Depeche Mode – Never let me down again (Synaptic Dub Remix)
Eigentlich logisch, das ein Remix von Depeche Mode hier auftauchen musste. Im August 1987 veröffentlichten Depeche Mode mit „Never let me down again“ ihre zweite Single-Auskopplung aus dem Album Music for the Masses. Mit diesem Song verbinde ich eine Menge Erinnerungen. Stundenlang hockte ich vor dem heimische Radiorekorder und versuchte endlich ein vollständige Version des Stückes auf Kassette zu bannen, ohne das irgendein dämlicher Sprecher das Stück unterbrach, vorzeitig beendete oder langatmig einleitete, während im Hintergrund schon die ersten Sekunden des Stückes zu hören waren. An einem sonnigen Samstag Mittag war es dann soweit, ich hatte das Stück endlich für meine Ohren verewigt, die Kassette in meinen Walkman gelegt und war auf dem Weg in die Stadt. Ich hatte gar keinen Grund in die Stadt zu gehen, doch ich wollte die Umgebung zur Musik von Depeche Mode auf mich wirken lassen. Eine Marotte, die ich mir bis heute bewahrt habe. Der Remix von DominatrixRMX überführt dieses Gefühl in die Gegenwart. Es verleiht dem Klassiker ein neues und modernes Gewand und hüllt es in ein neuzeitlich düsteres Synthie-Gewand.
https://www.youtube.com/watch?v=S8XzTkvdXk4
John Foxx – Underpass (Dark Long & Sinister Mix by Mark Reeder)
Der als Dennis Leigh geborene Musiker und Grafikdesigner fasst diesen Remix sicherlich genauso auf wie ich. Als Hommage an ein großartiges Stück, dass wie kein anderes das 80er Gefühl spiegelt. Kalter und synthetischer Pop lag im Trend, er galt musikalische Symbolisierung einer immer technischer werdenden Umwelt, in der der Mensch selbst nur noch als funktionierendes Gerät wahrgenommen wird, dessen Gefühle und Emotionen im flackernden Licht der Neonröhren zu ersticken droht. Es machte begreifbar, was passierte und verlieh dem technischen einen neuen Charme, der durchaus in der Lage war melodisch und warm zu klingen. Schon als Gründungsmitglied von Ultravox läutete John Foxx das Zeitalter der synthetischen Musik ein, um es als Solo-Künstler zu begleiten und als Produzent zu bereichern. Der Remix von Mark Reeder ist ein synthetischer Höhenflug, der für rund 10 Minuten dazu einlädt, abzuschalten. Das tolle Video dazu empfinde ich als äußerst gelungen, beeinhaltet es doch neben vielen Aufnahmen von John Foxx auch eine ganz eigene Note.
https://www.youtube.com/watch?v=1-yNw_U_Qgo
The Cure – A Forest (Tree Remix)
Bei manchen Stücken wünschte man sich, sie würde nie enden. Die Verstümmlung in ein 4 Minuten Format wird der Intensität einiger Stücke nicht gerecht. So erging es mir immer schon bei dem Stück „A Forest“ von The Cure, dass erstmals vor ziemlich genau 32 Jahren (28. März 1980) das Licht der Welt erblickte. „Again, and again, and again…“ 1990 sorgte die Band selbst für einen gelungenen Remix ihres Klassikers. Der auf dem „Mixed up“ Album erschienene Remix von „A Forest“ ist nicht nur eine Bereicherung, sondern auch einer Verbesserung des Originals (nach meiner Meinung versteht sich). Roberts Stimme ist klarer und die Erweiterung der Melodie durch neu eingespielte Gitarren-Sounds empfinde ich als äußerst gelungen. Die Geschichte des Jungen, der im Wald nach seiner liebsten sucht, bevor er realisiert das sie nicht da ist und er sich selbst verlaufen hat, fasziniert mich auch heute noch.
