Nein, lieber Hörer, in diesem Beitrag geht es nicht um die anstehende Dead Can Dance Veröffentlichung und die anstehende Tour der beiden Briten, denn davon wissen die meisten Schwarzhörer. Jedenfalls sind viele der Konzerte bereits ausverkauft, was dann doch auf eine gewissen Bekanntheit hindeutet. Und schon gar nicht geht es um Schlager-Titan Unheilig, der trotz theoretischer Leichenstarre weiterhin Schnulzen herausbringt. Populär kann doch jeder!
Es geht wieder einmal um meine E-Mail Eingang und die abonnierten News-Feeds, die regelmäßig von fleißigen Menschen mit musikalischen Vorschlägen geflutet werden. Tatsächlich war auch wieder eine postalische Sendung dabei, obwohl ich große Umschläge in meinem Briefkasten ja überhaupt nicht leiden kann. Aber das nur am Rande.
Beginnen wir mit Beauty of Gemina, denn die veröffentlichen heute ihr neues Album, wie mir der Sonic-Seducer verriet. Leider konnte ich die Titelstory noch nicht lesen und nicht erfahren, „…wie die neuen Songs durch Reduktion noch intensiver wurden, welche Rolle Themen wie Geister, das sich fremd in der Gesellschaft fühlen oder Suizid in den Texten spielen…“ Ich habe nur die Singleauskopplung „Ghosts“ gehört (und gesehen) und bin verwirrt. Machen die Schweizer jetzt Gothic-Country? Überhaupt nicht meins. Das hindert mich schon im Grundsatz daran, zum Inhalt des Songs vorzudringen. Hier könnt ihr euch aber ein eigenes Urteil bilden.
VNV Nation lassen sich auch nicht lumpen und veröffentlichen ihr mittlerweile 14. Album. Singleauskopplung und Video überzeugen mich zwar nicht, an einer hochgradigen Weiterentwicklung teilzuhaben, doch solide und gewohnt tanzbar strömen die Klänge in meine Gehörgänge. In einem Interview verrät Ronan: „Ich erachte das Album eher als ein Buch. Als ein Werk, das tiefer geht und tiefer blicken lässt als jeder flüchtige Eindruck, den die Musik beim ersten Hören hinterlässt.“
Tom von „Popsirup“ bewirbt die Band VADOT mit reichlich Material, veröffentlichen die doch am 19. Oktober ihr mittlerweile viertes Album mit dem Titel „Resonanz“, das der Linie der Band – elektronische Sounds mit deutschen Texten – treu bleibt. Leider kann ich mich auch dieses mal überhaupt nicht mit der Musik anfreunden, denn der VADOTs Popsirup verklebt mir die Gehörgänge. Musikalisch sicherlich einwandfrei, aber ohne Ecken und Kanten, verbleibt der Sänger in der bemühten Absicht, den Inhalt seiner Texte zu transportieren. Klappt bei mir nicht. Und das in doppelter Hinsicht. „Wolkskind“ wirkt für mich wie einer von diesen schwarzen T-Shirts, die mit kitschigem Wolfsaufdruck Mystik erzwingen wollen, wo keine ist. Ich weiß aber, dass es Facetten der schwarzen Gemeinde gibt, denen das sicherlich gefallen könnte und ich bin nicht der Nabel der Welt:
Vor 10 Jahren hat Superikone (damals noch Lunastoy) anscheinend einen Hit in den Clubs gelandet, so verrät jedenfalls die Postzusendung, die neulich in meinem Briefkasten lauerte. Auch dabei, die aus dem Album „Paläste aus Katzengold“ ausgekoppelte EP mit besagtem Stück „Traenen„. Abgesehen von der Tatsache, dass es sich im Grunde um Popmusik handelt, dudelt das ganze recht unspektakulär durch die Lautsprecher und unterhält mich eigentlich ganz gut. Die Texte der anderen Stücke auf dem restlichen Album dürfen als sehr ordentlich bezeichnet werden. Mein Geschmack ist es leider nicht so wirklich, was aber durchaus daran liegen kann, dass deutsche Texte immer sehr zweischneidig sind, weil sie immer mehreren Qualitätsprüfungen standhalten müssen.
Blac Kolor präsentiert sich zurückhaltend und lässt seine Musik für ihn sprechen. Oder sagen wir besser hämmern? Frei nach dem selbst gewählten Motto „Nobody said it would be Easy“, stampft und krächzt der Sound aus den Lautsprechern und versucht sich hilflos unter den Bezeichnungen Industrial, Techno, EBM und Ambient zu verorten. Auch wenn „interessant“ eine Floskel für „Mist“ sein soll, finde ich die Musik von Hendrick Grothe wirklich interessant. Für mich ist das ganze zwar weit weg von „Gothic“, aber diesen Anspruch verfolgt der Wahl-Leipziger auch gar nicht. Hört mal rein:
[bandcamp width=100% height=120 album=3913209271 size=large bgcol=ffffff linkcol=0687f5 tracklist=false artwork=small]
Das Label Synth Religion will mir Marble Slave (Marmorsklave?) aus Paris näher bringen. „Geboren aus schlaflosen Nächten und nicht ausgesprochenen Gefühlen„, wie es in der Beschreibung heißt, pendelt das Stück „Surveillance“ zwischen fruchtig lockerem New Wave und Synth Pop ziemlich schmerzfrei durch die Kopfhörer, aber deutlicher angenehmer, als die üblichen Vertreter dieses Genre. Ich finde die minimalistische, rhythmisch-melodische Art einfach eleganter und damit auch gruftiger. Irgendwie. Tatsächlich erreicht es die fast schon angenehme Monotonie, mich zum wiederholen des Stückes zu animieren.
