https://www.youtube.com/watch?v=A3ZVZVMIG7g
https://www.youtube.com/watch?v=eTrRoZBh50Y
Da gibt es sowohl körperbetonte bis laszive Tanzstile, mehr oder weniger betonter Armeinsatz (wedelnd, in die Höhe), schwebende oder stampfende Bewegungen, Tanzen auf der Stelle bis hin zu mehr oder weniger schnellem Hin- und Herlaufen oder punkigem Springen. Es gibt Leute, die tanzen immer nur denselben Stil und welche, die sich der Musik anpassen und variieren, intro- und extrovertierte Tänzer, welche die in sich selbst versunken tanzen oder welche, die um Aufmerksamkeit buhlen (Balztanz? grins)… Wäre ja langweilig, wenn alle immer nur dasselbe machen ;-)
Auffällig ist aber, dass ältere Szenemitglieder oft schon anders tanzen als das Jungvolk.
Natürlich spielt der jeweilige Musikstil eine Rolle, der gerade läuft. Gothrock, Deathrock und Postpunk bieten anderes Bewegungspotential als Synthpop, Minimal oder EBM – von Heavenly Voices und Neofolk etc. ganz zu schweigen ;-)
Beim Tanzen passe ich mich schon der Energie und Atmosphäre eines Songs an – auch wenn ich sehr gerne zu schnelleren Songs tanze, wo ich mich wie ein Springteufelchen ziemlich austoben kann, mag ich auch ruhigere, veträumte Songs zum Tanzen, und da tanze ich dann völlig anders als zu den „Krachern“. Mal ist mir mehr nach Rhytmus und Auspowern, mal mehr nach Melodie und Wegdriften. Loslassen kann ich bei beidem sofern ich genug Platz habe. Zu viel Nebel (keine Orientierung mehr), zu volle Tanzflächen – oder gar Leute, die mitten in einem Song ganz gedankenlos mitten in meine Tanzbahn wechseln, sind mir ein Graus. Damit meine ich nicht die, die auch einfach nur beim Tanzen versehentlich mal in die Quere kommen, sondern die, die einfach ignorieren, dass da gerade schon jemand tanzt und sich trotzdem einfach dort platzieren. Sowas nervt gewaltig. Man sollte sich schon eine Stelle suchen, wo man keinen anderen beim Tanzen behindert (oder wenn in der Mitte kein Platz ist, eben weiter am Rand tanzen statt sich einfach dazwischen zu drängeln).
Das mache ich auch und wenn ich dochmal jemanden anrempel oder trete, entschuldige ich mich auch – außer wenn sich jemand ignorant in den Weg stellt, dann muss derjenige die Folgen aushalten ;-)
@Tanzfledermaus:
Ja, ich sehe das auch so mit den Tanzstilen und dem Platzhirsch- und Balzverhalten einiger Tänzer_innen. Das erste Video ist ja auch klasse:-)