Das Ich – Destillat (VNV Nation Remix)
„Gib mir mein Destillat, gib mir mein Alltagstod, gib mir mein Gnadenbrot…zur Ewigkeit!“ Goth, wie ich diese Genre-Bezeichnung hasse. „Neue Deutsche Todeskunst“ ist die wohl merkwürdigste Kreation der frühen 90er Jahre. Es schien wohl unausweichlich, der neuen deutschsprachigen Strömung innerhalb der Gothic- und Dark Wave Bewegung einen Stempel aufzudrücken. Dabei war das gar nicht so neu, waren es doch Xmal Deutschland oder auch Malaria!, die sich in ähnlicher Weise und mit ähnlichen Themen auf Deutsch auseinandersetzten. Stilprägend waren die darin zugeordneten Bands wie „Das Ich“ allemal, denn tatsächlich verhalfen sie der deutschen Sprache zu einem würdigen Comeback innerhalb der bis dahin englisch dominierten Gothic-Bewegung. Die Texte wirken so leichter zugänglich und intensiver, da sie ohne kurzfristige Übersetzung direkt auf den Hörer wirken können. Obwohl ich mit dem Schaffen von Bruno Kramm und Stefan Ackermann nie so wirklich identifizieren konnte, finde ich das Stück „Destillat“ nach wie vor großartig. VNV Nation verliehen dem Stück ein Spur mehr Energie und einen äußerst treibende Charakter, ohne den Grundtenor des Originals zu verletzen. Schon sehr begabt, dieser Ronan Harris.
Neue deutsche Welle…Neue deutsche Todeskunst…Neue deutsche Härte. Zwar sieht man mich entzückt über die Innovation innerhalb der deutschen Musiklandschaft, aber jene Bezeichnungen kann man sich wirklich sparen. Da diese die Genre mehr ins Lächerliche ziehen, als dass diese denen eine würdige Kategorie geben.
Zumal dieses suggeriert, dass in Sachen Welle, Todeskunst und Härte auch »Alte Deutsche« Werke vorhanden sein müssten. Doch darüber wüsste ich nichts. Davon mal abgesehen neige ich ohnehin dazu, meinen Musikgeschmack durch Interpreten zu definieren und nicht durch Genre abzustecken.
Kontra.
Ich finde Ronan Harris sympathisch. Der Knabe weiß auch was er tut. Aber mehr auch nicht. VNV ist für mich zu glatt geleckt, zu brav, fast schon unerträglich harmonisch. Das ist »Klein-Mädchen-Electro« Und abgesehen von einer handvoll guter Stücke ist deren Schaffen technozides Gedudel.
Und genau das machte der Knabe auch aus »Destillat«. Die Musik klopft in fast schon blasierter Monotonie um den Text und verleiht der Aussage somit eine schier belanglos-heitere Attitüde. Ich bin eher ein Liebhaber der Version, die ich aus alten Samplern noch als »Club Version« kenne, die aber von Das Ich nun offiziell und in etwas längerer Spielzeit als »MTV Single Version« betitelt wird. Übrigens nicht zu verwechseln mit der »New Club Version«, mit der ich so überhaupt nicht warm werde.
Im Grunde erachte ich Das Ich ohnehin für schwer »remixbar«. Sah bzw. hörte ich doch schon einige Interpreten an diesem Vorhaben scheitern. Selbst wenn sich Das Ich selbst noch einmal über ihre Titel stürzt, so gelang es nicht immer, den Kern des Stückes eine klangvollere Hülle zu geben. Zumindest blieben mir neben Destillat nur noch die Extended Version von »Von der Armut« des Albums Relikt und die zerkratzte Nietzsche-Version von »Gottes Tod« im Kopf.
Interessant. Das Ich und Goethes Erben prägten mich damals maßgeblich, als ich Anfang der 90ziger Jahre noch recht unbeholfen durch die Musikwelt stolperte. Und ich übertreibe nicht, wenn ich schreibe, dass dieser Kulturschock der Katalysator gewesen war, ohne den ich nicht im Ansatz das wäre, was ich heute bin. Diese energiegeladene Metaphorik bzw. Symbolik von Stefan Texten und die bildliche Sprachgewalt Oswalds ließen mich die deutsche Sprache als etwas monumentales begreifen. Ein Gedanke, auf den sich über die Jahrzehnte und Jahrzehnte die Persönlichkeit formte.
