Wave und Gothic, zwei musikalische Strömungen der 80er, die letztendlich in der schwarzen Szene mündeten. Was der Definition nach Wave und was Gothic ist, dürfen die Gelehrten entscheiden. Im Grunde waren aber das die ersten beiden Strömungen, die die Jugendkultur in der Mitte der 80er Jahre formte. Der eher klassische instrumentierte Gothic-Rock traf zu Beginn der 80er Jahre auf den New-Wave, der oftmals rein elektronisch entstand. In Deutschland nannte man sie „Waver“ und „Grufties“, musikbegeisterte Jugendliche mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die ihre klanglichen und inhaltlichen Schnittmenge fanden. Der „Wave“ hat teilweise kuriose Wurzeln und ist in den letzten 30 Jahren stets seinem Credo treu geblieben. Elektronisch und tanzbar, dezent und zurückhaltend, eingängig oder tiefgründig. Ich bin, wonach mir ist. Mal gruftig, mal wavig. Heute ist (m)ein waviger Tag.
Bottroper Hammerchor – Jupp Pütta (1982)
Vor 30 Jahren (eigentlich vor etwa 31 Jahren, aber man verzeihe mir diese Ungenauigkeit) wurde der Punk elektronisch. Synthesizer, Sequenzer und Drumcomputer wurden erschwinglich und verfügbar. Während die einen noch für ihre Gitarren sparten um den Ausläufern des Punk-Rock hinterherzuhechten, schossen unzählige deutsche Bands aus dem Samen des Gedanken „Das kann ich auch!“ und formten etwas, das viele Jahre später immer noch als „Neue deutsche Welle“ belächelt wurde. Doch es war ein Nährboden für ungebändigte und rohe Kreativität. 1982 dachte der Bottroper Krautrocker Jürgen Pluta über die NDW nach, um dann mit Werner Boschmann, einem Bottroper Autor für Ruhrgebietsgeschichten, den „Bottroper Hammerchor“ zu formieren. Ihrem Helden „Jupp Pütta“ ist nichts wichtiger als seine Heimat, ihr dürft raten, worum es sich handelt.
Second Decay – A kind of Dream (1992)
10 Jahre später ist Wave erwachsen geworden, der Sound klingt immer noch wie 80er, nur viel moderner. Die Songs bleiben tanzbar und die Melodien eingängig, doch inhaltlich ist Wave schon längst mit Gothic verschmolzen. Die Waver der 80er nennen sich nun Darkwaver, ihre Rückzugsorte teilen sie sich immer noch mit den Grufties. Eine Verbindung, die nun schon 10 Jahre friedlich nebeneinander existiert. Andreas Sippel und Christian Purwien gründen zum Ende der 80er ihre Band „Second Decay“ und bringen Wave in seine nächste ernst zunehmende, düstere Phase.
The Frozen Autumn – Sperm like Honey (2002)
Offensichtlich ist es Mitte der 90er Jahre schon wieder vorbei, denn der Darkwave wird bis zu Jahrtausendwende von immer neuen Strömungen zersetzt. Was man zu diesem Zeitpunkt „Darkwave“ nennen kann entzieht sich meiner Einschätzung. Wave scheint zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu existieren, klassische Bands geben sich neuen Einflüssen hin, Neofolk drängt aus dem Untergrund an die schwarze Oberfläche. Techno, Future-Pop und Elektro überlagern die Wave-Attitüde. 2002 weiß offenbar niemand, was Wave ist. Mit ein bisschen guten Willen halten „The Frozen Autumn“ als italienische Speerspitze die Stellung.
