Ja, ich weiß. 1986 flog Tom Cruise als waghalsiger Pilot im Film „Top Gun“ über die Kinoleinwand. Als er auf einem viel zu großen Motorrad Filmpartnerin Kelly McGillis im Sonnenuntergang abholt, brennt sich ein Song in das kollektive Langzeitgedächtnis der Menschheit: „Take my Breath away“. Dieses von Terri Nunn ins Mikrophon gehauchte Liebeslied blieb der größte kommerzielle Erfolg der 1979 gegründeten New Wave Band „Berlin“. Obwohl sie im Fahrwasser von Blondie und Ultravox eher als weitere Act der aufkommenden New Wave Bewegung gesehen wurden, hatten Terri Nunn, John Crawford und David Diamond deutlich mehr zu bieten. Leider blieb trotz des Oscar-prämierten Film-Theme zu „Top Gun“ der Durchbruch aus. Ein Jahr später löste sich die Band auf. Die Musiker widmeten sich anderen Projekten, Terri Nunn war 1993 als Gastsängerin bei den Sister of Mercy und gab gemeinsam mit Andrew Eldritch den Song „Under the Gun“ zum Besten. Der Song 1983 veröffentlichte Song „The Metro„, wurde als Cover von +44 und System of a Down Jahrzehnte später neu in Szene gesetzt, der Musiksender VH1 brachte die Band 2004 für eine Reunion-Reihe wieder zusammen. Berlin nahmen ihre alten Stücke neu auf, brachten ein Album heraus und sind auch wieder auf Tour.
U-BahnX – Young Hearts of Europe
Es ist auf eine fixe Idee von Chris Garland zurückzuführen, das die Band „U-BahnX“ in Düsseldorf das Licht der Welt erblickte. 1984 gab es für den Produzenten und Songschreiber drei interessante Strömungen. Electro war auf den New Yorker Dancefloors angesagt und in Deutschland sorgten Industrial um EBM für aufregende Impulse. Garland gewann abermals seine Frau Ilona Bolz für das Projekt und überzeichneten ihr eigenes Bild der deutschen Herkunft. Sie nannten sich Heidi von Düsseldorf und Adolf Schmetterling, kleideten sich in einer Mischung aus Uniformelementen, kühlen New Wave Look und deutschen Klischees und wurde in von der internationalen Presse als „Anglo-German Wagnerian Sex Beat Combo“ wahrgenommen. Kunst oder Popkultur? Auf jeden Fall eine weitere – mir unbekannte – Absonderung deutscher Kreativität der 80er Jahre. Wer möchte, kann auf der Seite „The Psychedelic Manifesto“ das gesamte Schaffen von Herrn Garland überblicken.
Printed at Bismarck’s Death – In Scapa Flow
1983 als Industrial-Band durch Martin von Arndt und Heiko Mutert gegründet, schlagen sie sich mit verschiedenen „Darbietungen“ durch Kunst- und Literaturveranstaltungen. Als sie 1986 eine Auszeichnung beim „Festival junger Liedermacher“ gewinnen, folgen Einladungen vom WDR und NDR, die die Beiden zur Produktion von Hörspielmusiken gewinnen. Auf Rough Trade veröffentlichen sie im selben Jahr ihr erstes Album „Fierceness of the immortal Charisma“. Das Stück „In Scapa Flow“ geisterte damals als Demo über die Plattenteller verschiedener Clubs, wurde aber nie auf einem regulären Album veröffentlicht. Der Song erinnert übrigens an die irrtümliche Selbstversenkung von 74 Schiffen der deutschen Hochseeflotte, die nach Ende des 1. Weltkrieges in Scapa Flow (Orkney, Schottland) interniert wurden. Mit wenigen Ausnahmen versanken alle Schiffe, 7 Stück davon sind heute Ziel von Tauchausflügen. Die Band „Printed at Bismarck’s Death“ pflegt eine aktuelle Internetseite, auf der zum 30-jährigen Bestehen der Band alle zwei Monate ein Song zum freien Download angeboten wird.
Alles irgendwie schön – hört sich an wie „Zurück in die Zukunft“ für die Ohren. Momentan schwer angesagt und trotzdem erreicht man die 80ies nicht wieder. Es lag an den Instrumenten, an der vorhandenen Abmischtechnik (um es mal so profan auszudrücken), an der gesellschaftlichen Zusammensetzung, Mode-Extravaganzen (gegen die heute alles Neue nur mehr ein Abklatsch ist) und wohl auch an der Richtung des Windes und der richtigen Strömung. Wie auch immer: danke fürs Tauchen und mit Berlin im Ohr mach ich jetzt den Schlafdeckel zu…
Die Frage: Will man die 80er überhaupt wieder erreichen? Ich meine, manchmal ist es wie bei den Mittelaltermärkten. Eine Romantisierung einer längst vergangenen Epoche. Neulich habe ich in alten Bildern gestöbert, geforscht und mich erinnert. Ich war erstaunt, wieviele schlechte Dinge ich verdrängt hatte. Auch (und vor allem) musikalisch. Das Internet, die Computer und die Technik ermöglichen es uns heute in einer schier unfassbaren Welt an Musik zu schwimmen. Damals hatte ich vielleicht 25 Alben und jedes neue Album war eine Anschaffung und manchmal Überraschung.
Heute wird versucht, etwas nachzumachen, was damals Stand der Technik war. Das muss in die Hose gehen. Denn anstatt wie früher seine gesamte Kreativität in die vorhandenen Technik zu stecken, ertrinkt die Kreativität heute in den unbegrenzten Möglichkeiten der Technik. Irgendwie. Und anstatt etwas neues zu kreieren, von dem sowieso schon alles einmal dagewesen ist, versucht man lieber etwas altes neu aufzulegen.
Robert: Ich hab keine Ahnung, ob man die 80er wieder neu erreichen will. Ich zumindest finde es toll, zusammen mit anderen Schwarzkitteln rumzugrufteln, die Musik der verschiedenen „Epochen“ laufen zu lassen und eine tolle Zeit gemeinsam zu haben. So wie z.B. gestern. Da ist es dann nebensächlich, ob der Gruftie, mit dem du quatscht so alt bist wie du oder ich, oder ob er 20 Jahre älter oder jünger ist. Mir geht’s um das familiäre Miteinander. Und das ist echt verdammt wertvoll, finde ich. Nebenbei: Die Videos sind genial! ;D
Ich glaube, niemand von denen, die die 80er verehren würden sich dort wohlfühlen. Denn ganz so prickelnd, wie sie in der Rückblende erscheinen, sind sie meistens nicht. Vielleicht hast du recht und das gemeinsame hören alter Hits sorgt für eine Verbindung. Ich bin darüber hinaus auch sehr erstaunt, wie viele Sache aus den 80ern ich noch nie gehört habe.