Somit identifiziere ich mich noch recht stark mit der Band und halte ihr noch heute die Treue. Auch wenn ich mir natürlich das Recht herausnehme, nicht alles toll zu finden, was die beiden im Laufe der Jahre auf CD gebannt hatte.
Leider muss ich auch hier wieder erkennen, dass ich Remixe einfach nicht mag. Ich kenne kein Lied, bei dem der Remix besser ist als das Original. Schade, aber mit Cover-Versionen kann ich da schon deutlich mehr anfangen, weil da oft wirklich der eigene Stil mit einfliesst und nicht nur ein bisschen an der Songstruktur rumgeschraubt wird
Die „neue deutsche Todeskunst“ haben Das Ich aber schon vor „Destillat“ hinter sich gelassen. Das was unser Cyber-Harris da gemacht hat ist – meiner Meinung nach – stupider Future Pop/Techno und hat mit der NDT genauso wenig am Hut wie mit Wave allgemein.
Ich wollte gerade schreiben, dass dir bei dem „Destillat“-Cover bestimmt jemand sagen wird, dass das Remix doch nur Techno ist, da haben das schon zwei Leute übernommen ;)
Ich verstehe das Argument durchaus (denn diese Remixe sind nun mal im Großen und Ganzen technofizierte Versionen der Originale), mag die Remixe aber trotzdem, zumindest manche; den schon verlinkten Remix von „Gottes Tod“ zum Beispiel, die „Destillat“-Version, die du verlinkt hast, aber auch. Ja, das ist tatsächlich gerne mal eher mehr oder minder stumpfes Gedudel, aber es ist ja nicht gesagt, dass ich nicht manchmal auch gern mehr oder minder stumpfes Gedudel höre :>
Die Bezeichnung „Neue Deutsche Todeskunst“ finde ich auch ziemlich bescheuert, aber gut, ich halte grundsätzlich nicht allzu viel davon, möglichst mehr Schubladen als Künstler zu haben ;)
Neue Deutsche Welle war ja nichts anderes als eine Lehnübersetzung von New Wave. Ich nehme an, dass Neue Deutsche Todeskunst und Neue Deutsche Härte einfach Anlehnungen an die NDW sein sollten.
Och, da kenne ich so einige. Nimm nur einmal Aghast Views „Pay Off“. Gridlock machten daraus ein melancholisches IDM-Stück, das ich mir – im Gegensatz zum Original – jederzeit anhören kann.
Oder schau nur, was Numb aus Siouxsies „Skin“ gemacht haben:
Das war anno 1996 eine völlig neue Umsetzungsform.
Ich auch nicht. Ich mochte „Gottes Tod“, ihren Überhit, ich mochte „Von der Armut“, auch in den Remixversionen der „Stigma“-Maxi. Aber mehr konnte ich mit Das Ich nie anfangen.
Wenn man etwas pedantisch ist, könnte man jetzt allerdings einwenden, dass zumindest die Numb-Version von „Skin“ doch mehr ein Cover als ein Remix ist (das andere Beispiel hab ich nicht bei YouTube gefunden). Finde ich zumindest ;)
Ich weiß aber nicht, ob Epitaph in seinem Kommentar ebenfalls diese eher „strenge“ Definition von Remix meinte.
Es singt ja immer noch Siouxsie, aber die Soundgrundlage ist schon typisch Numb. Brummelsequenzen, Schlagen auf Metall + soundtrack-artige Strings. Ob nun Remix oder schon Cover, da scheiden sich sicher die Geister.
