Man in Black: Johnny Cash und die melancholische Seite der Country-Musik

Nicht immer bekommt man Antworten dort, wo man sie vermutet. Nicht immer haben die, die Fragen stellen, auch wirklich nach Antworten gesucht. In den frühen 70er fragten, begann Country-Sänger Johnny Cash nur noch in schwarzer Kleidung aufzutreten, was im extremen Gegensatz zu dem stand, was andere Musiker dieses Genre in ihren kitschig-bunten Hemden darstellten. Cash, der sich unangepasst und rebellisch in einem Genre bewegte das einen Teil des amerikanischen Way-of-Life symbolisiert, blieb sich und seiner Sicht der Dinge treu und sorgte so selbst dafür, dass man ihn Ende der 80er als Künstler der Country-Szene ignorierte.  Mitte der 90er startet er dann ein von Rick Rubin produziertes Comeback, in der er unter dem Titel „American Recordings“ seiner düsteren Grundintention folgt.

Bis zu seinem Tod 2003 veröffentlicht er vier Alben, die von den Symptomen seiner Krankheit geprägt den Untergang einer Legende begleiten. Auch in diesen letzten Werken vor seinem Tod widmet er sich den dunklen Bereichen des menschlichen Lebens. Coverversionen des NIN Klassikers Hurt oder dem Song The Mercy Seat von Nick Cave setzten ein weiteres Zeichen seines Schaffens und der Nähe zu unangepassten Themen am Rande der Gesellschaft.

Im Sommer 1971 veröffentlichte er den Song Man in Black aus dem gleichnamigen Album  um seinem Publikum zu erklären, warum er nur noch schwarz trug:

Well, you wonder why I always dress in black,
Why you never see bright colors on my back,
And why does my appearance seem always have a somber tone.
Well, there’s a reason for the things that I have on.

I wear the black for the poor and the beaten down,
Livin‘ in the hopeless, hungry side of town,
I wear it for the prisoner who has long paid for his crime,
But is there because he’s a victim of the times.

Posthum erschien 2006 die fünfte „American Recordings“, das durch die Legende erhoben erneut auf Platz 1 der Country-Alben Charts schießt und genau das erreichte zuletzt das Album „Man in Black“ im Jahre 1971. 2010 erscheinen unter dem Beinamen „Ain’t no Grave“ die letzten verbliebenen Werke der „A Hundred Highways“ Session. Manchmal muss man sich auch mit Dingen beschäftigen, die absurd erscheinen, um Antworten auf Fragen zu bekommen, die anderen absurd erscheinen.  Schwarz war seine Kleidung, Schwarz war seine Bürde, Schwarz wurde sein Schicksal.

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Orphi
Orphi(@orphi)
Editor
Vor 14 Jahre

Ich hätte nicht erwartet, Johnny Cash in diesem Blog zu treffen. :-) Eine wunderbare Einladung, einmal über den Tellerrand hinauszuschauen. Mit der Musik konnte ich mich zwar nie anfreunden, aber ich trauere solchen Künstlern nach, die ihre „Stimme“ und ihre Popularität auch dazu genutzt haben, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. Selbst (oder gerade) in der Gothic Szene drehen sich Publikum und Künstler heute häufig nur um sich selbst und ihre eigenen Abgründe. Meiner Meinung nach war letzteres nicht der Grund dafür, dass sich eine Schwarze Szene gebildet hat. Ich stimme auch folgender Erklärung aus Wikipedia nicht zu, die vermutlich mittlerweile zur allgemeinen Meinung geworden ist:

Schwarz ist Symbolfarbe der Gothic-Szene für Kleidung und Outfit. Sie ist Ausdruck von Ernsthaftigkeit, Dunkelheit und Mystik, aber auch für Hoffnungslosigkeit und Leere, Melancholie, und hier für den Bezug zu Trauer und Tod.

Wir haben in den 80ern angefangen Schwarz zu tragen, weil wir einen Gegenpol zur Friede-Freude-Eierkuchen-Idylle setzten wollten, die angesichts gesellschaftlicher und (umwelt-) politischer Themen einfach lächerlich war.