Automelodi – Schema Corporel (2012)
Auch wenn es zunächst anders erscheint, wir haben einen Zeitsprung von rund 30 Jahren hinter uns gebracht. 2012 scheint sich Wave wieder zurückzuentwickeln. Es schwimmt ebenso auf der Retrowelle, wie unzählige andere Stile und Genre. Heute nennt man Wave „Minimal Synth“ oder so ähnlich. Für mich bleibt es gleich, was nicht heißt, dass es schlechter ist als „damals“, im Gegenteil. Automelodi, mit Xavier Paradis als Sänger und Schreiberling, lassen mich in Erinnerungen schwelgen. Cold Wave, so nannte man seiner Zeit den französischen Ableger des Wave, erlebt seine Reinkarnation. Wave nennt man heute sowas nicht mehr, die Genrebezeichnungen werden immer länger. Doch eins bleibt, elektronisch und tanzbar, dezent und zurückhaltend, eingängig und tiefgründig. Die Vision meiner mittlerweile 30-jährigen Waverei. Ich habe mir einfach abgewöhnt die Genre zu überblicken, die Bands einzusortieren oder nach Genre-Reitern zu suchen. Waver und Grufties, die gibt es heute auch noch, die meisten von ihnen schwimmen 2012 auf beiden Strömungen. Ich bin mir sicher, dass niemand mir Recht oder Unrecht geben wird, denn überall schwebt der subjektive Geschmack mit. Heute ist ein waviger Tag. Irgendwie.
Man mag jetzt sicher wieder die Augen rollen, aber ich halte obige Definition für historisch inkorrekt. Diese Unterscheidung zwischen Goth und Wave fand praktisch doch gar nicht statt. Goth traf also nicht auf New Wave, sondern war schon immer nur eine Teilmenge der letzt genannten Musikszene. Die ersten New-Wave-Bands der 70er waren übrigens allesamt Gitarren-Bands. Ich hab jedenfalls nie verstanden, warum viele New Wave ausschließlich mit SynthPop assoziieren. War denn P.I.L. eine Synthie-Band? Oder die Go-Betweens? Selbst die Tubeway Army setzte auf Gitarren. In der NDW sah es nicht anders aus. Fehlfarben und DAF, Krupps und Wirtschaftswunder… allesamt waren sie „Welle“.
Wie wollt ihr dann Sachen wie Minimal Compact, Pink Industry und viele weitere Bands der 80er einordnen, bei denen Synthie, Drum-Machine und Gitarre gleichwertig nebeneinanderstanden?
@Death Disco: Du hast natürlich vollkommen recht, die obige „Definition“ in historisch sicherlich nicht richtig, weil subjektiv und vom Heute aus betrachtet. Doch was letztendlich richtig oder falsch ist, vermag sowieso niemand mit Sicherheit zu sagen. War P.I.L. denn eine New-Wave Band? Keine Ahnung. Für mich sind sie eine Post-Punk Band. Die Oberbegriffe „Post-Punk“, „New Wave“ oder „Gothic“ sind aber mittlerweile so verwaschen und überladen (und waren sie immer schon), dass eine klare Abgrenzung nicht möglich erscheint. Wie im Artikel beschrieben, überlasse ich eine Definition den Gelehrten. New Wave war nicht ausschließlich mit Synthesizern, Gothic-Rock nicht ausschließlich mit Gitarren. Der Musikperlentaucher ist eine rein subjektive Geschichte und wird von mir häufig nach Szene-Gesichtspunkten mit Fakten versehen, auf eine glasklare und historisch völlig korrekte Einordnung von Bands verzichte ich daher.
P.S.: Antwortest du nicht auf E-Mails?
New Wave, Goth und Post-Punk konnte damals ein und dasselbe bedeuten. Viele Bands waren Post-Punk da sie den Geist des Punk mit anderen Mitteln umsetzten, New Wave weil sie halt zur damaligen aufkeimenden „Welle“ der neuen musikalischen Ausdrucksformen gehörten und Gothic weil sie halt einen dunklen, „gruftigen“ Sound und ein dementsprechendes Image hatten.
Demnach war P.I.L. eben eine New Wave genauso wie eine Post-Punk Band (als Goth-Band würd ich sie jetzt nich bezeichnen).
Im Grunde neigt man heutzutage (auch dank des Internets) dazu, alles strikt voneinander zu trennen und klar zu definieren was eigentlich nicht wirklich möglich ist/war. Der „Spirit“ und der Do-It Yourself Gedanke der damaligen Zeit war das Entscheidende. Welchen Stil-Namen man den Bands gab war oftmals individuell und regional verschieden. Für die einen waren die Sisters damals ne Wave-Band, für andere ne Goth-Band und andere sagten dazu Post-Punk und es war alles richtig. Man darf ja auch nicht vergessen, dass diese Begriffe ja Erfindungen seitens der Medien waren, weshalb sich ja auch manche Bands von diversen Genre-Bezeichnungen distanzierten.
