Am 6. August 1983, vor genau 40 Jahren, starb Stilikone, Countertenor und Avantgarde-Legende Klaus Nomi im Alter von 39 Jahren an den Folgen einer HIV-Infektion. Er war das erste prominentere Opfer dieser damals noch völlig unbekannten Krankheit. Diese tragische Aufmerksamkeit täuscht häufig über die Errungenschaften und Erfolge hinweg, die Nomi noch zu Lebzeiten ins Rampenlicht internationaler Bühnen hievten.
Klaus Sperber, wie Nomi mit bürgerlichem Namen hieß, hatte schon als Kind starkes Interesse an Musik und entdeckte bereits als Jugendlicher sein Talent als Opernsängern. Da aber weder Klaus noch seine Familie daran glaubten, damit Geld zu verdienen, begann er eine Konditorlehre und arbeitete nebenbei an Essener Bühnen. Mitte der 60er-Jahre traute er sich nach Berlin zu gehen, wo er Gesangsunterricht nahm, aber dennoch nicht die erhoffte Anstellung an einem Theater oder gar der Oper fand. Stattdessen sang er seine Opernmelodien und Arien unter anderem im Kleist-Kasino, einem bereits den 1920er-Jahren bekannten Club für Homosexuelle.
1973 entschloss sich Nomi, nach New York zu gehen, der damaligen Hauptstadt des Avantgarde, wo die Musikszene offen für neue Ideen und außergewöhnliche Charaktere war. Hier zahlte sich auch seine Lehre aus: Er eröffnete zunächst eine kleine Konditorei und verkaufte Torten. Nebenbei feilte er weiter an seinem Gesang und perfektionierten den „Falsettgesang„, das Singen in höchsten Tonlagen.
Hier entdeckte er dann auch sein Alter Ego. Inspiriert von der Science-Fiction-Zeitschrift OMNI nannte er sich NOMI und baute seine Performance zu einer retro-futuristischen Zukunfts-Vision der 1920er-Jahre aus, die an Filme wie „Metropolis“ erinnert. Sein weiß geschminktes Gesicht (Kabuki-Maske), die schwarzen Lippen und seine kubistischen Kleidungsstücke prägten sein Auftreten. Seine roboterhaften Bewegungen und sein übertrieben deutscher Akzent wurden zu seinem Markenzeichen. Die Schlange derer, die die Klaus-Naomi-Show sehen wollten, wurde von mit diesem Image immer länger.
Ende 1978 dann der musikalische Ritterschlag. David Bowie lässt sich von Nomi inspirieren und lädt ihn zu seinem Auftritt in der äußerst populären NBC-Fernsehshow „Saturday Night Live“ ein. Er erhält daraufhin einen Plattenvertrag und wird als „singender Konditor“ zu einigen Fernsehshows eingeladen.
1982 wird bei ihm HIV diagnostiziert, eine damals noch völlig unbekannte Krankheit, die abfällig als „Schwulenkrebs“ bezeichnet wurde. Er startet dennoch zur eine ausgedehnte Europa-Tournee, die ihn unter anderem in die TV-Sendung „Na sowas!“ und zu Eberhard Schoeners Klassik-Rock-Nacht führte.
Die Europa-Tournee sollte seine Abschlusstournee werden. Er wusste, dass er nicht wieder zurückkommen würde, sein körperlicher Zustand wurde rapide schlechter. Klaus Nomi starb am 6. August 1983 im Sloan-Kettering Krebszentrum in New York.
Eine schöne unverfälschte Erinnerung an Klaus Nomi findet ihr abseits der Artikel, die zu seinem Todestag erscheinen, in einer 2022 aufgetauchten Sammlung von Dias und Urlaubsfotos (Danke an Anomaler Circus).
Für mich bleibt er ein stilprägende und schillernde Erscheinung, die viele Künstler und Subkulturen beeinflusst und der auch heute noch als Referenz in vielen weiterer Szenen gilt, die sich an ihn erinnern. Musikalisch nicht so richtig mein Fall, aber umso faszinierender, was dort auf der Bühne zu sehen ist.
Ich kam schon recht früh mit seiner Musik in Berührung, aber ich konnte mich nie so recht damit anfreunden, er war mir musikalisch immer zu schräg und abgedreht und sein Gesang ebenfalls. Aber er hatte einen unverwechselbaren Stil und es ist traurig, dass er so jung gestorben ist.
Bin erst sehr spät und rein zufällig über ihn gestolpert (für dergleichen ist YT echt gut), und ich finde nach wie vor: „Total Eclipse“ hat schon irgendwie was. ;)War auf jeden Fall eine interessante Person und ein herrlich schräger Typ – Und seine Musik und sein Auftreten… so derartig experimentell… einfach 80’s pur!
Es gibt eine sehr schöne Doku über Klaus Nomi. Vor allem interessant weil es auch sein Umfeld und die Szene in New York beleuchtet. Das finde ich immer deutlich spannender als den Mythos des isolierten Künstlers.
Danke für diesen Beitrag. Auch wenn seine Musik durchaus gewöhnungsbedürftig ist, so fasziniert mich sein wilder Stilmix aus avantgardistischer Zukunftdystopie eines Robotermenschen und seinem Countertenor mit barock anmutendem Repertoire. Es ist nicht verwunderlich, dass auch David Bowie bei ihm Inspiration fand. Generell spannend finde ich, wie sich die queere Szene und die frühe schwarze Szene, die sich ja erst herauskristallisierte, gegenseitig „befruchtet“ haben (was hier bitte im übertragenen verstanden werden soll). Klaus Nomi ist definitiv eine Ikone.
Glaub mir, es gibt immer noch sehr deutliche Überschneidungen zwischen der schwarzen und der queeren Szene. Auf manchen Konzerten sind Cis-Heteros in der deutlichen Minderheit. ;)