Am vergangenen Freitag, 28. Juli 2023 starb der Düsseldorfer Elektro-Pionier Tommi Stumpff nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Seine Stücke, „Massaker“ und „Lobotomie„, die 1989 auf seinem dritten Album „Ultra“ erschienen, sind seine einflussreichsten Songs, die mit harten EBM-Beats und mit intelligenten, aber zynischen Texten die Tanzflächen der Gothic-Tempel der 90er-Jahre füllten.
1978 gründete Tommi Stumpff (Thomas Peters) zusammen mit Trini Trimpop die Düsseldorfer Punkband „KFC„, die neben vielen anderen Bands aus dem Düsseldorfer Umfeld den Ratinger Hof zu einer Keimzelle des deutschen Punk machten. 1982 fährt musikalisch als Solo-Künstler fort und entwickelt sich vom Punk zum EBM-Pionier, der auch nicht vor der NDW nicht zurückschreckte und zusammen mit der Sängerin Silvia Nemanic bereits im Januar 1982 die Solo-Künstlerin „Silvia“ erschuf. Mit dem Stück „Zuerst Ich“ baute er eine musikalische Brücke zum Minimalismus der Neuen Deutschen Welle, während das Stück „Sauf und Stirb“ Stumpffs späteren musikalischen Werdegang vorzeichnete.
Seine Entwicklung, die mit Debütalbum „Zu spät ihr Scheißer. Hier ist: Tommi Stumpff“ (1982) beginnt und sich mit „Terror II“ (1988) fortführt, mündet schließlich mit „Ultra“ (1989), das man als sein bestes Werk bezeichnen könnte. Nach zwei weiteren Alben beendet Stumpff zunächst seine musikalische Karriere und arbeitet in der IT-Branche. 2007 beginnt er allerdings wieder mit zaghaften Proben, die schließlich mit Gründung der Band „Stumpff“ einen neuen Namen bekommen. Er absolviert einige Live-Auftritte (unter anderem auf dem WGT 2015) und wiederveröffentlicht seine 80er-Jahre Alben zwischen 2016 und 2019 bei Danse Macabre und „Kirsten Vuillot Promotion“. 2021 erscheint das Debütalbum der neuen Band mit dem klingenden Namen: „Alles Idioten“.
Das Label Danse Macabre, beschreibt ihn in seinem Nachruf so, wie er für die meisten in Erinnerung bleiben wird: „Nach einer Phase der Zurückgezogenheit hatte Stumpf gerade erst wieder künstlerisch Fuß gefasst und knüpfte mit seinem jüngsten Album an seine früheren Erfolge an. Trotz seiner manchmal streitbaren, provokanten und konservativen Seite, die ihn gelegentlich anecken ließ, war Stumpf im Kern ein Romantiker und ein Tierfreund, der seine Idealismus nie verlor.“
Vor 10 Jahren habe ich Tommi Stumpff musikalisch für mich entdeckt und in der Recherche in seinen alten Songs diesen Song gefunden, der mich bis heute ganz besonders beeindruckt, da es bereits 1988 einen so vielschichtigen und düsteren Sound präsentiert, den ich für diese Zeit außergewöhnlich finde:
Für die, die jetzt neugierig geworden sind:
Am Mittwoch, dem 2. August sendet Ecki Stieg in seiner Sendung „Grenzwellen“ zwischen 21:00 und 0:00 Uhr einen einstündigen Nachruf auf Tommi Stumpff, inklusive des kompletten „Festival Of Darkness“ Konzert von 1991. Hier der Screenshot aus Facebook:
Oh. Möge die Erde ihm leicht sein.
Das war tatsächlich einer der ersten Künstler, mit denen ich während meiner ersten vorsichtigen Szene-Schrittchen vor vielen, vielen Jahren konfrontiert wurde. Ich hab mich musikalisch dann zwar weiterentwickelt, aber eine recht prägende Rolle hat er trotzdem für meine Geschmacksbildung gespielt.
Ein schöner bewegender Nachruf und definitiv eine traurige Nachricht.
„Niemals mehr“ hat mit seinen tiefen, fast melancholischen und düsteren Klang auch mich damals schwer beeindruckt und durfte auf dem Player nicht fehlen. Für mich eines der besten Songs auf dem Terror II Album.
Ruhe in Frieden!
Anfangs konnte ich mit ihm nicht besonders viel anfangen. Als ich das erste Mal die ewig lange Version von „Massaker“ in einem Club gehört habe, da dachte ich eigentlich, daß das weg kann.
Aber seine Songs haben sich relativ heimtückisch nach und nach in meine Gehörgänge geschlichen. 😉
RIP, Tommi!
Vielleicht arbeitet er da, wo er jetzt ist, ja schon unter den strengen Augen von Conni Plank an neuem Material, zusammen mit Gabi Delgado… ☺️
Es ist doch manchmal kurios. Ich produziere gerade ein neues Musikprojekt, dass bewusst viele Anleihen an den Elektropionier Tommi Stumpff hat da er mit zu den ersten gehörte die ich damals Szenetechnisch wahrgenommen habe. Und mitten im abmischen der letzten Aufnahmen traf die Nachricht von seinem Tod ein. So was macht dann doch nachdenklich.
