Frisch und Schwarz bekommt Verstärkung! Piet Noir, eingefleischter Musikliebhaber und Entdecker aller Facetten der Gothic-Szene ist ab sofort als subjektiver Kritiker im Meer schwarz gefärbter Platten-Veröffentlichungen unterwegs. Kritik, soviel sei angemerkt, ist nicht pauschal negativ und schwankt von Lobgesang bis Hexenfluch. Mit einem Rückblick auf den Monat Mai beginnt Piet seine Reise und möchte fortan in regelmäßigen Abständen Neuerscheinungen unter die Lupe nehme und neue Bands vorstellen.
Im Mai beschäftigt er sich mit dem „Sturmläuten“ von Karma Marata, dem neuen Album „Apena“ der O.Children, mit Peter Heppners „My Heart of Stone“ und dem „Checkpoint“ von Press Gang Metropol. Für Feedback und eigene Ansichten freuen sich die Kommentare auf Eure Einträge.
Karma Marata – Das Sturmläuten
Für diejenigen, die glauben, alle Musikströmungen seien schon längst ausgetreten und Neues wird es nicht mehr geben, sollten unbedingt in das Debüt der Erfurter Newcomer reinhören. Auf dem kleinen Label „Skulline“ veröffentlicht – welches sich hauptsächlich auf Dark Ambient, Martial Industrial und sonstigen Post-Industrial konzentriert – erblickt erneut eine vielversprechende Band das Licht der Welt. Ihre Musik selbst als „Mix aus unterschiedlichen Einflüssen von Geschichte, Mythology und anderen Dingen des Lebens“ bezeichnend, schaffen sie es aus den unterschiedlichsten Strömungen dunkler Musik einen ganz eigenen Stil zu erschaffen. Die Erhabenheit des Martial Industrial, die Empfindsamkeit des Neofolk treffen auf klassische Pianopassagen, wuchtigen elektronischen „Beats“ und düster- ambientische Klangwelten. Heraus kommen musikalisch vielseitige Melodien, welche meist mit dem sehr eigenen Gesangsstil verwoben werden. Alleine wenn man die beiden Stücke „She´s like a whisper (The secret Lady) und „Das Sturmläuten“ betrachtet, zeigt es die große Spannweite, die unterschiedlichen Seiten von „Karma Marata“ sehr gut auf. Bei Rome´s Rising (eine Kooperation mit der Münchner Neofolk/Martial Band „Spreu & Weizen“) zeigt man nochmal seine martialische „harte“ Seite, wobei dieses Lied eher eine Ausnahme auf diesem Werk darstellt. Eine vergleichende Band oder Genre zu finden stellt sich als sehr schwer heraus und soll hier auch gar nicht weiter verfolgt werden. Der einzige Kritikpunkt stellt die schon fast an „Thilo Wolff“ erinnernde Textzeile bei dem Stück „Wo die Masken fallen“ dar: … und darum treibt es mich hinaus, raus zum Wald durch grauen Schnee immer weiter fort vom Haus…“. Doch bleibt dies der einzige Patzer und tut dem Rest keinen wirklichen Abbruch. Letztendlich ist „Das Sturmläuten“ ein gutes Beispiel dafür, dass es sich durchaus lohnt, immer ein Auge auf den Nachwuchs und den Untergrund (jeglichen Genres) fixiert zu halten.
Internetseite: Karma Marata – Label: Skullline – Preis: 12 Euro
O. Children – Apnea
Das von vielen so hochgelobte Debüt von O. Children schlug bereits hohe Wellen. Nun legen sie mit ihrem zweiten Album „Apnea“ nach und werden Fans der Band wie auch all diejenigen, welche vom Indie-Pop geprägten Post Punk mögen, gleichermaßen erfreuen. An der Musik selbst hat sich nicht allzu viel getan, wenn auch dieses Werk etwas ruhiger ausfällt. Das erste Lied beginnt mit einer angenehm nachdenklich wirkenden Melodie und Text. Doch wenn man das Album weiter hört, springt – der so oft genannte – Funke einfach nicht über. Klingen die Lieder zwar angenehm aber nicht sonderlich „besonders“. Von „Joy Division“´s Reinkarnation war die Rede, doch klingt es eher nach einer von vielen Bands die in letzter Zeit die Mischung aus Indie Pop und Post Punk suchen. Sie beherrschen zweifellos ihr Handwerk und gerade die Texte lassen viel Platz für Interpretation, doch fehlt den Liedern das gewisse Etwas. Was Bands wie „Joy Division“ oder „The Chameleons“ so einzigartig machte, fehlt hier allerdings. Es ist ein solides Album aber auch nicht mehr. Im Post Punk Bereich gibt es eine ganze Zahl von besseren Platten, auch ganz abgesehen von den Klassikern aus den 80ern.