So jetzt hör ich aber auf mit der Definitionskiste..haha
Hach ich liebe Genrediskussionen. Da gibt es wie immer kein Richtig und nur selten mal ein Falsch. Das liegt vermutlich auch daran, wie diese Begriffe jeweils entstanden sind. Oft hat sich der-/diejenige kaum Gedanken gemacht wie er das nun nennt, was da auf der Compilation zusammengefasst oder im Artikel beleuchtet werden soll, jedenfalls nicht soviele Gedanken, wie wir, die wir dann darauf zurückblicken. Die meisten Genrebegriffe im Popmusikbereich sind doch reine (und oft sehr spontan entstandene) Hilfskonstruktionen, oftmals um Musik zu verkaufen, zu beschreiben oder einen gemeinsamen PArtynenner zu finden. Man denke da an die NDW, aber eben auch an Postpunk, No Wave, New Wave, Gothrock, Batcave, Deathrock oder Italo Disco. Von Industrial wollen wir mal gar nicht reden (Eventim bspw. sieht NIN als Vorreiter des I. … naja die Problematik kennen wir ja)
Letztlich beschreiben die Begriffe doch nie nur eine musikalische Seite sondern vielmehr außermusikalische Merkmale und Aneignungsweisen (Herkunft, Styling, Labelzugehörigkeit, Tanzstile, etc…oft übrigens auch einfach nur Verbindungen zu Musik anderer Acts). Dazu kommt dann noch der Zahn der Zeit und die Verwirrung ist perfekt. Für die einen ist Anne Clark halt Techno, für die anderen Wave, dür dritte Minimal Wave usw….
Eigentlich ja nicht schlimm, problematisch wird das ganze immer mal, wenn sich Leute Musikrichtungen statt Bands/Songs beim DJ wünschen. Da kommt dann ganz was Anderes hinten raus, als vorne angedacht war.
Auf Bandcamp gehen die Künstler mit dem Problem scheinbar so um, dass die Genre-Tags unter den Titeln/Alben stetig mehr werden. Ähnliches trifft auch auf Flyer/Ankündigungen für aktuelle Partys zu…
Eigentlich sollte ein Genrebegriff ja verschiedene Einzeltitel/Bands zusammenfassen. Mittlerweile ist es aber so, dass, um eine Band/einen Song hinreichend zu beschreiben, 5-10 Genrebegriffe nötig werden ;)
–> bringt also alles nix mit den Einordnungen. Oder doch? Ich weiß auch nicht…
Ach und schöne Songauswahl übrigens Axel und Robert
Gothic ist Gothic und das ist gut so und wenn man Geld machen will, soll man sich auf andere Genres beschränken, denn dafür ist schwarze Musik nicht prädestiniert.
Dann soll mir mal einer „schwarze“ Musik definieren
Alles, was „wavig“ ist. Ich zähle sogar Bowie dazu, auch wenn er sich dagegen wohl wehren würde :)
Nein, ernsthaft. Das wird jeder anders sehen. Für einen Mittelalterrock-Hörer ist das schwarze Musik. Für mich sind Postpunk und Gothrock und Wave schwarze Musik, weil das die Wurzel der Szene ist. Abee meinetwwgen können andere hören, was sie wollen. Ich richte mich nur nach dem, was mir gefällt. Und das definiere ich als schwarz, etickwttiere es aber nicht öffentlich.
Automelodi – Schema Corporel ,c´est génial !
Hab mich beim ersten Hören direkt verliebt!
Wem sagst Du das! Gib dort mal „New Wave“, „Minimal Synth“ oder „Coldwave“ oder sowas ein! Das meiste was Dir da präsentiert wird ist absolut nutzlos! Problem auch: BC zeigt nur 10 Seiten in der Tag-Suche an. Das macht es unheimlich schwieig dot vernünftig zu recherchieren. Was warte ich auf den Tag, wenn die ordentliche Rubriken einfühen wo man sich auch mal mehr als 10 Seiten VÖs anzeigen lassen kann.
