Pink Turns Blue: Sänger Mic über die Vergangenheit und eine düstere Zukunft

Sie sind wieder da, irgendwie waren sie auch nie weg, und eigentlich immer präsent. Keine Grufti-Fete, kein schwarzer Club-Abend ohne die Songs von Pink Turns Blue. „Walking On Both Sides“, „Your Master Is Calling“ oder auch „Michelle“ gehören immer schon zum Szene-Repertoire. Eine Band, die irgendwie jeder hört, der Gitarren-Wave/Post-Punk mag. Es ist fast das gleiche Phänomen wie bei The Chameleons oder The Cure die nicht umsonst als Einfluss auf die Pink-Blaue Truppe gelten.

1985 in Köln von Thomas Elbern (später Escape With Romeo) und Mic Jogwer gegründet, sind sie dann 1991 nach London übergesiedelt, haben sich im Musikdschungel verloren, 1995 aufgelöst um dann 2003 ein riesiges Comeback zu feiern. Von 2018 bis 2020 ging es dann auf Tour rund um die Welt was ihre Fanbase in vielen Ländern noch stärkte.

Pink Turns Blue
Pink Turns Blue 1989

Pink Turns Blue haben schon Post-Punk gemacht, da wusste man gar nicht so recht, was das sein sollte. Damals nannte man den Sound Gitarren-Wave. Was damals und heute bei Pink Turns Blue immer noch heraussticht, ist dieser charakteristische Sound und die Stimme des Sängers Mic Jogwer mit ihrem hohen Wiedererkennungswert.

Dass sie trotz ihrer langjährigen Bandgeschichte immer noch über Relevanz verfügen, wurde auch deutlich, als Filmemacher Matthew Berkowitz den Song „Something Deep Inside“ für seinen Thriller „The Madness Inside Me“ verwendete.

Für August ist ein neues Album geplant, die erste Singleauskopplung, die am 2. April erschienen ist, gibt einen äußerst gelungenen Einblick in das, was uns erwartet. Da ich die Musik dieser überragenden Band immer gerne gehört habe, war ich sehr erfreut darüber als die Nachricht kam, dass ich ein Interview mit Mic Jogwer führen darf. Hier nun das Ergebnis:

Spontis: In Köln gegründet, nach London übergesiedelt und nun in Berlin sesshaft. Seid ihr zu ruhelos oder waren euch die Kölner einfach zu fröhlich für eure Musik?

Mic Jogwer: Da gab es noch ein paar Stationen mehr. Der Beginn in Köln war meinem Jazz-Studium an der Musikhochschule geschuldet. Dort lernte ich dann Tom (Thomas Elbern) kennen, der seine NDW Band „Seltsame Zustände“ gerade aufgelöst hatte und englischsprachigen Wave machen wollte. Er hatte ein paar Songs, ich auch und wir nahmen mit Marcus (Giltjes) – der auch in Köln Kunst studierte – in der Nähe von Köln unsere ersten Demos auf. Als Tom dann seinen WDR-Job bekam und Pink Turns Blue immer noch nach einem Label suchte, schmiss er hin und wir wechselten unsere Instrumente. Ruebi von Keyboards auf Keyboards und Bass und ich von Bass auf Gitarre. Dann nahmen wir ein paar neue Songs auf und einer von denen wurde zum „Hit“. Dann ging es los.

Durch eine Freundschaft zu Laibach kamen wir nach Ljubljana und vor allem Ruebi und ich verbrachten unser Leben entweder dort oder on the road. 1989 ging es dann für Ruebi und mich nach London, wo wir Louis (Pavlou) als Drummer fanden. 1994 ging es dann nach Berlin, wieder zurück nach London, dann wieder Berlin, Hamburg. Seit 2001 Berlin. Hier haben wir jetzt ein Studio. Zu der Kölner Szene habe ich leider komplett den Kontakt verloren, kann also nicht einschätzen, was da besser oder schlechter ist. In Berlin gibt es auch viele internationale Kollegen, weil Berlin ganz cool und relativ billig ist. Das finde ich schon gut, da wir ja auch einen eher internationalen Sound machen.

