„…den Blick zum Discjockey, so stehst du an dem Tresen, wieder nicht einmal getanzt, so ist’s immer schon gewesen, doch plötzlich hörst du deinen Sound, die Tanzfläche ist leer du gehst bis ganz nach vorn, versinkst im Nebelmeer“ so, wie Ben Bloodygrave in seinem Song „Minimal“ die Situation beschreibt, ging es mir neulich auch. 80er, Wave, Synthie und Minimal stand auf dem Flyer, eine Mischung, die mich rund 100km ins Ruhrgebiet lockte. Gut, ich wurde gewarnt, der Discjockes, der dort auflegte, zweifelte, ob die Musik, die an einem solchen Abend dort gespielt werden würde, nach meinem Geschmack wäre. Ich schlug seine Zweifel in den Wind und fand mich, zwar nicht am Thresen, sondern am Rand der Tanzfläche wieder und beobachtete die Leute, die sich zur Musik bewegten. Schlecht war die Musik jetzt nicht, aber auch nicht wirklich gut – jedenfalls war nichts dabei, was mich aus der Reserve lockte und die Pikes auf Betriebstemperatur brachte.
Es ist dem Schicksal geschuldet, dass ich 3 Stunden vorher auf der Facebook-Seite der Veranstaltungen einen Musik-Wunsch aussprach, der Discojockey hinter dem Plattenteller mich wohl am Rand der Tanzfläche entdeckte und das gewünschte Stück auch noch dabei hatte. Es dauerte keine 2 Worte, bis ich das Stück erkannte und mich auf der Tanzfläche, die sich kurioserweise wie auf Befehl leerte, wiederfand. Okay, Nebelmeer war da nicht, hab ich hald die Brille ausgezogen und die Augen fast geschlossen, ist dann so ähnlich.
DaDa – Age of Confusion
Dada, das sind vermutlich die Brüder Victor, Robert und Thomas Dadras, die 1987 in New York die brilliante Idee, eine weiter „New Wave“ Band zu gründen, ein paar Stücke aufzunehmen um vielleicht reich und berühmt zu werden. Warum sie sich so nannten, scheint auf der Hand zu liegen: Zum einen ihr gemeinsamer Nachname und vielleicht auch das Archtiketur-Studium in dem man vielleicht auch diesen Mann hier angeprochen hat. Oder ist es Zufall, dass zwei der Brüder ein Architektur-Büro in New York zu betreiben scheinen? Bevor ich mich jetzt aber vollends in Mutmaßungen verstricke, bleibe ich bei den Fakten: Ich weiß eigentlich nichts. Das Stück „Age of Confusion“ ist allerdings schwer tanzbar, hat zahlreiche Fans und bereinigt so manche Tanzfläche vom Spreu. (Das Gleichnis mit dem Weizen, wenn ihr versteht.)
https://www.youtube.com/watch?v=ppps6ycNVVs
Nullzeit – Dein ganzes Leben
Das Credo der Neo-Waver, die mehr 80er sind als die 80er selbst, lautet: Je oller, je doller. Berühmtere Stücke werden geduldet und gelegentlich auch betanzt, aber nicht mit vollem Enthusiasmus. „You“ von Boytronic zum Beispiel. Die waren in den Charts und deswegen doof. Weil sie aber Deutsche waren, dann wieder doch cool. Richtig geil wirds erst, wenn das Stück nun wirklich keiner kennt. Geschweige den Künstler. Und zu kaufen sein darf das ganze auch nicht. So wie der Song „Dein ganzes Leben“ von Nullzeit, denn der hat eine fast schon kultige Geschichte, wie die WZ 2009 berichtete: „Krefeld. Für Jens Larsson aus dem südschwedischen Utvälinge hat sich die E-Mail an die WZ gelohnt. Denn dem Sammler elektronischer Musik überwiegend aus den 80er Jahren konnte geholfen werden: Es existiert tatsächlich noch eine „überschüssige“ Single des damaligen Krefelder Duos Nullzeit (Aletta von Beckerath und Walter Sarka) von 1981 mit den Titeln „Dein ganzes Leben“ und „Spiegelmensch“. Das Exemplar befindet sich (noch) in der Nähe von Magdeburg. Irmgard Dömges aus Fischeln hatte den WZ-Bericht über das Interesse des schwedischen Sammlers an der Musik ihres Sohnes gelesen. Sie selbst besitzt die rare, von den Musikern damals auf eigene Kosten produzierte schwarze Scheibe natürlich auch, will sie aber als Erinnerung behalten. Und die ist ihr viel mehr wert als die von Jens Larsson gebotenen 200 Euro. Denn der Musiker Walter Sarka ist am 19. Mai 2009 im Alter von erst 49 Jahren in Krefeld gestorben.“