Wir könnten ja aber auch mal in den Electro-Pop-Bereich schielen:
Statemachine – I’m Love (Original)
Statemachine – I’m Love (Legoland Mix)
Ich bevorzuge eindeutig den Mix. ;)
Epitaph widersprechend muss ich schon sagen, dass ich persönlich manchmal Remixe besser finde als das Original…
Aber hier ist das für mich nicht der Fall ;)
Die Version von „Never let me down again“ finde ich einfach langweilig, bei „A Forest“ vermisse ich Kälte des Originals, die für mich viel mit der Simplizität zu tun hat, über die mir hier zu viele neue Spuren drübergelegt wurden, und über das grauenhafte VNV-Geknüppel zu „Destillat“ wurde eigentlich schon alles gesagt ^^
Einzig der laaaange Remix von „Underpass“ hat für mich echt was. Wenn man sich zurücklehnt und entspannt kann man sich da echt reinsinken lassen, und wenn man nach zwei Minuten die ersten Melodieschnippsel erkennt ist es auch irgendwie spannend darauf zu warten dass es bald so richtig anfängt, auch wenn das nochmal fast 2 Minuten dauert.
Danke dafür :)
Ja, bei Remixen scheiden sich grundsätzlich die Geister. Zum einen lenken sie das Original in eine andere Richtung, die dem Inhalt oder der Aussage nicht gerecht werden, zum anderen erweitern sich das Original womöglich auch um neue Facetten und bauen die Aussage weiter aus.
Bei „A Forest“ gebe ich Karnstein in gewisser Weise Recht, es büßt deutlich an Atmosphäre ein und die Geschichte des Textes will nicht mehr so ganz zur deutlich poppigeren Attitüde passen. Das es besser ist als das Original ist auf den zweiten Blick eine Fehleinschätzung, das gebe ich zu.
Bei „Never let me down again“ bin ich natürlich verseucht. Aber sowas von. Ich glaube ich finde das Stück in fast jedem Zusammenhang gut, daher möchte ich auch nicht objektiv einschätzen, ob es eine Erweiterung, Bereicherung oder eine Zerstörung des Originals ist. Nur um es klarzustellen, an das Original kommt für mich nichts heran!
Guldhan: Dass ich mit dieser Aussage eine Reaktion von Dir hervorrufen würde, wusste ich. Ich freue mich sehr, dass du sie in Worte gefasst hast. Ich glaube, es gibt für viele einen persönlichen Katalysator, ein Stück, dass eigene Ansichten über den Haufen wirft, formt oder verändert.
Dabei ist es meiner Meinung nach nicht nur das Stück allein, dass dafür verantwortlich ist, sondern auch das Individuum selbst. Es gibt immer Situationen, in denen ein Musikstück in der Lager ist die eigene Gedankenwelt zu erreichen, zu entwirren oder zu bereichern. Sie kann Sichtweisen verändern und zum Nachdenken anregen. Musik gibt manchmal die Antworten, die man selber nicht findet.
Ich glaube ich habe eine ganze Reihe von Stücken unterschiedlicher Künstler, die genau das bei mir bewirkt haben. Nehmen wir als Beispiel „Somebody“ von Depeche Mode. Ich war einsam, ein Beziehung hatte sich in Luft aufgelöst und ist an dem gescheitert, was ich bin. Diese Stück drückt aus, was ich dachte. Es half und wirkte als Katalysator nicht aufzugeben.
Es sind die Worte und die Art wie sie verwendet wurden um den Katalysator zu betreiben. Waren es früher einfache Worte, sind im Laufe der Zeit immer komplexere Text für mich zugänglich geworden.
In deinem Fall waren Ackermann und Kramm zu richtigen Zeit mit den richtigen Texten bei Dir präsent. Womöglich wäre es anders gekommen, wären die beiden 5 Jahre später bei Dir „angekommen“.
Warum ich mich mit dem „Ich“ nicht so wirklich identifizieren konnte liegt demnach an einer ganzen Reihe von subjektiven Merkmalen. Bleiben wir bei „Destillat“. Als Freund melodischer Synthie-Teppiche fand ich den Sound des Stückes interessant, vielfältig und kreativ. Einen Zugang zu mir selbst konnte der Sound aber nicht aufbauen. Daher steht hier der Text losgelöst vom musikalischen Zusammenhang. Und ja, der Text ist gut und regt zum Nachdenken an und geht in die Tiefe, keine Frage. Kurzgesagt ich finde ihn großartig.