Spontis: Lass uns über die Zeit in London sprechen. Zufällig war ich Anfang der 90er auch viel in der Hauptstadt Englands und es kam mir so vor, als wenn New Wave/Post-Punk und sonstige düstere Spielarten der Musik ziemlich am Boden lagen. Wie habt ihr das empfunden?

Pink Turns Blue in London / 1993 (Foto: PTB)

Mic Jogwer: Ja und das war auch ein Grund für uns neuere Wege zu gehen. Deutschland war damals eher Stillstand oder rückwärtsgewandt. Wir hatten aus unserer Sicht den 80er Pfad Anfang 1990 definitiv ausgelatscht. Rave, Grunge und Techno hatten da schon mehr zu bieten. Unsere Fans haben uns dafür gehasst und außerdem waren wir als Indie-Act auch nicht wirklich gut genug. Irgendwann haben wir dann schlappgemacht und uns aufgelöst. Jetzt versuchen wir uns einerseits treu zu bleiben (Post-Punk) und gleichzeitig frische Themen und Klänge zu entdecken.

Spontis: Eure neue Singleauskopplung, die schon mal viel Vorfreude auf ein neues Album weckt, trägt den Titel „There must be so much more“ Was oder wovon müsste es noch mehr geben?

Mic Jogwer: Wir waren ja viel unterwegs bis Anfang 2020. Und irgendwie war allen klar, die Menschheit ist an einem Punkt angekommen, wo der selbstgefällige, sinnlose Raubbau ohne jede Vorausschau oder Nachhaltigkeit nur noch nach hinten losgeht. Nach uns die Sintflut und die Sintflut ist ja schon längst da.

Das reicht nicht. Wir müssen viel besser werden. Parallel gibt es immer die persönliche und die Beziehungsebene in unseren Songs. Auf dieser Ebene geht es darum, die Liebe / die Beziehung nicht verkümmern zu lassen, sondern aktiv zu hegen und zu pflegen. Den Wert der Liebe hochzuhalten, den Wert des Lebens, den Wert der Rücksicht.

Mic (Photo: PTB)

Spontis: Wann kann man mit einem neuen Album rechnen?

Mic Jogwer: Geplant ist es für August. Ist schon fertig aber abhängig von der Live-Situation. Am liebsten würden wir ca. 6 Wochen nach Veröffentlichung eine Clubtour zumindest in Deutschland machen. Manchmal bin ich zuversichtlich, manchmal wieder nicht.

Spontis: Ihr seid nun wieder als klassische Dreiercombo unterwegs. Gitarre, Bass, Drums.
Ist das besser als der Drumcomputer im Hintergrund?

Mic Jogwer: Live hatten wir immer einen Drummer und im Studio war es eine Frage des Albumkonzeptes. Brigid (Keys) und Reini (Bass) sind zwischendurch ausgestiegen, weil wir in den letzten Jahren schon viel unterwegs waren. Für uns drei ist das kein Problem. Sind wir eben am Wochenende in Kolumbien oder Moskau. Auf der Bühne machen live gespielte Instrumente einfach mehr Sinn. Es geht ja auch darum die Musiker zu fühlen. 17 Stunden Flug um dann zum Playback zu tanzen fände ich extrem unbefriedigend.

Spontis: Welche Einflüsse bestimmen heutzutage eure Musik? Hört ihr auch die Sachen von den zahlreichen neuen Post-Punk, Gitarren-Wave Bands?

Mic Jogwer: Bei mir ist das recht breit. Ich habe vor allem Freude an jungen Bands die einen eigenen neuen Klang erschaffen. Lebanon Hanover, The Soft Moon oder Drab Majesty. Aber auch Mainstream-Indie-Acts wie Interpol, The XX, Editors und Placebo machen mir immer noch Freude. Wir lernen unterwegs die eine oder andere junge Band kennen und ich finde, das Niveau hat sich die letzten zehn Jahren echt gesteigert.