Wo wir gerade in Frankreich sind. Sébastien von der Band „Autopsie d’une oimbre“ (Autopsie eines Schattens) schreibt mir: „Kurzgesagt, meine Musik ist ein Mix aus Coldwave, Darkwave und Industrial„. Er möchte, das wir sein aktuelles Album „Alive Somewhere“ hören. Nach Marble Slaves butterzartem New Wave aus obigem Video, spült Sébastien meine Gehörgänge ganz gehörig. Kratzig, kantig und ein bisschen wütend klingt seine Musik, während sein Gesang wie ein Ableger vom Joy Division Frontmann Ian Curtis klingt. Mit Industrial hat das freilich wenig zu tun, wie ich finde – muss es aber auch gar nicht. Elektronisch ist es in jedem Fall. Weniger melancholisch-traurig, sondern eher wütend-impulsiv.
Wer bei Brasilien nur an Zuckerhut, Samba und braun gebrannte Bikini-Damen denkt, liegt völlig daneben. The Knutz sind offenbar mit einem Album von Bauhaus unter dem Kopfkissen groß geworden und schicken sich an, Gothic-Rock aus Südamerika zu etablieren. Die Jungs aus Niterói (unweit von Rio), die mich erst du ihre Erscheinung neugierig gemacht haben, punkten auch in Sachen Musik sehr eindrucksvoll. Ihr neues Album „The Tower“ beeindruckt durch Stilsicherheit in Sachen Gothic aus den „Early Days“. Die schämen sich einfach nicht, den alten Sound einfach für sich zu verwenden. Diese ständige Geburt von absurden Musikmischungen aller Genre ist sowieso nervig, früher war nicht alles veraltet. Jedenfalls musikalisch. In Brasilien ist die Reinkarnation der Szene sowieso in vollem Gange. „The Knutz“ mit ihrem Oldschool-Style, ihrem astreinen Goth-Sound und dem künstlerischen Drumherum sind die Speerspitze einer neuen Bewegung, die sich nicht schämt, den Eintopf von damals aufzuwärmen. Lecker!
Ähnlich zielstrebig verfolgen die Flüsternden Söhne, also die Whispering Sons, ihr Ziel. Mit ihrem neuen Stück „Alone“ aus dem am 19. Oktober erscheinenden Album „Image“ definieren sie lupenreine Grufti-Mucke. Vielleicht nicht sonderlich innovativ, aber das muss auch nicht immer erstrebenswert sein, wie man an vielen anderen Beispielen sehen kann. Einfach melancholisch schön, dieses „Alone“ und nach knappen 4 Minuten viel zu früh vorbei.
Sind die Whispering Sons denn wirklich noch ein Geheimtipp? Marble Slave, Autopsie d’une oimbre und the Knutz hingegen sind richtig nette Sachen in die ich mich jetzt schön einhören werde.
…ob die Whispring Sons ein Geheimtipp sind, dazu würd ich gern was schreiben. Ja. Wer hört den bitte anno 2018 noch Wave oder Gothic? Die paar hundert Leutchen, die Whispering Sons oder ähnlich gelagertes kennen…. selbst bekannte Bands wie
Altar de Fey
kennt keiner,…. ich tendiere tatsächlich dazu: Gothic, Wave, Post-Punk … ist anno 2018 prinzipiell Underground MukkeDefinitionshülsen und Allgemeinplätze anyone? Seien wir doch mal ehrlich, Diskussionen über Begrifflichkeiten wie den altehrwürdig-bräsigen „Geheimtipp“ oder die Deutungshoheit, was denn nun „Underground“ beschreibt, gar definieren soll, sind doch längst überholt, wenn nicht gar total obsolet geworden, Opfer der sich wandelnden Zeiten und derer Vergänglichkeit.
Geistert der „Geheimtipp“ nicht bereits seit Jahrzehnten überall dann und dort herum, wenn eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden soll? Oder warum bekommt sogar ein Massen-/Mainstreampublikum im TV immer wieder DEN absoluten „Geheimtipp“ präsentiert, und sei es nur irgendeine tooootal angesagte Kaschemme (in die der – haha! – „Underground“ nicht mehr geht, weil öde geworden…) im hipstrigen Berlin – oder den Traumstrand in Gottweißwo, wo aber im nächsten Sommer die auch Unheilig hörende „Gothic“-Mutti aus Buxtehude ihren Cocktail (wer trinkt sowas eigentlich noch?) schlürft… (während ich die Whispering Sons-LP in meiner Sommerresidenz am Genfer See auf meiner high end-Anlage rotieren lasse… ;-) )
Und wären „Geheimtipps“ wirklich solche, dann wäre McDonalds heute eine exquisite Nobelrestaurantkette für die haute vollee…
Aber schon gut, schon gut – natürlich sollten wir alle auf dem Teppich bleiben, die Realität nicht aus den Augen verlieren und die Relationen uns nüchtern klar machen. Was für mich und meine Bekannten (bleiben wir mal eben bei den Whispering Sons) keineswegs mehr ein „Geheimtipp“ ist, da von uns in unserem „eingeschworenen Kreis“ jeder die Kapelle kennt, und diese dementsprechend oft zu vernehmen ist, so muß man nicht davon ausgehen, daß mein Nachbar die auch kennt („he, Herr Grummelzwerg, was halten Sie von der neuen Whispering Sons-Scheibe?“). Erwarte ich jetzt ein „Supi, lieber T.S., ganz großes Kino“, oder doch eher ein „Hä?“. Dreimal darf man raten, wobei einmal schon die richtige Antwort bringt, nicht wahr?