Seien wir ehrlich. Das ist eigentlich schon wieder fast Schlager, dafür mit geilen 80er Synthie-Klängen. Und welche bessere Hommage an einen verstorbenen Musiker könnte es geben, als auch heute noch seine Musik zu ehren:
Störung – Europe Calls
Die Niederländer waren übrigens auch nicht untätig und so formten Eugenius und Arian Brunwin 1981 die Band Störung, vielleicht, weil ihnen das deutsche Wort so gut gefallen hat – oder vielleicht, weil Unwissende hinter dieser Musik oft einen Defekt in der Musik-Anlage vermuteten. 1984 erschien „Europe calls“, das hier ausgesuchte Leckerchen, ein Minimal-Wave Kracher feinster Kajüte. Es mussten aber ersten fast 30 Jahren vergehen, bevor das Stück meine Ohren erreichte (WGT Shockwave-Party) und ich zu meiner Freude festellte, dass die Band das Stück 2008 nochmal neu verlegt hatte und heute Storung (ohne ö) heißt. So konnte ich mir das Stück dann in digitaler Form zulegen und die aktuellen Werke der Band in Augenschein nehmen, um sie ganz schnell wieder wegzuklicken. Früher (mit ü) war eben doch alles besser.
Remiggi 5000 – Ultra Sensitive
Klingt jetzt schwer nach Italien, ist es aber nicht, auch wenn Toulouse ganz im Süden von Frankreich liegt. Aus der Stadt kommt nämliche Francois Remigi, alias Abberline, der neben seinem Project Remiggi 5000 auch in zahlreichen anderen Sachen seine Finger hat. „Rich of his classical piano studies Abberline observes a special care for flamboyant, emotional & baroque melodies. Discovering the neverending prodigious possibilities of vintage analogic synthetisers, Abberline mingled styles to create his own unique sound. Rock, Neo Romantic Wave and Ballads would become one. He created the band Remiggi 5000 to explore and develop his musical tastes and references. Now Abberline is a band of 5 live musicians.“ So leicht, denke ich so bei mir, lässt man sich von den Ohren beeindrucken. So hatte ich „Ultra Sensitive“ doch zunächst nach Eingangs erwähntem italienischen Schema bewertet: Klingt nach Adria 1987, Plastiksandalen am Strand, Neonfarbene Brillen und Badehose und seichter am Fließband produzierter Italo-Pop für das abendliche Apres-Beach. Ganz böse geirrt.
P.S.: Der Musikperlentaucher taucht immer noch, heißt jetzt nur ein bisschen anders und schmückt die Musik mit den vielen kleinen Anekdoten, die fast immer dahinterstecken und dazu führen, dass ich genau dieses oder jenes Stück höre oder entdecke. Vielleicht gefällt es Euch.
Ist es erlaubt eine Perle dazu zu tun? Dada rief sie mir in Erinnerung.
Simple Minds – Someone Somewhere
Heute Nacht verpasse ich eine Party, da ich zermürbt war und und überhaupt keinen Bock hatte, mich fertig zu machen und rauszugehen. Nun nehme ich mir Zeit und tauche ich in die Perlenwelt ein. Danke für die Tauchgänge, ich habe mit #34 angefangen und bin begeistert. Früher haben mir Freunde Kassetten aufgenommen oder wir haben uns gegenseitig Musik vorgespielt. Heute schaue ich mir Playlists an wenn mir die Musik auf einer Party gefallen hat. Doch diese Musikperlen so mit Geschichten und Anekdoten dargeboten zu bekommen ist entzückend! Danke vielmals!