Immer wenn man glaubt, man hat alles gehört und alles gesehen und ist gerade dabei sich auf seiner Mischung aus Weisheit und Altersstarrsinn auszuruhen, kommt ein neuer Song um die Ecke geschlichen und haut dich aus den Pikes. Die britisch-französische Band O.Children hat mit ihrem Debüt Dead Disco Dance schon kleine Wellen schlugen und mit zahlreichen Auftritten ihrer Wahlheimat London schon dafür sorgten das eben diese Debüt ausverkauft ist, sind wieder da – diesmal mit ihrem neuen Gänsehaut-Titel Ruins.
Der optische Eindruck entspricht so gar nicht den Vorstellungen gängiger Klischees wenn man im Zuge von Post-Punk und New Wave von einer Band spricht, die viele an Joy Division oder die Sisters of Mercy erinnert. Sänger Tobias O’Kandi der mit seiner tiefen Stimme schon am ehesten Ian Curtis entspricht, sieht sich aber lieber in den Fußstapfen von Bauhaus: „I have a very deep voice, and with my deep voice I thought I could have more range by using it in that way. We never said, we want to sound like joy division; we want to sound like Bauhaus or anything.“ 1 Aber anstatt in den tiefen Spuren zu versinken, geht man nebenher, wenn auch in die gleiche Richtung.
Der Bandname O.Children, der von einem Song der Bad Seeds inspiriert wurde und die Musik, deren Sound zwischen den Sister und Bauhaus schwankt inspirierte die englische Presse bereits zur Schaffung eines neuen Genre, dem New Grave, dem Tobias aber so gar nicht gerecht werden möchte. „Its cool they’re getting a second wave, what with films and movies going out, and everyone is calling us new grave, but that’s not we decided to be it just turned into the sound we have which is definitely influenced by the post punk bands, gothic as well but were not trying to be like them, we’re just trying to be a good pop band with darker elements.“ 2
Nachdem sich Andi Sleath (Schlagzeuger) und bereits Eingangs erwähnter Tobias O’Kandi in der New Rave Formation Bono must Die versuchten, gründeten sie zusammen Gauthier Ajarrista (Gitarre) und Harry James (Bass) im Juni 2009 die O.Children um nach einigen Auftritten im September ihr auf 300 Stück limitiertes Debüt Dead Disco Dancer zu veröffentlichen. Für ihren neuesten Streich, den Song Ruins suchte man sich ein Abbruchreifes Gebäude, das Andi Sleath auf dem Blog des Labels Deadly Pepole beschreibt: „Generators broke, I inhaled asbestos. Three different hi fi’s refused to play our song. And afterwards I took these pictures on my own…my band laughed at me for it but no one was brave enough to venture where I went.“ Und tatsächlich verströmt das Video genau das, was der Song erwarten lässt. Die Mischung aus Geheimnisvollen und Vergangenem gepaart mit eine äußerst brillanten Stück schmeckt mir besonders gut.
Jetzt aber genug geredet, Video abspielen, Gänsehaut bekommen und Kommentieren.
Huiui, na das gefällt doch!
Genau meine Kragenweite, aber das ist ja schon normal, wenn ich einem Musiktipp von Robert nachgehe :)
Ich frage mich allerdings gerade irgendwie, warum es im Wave- und Post-Punk-Umfeld so wenige Leute mit afrikanischen Wurzeln gibt. Fällt mir hier erst so richtig auf…
Auf jeden Fall ein hübscher Sound.
Gefällt mir immer mehr, je öfter ich es hör‘. :)
Ich glaub, ich entwickel mich hier zum Blogmitleser. ;D
Karnstein: Die Frage habe ich mir auch gestellt. Rein subjektiv liegen die Prioritäten der dunkelhäutigen Bevölkerung deutlich im R’n’B, Rap, Hip Hop oder auch im Jazz, Soul und Funk. Vielleicht weil das schon immer so gewesen ist, man erinnere sich an die ersten musikalischen Größen der USA im Bereich des Soul. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, das die Skinhead-Kultur die letzte wirkliche Mischkultur gewesen ist, bevor man sich dort radikalisierte oder im Punk aufging. Vielleicht liegt auch der Abgrenzungsgedanke nahe, denn weiße Kids müssen sich in weißen Ländern von ihresgleichen Abgrenzen, schwarze Kids werden und wurden oftmals pauschal ausgegrenzt.
@TheRisen: Das freut mich natürlich sehr, zum einen sind mir Menschen mit gleichen musikalischen Vorlieben sowieso sympathisch und zum zweiten freut es mich, wenn auch einer liest was ich so verzapfe :)
Vielen Dank für diesen Tipp. Ich bin noch nicht ganz überzeugt, weil ich so subtil den Eindruck habe, dass der Sänger seine Stimme so tief setzt, dass es gewollt klingt. Das mag ich nicht so. Könnte aber an der Ablenkung durch das Video liegen. Ich denke, ich werde es mir mal über Kopfhörer richtig anhören. Die Musik ist jedenfalls klasse.
Orphi: Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich die Band entwickelt und wie authentisch der Sänger wirklich ist. Wenn es sich bei der Art des Gesangs um eine Seifenblase handelt, kann diese nicht lange halten. Bin gespannt was das Album hergibt.
Anlässlich der Diskussion über die „wahre Szene“, alte und neue Strömungen und Verkleidungen oder Nicht-Verkleidungen zu später Stunde noch zwei Tintentklecks-Vorschläge. Einfach, um an die Anfänge der Szene zu erinnern. Es gibt ja vielleicht jüngere Leser, die diese Bands nicht kennen oder nicht wissen, dass das die Urväter der New Wave Bewegung waren. Logischerweise können sie dann auch nicht nachvollziehen, was die Älteren eigentlich immer zu Meckern haben. Ich fänd entsprechende Portaits deswegen ganz nett.
Public Image Limited (Übrigens die erste Single, die ich mir in meinem damals noch jungen Leben überhaupt gekauft habe)
Talking Heads
So und nun halte ich mich mit Kommentaren erstmal zurück, sonst hol ich noch Vizioon ein. :-)
Orphi: Gute Vorschläge, ich werde mir eine entsprechende Tintenklecks-Umsetzung überlegen, denn als Porträt im klassischen Sinne war das eigentlich nie angedacht, es überschneidet sich aber mit einer Idee, die ich schon länger hege und harmoniert deshalb in einem völlig neuen und spannenden Kontext.