Selbst eine Nachfrage beim großen Medienkaufhaus hier vor Ort (der dem Begriff Großstadt doch so dann und wann gerecht wird…) und beim spezialisierten Fachhändler lassen ratlose Gesichter und zuckende Schultern zurück. Nun gut, eine Band, die weltweit vielleicht ca. 1000 physikalische Einheiten eines Albums verkauft interessiert die übrige Welt da draussen eben kaum…
Aber ist dann das Ganze deswegen gleich „Underground“?
Nach gefühlten 500 Jahren „Punk“, „Gothic“, „Wave“, etc. (und Hand auf’s Herz: deren sich ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch ganz langsam zeitlupenhaft verändernde musikalische Erscheinungsformen, oftmals sogar allzu sehr in Richtung Trivialität) hat auch Lieschen Müller (und eben auch mein Nachbar der Herr G.) eine vage Vorstellung, wie die ganze Chose klingt, in etwa tickt und Stylingmässig drauf ist, Sensationsberichte in fast allen (Mainstream-)Medien über gehypte Massenveranstaltungen a la WGT und/oder M’era Luna, wo selbst der „undergroundigste“ Besucher keiner mehr sein kann, weil er (man) mit den ganzen Fliesentisch-/Heckscheibenaufklebergruftis über einen Kamm geschert wird, lassen nicht wirklich mehr DEN „Underground“ (zumindest „unser“ ursprüngliches „szenisches“ Treiben/Beuteschema/etc. in diesem Sinne) zu. Auch diese Zeiten sind vorbei (sog. „Underground“ kann doch heute fast jeder, ist doch fast schon wie populär – und sei’s nur an Fastnacht). Und dabei ist es für diese Begrifflichkeit vollkommen unerheblich, ob es sich hier um eine ach-so-„Gothic“-Chartsschlager-Truppe handelt, deren Geträller auch Herr G.’s Frau beim Bügeln mitsummen kann, oder aber die Whispering Sons… (wobei, bei diesen Überlegungen: vielleicht leihe ich dem Nachbarn doch mal die Platte aus, falls ein kompatibles Gerät in seinem Haushalt vorhanden, wohlgemerkt…)
Wobei ich nun auch schon bei den „Tipps“ aus dem Grufti-Briefkasten angelangt bin: u.a. auch aufgrund vorgenannter Ausführungen, vor allem aber aus persönlichen Gründen meiner „szenischen“, bzw. kulturellen/musikalischen Sozialisierung und/oder natürlich gewachsenen Animositäten, können mir Unheilig und VNV Nation absolut gestohlen bleiben. Aus ähnlichen, wenn nicht gar genau diesen Gründen sind mir die Ergüsse von Vadot und Superikone herzlich unsympathisch und ich muß mich sehr beherrschen, diese Machwerke nicht ausfällig zu kommentieren (aber man sollte ja seine Energien so dann und wann eher für Positives nutzen – also schnell den Schaum vor’m Munde abgewischt…).
Obwohl ich die Produkte aus dem Hause „Synth Religion“ schätze, geht Marble Slave so ziemlich an mir vorbei, zu glatt, zu medioker. Ebenfalls kann ich trotz Vorliebe für die Stimme von Ian Curtis, eine solche vokale Intensität bei Autopsie D’un Ombre nicht fest- oder ausmachen. Auch soundmässig ist die Nummer mir zu unerheblich, obwohl nicht wirklich unsympathisch. Würde einen Laden, wo das läuft, deswegen nicht fluchtartig verlassen.
Je nun, und was gefiel? Klar, die Whispering Sons und Dead Can Dance sind Selbstläufer, da sind die Tonträger schon pre-ordered.
„Sieger“ dieser Runde sind The Knutz (was für ein Bandname, huah… – ich werde mir den nicht merken können und stattdessen immer wieder auf Hinz oder Kunz kommen, sollte ich die Truppe erwähnen wollen). Altmodisch, früher war alles…, „authentisch“ (sic!) und tief in den Achtzigern versackt – aber trotzdem klasse, vor allem weil man ja Gewohnheitstier ist, und Klänge, mit denen man „groß“ geworden ist, einen doch immer wieder einholen. Sowas muß ich prinzipiell nicht toll finden, solch nostalgisches in ollen Zeiten Geschwelge, aber da ich auch manchmal mit meinen Bauhaus-Platten kuschele, so kann mir das nur recht sein. Ab und an dürften unter den Kopfkissen der brasilianischen Buben auch noch Platten von Play Dead, The Bolshoi und Mask For liegen, oder?
Und deren Optik/Styling? Je nun, über Althippies lacht man – oder schüttelt den Kopf aufgrund anachronistischer Urständ. Aber: jeder halt wie’s ihm gefällt, jedem Narren gefällt halt seine Kappe. Früher, als alles… sind wir halt auch so – oder ähnlich – rumgelaufen, aber: siehe ein paar Sätze vorher…
Platte werde ich mir kaufen!