Und leider müsste man vielen Musikern mal sagen: Ey, veröffentlicht doch nicht jeden Mist! BC ist so mit DIE Plattform die am meisten mit unhörbaren Müll zugeworfen wird! SC hat das Problem, dass dort jeder Depp Songs hochlädt die ihm nicht gehören… Arrggh, es ist zum Mäuse melken.
Genre-Definitionen finde ich auch doof. Umso schöner, dass sich der Wave-Stil (ganz undefiniert) irgendwie gehalten hat – und sei es nur als zartes Pflänzchen im Schatten.
Und Automelodi ist mal wirklich eine schöne Entdeckung! :)
Ich hätte da auch noch ein paar aktuelle Wave-Tipps:
https://yyyy.bandcamp.com/
https://bandcamp.com/
Apropos Wave. Ich weiß, folgendes kann man nicht unbedingt zu Wave zählen. Wobei, auf der anderen Seite doch wieder irgendwie. Auf jeden Fall bin ich grad über die Chicagoer Dreamwave-Band Savage Sister gestoßen. Die machen – und jetzt haltet Euch fest – Musik ganz in Tradition früh 90er Heavenly Voices Musik. Ich bin BEGEISTERT! https://savagesister.bandcamp.com/album/sundrowned
Das Artwork erinnert mich an Bauhaus, die Musik an The Cure, passt also :)
Ich wollte nur vorwarnen. Hätte ja sein können, dass jemand nach Fotos sucht und feststellt, dass die keinen Szene-Dresscode der Welt bestehen würden (vielleicht der Typ an der Mitte gerade noch so irgendwie). :D
(Sorry, den Spruch konnte ich mir grad nicht verkneifen, gibt ja auch Leute die immer meinen eine Waveband müsste extrem schwarz aussehen oder so…)
Pfff :D
Sehen die da besonders schwarz aus?
Sind se aber trotzdem :P
Und genau deswegen sind Dresscodes für den Popo. ;p
Es ist ja so, dass Bands stilprägend sind.
Das fing ja nicht erst bei den Rockabillies in den 50ern an, als alle Elvis-Schmalzlocken trugen, oder in den 60ern als die Pilzköpfe durch die Beatles angesagt waren. Man wollte eben so sein wie sein Idol. Oder wie Billy Idol. Heutzutage, wo Künstler aus dem Boden sprießen und nach zwei Stunden wieder von der Bildfläche verschwunden sind (siehe Casting-Sendungen), ist es für die Künstler nicht einfach, einen eigenen Stil zu finden und dementsprechend werden auch die „Fans“ optisch nicht ihren „Idolen“ nacheifern. Da ist es gerade andersrum. Heute versuchen die Musiker ihren potentiellen Fanatikern in den Arsch zu kriechen. Ich finde, dass es nichts peinlicheres als Bands gibt, die ihr Publikum auffordern zu klatschen :P Wenn man sich nur mal die 80er anschaut, da erkennt man relativ einfach, wer in welche Richtung tendierte, da kann man relativ einfach sagen: „Der oder diejenige steht mehr auf diese oder jene Band, weil z.B. die Frisur so aussieht etc.“
Damals waren die Musiker Trendsetter und so fand man sich halt zusammen, weil man sich gegenseitig ansah: „Oh, der hört die selbe Mukke wie ich“, oder eben: „Ih, Poppervisage, ne, mit dem will ich nix zu tun haben, dem ollen Spießer da“. Heute kannst du über schwarze Klamotten eigentlich nichts aussagen. Jede Tussi hat nen Undercut, lilane Haare etc. Ok, die Außenwelt steckt dich natürlich in die Gruft-Schublade, fragt sich aber dann natürlich auch: Welche eigentlich?
