In selbe Horn zu blasen ist schon rein hygienisch bedenklich und sollte auch beim Bloggen mit Vorsicht genossen werden. Die Idee jeden Monat etwas Musik vorzustellen ist sicherlich nicht mehr die jüngste, deshalb bleibt auch nur zuzugeben, das ich mir Inspiration bei Konna und freeQnet geholt haben, man möge mir verzeihen. Ich möchte aber einen anderen Weg gehen und lieber Musik und Titel vorstellen, die nicht allen geläufig sind und doch großartige Musikperlen der Vergangenheit sind. Seit sich der Punk Ende der 70er auch in Deutschland etablierte und jeder Musik machen konnte der wollte, schossen Kreative aus allen Ecken, gründeten Bands und brachten eine unzählige Menge von Songs heraus, die voller Energie den Muff der Generationen abzulegen versuchen. Punk war der Dünger, der während der 80er neue Musikrichtungen sprießen ließ und dafür sorgte, das sich neben dem Mainstream viele kleine Flüsse formierten, von denen die Breite Masse jedoch nicht allzuviel mitbekommen hat.
Für Musikbegeisterte ist dies vielleicht eine anregende Reise durch die eigene Sammlung, es gibt immer wieder Lieder auf meinen CDs, die ich vergessen oder noch nie gehört habe, seitdem ich diese konsequent digitalisiere ist die Wahrscheinlichkeit zwar größer geworden, aber dennoch schlummer viele unentdeckte Perlen unter der Oberfläche. Vorteil: Vielen Alben und Sampler die Stücke enthalten, die hier vorgestellt werden, sind oft günstig auf bekannten Vertriebswegen zu bekommen. Es würde mich freuen, Feedback zu bekommen und eigene Erfahrungen mit den Liedern zu schildern.
Phillip Boa & The Voodooclub – Diana
Das erstmals 1985 auf dem Album Philister erschienene Lied Diana erinnert sofort an einige alte Stücke von Joy Division und hat doch eine ganz eigene Leidenschaft. Obwohl Phillip Boa damit nie wirklichen kommerziellen Erfolg hatte, avancierte das Stück zum Underground Hit der Independent und Gothic Szene. Der kultige Auftritt in der Deutschlandhalle 1991 ist Zeitzeuge der Boa Faszination, bei dem hunderte Grufties zum Stück rocken. Als unbequemer Musiker von der Zeitschrift Musikexpress zum „sympathischen Arschloch“ erhoben erlangte er als einer der wenigen deutschen Indiemusiker auch internationalen Ruhm und zur deutschen Antwort auf den verstorbenen Ian Curtis. Die Albumversion ist rein musikalisch übrigens ein Spur besser gelungen als die Live-Performance.
Q-Lazzarus – Goodbye Horses
Den meisten wird das Cover des Songs von Psyche geläufiger sein als das Original von Q-Lazzarus. Bekannt und berühmt wurde das Stück als Teil des Soundtracks zu dem Film „Das Schweigen der Lämmer“ in dem der Charakter des Massenmörders Buffalo Bill zu eben diesem Lied tanzt, während sein Opfer in der Grube kauert. Szene, Film und Song sind daraufhin regelrecht legendär geworden und durften in keiner Playlist der Underground Clubs fehlen. Dass die Stimme zu einer Frau gehört wäre mir sicherlich entgangen, hätte ich mich nicht vor einiger Zeit darüber informiert, denn ohne diese Tatsache hält man die ehemalige Taxifahrerin Q-Lazzarus locker für einen Kerl.
https://www.youtube.com/watch?v=yKFaGDrOfrI
Fehlfarben – Paul ist tot
Als Pioniere des deutschen Punk gelten Fehlfarben schon seit langem, die Liste der Bandmitglieder liest sich wie das Who is Who der deutschen Punkszene Ende der 70er (u.a. Peter Hein, Thomas Schwebel und Markus Oehlen). Nachdem die Künstler aus ihren Ursprungsprojekten (Mittagspause, Charleys Girls) Fehlfarben formten, wurde der Anspruch zwar deutlich kommerzieller, hat sich aber dennoch seinen Punk Charakter bewahrt. Paul ist tot mutierte zum Klassiker der Band und ist deutlich vom New Wave der frühen 80er beeinflusst. Für ein Mitschwimmen auf der Neuen Deutschen Welle war das Stück wohl eindeutig zu düster-melancholisch und ist so über Punk und Gruftieclubs nie hinausgewachsen.
Och, ist doch nix verkehrt daran, sich seine Inspiration bei anderen zu holen. Und in Sachen Musikgeschmack sind Konna, du und ich glaub ich auch eigenständig genug, dass wir uns nicht gegenseitig in die Quere kommen und man bei jedem was Interessantes entdecken kann! Phillip Boa müsste ich mir z.B. auch mal dringend öfter anhören!
Was? Q-Lazzarus ist eine Frau???