Mir zumindest gefällt der Song von Beauty Of Gemina, das Video für meinen Geschmack auch recht ansprechend. Scheinbar habe ich eine Ader für derartiges. Aber bevor ich anfange, mich hier deswegen zu erklären, würde ich jetzt lieber eine playlist, bzw. ein Mixtape zusammenbasteln, in/auf der/dem ich diese Nummer („Ghosts“) einbauen würde, kombiniert mit u.a.:
Die Haut – „Der Karibische Western“
Crime & The City Solution – „I Have The Gun“
Nick Cave & The Bad Seeds – „Wanted Man“
The Sisters Of Mercy – „Phantom“
Swans – „The River That Runs With Love Won’t Run Dry“ (oder wahlweise deren Coverversion von „Love Will Tear Us Apart“)
Depeche Mode – „Route 66“
und natürlich den ollen Johnny Cash mit seiner Coverversion von „Personal Jesus“
Dies sollte als Erläuterung reichen…
Vera Fidez : Nun, Geheimtipps zu zeigen war auch nicht mein Anspruch. Tatsächlich sind das nur Künstler, Bands und Videos, die mir vor die Nase geschoben werden. Ich möchte mich da auf ein Urteil „Geheimtipp“ gar nicht herablassen. Im Gegenteil, einige der Stücke im Beitrag haben mir überhaupt nicht gefallen, was ich auch deutlich schreibe. Aber: Ich bin nicht der Nabel der Welt und daher darf sich jeder hier sein eigenes Urteil bilden, vor allem bei den Bands, bei denen ich unsicher bin.
Nossi : Tatsächlich (und TS kommentierte das auch schon), finde ich eine Abgrenzung, was „Underground“ ist, sehr schwierig. Ist dann doch irgendwie so ein Kunstbegriff, denn einen wirklichen Untergrund findet man in Zeiten von Selbstvermarktung und Selbstdarstellung nicht wirklich.
T.S. : Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. :-) Wie schon durchgeklungen, bin ich in Sachen Begrifflichkeiten voll auf Deiner Wellenlänge. Mein Anspruch war auch nie, für den Over- oder Underground zu schreiben, sondern eher die Brücke zu schlagen, die auch Du in deinem Kommentar ansprichst. Es schadet eben nicht, seine „etablierten“ Bands etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken, denn sonst dreht sich der Freundeskreis ganz schnell im Kreis. Jedenfalls inhaltlich. Das muss natürlich nicht schlecht sein, aber es macht es natürlich schwierig, offen für neues zu sein. Je verschworener die Gemeinschaft um eine Band oder Musikrichtung, desto Augenklappe. Oder?
Was letztendlich unter den Kopfkissen brasilianischer Buben liegt, weiß ich nicht. Doch es ist schön, dass ein ganzer Kontinent auf das „Oldschool“ so abfährt und uns mit solchen schwarzen Bonbons verwöhnt. Ich bin gespannt, wenn sie anfangen, sich die 90er unter das kuschelige Kissen zu legen.
Wenngleich wir hier und da geschmackliche Unterschiede haben, freut es mich, wenn wir bei den „wichtigen“ oder auch „schrecklichen“ Briefkasten-Funden der gleichen Meinung sind ;)
Auf die Knutz bin ich auch vor kurzem gestoßen und halte ihr aktuelles Album für gelungen
Und ja, auch ich habe die Anleihen an Bauhaus deutlich wahrgenommen. „Tower“ ist dort dann auch für mich DER Track gewesen, bei dem ich sofort „am Haken“ war. Und das passiert mir ins letzter Zeit nicht so häufig…
Whispering Sons sind mir ebenfalls nicht unbekannt. Der ausgewählte Song haut mich zwar jetzt nicht aus den Socken, was aber vielleicht daran liegt, dass mein Zimmer gerade sonnendurchflutet ist und die Musik nicht so recht wirken mag. Oder daran, dass ich irgendwie ein Alleinstellungsmerkmal vermisse. Vielleicht höre ich nachher nochmal rein und ändere dann nochmal meine Ansicht.
Superikone. Nunja. Pop, den du in jeder Standarddisse auflegen kannst. Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen kann, sowas an Spontis zu schicken und ernsthaft zu glauben, dass das hier wohlwollend aufgenommen wird?
Blac Kolor klingen immerhin mal nicht technoid und stumpf, so wie gefühlte 99% der aktuellen populären Elektro-Gruppen. Was an dem fehlenden Bummbumm liegt (gut so!)- und eventuell am spärlich vorhandenen Text. Mhm. Ansonsten vollkommen unspektakulär. Da schnappe ich mir lieber Skinny Puppy oder Mentallo & The Fixer….
Autopsie d’une oimbre: Durchaus nicht uninteressant, höre ich nachher noch ein zweites mal rein.
Marble Slave: *Gähn*… Kaffee bitte.
Vadot ist musikalisch durchaus hörbar. Wenn die Texte nicht wären. Und die Stimme des Sängers. Und das Video nicht. Das passt irgendwie alles nicht zusammen in meinem Kopf.
The Beauty Of Gemina: Habe ich nie den Draht zu gefunden. Aber der ausgewählte Song ist immerhin ganz nett anzuhören, kann man sich nebenbei mal geben.
Last but not least VNV Nation. Der Sound der Band hat mich bisher nie interessiert und wird es wohl vermutlich auch nie, auch wenn Mr. Harris mir durchaus symphatisch ist und ihr Gig auf dem Amphi 2015 aus meiner Sicht das Publikum mitriss. Ob man die aktuelle Veröffentlichung im Übrigen als Weiterentwicklung betrachten darf, halte ich für fragwürdig, ist halt „aktueller Sound“, gut durchproduziert und absolut tanzbar – Solider Elekotropop, welcher sicherlich Gefallen finden wird. Möge es den Hörern gegönnt sein.
