Nicht schon wieder. Die Liste der Bands, die sich nach einigen erfolgreichen Jahren in den 80er auflösten um dann in den letzten 5 Jahren auf wundersame Weise auferstehen, ist lang geworden. In der Regel schwanken diese sogenannten Reunions zwischen peinlichen Live-Auftritten mit aufgewärmten, uninspiriertem Material und dem „Ist ja ganz nett“-Gefühl das sich breit macht, wenn die Idole von einst ihre Klassiker zum Besten geben. Meist folgt dann die Ernüchterung, denn die ursprüngliche Begeisterung die man bestenfalls der eigenen Erinnerung entnimmt, stellt sich eigentlich nie ein.
Eine Umstrukturierung, die nahezu spurlos an mir vorbeiging, war die von Charles de Goal, den französischen Coldwave Pionieren der frühen 80er, die mit „Restructuration“ 2008 ein neues Album auf den Weg brachten. Als ich jüngst dann das Stück Decadence auf dem Sampler Pagan Love Songs Vol.2 entdeckte, war meine Neugier geweckt und so habe ich spontan meine Sammlung, die eigentlich nur aus dem Erstlingswerk Algorythmes (1980) besteht um Restructuration (2008) erweitert.
Meine erste Begegnung mit den Franzosen hatte ich mit dem legendären Stück Exposition, das ich Anfang der 90er in irgendeinem schwarzen Club hörte und die mir Ohren und Verstand für das mir noch unbekannte Genre des Cold-Wave öffnete. Charles de Goal, das war eigentlich 1979 ein Solo-Projekt von Patrick Blain, der zuvor mit der Band C.O.M.A. bereits ein Album herausgebracht hatte. Mit Synthesizer, Gitarre, Bass und Schlagzeug formte er das, was man später Cold-Wave taufte. Minimalelektronische Klänge und Beats, das aufflammende Post-Punk-Genre als Attitüde entwickelte sich daraus ein Sound, der unterkühlt und zurückhaltend wirkt, um letztendlich doch den Hörer zu faszinieren. 1986 war es dann auch schon wieder vorbei.
So pendelte ich zwischen Erwartungshaltung und Skepsis als Restructuration erklingt, doch ich sollte nicht enttäuscht werden. Nach einer kurzen Einleitung mit „Régularisez-moi“ hämmert dann auch gleich das eingängige „Passion/éternité“ durch meine Gehörgänge und sorgt zunächst für ein erstauntes „Wow!“. Auch „Choque moi“ zieht nocheinmal an mir vorbei, bevor mit „Procession“, tiefere und düstere Klänge eine Ausbreitung erfahren. Eine Ballade gibt es auch: „Figures imposées“ ist das melancholischste Stück, das von Patrick Blain tiefen Stimme lebt und wieder Lust darauf macht, französisch zu lernen. Genug der Ruhe, mit „Next Stop Disneyworld“ und „Décadence“ lässt man es wieder flotter angehen und betont mit der leicht Elektronischen und Poppigen Art mit Jetzt angekommen ist und es verstanden hat seine musikalischen Wurzeln zu verfeinern und sich weiterzuentwickeln. Das Finale biete wieder mit „Hais-toi!“ einen Höhepunkt, der zeigt, wie Punk heute klingen kann. Nach rund 45 Minuten ohne Pause ist der ganze Spaß schon wieder vorbei, ein in Deutsch gesungener Hidden-Track wirft zwar noch einige Fragen auf, passt aber gut zu dieser Fahrt mit dem TGV.
Ein „Früher war alles besser“ ist unangebracht. Es bleibt die Begeisterung, das es immer noch besser werden kann. Wer die älteren Herren auf den Bildern falsch einschätzt, wird sein französisches Wunder erleben. Die Übersetzung der Texte offenbart übrigens auch die intellektuelle Ader (das Stück Passion/éternité ist beispielsweise dem französischen Philosophen André Gorz gewidmet und handelt von seinem gemeinsamen Selbstmord mit seiner Frau Dorine) und zeigt, das Tanzexzesse auch intelligent klingen dürfen und Bewegung nicht immer kopflos erfolgen muss. Außerdem bin ich froh, dass es Ausnahmen von der Regel gibt, die ich Eingangs des Artikels beschrieben hatte.
Charles de Goal, das sind heute Patrick Blaine, Etienne Lebourg, Jean-Philippe Brouant und Thierry Leray. Neugierige besuchen die Internetseite der Band, hören sich auf MySpace noch einige andere Stücke an, oder besorgen sich das Album gleich als MP3-Download oder aber auch als Silberling.
Hit me! Also ich mag französische Chansons. Aber ansonsten läuft die französische Musik der gesamten internationalen Musik um lockere 2 Jahre hinterher. Eher 5 Jahre. Man, sind die langweilig.
Ansichtssache. Ich finde die Franzosen gehen ihren ganz eigenen Weg, gerade Charles de Goal klingen für mich frisch und unverbraucht. Sicher, rein klanglich ist alles in Teilen schon mal gewesen, die Kombination gefällt mir aber sehr gut.
Mal ganz davon abgesehen, dass Charles de Goal keine Franzosen sind…
@Thomas: Sondern? Kläre mich auf und nenne mir die Quellen, meine sagen nach einer erneuten Überprüfung immer noch das es sich um Franzosen handelt.