Internetseite: O. Children – Label: Deadly People – Preis: ~10 Euro
Peter Heppner – My Heart of Stone
Mit „My Heart of Stone“ veröffentlicht Peter Heppner sein zweites Solo Album. 4 Jahre nach seinem Einstand als Solokünstler versucht der Mann mit der einzigartigen Stimme erneut an seine Erfolge seiner Vorband „Wolfsheim“ anzuknüpfen. Doch so ganz mag ihm das nicht gelingen. Während zu „Wolfsheim“ Zeiten Synthie Pop auf elektronischen Wave traf und sich mit dieser Stimme verband, fehlt der musikalisch hervorragende Teil leider in großen Teilen. Während „Meine Welt“ eine Art Widmung an die Naivität und Sorgenlosigkeit der Kindheit – welcher immer in Peter Heppner´s Stimme und Texten mitschwungen ist – darstellt, plätschern viele andere Lieder nur so vor sich hin. Dass man hier keine großen poetischen Werke erwarten kann ist sicherlich bekannt, trotzdem sind die Texte meist gelungen, wie beispielsweise beim nihilistischen „God Smoked“. Doch die Musik erinnert im besten Fall noch an neue Platten von Depeche Mode, im schlechtesten an recht seelenlose Pop-Musik. Auch als eher etwas nervig empfinde ich die vielen Intermezzos. Dennoch überzeugt der Mann, der nach 20 Jahren musikalischer Aktivität, es immer noch nicht schafft seine Texte auswendig zu lernen mit seinem Gesang. Die teils arg poppigen Melodien erhalten dadurch immer eine leichte melancholische Wirkung. Lieder wie das bereits erwähnte „Meine Welt“ oder auch „A Love Divine“ erinnern noch am ehesten an alte glorreiche Zeiten. Es ist absolut kein schlechtes Album, aber irgendwie fehlt hier eben irgendetwas. Ich hoffe, dass sich Herr Heppner wieder jemanden mit ins Boot holt, der schöne und passendere Melodien zu seiner tollen Stimme erschaffen kann. Und träumen darf ich ja wohl noch…
Internetseite: Peter Heppner – Label: Polydor – Preis: 15 Euro
Press Gang Metropol – Checkpoint
Sänger wie Gitarrist der französischen Kult Goth Rock/Dark Wave Band „Corpus Delicti“ melden sich endlich zusammen zurück. Dennoch sollte man nicht den Fehler begehen und „Checkpoint“ als neues „Corpus Delicti“ Album sehen. Die Herren sind älter geworden und das hört man auch dem Werk an. Es ist ruhiger und auch ein wenig poppiger. Doch spätestens seit „Disintegration“ weiß man, wie gut dunkler Gitarren Wave mit poppigen Elementen sein kann. Und genau hier setzt „Press Gang Metropol“ auch an. Von schnelleren Liedern wie „False Start“ bis hin zu ruhig verträumten Liedern wie „A Moment of Resistance“ wird ein abwechslungsreiches Album geboten. Ein tiefer Bass verbindet sich mit E-Gitarre, Schlagzeug und der Stimme von Sébastien Pietrapiana zu einem wahren Hörgenuss. Textlich dreht es sich meist um Träume, Vergangenheit und nachdenkliches über das eigene Leben. Gut gemachte Musik, wie man sie heute nicht mehr sehr häufig vorfindet. Alle die „Corpus Delicti“ mochten und nichts gegen ein Prise „The Cure“ haben sollten hier unbedingt ein Ohr riskieren.
Internetseite: Press Gang Metropol – Label: D-Monic – Preis: 13 Euro
Ursprünglich war noch ein Rezension zum Debütalbum von 7JK – Anthems Flesh geplant, doch die Lieferung hätte leider zu lange gedauert und solange wollte ich den Rest nicht aufschieben. Reinhören lohnt sich aber mit Sicherheit. Es ist eine Kollaboration von Matt Howden („Sieben“) und der polnischen Post-Industrial Band „Job Karma“ (hinter denen u.a. die Veranstalter des jährlich stattfindenden Wroclaw Industrial Festivals stecken).