Mir sind so neuere Wave Bands wie Whispering Sons zu austauschbar. Es ist so Musik, die bewirkt bei mir nichts. Die erzeugt für mich keine Emotion. Und ich denke, dass das an der institutionalisierten Gothic-Szene hier in Mitteleuropa liegt. Ich habe da bei sehr vielen Produktionen schlicht das Gefühl, dass da einfach nach Checkliste abgearbeitet wird. Das und das ist gerade angesagt? Check. Diese und jene Melodien bleiben bei den Leuten im Ohr? Check. Und so weiter. Was bleibt ist ein Konglomerat, der für mich bestenfalls immer nett klingt, aber nie authentisch. Whispering Sons sind da so ein Paradebeispiel für diese Entwicklung. Tut niemanden weh, geht ins Ohr.
Mir fehlt da aber ganz klar die Verspieltheit, das befreiende Gefühl.
Ich bin vor einiger Zeit beispielsweise auf den recht jungen kanadischen Musiker Dillon Ryan gestoßen: https://dillonryanmusic.bandcamp.com
Ein Musiker, erst mitte 20, aufgewachsen an der kanadischen Ostküste. In seiner Heimat gibt es schlicht keine Gothic-Szene. Weder institutionalisiert noch irgendwie undergroundig. Sondern nix dergleichen. Aber als Sohn einer britischen Einwanderfamilie wurde er in seiner Kindheit und Jugend eben mit der Rockmusik aus der Heimat der Familie sozialisiert: Beatles, David Bowie, The Cure, Echo & The Bunnymen und so weiter.
Und nun hört man sich seine Musik an und denkt sich: Ja, das ist es! DAS klingt wie früher! Genauso verspielt! Genauso frisch! Und warum? Bei ihm gibt es keine Gothic-Szene, welche immer dieses Korsett vorgibt, wie nun etwas zu klingen hat. Er ist in seiner Herangehensweise freier. Es gibt da eben keine Checkliste, die da besagt „Das und das muss rein“. Und seine Musik profitiert davon spürbar!
Ich denke, dass solche wirklich befreiende und verspielte Wave-Rock Musik hierzulande, wenn, dann nur von Musikern außerhalb der Szene kommen kann.
Wie bei Noxious Noise: https://www.youtube.com/watch?v=JYMotGUklgw
Oder Lizard Pool: https://www.youtube.com/watch?v=_xIZAmd1K9Q
Axel: Genau so empfinde ich es auch was die neueren „Wave & Postpunk“ Bands angeht..es gibt einige wenige neuere Bands in dieser Kategorie, die bei allen stilistischen Merkmalen Individualität durchscheinen lassen (das muss sich nicht widersprechen). Vieles klingt auch schon sehr stereotyp, effektheischend und aufs obercoole, true Wort „Post Punk“ fixiert.
Axel, Du weisst aber schon, daß das Etikett „Wave Rock“ nicht gerade das ultimative Qualitätsprädikat darstellt, und sogar bereits in den – ach so „frischen“, „authentischen“ und seligen – Achtzigern für manch furchtbares Formatradio-Machwerk Pate stand, das heute bisweilen so überaus verkultet angebetet wird. Von dem man sich als jenerzeit zeitgenössischer ach-so-nonkonformer „Undergroundler“ (haha!) aber bereits damals wohlweislich distanziert hat.
Und was ich persönlich heutzutage von „institutionalisiertem“ Goth-„Underground“ halte, dürfte so langsam hier auch durchgesickert sein, obwohl ich so „austauschbare“ neuere (Post-)Post-Punk/Coldwave/whatsoever-Bands a la Whispering Sons eigentlich ganz gut hörbar und sehr passabel finde.
Wie das sein kann? Weil es nämlich auf die Perspektive, bzw. Positionierung ankommt, weil es nämlich DIE („mitteleuropäisch“ oder wie auch immer tradierte) „Goth-Szene“ in der einheitlich erkennbaren Form gar nicht mehr gibt. Vielmehr dröselt sich das Ganze immer mehr auf, manchmal hat man den Eindruck, daß hier ganze Parallelwelten strikt getrennt nebeneinander her existieren (Abgrenzung rules! – anscheinend…). Wo ich jedoch allerdings Zielgruppen-„Checklisten“ verorte, sind dann auch schon ganz andere Kaliber von „institutionalisierten“ „Szene“-Erscheinungen, von denen Bands wie die Whispering Sons & Co. noch Lichtjahre entfernt sind – und sich immer noch wohltuend absetzen.
Aber ist es nicht so wie immer schon gewesen, kaum ist der „Geheimtipp“ (haha!) keiner mehr, und kriecht unter seinem Stein hervor in ein wenig (wenn auch nur schwaches) Ruhmeslicht, schon ist er vor Kritik (die auch durchaus von Fall zu Fall berechtigt sein mag) nicht mehr sicher.
Klar, diese „Neo“-Wave-Bands haben alle das Rad nicht neu erfunden, jedoch ist nach etlichen Jahren gefühlter musikalischer hanebüchenen Grenzwertigkeiten, die die „Goth“-Szene bevölkerten (und das auch immer noch tun, wohlgemerkt!), wenn nicht gar dominierten und der Lächerlichkeit preisgaben, hier wieder eine „Welle“ angerollt gekommen, die sich weitgehend unpeinlich präsentiert – so empfinde zumindest ich das (und ich weiß, dabei bin ich keineswegs allein!)