Weniger Pink, mehr Blue. PTB live beim New Waves Day 2019 in Oberhausen (Photo: H.Hoffmann)

Spontis: 2018 bis 2020 ging es auf eine Tournee um die ganze Welt. Da träumt, glaube ich, jeder Musiker von, besonders im Moment. Doch gab es irgendwann einen Punkt, an dem es doch zu viel wurde?

Mic Jogwer: Nö, im Gegenteil. Hat echt Bock gemacht. Scheiß Corona. Wir hoffen ab Spätherbst oder allerspätestens 2022 wieder unterwegs zu sein. Wir haben viele Fans auch in Brasilien und Chile und waren noch nie da. In den USA sind manche über 2 Stunden geflogen, um uns zu sehen. Also, wenn das nicht motiviert.

Spontis: Corona bestimmt das Land, alles liegt am Boden. Keiner weiß, wann es weitergeht. Hat man überhaupt noch Lust, musikalisch irgendwas zu planen?

Mic Jogwer: Planen ist schwierig. Aber wir haben die Zeit genutzt neue Songs zu schreiben und aufzunehmen und hoffen, dass da ein paar gute dabei sind die unseren Fans gefallen und unser Live-Set bereichern. Und irgendwie ist es doch auch klasse, dass die Zukunft so ungewiss ist. Das macht den Moment noch viel erlebbarer und kostbarer.

Spontis: Viele lieben Dank für das ausführliche Interview, bleibt gesund und auf ein baldiges Wiedersehen!

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atmafk1
atmafk1(@danielnatorp251)
Vor 3 Jahre

Das ist grundlegend sympathisch & neues Material von Pink turns Blue ist bei mir immer gern gesehen!

linnepop
linnepop (@guest_60051)
Vor 3 Jahre

sehr schön dieses Interview zu lesen, Pink Turns Blue ist auch einer mein Favorites. Freue mich, das Lied ist toll, wird sofort aufs Konzert gehen wenn man wieder darf. Es ist super zu hören wie s die Musiker so geht, was Sie planen und wie sie die heutigen Zeit sehen. Wenn ihr Zugang habt sehr gerne mehr interviews! ;) …dann ist es als ob es alles nicht so ganz lange her ist… und wir ein bisschen verbunden bleiben! Nochmals danke!

Graphiel
Graphiel(@michael)
Vor 3 Jahre

Danke auch von mir für das interessante Interview. Ich hatte beim Autumn Moon 2019 die Gelegenheit eines ihrer Konzerte mitnehmen zu dürfen und auch mich haben sie begeistern können. Schön, dass auch ein neues Album in den Starlöchern steht, der Song hier macht jedenfalls Lust auf mehr. :)

John Doe
John Doe(@arno-siess)
Vor 2 Jahre

Habe mir eben das neueste Album von PTB, „Tainted“, angehört. Zugegeben nicht gerade besonders zeitnah, es ist ja schon eine Zeit lang veröffentlicht, aber immerhin. :-)
Es gefällt!  
Die Songs klingen „frisch“, ohne die musikalischen Wurzeln zu verleugnen. Dieser Spagat ist echt gut gelungen. Mein Favorit auf dem Album ist definitiv „Summertime“, dicht gefolgt von „Never Give Up“.
Reinhören lohnt sich…

tommilein
tommilein (@guest_63938)
Vor 1 Jahr

„….Raubbau ohne jede Vorausschau oder Nachhaltigkeit…“ ….“Nach uns die Sintflut und die Sintflut ist ja schon längst da…“

Da jettet die Band um die halbe Welt, Fans nehmen zwei Stunden Anflug in Kauf usw….

Kapiert !?

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