Gothic Country, wie passt das zusammen? Man erinnert sich an Auftritte der Sisters of Mercy, deren Stil auf viele Zuschauer wirkte, wie die Kopie eines billigen Spaghetti-Western. Kragenhemden, große Hüte, Biker-Boots und Lederjacken. Doch was so aussah, hörte sich nicht so an. Gothic-Rock und Country, wie passt das zusammen? Gastautor Piet Noir will ein wenig Licht ins Dunkel bringen und zeigt, dass auch musikalische Verknüpfungen vorhanden sind und stellt Bands vor, die versuchen eine Symbiose aus dem herzustellen, was bei den meisten zunächst ein Stirnrunzeln erzeugt.
Gothic-Country?
Dass Western und Gothic zusammen passen kann, wissen wir spätestens seit dem Erfolg der Fields of the Nephilim. Doch über das Outfit hinaus ist für die meisten eine Kombination dieser beiden Musikrichtungen kaum vorstellbar. Doch es gibt sie! Zum größtenteil unbeachtet vom europäischen Kontinent hat sich rund um die Stadt Denver und den USA etwas entwickelt, was heute größtenteils als „Gothic Americana“ bekannt ist, seltener auch tatsächlich unter „Gothic Country“.
Als Begründer zählen 16 Horsepower, Slim Cessna´s Auto Club und Jay Munly (erstere und letzter sind auch Mitglied bei Slim Cessna´s Auto Club). Wenngleich die Band „The Gun Club“ (mit der großartigen Patricia Morrison, später bei „The Sisters of Mercy“ und „The Damned“) bereits in den 80ern „Post Punk“ mit Country-Elementen kreuzte. Nicht umsonst wird sie von vielen Bands aus dem „Gothic Americana“-Umfeld als große Inspiration angesehen.
Als sich das Genre „Alternative Country“ kurz „alt-country“ immer weiter entwickelte, mixten eben diese Künstler ihrer Musik Gothic-Elemente bei und schrieben Texte über Apokalypse, Einsamkeit, Liebe, Religion usw. 16 Horsepower, die Band welche sich Anfang/Mitte der neunziger gründete, wurde bereits mit ihrem ersten Album als „Gothic Country“ betitelt (wohl eine Art „Eldritch-Effekt“). Mastermind hinter 16 HP war David Eugene Edwards. Als Kind eines christlichen Predigers machte er erste musikalische Erfahrungen in der Kirche. Auch heute noch bekennt er sich zum Christentum, was an manchen Texten auch klar zum Vorschein kommt. Trotz des Country/Folk Hintergrunds interessierte er sich auch für Bands aus dem Post Punk Bereich, wie z. B. Joy Division, Nick Cave & The Bad Seeds und Sonic Youth 1.
Einfluss solcher Bands mit ihren zum Teil düsteren Klangwelten hatten nachhaltigen Einfluss auf das Schaffen von David Eugene Edwards. 16 HP lösten sich 2005 auf. Das Nachfolgeprojekt heißt „Woven Hand“ und geht musikalisch in eine ähnliche Richtung. Seltsamerweise sind uns die Österreicher schon etwas voraus, da sie Konzertfotos von Woven Hand bereits auf ihrer Homepage führen http://www.gothic.at/fotoalbum/403. Da hat Deutschland noch etwas aufzuholen.
Und hier auch einmal eine Band mit Frontfrau „Tarantella“
Da ich Crossover von traditioneller düsteren Musik mit anderen Stilrichtungen allgemein sehr interessant finde, bin ich umso glücklicher eine derartige – in meinen Augen sehr fruchtbare – Kombination gefunden zu haben. Falls jemand auf den Geschmack gekommen sein sollte. Es gibt auf last.fm ein Gothic Americana tag Radio und bei der englischsprachigen Ausgabe von Wikipedia wird dieser Begriff auch aufgeführt mit ein paar dementsprechenden Bands. Bleibt zu hoffen, dass sich weiterhin solche Perlen abseits von Pseudo-Düster-Techno auftun und auch in Deutschland ankommen.
Einzelnachweise
- Quelle: Mediendienstleistungen Ralf G. Poppe, http://www.medien-poppe.de/artikel-7.html [↩]
Die Fans der Fields standen im Zwischenfall der 80er immer obercool in der Ecke und hatten ihre Mäntel mit Mehl bestäubt um noch postapokalyptischer auszusehen!*g*
Davon hatte ich auch schon mal gehört, mich aber nie näher damit beschäftigt. Ich kann mich daran erinnern, dass The Triffids in den 80ern als „Country Wave“ bezeichnet wurden. Ob es da Zusammenhänge gibt? *schulterzuck*
Das ist ja sehr cool! *notier*
Ein inspirierender Beitrag! Da sind einige Anregungen dabei für meine Playlist „Alte Männer mit Gitarren“. Neben den Fields, den Sisters und Nick Cave tummeln sich dort auch Jonny Cash oder New Model Army. Ein bisschen Lagerfeuerromantik und dabei so melancholisch, dass es einem die Tränen in die Augen treibt…
Wieso seltsamerweise?? *gg*
Woven Hand sind bei uns so etwa im Zweijahrestakt zu Gast und werden vor allem vom etwas älteren Gotenpublikum sehr gern besucht. Daß es erst jetzt auch endlich mal Konzertphotos auf gothic.at gibt, ist eigentlich eine Schand‘. ;-)
@Alwa: Da habt ihr „uns“ eindeutig was voraus! Piet erwähnte das ja bereits in seinem Artikel. Ich finde die leicht unterschiedlichen Ausrichtungen der Genre im deutschsprachigen Raum sowieso interessant, ich glaube ich sollte öfter mal über die Grenze gucken, in Österreich gibt es ja ebenfalls ein sehr solide und gut vernetzte Szene, von der man sicher noch etwas lernen kann.
Männer in Lederkluft gepaart mit stilsicherem düsteren Crossover? Hey, ich bin dabei ;-) Ab und zu höre ich – neben den Fields – auch gerne Bands aus dem Gothabilly-Bereich wie „Ghoultown“ oder „The Cramps“.