Tja, und dann ist es halt so: die einen entdecken Bauhaus, Joy Division, Siglo XX, The Cure, Red Lorry Yellow Lorry, Killing Joke, Siouxsie & Co. usw. usf. als inspirierendes Ruhekissen, auf das sie ihr Köpfchen legen (was zwar wenig innovativ ist – aber so ganz auch nicht verkehrt ist, nicht wahr?) – und die anderen lehnen sich bei ganz „verspielten“, „befreienden“ und „frischen“ Vorbildern a la Echo & The Bunnymen, The Church, The Chills, The Sound, Felt, The House Of Love, Robyn Hitchcock, The Jazz Butcher, The Monochrome Set, Sad Lovers & Giants, Red Guitars, One Thousand Violins, mal hier und mal da an (habe ich die einen oder anderen so hier und dort nicht in all Deinen Anspieltipps so wenigstens ein wenig durchscheinen hören, hmmm?).
Ach so, ich vergaß: DAS klingt wenigstens wie früher, als… – und kommt ja so ganz ohne „Szene“ aus. Immerhin auch was wert… (…und, überhaupt: what difference does it make…?)
@Robert: Das mit der „Augenklappe“ war ein wahres Wort zur rechten Zeit, bevor wir hier alle noch mit dem Tunnelblick uns nur mühsam in Richtung Tellerrand vormäandern… ;-)
(und von daher warten wir jetzt auch mal ganz tiefenentspannt darauf, was uns für Kopfkissenfunde aus den 90s so erwarten… – London After Midnight anyone? huhuhuuuuiiii…. ;-) )
Mir ist erst einmal ziemlich egal, wie innovativ eine Band ist. Ebenso ist mir egal, ob eine Band aus der Szene kommt oder mit selbiger rein gar nichts am Hut hat. Mich muss Musik auf irgendeine Art und Weise ansprechen. Sicherlich ergründe ich dann auch gerne mal die Ursachen. Aber Musik ist Leidenschaft und keine Wissenschaft. Zumindest für mich. Und so kommt es wohl, dass ich die Whispering Sons verdammt gut finde. Mit ihrem – aus meiner Sicht grandiosen – Auftritt beim WGT 2017 haben sie es in meine persönliche Top-Ten der besten Konzertbesuche der letzten 30 Jahre geschafft. Innovation hin oder her.
@The Drowning Man: Individualität! Nach dem Wort habe ich gesucht. Musik muss sich in meinen Ohren individuell anhören. Das heißt: Ich höre einen Song und merke: Da macht jemand Musik, die ihm ganz persönlich gefällt. Er oder Sie möchte vielleicht was aussagen und legt seine Seele ins Songwriting. Und da können dann vielleicht auch mal Ecken und Kanten dabei sein. Aber am Ende kommt es aufs Songwriting an. Und da habe ich das Gefühl, dass viele neuere Wave-Bands eher auf Effekte setzen. Sei es nun bestimmte Tonfolgen, die halt einen Song gefälliger erscheinen lassen. Oder sei es durch diese aufgesetzte Unnahrbarkeit. Nach dem Motto „Nur nicht zu viel Melodie“ – Sowas finde ich dann einfach ermüdend, weil es für mich gefühlt 80% der Bands dieser Welle seit Jahren so machen. Und da besonders Bands aus Mitteleuropa. Bei Bands aus Nordamerika oder Osteuropa wird (nach meiner Wahrnehmung) wenigstens noch mehr auf Melodieführung geachtet oder auf abwechslungsreiche Arrangements. Anfangs habe auch ich das noch interessant gefunden, wenn dann aber keine Entwicklung stattfindet, wird es -zumindest für mich- schnell zum One-Trick-Pony. Also ich höre dann sowas wie Whispering Sons und denke mir „Ach, das klingt doch 1:1 genauso was andere Bands in den letzten Jahren gemacht haben“ und dann macht sich bei mir so eine Ermüdungserscheinung bemerkbar.
Aber das ist sicherlich auch so eine indivduelle Wahrnehmung, die echt nur für mich so gilt und natürlich keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat. Jemand für den Whispering Sons vielleicht die dritte, vierte oder auch fünfte Band der neueren Welle darstellt, für den macht sich diese Ermüdungserscheinung sicherlich nicht bemerkbar.
@ T.S.
„Du weisst aber schon, daß das Etikett „Wave Rock“ nicht gerade das ultimative Qualitätsprädikat darstellt, und sogar bereits in den – ach so „frischen“, „authentischen“ und seligen – Achtzigern für manch furchtbares Formatradio-Machwerk Pate stand, das heute bisweilen so überaus verkultet angebetet wird.“
Dann sagen wir einfach mal „Gitarren-Wave“ oder von mir aus den ausgelutschten Begriff „Post-Punk“. Ich sage „Wave-Rock“ ganz gerne, weil ich gerne Begriffe verwende, die Musik gut beschreiben. In diesem Fall: Wave als übergeordnetes Genre. Und Rock als Beschreibung dafür, dass mit klassischen Rock-Instrumenten gearbeitet wird. Das grenzt es ganz gut ein, weil es ja auch elektronischen Wave gibt. Und der Begriff „Post Punk“ ist genauso nichtssagend wie „Gothic“. Macht sich also als Kategorisierung nicht so gut, weil unter solchen Kunstbegriffen jeder irgendwas anderes versteht und man redet schnell aneinander vorbei.
„Wie das sein kann? Weil es nämlich auf die Perspektive, bzw. Positionierung ankommt, weil es nämlich DIE („mitteleuropäisch“ oder wie auch immer tradierte) „Goth-Szene“ in der einheitlich erkennbaren Form gar nicht mehr gibt.“
Na, sehe ich durchaus anders. Also es gibt ja durchaus kulturelle Unterschiede in der Musik. Auch wenn es immer Ausreißer gibt, aber so ganz grob von dem wie ich Musik in den letzten Jahren wahrnehme:
Nordamerikanische Musik ist häufig impulsiver, gerne auch experimenteller. Da gibt es dann Überschneidungen zur Musik aus Südeuropa, die häufig ganz ähnliche Züge aufweist. Skandinavische Musik ist im Mittel eher melancholischer. Und osteuropäische Musik vor allem eines: extrem perfektionistisch. Während ich bei mitteleuropäischer Musik eher das Attribut „verkopft“ anheften möchte.