Bin ich wohl auch drauf reingefallen…Dachte immer, das sei ein Kerl…
Hach ja…Fehlfarben… Die stachen in den Achtzigern so schön aus der breiten Masse um Nena & Co. hervor.
Ich mochte NDW-mäßig mehr die etwas Abgedrehteren und Morbiden: Joachim Witt, Foyer des Arts, Extrabreit aber auch Kraftwerk.
Oder eben Punk in Reinform: Peter and the Test Tube Babies…
Also Fehlfarben kenne ich noch, die anderen sind mir jetzt nicht wirklich ein Begriff, aber die Songs sind schon klasse, habe gerade mal rein gehört. Sind wahre Fundstücke, die man vielleicht nicht unbedingt kennt, aber auf jeden Fall sind sie gut gelungen.
@BeetFreeQ: Schön das du das so siehst. Leider kommt der Inspirationsgedanke in der Blogosphäre viel zu kurz. Wer etwas ähnliches macht wie andere gilt als nicht mehr Unique. Dieser Gedanke ist wahrscheinlich Ergebnis der Copy&Paste Blogger, die Inhalt kopieren anstatt ihn zu interpretieren und mit eigenen Gedanken zu würzen.
@Lilly: Dachte ich auch immer, erst als in meinem Hirn die Verbindung Q-Lazzarus=Frau etabliert war, erschien mir der Gesang plötzlich wesentlich weiblicher. Foyer des Arts, Kraftwerk und Punk in Reinform hätte ich Dir jetzt gar nicht zugetraut, habe meine Fehleinschätzung aber schon durch die aktuelle ersetzt.
@Martin: Du solltest unbedingt mehr Musik hören, kannst ja dazu entspannt auf deinen Wasserbetten flanieren ;)
Wo ich gerade Phillip Boa lese: Bist du im März zufällig auch auf dem Boa Konzert in der Bochumer Matrix?
Weil dann würde man sich wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit sehen.
Kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen, von wollen kann nicht die rede sein, aber bei der Masse guter Konzerte und Festivals muss man auch ein bisschen die Finanzen im Auge behalten ;)
Ganz sicher ist es bei mir auch noch nicht. Ich überlege noch, weil Dienstags und so. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß xD. Und so teuer ist es ja nicht ;).
Sorry, dass ich so lange geschwiegen habe, aber die Kälte hat mich abgehalten. ;)
Wollte auch nur sagen, dass ich es ganz und gar nicht schlimm finde, wenn man sich Inspiration holt. Im Gegenteil empfinde ich das sogar immer als Bestätigung. Darum werde ich bei meinem nächsten Mixtape auch auf deinen Beitrag hinweisen.
Und wie beetFreeQ schon richtig bemerkt, heben wir uns doch alle noch ganz gut voneinander ab. Du tauchst in die Vergangenheit- während ich meistens ja neuere unbekannte Musik vorstelle und beetFreeQ hält sich in einem ganz anderen Genre auf – wunderbar.
Aber Q-Lazzarus klingt wirklich männlich, wäre ich ohne deine Info wohl auch nicht drauf gekommen, dass es sich hier um eine Frau handelt.
Von deiner Zusammenstellung kannte ich nur Fehlfarben, was daran liegt, dass ich vor ein paar Jahren intensiv mit Deutschpunk vertraut gemacht wurde. :)
Bin gespannt auf weitere Tauchgänge!
hmm, hab über konna hierher gefunden, aber bei der musikauswahl fühl ich mich hier dich direkt wohl! „paul ist tot“ ist einer der genialsten deutschen titel der 80er!
@Konna: Vielen Dank für deinen Hinweis in den Konna Music Mixtapes No.22 ;) Was bedeutet vertraut gemacht wurdest? Man hat dich eingesperrt und zum Hören von Deutschpunk gezwungen? Ich glaube man sollte sich öfter mal zwingen lassen, etwas neues zu hören. So geht es mit zwar nicht Musikrichtungen, aber mit Künstler oder Bands.
@Tobi: Endlich mal jemand, der dem Titel seine nötige Ehre zukommen lässt. Leider geht viel zu viel gute Musik im bekannten Einheitsbrei der NDW unter, aber wofür gibt es schließlich meine Musikperlen?
Dass ich „vertraut gemacht wurde“ heißt, dass meine Ex-Freundin mich an diese Musik herangeführt hat, da sie selbst Punk war/ist. Eingesperrt wurde ich glücklicherweise nicht, aber das ist auch nicht nötig, ich bin immer offen für etwas Neues, gerade was Musik angeht, gibt es auch abseits der gewohnten und bevorzugten Genres immer mal etwas Gutes zu entdecken. :)
Dann hoffe ich natürlich, das die Musik nicht Trennungsgrund gewesen ist und lobe mir die Offenheit neue Musik zu entdecken. Schließlich ist das wie mit dem Essen, über das was man nicht gekostet hat, sollte man sich kein Urteil erlauben. Leider gibt es doch zuviele die dem Motto „Was der Bauer nicht kennt isst er nicht.“ treu bleiben.