Seit der letzten Veröffentlichung hat sich wieder einiges an musikalischen Vorschlägen im Spontis-Briefkasten eingefunden und wurde natürlich gesichtet, respektive angehört. Mit dabei sind Newcomer, aber auch nicht mehr ganz so unbekannte Gesichter. Doch hört einfach mal rein und nehmt vielleicht das ein oder andere Stück mit auf Eure musikalischen Ausflüge in die Dunkelheit.
Sowas von egal – Sampler von BureauB
Das seit Mitte der 2000er aktive Hamburger Label BureauB, welches Werke namhafter Künstler wie Palais Schaumburg, Camouflage, Der Plan, Pyrolator, Fehlfarben, Karl Bartos oder Andreas Dorau (wieder-)veröffentlichte, hat Ende letzten Jahres eine Compilation auf Bandcamp veröffentlicht, die es in sich hat. Dort wird die Zeit mal eben über 35 Jahre zurückgedreht und der Hörer mitten in die deutsche New Wave anfang der 80er katapultiert.
(Post-)Punkige Klampfe und kantige Synthesizer bestimmen das Klangbild, erschaffen ein Wechselspiel aus minimaler Kälte, irritierendem Bliepbloppen und sanfter Wärme, bei dem auf der einen Seite Tracks wie „Die Russen kommen“ von Berlin Express, New Dimension mit „Stuttgart Schwarz“ oder Träneninvasion mit „Sentimental“ stehen. Auf der anderen Seite dann die Fast vergleichsweise „poppigen“ Klänge von bspw. Silberstreif („Bei dir brennt noch Licht„) oder Nullzeit („Dein ganzes Leben“), wobei, wenn man dann auf den Text achtet ist’s mit dem Pop dahin… So manche Postpunk/Wave-Perle, die man so leider nur seltenst zu hören bekommt, wurde hier auf die digitalen Scheiben gestanzt.
Ich rate jedem 80s-Wave-Interessierten, hier unbedingt mal reinzuhören!
[bandcamp width=100% height=120 album=2044751966 size=large bgcol=ffffff linkcol=0687f5 tracklist=false artwork=small]Wolfsuit – Dressed for Danger and Delight
Wolfsuit, ein frisches Dark-Wave-Duo aus dem beschaulichen Kiel (kleiner Exkurs: Da, wo die minimalen No More herkommen, oder die Band Abscess, wenn wir schon elektronisch unterwegs sind) hat im Sommer vergangenen Jahres ihre eigene, digitale EP auf Bandcamp veröffentlicht.
Auf der „Dressed For Danger And Delight“ wird dem Hörer ein typisches, verwobenes Spiel aus Wave-Gitarre und Synthie geboten, minimal, mit relativ sonorem Gesang, der mich an gewisse Bands aus dem frankophonen Raum erinnern. Die ersten beiden der sechs Tracks gehen zumindest mir ins eine Ohr hinein und auf dem anderen wieder hinaus, zur Mitte hin wird es mit „Someone Elses Shell“ jedoch eingängiger und mit „Behördenzentrum“ sind Wolfsuit dann beim Hörer angekommen. Der letzte Track geht allerdings dann etwas unter – ob zu Recht oder Unrecht, mögt ihr entscheiden.
The HU – Wolf Totem
Folk ist aktuell In. Sei es als modisches Element oder musikalisches – Der kulturelle Einfluss unterschiedlichster Ethnien ist derzeit nicht zu übersehen. Speziell dann nicht, wenn man seinen Blick nach Osten wendet und ein wenig seine Ohren spitzt. Mag 2012 in Ulan Bator mit ein klein wenig Verzögerung 90er-Techno angekommen sein, hat man selbst dort seinerzeit ganz klar Folklore mit in die Suppe getan (eine sehr spezielle Mischung).
Tradition ist in der Mongolei noch immer nahezu omnipräsent, so wundert es auch nicht, dass nicht nur in den Kreisen der hiesigen Mittelaltermärkte und Folk-Szene der raue Kehlkopfgesang und dazugehörige, traditionelle Instrumentalisierung seinen Eindruck bei seinen Zuhörern hinterlässt, sondern nun auch im Zuge weltweiter Vernetzung aus dem fernen Osten hier zu uns gelangt.
The HU sind dabei nur eine von mehreren Projekten, die durch mein Umfeld in letzter Zeit auf meinen Radar gelangt sind. Es scheint mir fast, als würde da ein wenig gepusht werden und „soziale Medien“ ala Fb & Konsorten eignen sich ja hervorragend, was bei mir immer ein wenig Geschmäckle hinterlässt… doch meckern will und kann ich bei solcher mit Herzblut gemachten Musik einfach nicht. Denn es klingt, abgesehen von einer professionellen Produktion, verdammt gut und einfach nur stimmig. Wer auf mongolisch-tuwinisch-altaiische Klangwelten steht, bzw. einfach mal ein offenes Ohr riskieren mag, macht hier absolut nichts verkehrt.
