Anderthalb Jahre sind vergangen seit ich mich hier das erste mal mit fremdsprachiger (nicht-englischer) Musik befasst habe – höchste Zeit für einen weiteren Blick ins gruftige Ausland! Letztes mal war Spanien dran, und auch diesmal bleiben wir am Mittelmeer:
Mit Italien verbinde ich persönlich schon deutlich mehr an schwarzer Szene. Oft jedoch weniger Wave und Gothic, sondern eher Dinge wie (englisch gesungener) Elektrometal, die mich aber deutlich weniger interessieren. So wird etwa auch die schöne italienischsprachige Klavierballade „Sleeping Beauty“ von Keen immer wieder durch harte Metalriffs unterbrochen, was mich immer etwas ärgert und aus der Stimmung bringt.
Ganz anders jedoch in der „guten alten Zeit“ – denn (man sollte es gar nicht glauben), so heiß Wetter und das sprichwörtliche Temperament in Italien sein mögen: Italienische Gruftimucke kann kalt sein – sehr kalt!
Kirlian Camera etwa bedürfen sicherlich keiner Vorstellung, und auch die sehr genialen Frozen Autumn habe ich bereits in einem Ohrwurmalarm vorgestellt, doch singen beide Bands in aller Regel Englisch, was für den hiesigen Rahmen gerade mal nicht interessant ist. Italienisch soll es sein – aber ist eine fließende, lebhafte Sprache wie Italienisch vereinbar mit düsterer Musik?
Und ob!
So finden wir in Diaframma zum Beispiel eine bereits seit 1979 bestehende Post-Punk-Band deren meist ruhiger bis psychedelischer Gitarren-Wave keinen Vergleich zu den englischen Größen der Frühzeit scheuen muss. Gerade „Specchi D’Aqua“ („Wasserspiegel“) von ihrem 1984er Debut-Album „Siberia“ hat es mir sehr angetan, aber eine YouTube-Stöberrunde durch ihr Schaffen sei so oder so ans Herz gelegt.
Ähnlich kühl aber teils deutlich synthetischer und ausgesprochen atmosphärisch geht es bei Afrodisia zu, deren 1985er Song „Stati D’Ansia“ („Staat der Angst“) ich hier vorstellen möchte. Einer solchen Verzweiflung in der Stimme kann auch die sonst so muntere italienische Sprache wenig entgegensetzen – lediglich die schnelleren Parts mit düdelnden Synths können die herrlich schleppende Stimmung ein wenig anheben.
Einer meiner persönlichen Favoriten jedoch ist das eiskalt rockige „Sarajevo“ von Artica, dessen Stil ich vor einiger Zeit bereits in einem Ohrwurmalarm genauer beschrieben habe.
Dagegen können Lacrime di Cera („Wachstränen“) mit ihrem wabernden und vermutlich auch für Muttersprachler schwierig zu verstehenden Gesang fast verträumt anmuten. Gerade „Cenere“ („Asche“) vom 1994er Debut-Album lädt richtiggehend dazu ein sich anmutig im Mondeslicht wiegend zwischen Grabsteinen zu tanzen :) Generell ein unbedingter Reinhörtipp, die Band – ich lasse häufig ihr (scheinbar einziges) Album einfach von vorne bis hinten durchlaufen, und auch ihr sphärisches Cover von Joy Divisions „Shadowplay“ ist sehr gelungen.
Schönen klassischen Gothrock spielten etwa die 1985 gegründeten Symbiosi, deren 1987 veröffentlichter Song „Profumo di morte“ („Geruch des Todes“) es mir nicht wenig angetan hat. Recht typischer flotter Gothrock der zweiten Generation, wavige Synths und keine all zu glatt gebügelte Produktion – herrlich!
Und last but not least soll die Band mit dem exotisch anmutenden Namen Verboten Küssen direkt zwei Dinge unter Beweis stellen: 1) dass man auch noch etwas gröberen Post-Punk in Italien kann, und b) dass man auch dort nicht nur in der Vergangenheit suchen muss um gute Gruftimucke zu finden. Denn der unten verlinkte Song „I binari e i treni“ („Gleise und Züge“) ist eine Singleauskopplung ihrer erst 2010 erschienenen EP „dodiciannimorto“ („zwölfjahretot“) – und auch wenn die Band erst seit 2008 existieren mag klingen sie doch stark nach 1978.
Wer bei so einer Auswahl beim Stichwort „Italien“ noch immer an Eros Ramazzotti, singende Gondolieri und Mandolinen denkt ist selbst dran Schuld ;)