Da kann man dann mit Mittelalter-Pop-Metal-Bands wie Subway To Sally ankommen, deren letztes Album ein Arschkriecher hoch zehn ist, allein der Titel „Schwarz in Schwarz“ ist fast schon nicht mehr kitschig, sondern allenfalls einfallslos. Vor allem, weil es weder eine subjektive schwarze Gruftie-Szene oder gar eine „schwarze“ Black Metal – Szene ansprechen soll. Da ist Heino wesentlich gruftiger, um es mal fies auszudrücken, immerhin kann er singen.
Und da geht’s schon los.
Ich finde, es sollte in erster Linie einen Music-Code geben und keinen Dresscode.
Wenn die entsprechende Musik läuft, erübrigt sich das Klamottenproblem und alle sind glücklich. Wenn aber auf schwarzen (!) Veranstaltungen Metal, Techno oder Frei.Wild läuft (sorry, dass ich das wieder mal erwähne, aber es kotzt mich einfach an!!!), dann ist da etwas absolut falsch gelaufen. Dann kann man sich noch so aufdonnern und den strengsten Dresscode der elitärsten Szenen der Welt einhalten. Deutsch-Schrott wird deswegen noch lange nicht „gothic“. Deswegen gehe ich auch kaum weg. Ich sehe es auch nicht ein, extra durch halb Deutschland fahren zu müssen, nur um zu einer halbwegs guten Party zu spät zu kommen.
Wir leben nicht mehr in den 80ern, wo schwarze Musik dank Wave und der ganzen Musikrevolution relativ erfolgreich war, sondern über 30 Jahre später in einer vollkommen anderen Welt, in der Musik zu Fast Food geworden ist, in der Paris-Hilton-Verschnitte schwarz statt pink tragen, weil es gerade modern ist und jeder zweite seinen ganzen Körper vollgepierct und tätowiert hat, getreu dem Thema „Was steht auf deinem T-Shirt?“, welches Robert kürzlich gepostet hat.
So, genug gemault, weitermachen :)
Hat mehr was von Slowdive und My Bloody Valentine, definitiv mehr Schuhgucking als Welle. The Cure höre ich da nicht heraus.
ja da hört man kein cure, weder gitarre noch gesang. kein dark und kein wave netter sphärischer pop, aber nichts schwarzes.
Kann man ja mal bezüglich der Sphärik und Instrumentierung miteinander vergleichen:
Slowdive
My Bloody Valentine (ganz typisch diese leiernden Gitarren)
Bowery Electric
Seefeel (Vorsicht, gnadenloser Loop-Terror)
Ich finde es auch schwierig, anhand der Instrumentierung einer Gruppe entscheiden zu sollen, ob es nun Wave ist oder nicht.
Attitüde spielt ja auch eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Es gibt so vieles was wavig rüberkommt, obwohl es komplett gitarrenlastig ist.
Gerade in Deutschland gab es da so viele Beispiele, wie die frühen Marquee Moon, Remain In Silence oder Scarlet Masque.
Für mich waren das einfach Waver, während Gothicrock eher ein britisches Ding war und viel Glam-Einfluß inne hatte.
Auf diesen Zug sind dann ab der zweiten Hälfte der Achtziger viele Bands aufgesprungen, als plötzlich alle so klingen wollten wie die Lords Of The New Church, aber das ist den Bands oft nicht gut bekommen.
Ja… früher, da gab es keine festen Bezeichnungen, man hat halt gemacht, was gut klang und was einem selbst besser gefallen hat als der vorgesetzte Chart-Käse. Ist doch heute auch noch so. Wenn ich schon das Radio anmache, mache ich’s gleich angeekelt wieder aus. Man sucht Alternativen und die findet man z.B. im alten Gothic Rock. Das neuere Zeug der „Szene“ ist doch alles radiotauglich und nur auf hart gemachte Pop-Musik mit Düster-Techno. „Siouxsie“ zum Beispiel hat auch alle möglichen Stile durchgemacht von Punk bis Soul und Jazz, wenn man sich mal die Sachen anhört. Leider klingt sie mittlerweile auch ziemlich angepasst und ihre Stimme ist auch mehr als verbraucht. Genauso Gary Numan. Von Marilyn Manson mittlerweile nicht mehr zu unterscheiden. Sich dann über Metal zu ärgern, hat eigentlich eher was mit der persönlichen Geschmackssache zu tun. Nimm die „Fields of The Nephilim“, da hat der Calle später auch für kurze Zeit ein Death Metal – Projekt gestartet: „The Nefilim“. Das hat sicher auch einige verärgert. Ich finde es auch eher bescheiden, aber ich bin sowieso kein Metal-Hörer. Also bewegten sich und bewegen sich die Musiker in verschiedenen musikalischen Umfeldern. Wenn man nun also unterschiedliche Stile spielen will, ohne anzuecken, muss man halt mehrere Projekte nebeneinander fahren. Aber wie schon gesagt, man kann es niemals allen recht machen.