Aber all das hilft nicht, wenn die Musik mir nicht gefällt. Und es sei mir verziehen, dass ich in diesem Fall dem technoiden Gestampfe von VNV Nation den Vorzug gebe.
@Robert:
Naja, so ganz stimmt das nicht, dass das Stück »A Forest« erstmals am 28. März 1980 das Licht der Welt erblickte… zumindest was die Melodie anbelangt!
Es gibt eine frühere Version aus dem Jahre 1979, die sich „At Night“ nennt: http://www.youtube.com/watch?v=cJz59KsO01Q&feature=related
Ach, ist er nicht einfach zum knuddeln, der junge Robert?
Remixe finde ich zum größten Teil schlechter als das Original und da möchte ich Karnstein zustimmen, dass „A Forest“ hierbei gänzlich an Aussagekraft verliert.
@Robert: Da du ja „verseucht“ bist, was hältst du vom Wayne Hussey Cover? Das finde ich sehr gut, wenn auch ganz anders
Nicht mehr ganz so gotisch, aber dafür ein guter Remix.
Xmal Deutschland – Matador (Original)
Xmal Deutschland – Matador (Blood & Sand Mix)
Remixe eignen sich aber eh zumeist im Electronica-Bereich, und da gibt es sehr gute Sachen von Aphex Twin, Autechre, Arovane, Omni Trio/Aquasky oder Gridlock. Man muss natürlich ein Ohr für solchen Kram haben.
Guldhan schrieb:
Ich entschuldige mich vorab für die Zerhackstückelung deiner Worte, aber mag gern ein Korn aus Deiner Suppe picken… Neue Deutsche Todeskunst… über den Begriff möchte ich nicht streiten. Unglücklich gewählt. Eine eigene Kunstrichtung war jenes allerdings. Ziemlich genau zwei Jahre lang. Irgendwo ganz am Anfang der 90iger. Ich leg mich nicht auf Tage und Monate fest. Aber auf Texte, die theatralisch und expressionistisch waren. Auf Künstler, die all das in Mimiken und Gesten verpackten. Auf Bühnen, die mehr zum Schauen als zum Hören boten. Goethes Erben, Relatives Menschsein, Misantrophe, Das Ich, Engelsstaub, Christian Dörge, Law Of The Dawn, Lacrimosa, Endraum… und einige mehr… die Namen jener exzentrischen Phase sind heute keine mehr. Oder eben dieselben – mit vollkommen anderen Vorzeichen. Dennoch gab es sie. Im ganz eigenen Space.
Georg Trakl mag einer der alten Todeskünstler gewesen sein – der Sanfte… oder Gottfried Benn, der Expressionistische. Otto Dix im Dadaismus, z.B…. In all dem schließt sich für mich der Bogen zu dem Akkustischen, dass in der Begrifflichkeit „Neue Deutsche Todeskunst“ seine Schublade fand.
Ich möchte auch nicht bestreiten, dass sich jene Bands aus eben jenem Milieu im Kern gleichen. Doch ebenso unterscheiden sich diese grundlegend. Denn auf mich wirkt(e), gegenüber Goethes Erben, Das Ich und Relativs Menschsein, beispielsweise Freund Gismo von Lacrimosa eher wie ein Schlageräffchen.
Ich finde den Begriff der Katalogisierung einfach nur so ungemein gelungen. Und frage mich jedes Mal auf´s neue, wer diesen damals verbrochen hatte. Doch ehrlich gesagt, »EBM« klingt in seiner wörtlichen Übersetzung auch nicht viel spannender. Auch wenn es, der Berichterstattung nach, von den ach so göttlichen wie stellenweise überschätzten Front 242 in die Welt gesetzt worden war.
Interessant. Der Bogen zum Expressionismus schloss sich mir vor einiger Zeit ebenso. Beide Richtungen scheinen wirklich artverwandt zu sein, da stimme ich zu.
