Der Sommer scheint vorbei zu sein und wieder singen belanglose Zeitungen und Gespräche die gleiche Melodie. Wo ist die Sonne hin? Wird sie noch einmal wiederkommen? Was soll der Regen? Regen scheint in unserer Breiten sowieso ein Synonym für Traurigkeit, schlechte Laune und Melancholie zu sein. „Gutes Wetter“ definiert sich nur durch den Sonnenschein, aber von dem bitte nicht zu viel und vor allem, nicht zu warm. Ein kulturelles Desaster, denn während wir bei uns zum Regen „schlechtes Wetter“ sagen, tanzte man bei afrikanischen und indianische Völkern häufig für selbigen. Aber wir waren immer schon anders als die anderen, denn obwohl wir im Schnitt mehr Regen- als Sonnentage haben, fahren wir im europäischen Vergleich fast die meisten Cabrios, mehr davon fahren nur noch die Briten, die bekanntermaßen auch kein Land der Sonne haben 1
Regen hat aber auch eine romantische Seite, seien wir ehrlich – vor allem für den Gruftie. Das liegt vielleicht in seinem Zusammenhang mit den Eingangs erwähnten Eigenschaften: Traurigkeit wird uns Nachgesagt, Ernsthaftigkeit wird mit schlechter Laune verwechselt und Melancholie ist ein Teil unserer Lebensphilosophie. Das liegt natürlich zum einen an der symbolischen Kraft des Regens für Traurigkeit „No rain can wash away my Tears, no Wind can soothe my pain.“ 2 als auch an der zusätzlichen Zeit, die uns der Regen beschert. Das einzig Negative am Regen ist auf Äußerlichkeiten fixiert – es ist der Rinnsal von gelöstem Haarspray, der in den schwarz umrandeten Augen brennt.
Regentage sind meist kreative und auch nachdenkliche Tage an denen ich die Zeit genießen bei Kerzenschein und Musik aus dem Fenster zu sehen. Während meine Blicke die monotone Schönheit des Regens genießen, geht der Geist auf eine Reise ins eigene Ich. Hier nimmt die Musik für mich einen besonderen Stellenwert ein, denn sie ist mein Lotse und bestimmt, in welche Richtung die Reise geht. Und auch wenn sich Traurigkeit breit macht, seinen traurigen Gedanken sollte man nicht weglaufen, sondern eine Rinne schaffen, in der sie ablaufen und für sinnvolleres verwendet werden können, als sich darin zu verlieren. Etwas zu schreiben ist etwas Sinnvolles, idealerweise in einen Blog um anderen Menschen die Möglichkeit der Teilnahme zu geben. Regen macht kreativ, nicht traurig – so empfinde ich das jedenfalls.
So sitze ich hier, der Regen prasselt an die Fensterscheibe des Zimmers und im Hintergrund animiert mich ein Klassiker der Eurythmics zu einem Artikel. „Here comes the Rain again“, es ist schließlich immer das gleiche, jedes Jahr und das wird sich trotz drohender Klimakatastrophe auch erst mal nicht ändern – manchmal muss man schon im August die Heizung wieder in die Familie integrieren. Ich habe kapituliert und genieße den Heizkörper an der Wand, der mir das subtile Gefühl von Geborgenheit vermittelt.
Einzelnachweise
- Vergleiche dazu: Der Cabrio-Bestand in Deutschland wächst, vom 26.03.2010 – ratschlag24.com[↩]
- Wolfsheim – Once in a Lifetime[↩]
In punkto bloggen geht mir das genauso: Regen macht kreativ. Au0erdem ist ein weiterer positiver Nebeneffekt, dass man draußen nix verpasst. Und ein richtiges Gewitter ist natürlich ebenfalls höchst inspirierend.
Regen ist Melancholie und Faszination. Nur bei Parties kann man ihn absolut nicht gebrauchen!
Schön das du meine Ansicht teilst, der arme Regen hat ein Lobby verdient.
Der Knackpunkt ist für mich, dass es einen feinen Unterschied zwischen „schön“ und „angenehm“ gibt.
Solange ich im stillen Kämmerlein vorm lauschigen Kaminfeuer (oder in Ermangelung eines ebensolchen von mir aus auch vor der Heizung) sitze, gibt es für mich nichts Schöneres, als dem Herbstregen beim Prasseln zuzuhören. Und ein warmer Sommerregen verspricht sogar im Freien, ein außerordentlich sinnliches Erlebnis zu werden.
Um der allen Dingen innewohnenden Ambivalenz aber mal das Wort zu überlassen: Als Irland-Heimkehrer kann ich bestätigen, dass zwei Jahre Zwangsdauerdusche zwar ganze Eiländer grün machen, aber auch in der schwärzesten aller schwarzen Seelen den Wunsch aufsteigen lassen, die ollen Indianer hätten der Nachwelt einen wirkungsvollen Sonnentanz überliefert.