Ein geübtes Ohr erkennt das sofort. Wenn man 30 Jahre und länger diese Klampfen, Synthies und Rhythmusmaschinen wie ein Kettenraucher inhaliert hat, kann man sie praktisch im Schlaf stimmlich und mit konstantem Klopfen auf die Schenkelregion imitieren. Tschaka!
Das, was bei Shoegazing auf dem ersten Lauschangriff wie Wave/Goth anmutet, ist ein nicht zu leugnender stilistischer Einfluss. Aber man erkennt die Unterschiede darin, dass Shoegazing/Dreampop nicht so düster daherkommt und der Indie-Rock-Anteil überwiegt. Da steckt oft mehr Noise-Pop, mehr Fuzzbox drin. Auch gesanglich unterscheidet sich das stark, sofern nicht gerade Frauengesang zum Einsatz kommt.
Hier mal ein Beispiel (das hatte ich schon einmal woanders verlinkt, aber der Beitrag wurde irgendwie nicht freigeschaltet):
http://www.youtube.com/watch?v=mqPOJjYvCd8
Der Gesang der Flatterelfe ist nicht ganz so nervig wie die Stimme von den Cranes. Aber die Gitarrenarbeit ist viel interessanter. Hier hat man ’nen deutlichen Post-Punk/Goth-Einschlag, der sich mit Noise-Pop abwechselt. Simpel, aber irgendwie grandios.
Wave schließt Gitarrenlastigkeit doch nicht aus. Woher kommt das immer?
Dabei scheinst Du leider übersehen zu haben, dass die erwähnten Bands allesamt in britischer Tradition standen und den Fußstapfen von Bauhaus, Cure oder Joy Division folgten.
Schon mal aufgefallen, dass die „Fields“ unwahrscheinlich coole Western-Musik mach(t)en?
@Death Disco
cooler Link..kannte ich noch nicht, find ich aber klasse!
Zum Thema Wave..gab ja auch mal den Begriff Gitarren-Wave für Bands wie The Chameleons, The Sound, Echo & The Bunnymen usw.
Die Chameleons und die Bunnymen: zum Schwelgen schön!! :)
Wer das obige Video von Automelodi mag, sollte sich vielleicht mal den Kanadier Arnaud Lazlaud anhören, dessen Track (und Knaller) „Les Invisibles“ vom 1999er Album „Apéretif De Luxe“ stammt, für mich aber – subjektiv!!!! – lupenreiner Wave/ Postpunk ist und rüberkommt wie eine unbekannte Perle eines 80er-Jahre-MixTapes… Selbst Discogs führt seine Musik als New Wave, obwohl lange jenseits der Periode des 80er Jahre New Wave entstanden.
http://www.youtube.com/watch?v=OIndaeXDYVY
Diese „Verschubladung“ der Begrifflichkeiten einzelner Musikstile habe ich nie so ganz verstanden; bis Mitte der 80er konnte man ganz ungeniert Gitarrenmusik und Synthiepop gleichzeitig hören und nach meinem Empfinden lief das alles unter den beiden Begriffen PostPunk/ Wave. Ab Mitte der 80er fingen dann die Medien an, den Untergrund ans Licht zu zerren, Genres und Klischees zu schaffen und den Ausverkauf einer sehr lebendigen, facettenreichen und auf Stilmittel nicht zu reduzierenden Musikszene zu starten.