Und wenn wir ganz spezifisch in die „Szene-Musik“ reingehen, dann gibt es aber besonders hierzulande etliche ungeschriebene „Regeln“, an die sich Musiker halten sollten. Beispielsweise Crossover mit anderen Genres wird hier nach wie vor nicht gerne gesehen. Und alles muss in der Darstellung so unendlich ernst und „true“ sein.
„Aber ist es nicht so wie immer schon gewesen, kaum ist der „Geheimtipp“ (haha!) keiner mehr, und kriecht unter seinem Stein hervor in ein wenig (wenn auch nur schwaches) Ruhmeslicht, schon ist er vor Kritik (die auch durchaus von Fall zu Fall berechtigt sein mag) nicht mehr sicher.“
Ach, das ist garnicht meine Intention. Echt nicht! Dafür finde ich viel zu viele Musiker gut, die um ein vielfaches bekannter und erfolgreicher sind als Whispering Sons. Ganz aktuell beispielsweise Then Comes Silence aus Schweden. Da gefällt mir das Songwriting richtig gut, die Arrangements sind abwechslungsreich. Die haben in der Stimmung sehr unterschiedliche Songs. Und handwerklich fantastisch produziert, ohne das es ZU glattgebügelt erscheint. Da gefällt mir einfach das komplette Gesamtpaket richtig gut.
„Klar, diese „Neo“-Wave-Bands haben alle das Rad nicht neu erfunden, jedoch ist nach etlichen Jahren gefühlter musikalischer hanebüchenen Grenzwertigkeiten, die die „Goth“-Szene bevölkerten (und das auch immer noch tun, wohlgemerkt!), wenn nicht gar dominierten und der Lächerlichkeit preisgaben, hier wieder eine „Welle“ angerollt gekommen, die sich weitgehend unpeinlich präsentiert – so empfinde zumindest ich das (und ich weiß, dabei bin ich keineswegs allein!)“
Die hanebüchenen Grenzwertigkeiten kann und konnte man aber auch immer perfekt ignorieren. Ich würde daher nicht unbedingt von „dominieren“ sprechen. Aber auch hier: Ist nur meine Empfindung. Man muss halt nicht über jedes Stöckchen springen, das einen hingehalten wird.
Fakt ist aber auch, dass viele hiesige Szenegänger immer noch nen ziemlichen Tunnelblick haben. Also wo halt wirklich nur diese eine einzige Spielart akzeptiert wird. Und wehe ein Musiker macht mal was anderes. Siehe die bereits ungeschriebenen „Szene-Regeln“. Sicher, das mag in den letzten Jahren aufgebrochen sein. Aber es gibt auch einen Grund, warum beispielsweise auf Parties meistens immer noch dieselben Songs wie vor 20 oder 30 Jahren gespielt werden.
So Genres wie Gothic-Americana, Synthwave, Folk Noir, Dark Folk, Neoklassik usw. finden nach meiner Wahrnehmung in der deutschen Szene kaum bis garnicht statt.
Ich finde es auch befremdlich wenn ich 2018 einen WGT Bericht über die GROSSE Rückkehr des Postpunk lese.
https://www.mdr.de/kultur/wgt/was-ist-postpunk-wgt-100.html
Da steht dann in teilweise etwas seltsam übertrieben klingenden Ausführungen was denn Post Punk alles ist, woher er kommt usw.
Und das im Jahr 2018, da hatten wir schon in den 2000ern das sogenannte „Post Punk Revival“ (absolut grauenvolles Wort, man denkt irgendwie an „Abba Revival“ oder sowas), nur fand das weniger in der sogenannten Szene, sondern ausserhalb statt (mit Bands wie Interpol, den ersten Alben der Editors, The Departure u.a.). Mittlerweile entsteht bei mir die Wahrnehmung, als würde man jetzt sich im Szene-Modus auf diesen Begriff stürzen..alleine nur um krampfhaft an einer schon längst sinnentleerten „Szene“-Identität festzuhalten (im kollektiven Sinne), um noch sich noch das letzte Fünkchen Authenzität oder Trueness zu verpassen. Und manche neueren Bands klingen für mich dann irgendwie auch so als müssten sie auf Biegen und Brechen in diese Kategorie passen, was dann eben die Individualität vermissen lässt.
Dazu gesellen sich dann auch so WGT-Videos, wo bspw. gefragt wird „What is your favourite Subculture?“…also was der Lieblings-Style ist. So entsteht im Gesamten die Wahrnehmung als wenn diese Szene nur noch ein Style-Identitäten-Karussel ist wo eben Kategorie-konforme Musik gehört wird.
@The Drowning Man:
Oh ja! Post-Punk der 2000er! Das war damals toll. Da muss ich natürlich als alter Fan natürlich auch noch The Organ verlinken: https://www.youtube.com/watch?v=af_1w33KgB8
Auch damals so eine klassische Band, die vor allem außerhalb der Szene stattfand (Organ, Interpol, Editors, etc. haben damals nicht im Orkus, Zillo oder in Szene-Foren oder so stattgefunden. Überhaupt nicht!).