Doch ich tue mich damit schwer, den Expressionismus mit »Todeskunst« in Verbindung zu bringen. Und sehe das eher so:
Im Expressionismus herrschte freilich auch eine spürbare Melancholie, Depression und eine morbide Grundstimmung. Aber dennoch war diese Gattung durchzogen von einem unbändigen Trotz, der fast schon zynische Züge annahm. Dahingehend braucht man sich nur einige von Benns Gedichte der Morgue-Sammlung anschauen. Beziehungsweise anhören, denn ich schätze einmal, dass diese durch die Vertonung von Das Ich einer breiteren Masse bekannt geworden sind.
Und trotz so mancher Schwermut war diese Epoche allzu selbstbewusst. Man wand sich ab von der Langeweile und der Gefälligkeit einster Literatur (sowie Kunst im Allgemeinen). Durchzogen vom neuen Selbstbewusstsein des Ichs, vom Mut zur Subjektivität und unter inhaltlicher Argumentationskraft aus Darwinismus, Kulturpessimismus und dem neuen Spielfeld der Psychoanalyse.
Eine Verachtung von Bürgerlichkeit, dem Materialismus und Mechanismus des Lebens in unverblümten Worten. Das kann durchaus manisch-depressiv motiviert gewesen werden. Aber eine Kunst des Todes? Eine Kunst mit dem Tod oder für den Tod?
Nein. Denn der Tod dient immer als Garant für das Ende; für einen unumkehrbaren Abschluss. Der Expressionismus hingegen wollte kein Ende, er wollte Neuerung. Die Vernichtung des Vernichtenden und keine bloße Vernichtung. Und forderte diese mit aller Eindringlichkeit.
Empörung, Resignation und Aufschrei, durchaus. Doch Tod… Oder besser gesagt: Der Tod allein? Natürlich war dieser als Thema ein beliebtes stilistisches Mittel. Ein Aspekt, auf den man sich bei »Todeskunst« beziehen könnte.
Doch das wäre allzu willkürlich, um dem wirklich gerecht zu werden. Denn ebenso gleichberechtigt standen auch die Themen von Angst, Melancholie, Wahnsinn, Resignation, Zerstörung und Krieg im Expressionismus. Und nicht alles davon muss unweigerlich auf den Tod hinauslaufen, um der Benennung erneut gerecht werden zu können.
Allerhöchstens auf einen Zerfall oder Verlust des Ichs. »Neue deutsche Kunst der Ich- Dissoziation« sozusagen; klingt aber zu steif und (zu) intellektuell.
Der Expressionismus war trotz allem etwas allzu lebendiges. Vorallem durch seine Gleichgültigkeit hinsichtlich inhaltlicher Normen oder literarischer Einheitlichkeit. Und damit lebendiger als manch andere Literaturepochen. Der Tod war eine Kunstform innerhalb des Expressionismus, aber deshalb war der Expressionismus noch keine Todeskunst.
Auch wenn nun aufgrund des uneinheitlichen Erscheinungsbildes und des morbiden, melancholischen Grundcharakters von Expressionismus und der »Neuen deutschen Todeskunst« Parallelen gezogen werden können, so hätte man das neuere Kunstkonstrukt treffender »Neuer deutscher Expressionismus« nennen sollen…aber das wäre womöglich zu weit vom Klischee abgekommen. Oder man traute sich nicht, den Namen des Expressionismus auch für sich zu beanspruchen.
Der Mann bekam von Beginn an miese Kritiken in der Presse. Die Musik war wirklich nicht berauschend.
Der Grund für seine Popularität könnte einerseits auf das Zillo zurückgehen, das Lacrimosa regelrecht pushte und Herrn Wolff hier in Lübeck sogar einen Musikerpreis verlieh (wenn ich mich recht erinnere, lief das sogar im Rathaus über die Bühne, samt Bürgermeister und fünf Dutzend Schlagergrufties).
Andererseits lag das aber an seinem Auftreten, das ihn ja auch überzeugend rüberbrachte. Welcher Musiker der Schwarzen Szene war damals so chic gekleidet und trug dazu noch Dave Vanians Stinktierfrisur? Das reichte anscheinend, um besonders Anhänger der NDT in den Bann zu ziehen. Wäre der Typ mit Jeans und Batik-Hemd auf der Bühne erschienen, hätte es faule Tomaten geregnet.