In jeder Underground-Pinte, jedem alternativen Club liefen damals z.B. die B-52’s mit ihrem Kult-Hit „Planet Claire“ – und niemand störte sich an den 60’s Outfits der Band, die so gar nicht „goth“ waren…damals war eben nichts festgelegt und man hatte viel eigenen Frei- und Spielraum. Wahrscheinlich war gerade das das Geheimnis der europäischen Musikszene von den späten 70ern bis Ende der 80er?!
@Markus
toller Beitrag..stimme dir vollkommen zu!!
https://www.rtl-west.de/beitrag/artikel/juergen-drews-als-schlagervampir/
Wir haben den Vater von Chris Pohl und dem Grafen gefunden :D
Planet Claire läuft noch immer gut und wird auch fleißigst betanzt, sicher nicht in „jedem alternativen Club“, aber doch in einigen. Ganz so schlimm, wie das immer dargestellt wird, ist es also noch nicht :-) Inzwischen geht das, zumindest in größeren Städten, ganz gut, sich von den Ausgeburten der 1990er (ihr wisst schon, dieses Lack&Leder-Mittelalter-Dark-Techno-Schlager-Billig-Schminke-Gemisch) fern zu halten. Und wie hier schon mehrfach angeklungen, gibt es so viel schöne neue Musik, dass man eigentlich kaum hinterher kommt…Bester Beweis ist ja das Automelodi-Ding hier. Das ist, entgegen der Jahresanzeige am Video, ja nun auch schon wieder fast 4 Jahre alt und lief seitdem schon 100fach in Clubs rauf und runter. (Inzwischen gibt es übrigens ein äußerst hörenswertes zweites Album: https://hidden-treasure.bandcamp.com/album/surlendemains-acides
@ Death Disco:
Britischer Einfluß stimmt (welcher auch sonst), und hinsichtlich Cure und Joy Division gebe ich Dir recht. Aber Einflüsse von Bauhaus kann ich bei Remain In Silence nicht entdecken.
Bauhaus war bowiesk geprägter Glam-Post-Punk und führte in gerader Linie zur Ästhetik des Batcave, während Waver das breite Spektrum von Celebrate The Nun über Anna Clark bis zu Pink Turns Blue bevorzugten.
Am deutlichsten wird der Unterschied hinsichtlich Kleidung und Haartracht. Die deutlichen New Romatic-Anleihen bei den Wavern waren bei Anhängern des Gothicrock oder Batcave schlicht nicht zu finden.
Spannend fand ich die regionalen Unterschiede der Waver-Cliquen, die damals noch sehr stark zu spüren waren und von der heutigen Uniformität weit entfernt waren.
Also das verbitte ich mir. Mit Celebrate the Nun hatten wir nie etwas am Hut. Geerdes ist einfach ein Hanswurst und ein mieser Musiker dazu.
Um das Spektrum der Wave-Musik weiß ich. Es ändert nichts an meiner Aussage. Der Sound deutscher Gitarren-Wave-Bands stammt in klarer Linie von den Briten ab, auch Bauhaus nutzten die stil-typischen Brummelbässe und nahezu jede deutsche Band gibt sie als Einfluss an. Peter Murphy sah sich übrigens in Bowie’scher Tradition als eine Frühausgabe der New Romantics. Adrett gekleidet hätte er auch auf das Cover der Vienna-Platte von Ultravox gepasst.
So umfangreich, wie sich das Spektrum der Wave-Musik zeigte, so vielfältig war auch das Auftreten ihrer Hörer. Es macht daher wenig Sinn, zwischen Batcavern/Gothic-Rockern und New Romantics/(Dark) Wavern zu unterscheiden. Sie alle waren Waver, sie alle bevorzugten Wave-Musik, sowohl elektronisch als auch gitarren-orientiert. Die Übergänge sind fließend und nicht immer an optischen Merkmalen festzumachen.
Traditionelle EBM-Leute zähle ich ebenfalls dazu. EBM ist ein klar erkennbares Konstrukt aus überwiegend NDW-artigen Sequenzen à la DAF, Krupps und Tommi Stumpff. Ein Wave-Stil, ohne jeglichen New-Romantic- oder Goth-Einfluss.
Scooter haben doch keinen Wave gemacht, um Gottes Willen, also das finde ich ein bisschen reininterpretiert oO