Ruhe sanft. Du magst weg sein, Deine Musik wird mich aber weiter begleiten. Danke dafür.
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Wenn die Idole der Jugend anfangen wegzusterben, zeigt das, daß man alt wird…
Oh… leider viel zu früh verstorben. Und ich höre ihn aus dem Jenseits rufen: „Zu spät ihr Scheisser“. Tommi Stumpff hat ja früher mal mit Dietmar Wischmeier ein paar abgefahrene Sachen gemacht. Auch Wischmeier gehört bei mir zu den Alltime-Favors in Sachen Satire. In Gedenken an T.Stumpff werden erstmal alle Scheiben von ihm gehört. RIP!
„Massaker“ fand ich musikalisch immer cool, aber den Text total bescheuert – und die Version mit der Kinderstimme hat mich auch eher genervt. „Niemals mehr“ kenn ich auch, das ist schon eher meins, aber ansonsten hab ich ihm keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Werd ich wohl mal nachholen, um mir ein genaueres Bild seines Schaffens zu machen… Tja, langsam sterben viele Urgesteine weg, das gibt einem zu denken…
Ich muss zugeben dass er mir im Gegensatz zu den anderen Kommentatoren bis zu diesem Spontis-Artikel tatsächlich völlig unbekannt war (darum halte ich mich mit ausufernden Beileidsbekundungen auch mal zurück, käme mir jetzt in meinem Fall etwas scheinheilig/gezwungen vor). „Massaker“ und „Lobotomie“ kann ich persönlich nicht wirklich hören bzw. hab ich jetzt nicht bis zum Ende durchgehalten (EBM wird def. niemals meins sein oder werden).
„Niemals mehr“ hingegen finde ich wirklich wunderschön… danke dafür an Tommi Stumpff (und Robert, ohne den ich diesen Song wohl nie gehört hätte).
Requiescat in pace
Seine Musik als EBM zu bezeichnen, ist natürlich eine absolute Fehlinterpretation. Elektronische Avantgarde Musik mit z.T. provokanten Texten und Punk-Anleihen wird dem eher gerecht. Das natürlich so ein Electro-Act wie Suicide Commando den Song „Massaker“ komplett verhunzt haben, dafür kann er nichts. Hätte S.C. aber an seiner Stelle auch nie die Erlaubnis dazu gegeben. Das ist aber auch fast der einzige Song, der einer größeren Masse bekannt ist, weil er in diversen Clubs gespielt wurde und auch mal auf einem Zillo-Sampler drauf war.
Mag sein oder auch nicht, ich hab den Begriff einfach aus dem Blog-Artikel übernommen. Da mir aber weder „heute übliche EBM-Musik“ noch Stücke wie „Massaker“ zusagen ist mir das eigentlich auch eher gleichgültig. ;)
Im übrigen finde ich persönlich wiederum Formulierungen wie „Elektronische Avantgarde Musik“ viel zu diffus, das sagt z.B. überhaupt nichts über Dinge wie z.B. Tempo aus taugt deshalb imho jetzt auch nicht gerade als „Musikkategorie“…
Halten wir uns nicht mit Schubladen auf. Aus meiner Sicht ist er dem EBM-Umfeld zuzuordnen, was einer genaueren Betrachtung sicher nicht standhält, aber zumindest auf den ersten „Blick“ ein grobe Richtung vorgibt, in die es musikalisch geht.
Okay okay… mag ja sein, das Avantgarde kein Genre ist, aber ein Stil und das ist nachweislich auf solchen Plattformen wie Discogs auch kategorisiert. EBM ist m.M.n. eher Front 242 und Konsorten oder auch der Anhalt EBM und in diese Kerbe haut bekanntlich T. Stumpff nicht rein. Aber ich bin nicht kleinlich und T. Stumpff selbst wird das auch nie interessiert haben. ;)
Stimme Dir da zu. Vor allem damit dass es keine Genrebezeichnung ist. Genre machen sich, wie Du schon sagtest, an musikalischen Charakteristika fest, und da ist Tommi Stumpff zwischen EBM und Elektropunk ganz gut aufgehoben, obwohl er natürlich auch in anderen Bereichen gewildert hat.
Avantgarde ist dagegen am ehesten noch eine Positionierung auf einem Zeitstrahl. Karl Stockhausen, György Ligeti, Pierre Henry, Éliane Radigue, teils auch Wendy Carlos und Delia Derbyshire, auch Kraftwerk (Pop kann schließlich ebenso avantgardistisch sein), Suicide sowieso – das waren alles Pionier*innen, die die Grenzen der elektronischen Musik erweitert haben und ihrer Zeit deutlich voraus waren. Tommi Stumpff dagegen? Na ja, vielleicht am Anfang seiner Karriere, ein bisschen. Wenn man freundlich ist. Aber eigentlich war auch schon in den frühen 80ern elektronische Musik in Popsong-Länge (was nun mal den Hauptteil seines Werks ausmacht) ziemlich etabliert, ihn als avantgardistisch zu bezeichnen ist dann vielleicht doch ein wenig zu viel der Ehre. XD