Eines der zeitlosesten Stücke einer Ära, die als „Neue Deutsche Welle“ in die Musikgeschichte einging, ist der Song „Eisbär“ den die schweizerische Band Grauzone 1981 als Single herausbrachte. Nächstes Jahr wird das Lied 40 Jahre alt und anlässlich dieses Jubiläums gibt es das ganze als besondere Neuauflage in einer „Limited Edition 40 Years Anniversary Box„.
Unbequem utopisch
Eigentlich wollte „Eisbär“ nie so richtig in den fröhlich-albernen Sound der Neuen Deutschen Welle passen, denn nicht nur sein Text ist traurig und dystopisch, sondern auch die Musik klingt trotz ihrer Tanzbarkeit eher düster und irgendwie trist. Ich selbst empfinde den Song in jeder 80er Playlist als geliebten Störenfried, wenn er zwischen Fräulein Menkes Bergen und UKWs Sommersprossen die Stimmung so angenehm nach unten zieht. Er gehört da einfach nicht hin. Und ganz ehrlich? Das ist auch gut so, denn nicht alles, was damals in Deutsch gesungen wurde, war so belanglos und leer, wie es die NDW-Retro-Welle, die immer wieder durch Fernsehsendung und Party-Zelte schwappt, suggeriert.
Bereits zum 30. Geburtstag hatte man dem Eisbär aufgebmöbelten Sound und ein passendes Video spendiert, zum 40. Geburtstag bringt man dann eine ganz spezielle Sammlerbox heraus. Zum damaligen Geburtstagsvideo schreibt das Label mital-U:
„Das Video zeigt auf, dass der Versuch eines Eisbärs der Tristesse seines Daseins zu entkommen, zum Scheitern verurteilt ist — seine Flucht ist eine Kreisbewegung, die ohne Erlösung auskommen muss. Die Flucht zu vermeintlich paradiesischen Zuständen (‚unberührte Arktis‘, die Stadt als Ort der Kultur und der Kommunikation) werden als illusorische Utopien aufgezeigt.“
Da ich weiß, dass einige Leser die Band immer noch verehren, möchte ich darauf hinweisen, dass die Box auf 1000 Stück limitiert ist und wie bereits ähnliche Veröffentlichungen zum 30. Geburtstag bestimmt schnell vergriffen ist. Hier kann man sie für 55€ vorbestellen. Inhalte der „Limited Edition 40 Years Anniversary Box“:
- Neuauflage des Original-Albums (Doppel LP, 180g Vinyl) von 1981 und allen anderen Songs aus der Grauzone Discography. Garniert wird das mit den Texten des Original-Albums und handgeschriebenen Anmerkungen von Musik Historiker Lurker Grand.
- Grauzone Live LP (aufgenommen am 12. April 1980 im Gaskessel in Bern)
- 80-seitiges Fanzine mit der Geschichte von Grauzone, vielen noch nie veröffentlichten Bildern und Inhalten anderer Künstler
- Grauzone Poster (60x90cm Nachbildung des Konzertflyers für einen Auftritt im Spex (Bern) am 25. Oktober 1980
vielen dank für den tipp zur vinyl box, @robert. hoffentlich geht der klang diesmal in ordnung. ich weiß, dynamikumfang ist nicht alles, aber der vorherige grauzone sampler klingt leider schrecklich überkomprimiert.
beim anblick typischer 80er jahre playlisten bringen mich so nette ausreisser wie der eisbaer immer wieder zum lächeln. wahre welle bands, bzw hier ein waschechter coldwave song, direkt im anschluss an die hohlen ka(s)persongs der industrie-trittbrettfahrer (nur um das ndw lamm auch richtig ausschlachten zu können) – schöner kontrast und eine der wenigen echten perlen, die sich im kollektivgedächtnis verheddert haben ;)
empfehlen kann ich auch die minimalen frühwerke von stephan eicher. die schweiz hatte zu dieser zeit überhaupt klasse alternative bands zu bieten, die heutezutage leider ziemlich vergessen sind. die vyllies, mittageisen, guyer’s connection, log, schaltkreis wassermann und so weiter…
schöne, bunte und kreative zeit.
Yep…das Debutalbum von Grauzone hat mir mein Onkel ganz zu Anfang der 90er auf Vinyl überlassen..echte atmosphärische Kunst und nach meinem subjektiven Empfinden schon fast mit wenigen Abstrichen in der Darkwave oder Coldwave Ecke anzusiedeln. „Schlachtet“, „Wütendes Glas“ (wobei die Vinyl Fassung find ich besser) oder „Kälte Kriecht“…genial.
„Kälte Kriecht“ ist auch meiner Lieblinge. Der erwischte mich „kalt“ auf irgendeiner Tanzfläche. Ich erinner mich noch gut, wie der DJ den Finger nicht von der Nebelmaschine lassen konnte, als die Eröffnung lief.und wie dann hochgestellte Frisuren im zuckenden Licht herumschlurften.
https://www.youtube.com/watch?v=ayicqXp7M7o
Eine Zeitlang hab ich DJ Orlög im Dunckerclub Berlin regelmäßig eine längere Musikwunschliste mitgebracht, in der Hoffnung, dass sich darauf was Passendes bzw. Vorhandenes finden möge. Darunter war vor ca. 15 Jahren u.a. auch „Kälte kriecht“, was zum Glück nicht nur mich begeisterte und fortan zum regelmäßigen Repertoire beim Montags-Duncker gehörte… da war ich sozusagen damals mit Geburtshelferin ;-)
(Ebenso bei „sorrow“ von Twice a Man)
Ich denke heute weint der Eisbär weil ihm die Bude unterm Hintern wegschmilzt :'(