Ps: Das Projekt lässt sich übrigens auch auf Bandcamp finden.
Hante – Fierce
Das Synthie-Projekt Hante um Hélène de Thoury ist mittlerweile eines der bekanntesten aktuellen Wave-Projekte aus unserem Nachbarland Frankreich, bei welchem Emotion groß geschrieben wird. Der Titel „Noire“ vom ersten Album 2016 war und ist in so mancher Schwarzen Disko zu hören… und nun erblickt das dritte Album das Licht der Welt und man fragt sich: Schafft es davon auch etwas in die Tanztempel oder zumindest auf den CD- oder Plattenteller?
Ja, zumindest auf meinen. Denn auch dieses Mal bleibt Madame de Thoury auf hohem Niveau und baut mit ihren sphärischen Synthies und ihren Gastmusikern Solveig Mathildur, Marble Slave, Box von Düe, Aetervader und Fragrance eine melancholische Stimmung auf, wie es bei mir nur wenige Künstler können. Mal vergleichsweise antreibend, wie bei „Wild Animal„, mal ruhiger wie bei „Nobody’s Watching (feat. Marble Slave & Flagrance“.
[bandcamp video=3911745236 width=560 height=435 bgcol=333333 linkcol=e32c14]Die Selektion – Deine Stimme ist der Ursprung jeglicher Gewalt
Das Label Aufnahme & Wiedergabe hat mit den umtriebingen Esslinger Lokalmatadoren eine ganz eigene Formation im Repertoire. Von Wave und EBM inspiriert, doch im Heute verankert, ist die Selektion eine der wenigen Bands, die es schaffen eine Melange aus Gefühl, Wärme, Raum, Wucht und Härte zu entwickeln. War der Vorgänger von 2011 deutlich von der effektverzierten Trompete geprägt, tritt diese bei der aktuellen Veröffentlichung zugunsten pumpender Beats zurück, wobei Die Selektion gewohnt tanzbar bleibt.
Der Opener „Schatten“ wurde vor kurzem auf einem Gig auch live als erstes Stück gespielt und hat einen perfekten Auftakt gegeben für das, was dann folgte: Ein gelungenes Album, welches ganz nach „Die Selektion“ klingt. Anspieltips:
„Der Himmel explodiert (feat. Drangsal)“ & „Dein Herz wiegt tausend Scherben“
[bandcamp width=100% height=120 album=2926266400 size=large bgcol=333333 linkcol=e32c14 tracklist=false artwork=small]Raskolnikov – Hochmut kommt vor dem Fall
Post-Punk-inspirierter Gitarrenwave ist momentan en vogue. Es gibt so unsagbar viele gute Bands, dass man als Interessierter nur ansatzweise mit dem Hören hinterherkommt… Damit fallen zwangsläufig unzählige Bands und Werke durch das Raster der eigenen Wahrnehmung, die dies definitiv nicht verdient haben. Die drei Herren von Raskolnikov, welche sich offenbar von Dostjewkis Klassiker „Schuld und Sühne“ inspiriert fühl(t)en, als sie sich 2015 in Genf gründeten, zeigen dem Höhrer in ihrem bereits 2018 bei Manic Depression Records veröffentlichten ersten Album ein durch Joy Division beeinflusstes Klangbild. Doch belassen sie es nicht dabei (da geht einem die Frage durch den Kopf, was der Ian noch vollbracht hätte?…) und erweitern dieses Grundmuster um eigene Nuancen. Gut so!
Wer die Jungs live sehen mag, sollte sich am Besten mal auf deren Homepage umschauen. Dort gibt es auch noch ein paar Infos mehr.
Anspieltips: „Hunde sind an der Leine zu führen“ , „It’s going to be fine after all“ (erinnert an „where is my mind“ von den Pixies) & „3:00“
Masquerade – Where Nobody Can Hear You Scream
Die Vorzeige-Finnen mit ihrer markanten Sängerin („Suzi Sabotage“) haben im November mit „Where Nobody Can Hear You Scream“ ihr zweites Album veröffentlicht. Zu hören gibt es dort qualitativ anstandslosen, „klassischen“ Deathrock/Goth-Punk was das Gitarren-, Schlagzeug-und Bassspiel betrifft, sowie eine Sängerin, welche offenbar ihrer Ikone nacheifert.
Jedoch manchmal etwas neben der Spur singt. Nicht, dass Dissonanzen grundsätzlich stören würden (die gehören im Goth-Punk – vulgo Deathrock – dazu), aber irgendwie haben zumindest mir manche davon etwas Hörgenuss genommen. Wenn man ansonsten daüber hinwegsehen kann, meine ich, das Album jedem Liebhaber dieser Musikrichtung weiterzuempfehlen, es gibt ja aktuell leider nicht gerade viel davon… Anspieltip: „Zeitgeist„, „Tainted Tonque„