Ambivalente Grüße,
Martinito
@Mister Martinito: Ja, das kann ich nachvollziehen. Irland ist sicherlich auch ein Traum-Reiseziel von mir, aber eben nur für einen Kurzweil, denn die Regen/Küste/Wind/Sturm Romantik hat sich nach 2 Jahren sicherlich etwas verwaschen. Daher stimme ich Dir völlig zu, im Wechsel und auch im Kontrast zum „geliebten“ Wetter liegt auch ein Reiz verborgen. Ähnliches empfinde ich übrigens auch im Winter ;) Trotzdem: Vielen Dank für Deinen Kommentar, ich würde mich freuen, noch mehr von deiner innewohnenden Ambivalenz zu hören :)
Ha, das hat mich schon als Kind aufgeregt. Warum ist Regen immer negativ, weshalb wird er als „schlechtes Wetter“ definiert? Regen hat was Romantisches, Gemütliches, Melancholisches, Be- oder gar Verzauberndes. Ich zum Beispiel kann viel besser schreiben, wenn es regnet und womöglich noch stürmt oder gewittert. Das Einzige, was dann noch fehlt, sind der knisternde Kamin und die alte Wohnungseinrichtung ;) Und auch Spaziergänge sind im Regen schöner. Daher liebe ich den Herbst. :)
Zwar würde ich nun nicht sagen, dass ich dafür keinen Sonnenschein mag – aber das ist es doch eben, die Mischung macht’s.
Ich stimme Dir uneingeschränkt zu, obwohl ich die Gewichtung schon eher in die dunkle Jahreszeit lege und den Sommer chronisch zu lang empfinde ;)
@Robert: Das hört man aber SEHR selten, dass jemand eher die düstere/kältere Jahreszeit bevorzugt. Respekt! Mir geht dieses ständige Wettergemeckere in meinem Umfeld ja sowas von auf die Nerven…Ist kein Sommer, dann wollen sie welchen, ist Sommer, dann isser zu heiß, ist Sonne, dann ist das mal einen Tag schön, aber dann bitte wieder etwas kühler…und ja und Regen, das geht ja gar nicht!!
@Robert: Ja, ich bevorzuge auch die etwas kältere Jahreszeit. Trotzdem finde ich es durchaus schön, dass ab und an auch mal die Sonne scheint. ;) Aber dann gibt es ja noch den Winter, der, wenn er nur nicht so kalt wäre, mindestens genauso schön wäre wie der Winter… hach.
@shan_dark: Wetterdiskussionen gehe ich – soweit das im Alltag möglich ist – aus dem Weg. Die, die ständig über das Wetter meckern sind meiner Meinung viel zu unkreativ aus jeder Lebenslage heraus seine Freizeit zu gestalten. Ausnahmen: Menschen die von der Arbeit her dem Wetter ausgesetzt sind, da ist meckern durchaus erlaubt, schließlich hat man hier keine Wahl.
Die dunkle Jahreszeit ist eine verkannte Schönheit. Bist du mal um Mitternacht durch einen durch den Schneefall bedeckten Park spaziert? Dieser Moment übt beispielsweise eine unglaubliche Faszination auf mich aus. Oder wenn die Herbststürme die Welt in Bewegung versetzt und sich alles im Kampf mit den Elementen befindet? Ja, genau. Wenn die Umwelt den Geist entführt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht sind meine Gedanken wirklich frei, so empfinde ich das jedenfalls.
@ShainaMartel: Natürlich. Wie du es schon gesagt hast, die Mischung machts und macht unseren Breitgrad für mich so attraktiv. Monotonie ist auch im Wetter nichts für mich ;)
Da hast du recht – so hab ich das noch gar nicht gesehen, aber die sind wirklich zu unkreativ… Ich sage dann auch oft: wenn ihr jetzt draußen arbeiten müsstet, dann (und nur dann) dürftet ihr Euch beschweren. Aber diesen Blick können oder wollen die oft nicht einnehmen. Naja, egal, wir wissen es besser.
Ich bin ein Novemberkind, ich finde den NOvember mit seinen mystischen und modrigen Nebellandschaften schön. Wenn ich das sage, dann ernte ich bei den meisten nur entsetzte Blicke. Aber es ist so. Von daher kann ich mir auch sehr schön vorstellen, wie es um Mitternacht in einem schneebedeckten Park ist – auch wenn ich das Vergnügen selbst noch nicht hatte.
Immer nur Sonne, immer nur Sommer ist sooooo langweilig.
Jetzt reden wir hier irgendwie auch schon ganz schön lange übers Wetter …*lach*
Wir reden über das Wetter, wir meckern nicht. Außerdem entspricht unsere Herangehensweise nicht dem von mir ursprünglich gemeinten Wettergesprächen. *lacht auch*