Damals wie heute übrigens. Debbie Cohen, die damalige Songwriterin der Band, hatte nie irgendwas mit „Gothic“ oder dergleichen am Hut. Es war damals einfach ne Band aus damals guten Freundinnen aus der kanadischen Indie-Szene, die schlicht das gemacht haben, was ihnen gefallen hat. Die dann auch vom Erfolg völlig überrollt wurden, aber das ist ne andere Geschichte. Jedenfalls: Wenn Du Dir heute ihre Musik anhörst (Beispiel), dann hörst Du immer noch Elemente des alten Organ-Sounds. Aber eben weiterentwickelt, in diesem Fall mit Synthwave was fantastisch funktioniert. Sowas finde ich toll, wenn man verschiedenste Genres miteinander einfach mal vermischt und dann schaut was bei rauskommt. Das ist spannend, das bringt für mich Kunst voran.
Und ich muss Dir recht geben. Der MDR Artikel ist wirklich süß. Weil er eben 15 Jahre zu spät kommt. Und weil „Post-Punk“ seitdem eben nicht verschwand. Auch und vor allem aus dem Indie-Rock nicht. Nehmen wir mal diese Welle an Shoegaze-Bands seit den 2000ern. Auch dort hört man sehr häufig überdeutlich Post-Punk Anleihen. Deswegen empfinde ich das auch irgendwie befremdlich, wenn das jetzt so überdeutlich im Szene-Modus umarmt wird. Weil das klar erkennbar einfach nur eine Vermarktungsmasche ist. Nicht unbedingt bei den meisten Bands. Aber in dieser Agressivität wie jetzt Medien drauf anspringen. Das wirkt auf mich alles sehr künstlich.
Axel Auch auf die Gefahr hin, dir auf den Schlips zu treten: Ich kann an deinem verlinkten Song von Dillon Ryan nichts Frisches oder Befreiendes entdecken, wenn ich es aus der Perspektive deiner Kritik an den Whispering Sons betrachte. Ich habe den Song nun mehrfach gehört, aber bei mir bleibt da rein gar nichts hängen, ich habe nur immer wieder das Gefühl, irgendwas aus den späten 80ern zu hören, bei dem ein Menge von den Smiths (die auf der FB-Seite der Band übrigens als erster Einfluss genannt werden), aber auch von Leuten wie Bryan Adams (zufällig auch Kanadier) abgeschaut wurde. Es mag verspielt sein, aber kommt bei mir gleichzeitig recht beliebig an: da ist nichts, was meine Aufmerksamkeit fesselt. Die von dir als Einflüsse zitierten Künstler waren weniger „glatt“. Mag sein, dass Whispering Sons und Co bei dir nicht einrasten, und im Moment gibt es sicher auch eine Menge ähnlich klingender Bands, aber ich habe bei Dillon Ryan, oder zumindest bei diesem Song, auch nicht das Gefühl, dass die Band jetzt besonders innovativ ist. Mag sein, dass sie sich aus dem Post Punk-Korsett „befreit“ haben, aus meiner Sicht sind sie mit diesem Song aber im 80ies-Pop-Rock-Korsett gelandet. Ich ziehe hier definitiv die Whispering Sons vor.
Jo, der verlinkte Song..also Dyllon Ryan ist jetzt definitiv kein Post-Punk/Gothic, nicht mal ansatzweise..muss ja auch nicht. Finde ich eigentlich nicht sooo schlecht, aber auch nicht übertrieben gut, in manchen Passagen n bisschen aufgesetzt..in anderen Passagen wieder ok. Erinnert teilweise sehr stark an den „introvertierten“ Pop-Rock von Lloyd Cole aus den 80ern und driftet dann wieder ins WDR 4 Radioformat ab.
Victor von Void : Musik ist und bleibt, so meine Überzeugung, ein subjektives Erleben. Was dem einen gefällt, gefällt dem anderen wiederum nicht. Das ist von unendlichen vielen Faktoren abhängig. Auch eine Vergleichbarkeit, wie ich sie auch gerne anstellen: „Der klingt wie Dings…“ hinkt, weil wir alle unterschiedlich Wahrnehmen und Empfinden. Interessant finde ich es allerdings immer dann, wenn eben das übereinstimmt :-)
The Drowning Man : Wie findest du das bei der musikalischen Einordnung? Gibt es da Deiner Ansicht nach festgelegte Schablonen, durch die ein Song passen muss, damit er für Dich im Genre X zugeordnet werden kann? Ist Post-Punk überhaupt ein klanglich oder stimmungstechnich einzuordnendes Genre oder wieder nun ein Oberbegriff für viele kleinere Musikrichtungen. Nehmen wir Gothic-Rock, denn der macht es einem leicht. Muss eben mit Gitarre sein. Oder?
@Robert Da gebe ich dir absolut recht, und das wollte ich auch gar nicht in Abrede stellen.
Ich hatte mich daher auch explizit auf Axels Kritik an den Whispering Sons bezogen, in der bemängelte, dass seiner Meinung nach die Sons sich zu sehr an die Genre-Konventionen halten und zu wenig innovativ sind, während Dillon Ryan (mit seiner Band) das nicht täte, weil er wenig Kontakt zur Szene gehabt hätte und daher ja viel freier und innovativer wäre. Mein Punkt war, dass er sich bei dem Song zwar tatsächlich nicht an Post Punk/Dark Wave-Konventionen hält, seine (genrefremden) Einflüsse aber so stark in den verlinkten Song durchschlagen, dass aus meiner Sicht die von Axel beschworene Befreiung keine ist, sondern nur die Übernahme der Konventionen eines anderen Genres. Quasi der Sprung aus einer Pfütze in eine andere.