Es herrschte sicher eine gewisse Endzeitstimmung, die mit reinspielte, weil sich die Supermächte damals ganz ausdrücklich mit Atombomben bedrohten und wir angesichts des Reaktorunglücks in Tschernobyl in der Praxis wussten, was das heißt. Das Waldsterben war ein weiteres Thema und viele viele andere Dinge, über die wir damals nachgedacht haben, weil wir nicht 256 Fernsehprogramme, 300 Spielekonsolen und ein prall mit Fun-Mist gefülltes Internet hatten,die uns ablenkten. Insofern kann ich das mit dem „Tod und Trauer“ und mit der „Hoffnungslosigkeit und Leere“ vielleicht noch unterschreiben, aber so ist es in der Definition wahrscheinlich nicht gemeint.

Mit „wir“ meine ich hier natürlich nur mein persönliches Umfeld damals und „meine“ schwarze Szene in den 80ern. Andere mögen andere Erfahrungen gemacht haben.

In England waren es unter anderem gesellschaftspolitische Themen, die zum schwarzen Protest führten. In anderen Regionen waren es vielleicht wieder andere Gründe, aber ich wage zu behaupten, dass es immer hauptsächlich um die „Außenwelt“ ging und nicht um die „Innenwelt“, in der man sich heute so gerne wälzt. Schwarze Kleidung war im Kern eine Verweigerungshaltung, an diesem Wahnsinn der Gesellschaft teilzunehmen. Wohlgemerkt: Ganz zu Beginn!

Johnny Cash ist mit seiner Aussage in „Man in Black“ diesem ursprünglichen Gedanken wesentlich näher als der Großteil der Mitglieder der heutigen Schwarzen Szene.

tobi
tobi (@guest_9426)
Vor 14 Jahre

mit dem mann hatte ich echte „startschwierigkeiten“, aber inzwischen höre ich seine stücke sehr gerne. und die american recordings haben wirklich sehr gute lieder drin, auch wenn ich auch diese immer nur ausschnittsweise hören kann.

von Karnstein
von Karnstein(@karnstein)
Vor 14 Jahre

Vom Herrn Cash habe ich immer wieder gehört, aber ich habe keine Ahnung ob ich jemals eines seiner Lieder gehört habe, habe mich nie mit ihm beschäftigt.
Aber dein Artikel macht auf jeden Fall Lust darauf, mal etwas über den Tellerrand zu blicken, wie Orphi so schön sagt.

 Orphi :
„Wir haben in den 80ern ange­fan­gen Schwarz zu tra­gen, weil wir einen Gegen­pol zur Friede-Freude-Eierkuchen-Idylle setz­ten woll­ten, die ange­sichts gesell­schaft­li­cher und (umwelt-) poli­ti­scher The­men ein­fach lächer­lich war.“

Sehr schön, das mal aus dem Munde von jemandem bestätigt zu wissen, der dabei war ^^ Das war nämlich genau meine Einschätzung der Sachlage, die ich auch an der Uni in einem Gothic-Seminar (hauptsächlich Literatur) verargumentiert habe.
Es wundert mich jedenfalls nicht, dass eine junge Generation in der Endzeit-Stimmung des Kalten Krieges ähnliche Weltansichten und düstere Kunst hervorgebracht hat wie vor 250 Jahren die Romantiker. Widerum Wasser auf meine Mühlen, dass der Begriff „gothic“ (wenn vielleicht auch fast zufällig) doch sehr treffend wiederverwendet wurde.

Orphi
Orphi(@orphi)
Editor
Vor 14 Jahre

@von Karnstein
Ich wüsste gerne, warum die Romantiker vor 250 Jahren düstere Kunst hervorgebracht haben und welche Weltansichten dahintersteckten. Ich hab mich damit – wenn überhaupt – nur sehr oberflächlich beschäftigt. Kannst du da ein gutes Buch empfehlen?

Vizioon
Vizioon (@guest_9443)
Vor 14 Jahre

 Orphi: was denn nun, Friede-Freude-Eierkuchen, oder Endzeitstimmung?

Zu Cash: ich habe mich an seiner Musik versucht, aber im großen und ganzen kann ich mit ihm nichts anfangen.

Orphi
Orphi(@orphi)
Editor
Vor 14 Jahre

Endzeitstimmung bei uns und Friede-Freude-Eierkuchen bei den anderen.

Schatten
Schatten (@guest_9502)
Vor 14 Jahre

Country ist zwar eigentlich überhaupt nicht so meins, aber seine Einstellung (und auch die der anderen hier ;) ) zu schwarz gefällt mir sehr, und sogar die Musik ist mehr Goth als das meisten von heute ;)

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