Kraftwerk und DAF waren es. DAF nutzten die Bezeichnung sogar in deutscher Sprache. Front 242 haben sie also entweder aus der deutschen Sprache übernommen oder bei ’nem ’78er Radio-Interview mit Kraftwerk abgeguckt.
Ehrlich gesagt kann ich mich kaum noch an die Musik von Lacrimosa erinnern. Doch mir ist im Gedächtnis geblieben, wie stark mich die damalige Beschallung beeindruckt hatte. Nämlich gar nicht. Herr Wolffs Spiel und Gesang pendelte für mich zwischen belanglos und nervtötend.
An die Preisverleihung kann ich mich noch erinnern. Und wenn ich mich täusche, so war diese Aktion nicht unumstritten. Da »Easy« Ettler den Preis einzig für Lacrimosa aus dem Boden gestampft hatte. Oder es war dessen letztes Vermächtnis. Keine Ahnung, jedenfalls war da was.
Wohl wahr. Der Idealtypus des Edel-Goths, dessen Poster auch die Großeltern entzücken konnte. Ich hingegen konnte dessen Auftreten nichts abgewinnen. Strähnchen, Rüschchen und ein Griff ins Schminkköfferchen…das war nicht meine Welt. Dann lieber den grotesken Wüterich, den Ackermann auf die Bühne brachte.
Aus heutiger Sicht muss ich beim Anblick von Freund Gismo automatisch an Bill Kaulitz denken. Keine Ahnung wen von beiden diese Assoziation nun mehr beleidigt.
Ok, wieder etwas gelernt.
Ich glaube, es ging um einen Contest, bei dem der Gewinner schon feststand. Ettler wollte unbedingt einem deutsch(sprachig)en Musiker den Preis übergeben. Lacrimosa war von vorneherein als Sieger festgelegt. Ziemlich peinliche Aktion. Jedenfalls stieg er zur Ikone Mitt-/End-90er Grufties auf – zu der Zeit spielte Wolff aber eigentlich längst Heavy Metal.
Hier übrigens Dave Vanian…
…und sein unverkennbarer Einfluss.
https://www.cheezburger.com/
;)
Vanian wiederum hatte den Style mit ziemlicher Sicherheit bei Lily Munster abgeguckt.
Hier gibts nen Foto zum 96´er Event ->
Ein Dank an Guldhan für den Exkurs in den Expressionismus. Soweit überliefert, waren die in die „Neue Deutsche Todeskunst“-Schublade gesteckten Künstler mit dem Begriff selbst ziemlich unglücklich, denn sie beschäftigten sich thematisch ja absolut nicht ausschließlich mit dem Tod, sondern waren um vieles facettenreicher, wie eben die Expressionisten auch.
@Death Disco:
Hast du Quellen für deine Angabe bezüglich Kraftwerk? Das habe ich noch nie gehört. DAF haben ihre Musik öfter „Körper Musik“ genannt, dass habe ich auch schon oft gehört und gelesen, aber Kraftwerk?
Ich finde den Begriff der NDT halb so wild. Ist doch nur ne ironische Ableitung. Aber mit Begriffen konnten sich die meisten Künstler nie anfreunden. Von David Tibet über Peter Murphy bis den Fliehenden Stürmen lehnen alle die Begriffe ab, mit denen sie kokettiert werden.
@4:20
Astreine Primärquelle. :)
Genau das ist es. Das war hier in Lübeck, ich bin mir sicher, es war im Rathaus. Ich habe auch noch irgendwo Bilder davon.
Zitat Wikipedia:
„Der Begriff Electronic Body Music wurde bereits 1978 von Ralf Hütter, in einem Interview mit dem amerikanischen Radiosender WSKU (Ohio) verwendet, um den tanzbaren Charakter des Kraftwerk Albums Die Mensch-Maschine zu versinnbildlichen“
Zitat Ende
Dieses Interview mit DAF finde ich dahingehend auch sehr informativ, spricht Gabi Delgado doch von seiner Idee der „Körper-Musik“.