Karma Marata klingt nach ein paar Hörproben sehr interessant, vielen Dank für den Tipp! In ein Genre kann ich das auch nicht so richtig einordnen, aber das muss ja auch nicht sein. Es reicht ja, wenn es gute Musik ist ;)
(Am Ende landet das sowieso unter Military Pop)
À propos Hörproben: Setze doch für ein oder zwei Lieder des Albums, die sich eventuell schon bei YouTube befinden, Verweise, damit man direkt reinhören kann. Ja, bei MySpace hat Karma Marata auch ein paar Lieder stehen, aber das ist eben MySpace. ;) Es klingt auch stärker komprimiert als die YouTube-Videos.
Hmm … wer meint, musikalisch hätte sich bei O.Children seit dem Debüt nicht viel getan, der hat sich wohl mit selbigen nicht wirklich beschäftigt. Überhaupt sollte man mal vom Joy Division-Vergleich wegkommen, sowas liest man doch nur in uninspirierten Pressetexten und hat mit der Band doch wirklich reichlich wenig zu tun.
Zu Apnea kann man nur sagen, daß die Scheibe wesentlich poppiger und indielastiger rüberkommt und verstärkt diesen Charakter hervorhebt … und wer solche Musik mag, wird das Album auch dementsprechend zu würdigen wissen. Ich jedenfalls tu es und kann es empfehlen.
Den letzten Satz der Apnea-Rezension würde ich übrigens auch auf Press Gang Metropol anwenden … schöne Musik, bei der ich leider immer das Gefühl habe, diese bereits gehört zu haben.
Was ich von Karma Marata hörte war überaus vielversprechend. Die Mischung jener, im Geiste verbundener Sparten, schafft wirklich tiefe Atmosphäre. Auch wenn es doch eher sentimental als wirklich martialisch daherkommt.
Das, was mich nur »stört«, ist weniger jene unglückliche Suche nach einem Reim, sondern mehr der Gesang. Mit dem werde ich nicht warm. Wirkt dieser doch, gegenüber der harmonischen Musikkulisse, zu aufgesetzt. Auch zu schwach, um mit der Atmosphäre der Musik mithalten zu können.
Es ist nur eine Theorie, doch ich glaube, es wäre passender, wenn die Text nur mit dunklem Unterton rezitiert werden würden. Ich zumindest würde das als interessanter und für den Stil angemessener erachten.
Aber nichts desto trotz: Gruß nach Erfurt. Es hat wirklich Klang. Und hoffentlich kann das Projekt gedeihen.
Trifft zu 90% aller Veröffentlichungen zu, die mir derzeit in die Ohren flutschen. Was heute viel umjubelt wird, hinterlässt bei mir oft nur ein müdes Zucken der Augenbraue. Alles schon mal gehört… meistens sogar besser. Musik ist eben tot. Irgendwer hatte vor mehr als einer Dekade anscheinend auf die Repeat-Taste gedrückt und vergessen, jene wieder zu lösen.
Andererseits mag man natürlich die altbekannten Stile und möchte vielleicht auch gar nichts anderes hören. Aber man merkt eben schnell, dass viele die offen stehenden Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen. Bei EBM ist das zum Beispiel so. Man verlässt sich auf altbekannte Bass-Sequenzen ohne jegliche Neuerungen. Variationsreichtum = Null. Nach der dritten DAF-Imitation ist einfach die Luft raus.
Das einzige wo ich mitreden kann ist „Apnea“, und ich teile deine Einschätzung eigentlich 100%ig.
Auf dem Debut waren grandiose Stücke, und die Vorab-Single „P T Cruiser“ hat mich auch sehr in euphorische Erwartung versetzt, und entsprechend enttäuschend finde ich auch das Resultat. Alles nicht schlecht, aber irgendwie… gnää… :-/
vielen Dank für die Einschätzung und natürlich auch für die Kritikpunkte … wir freuen uns immer über ehrliche Ansichten und Bewertungen. Und nehmen es uns zu Herzen ;)
allen noch einen schönen Tag !
Marcel
Ich teile Karnsteins Kommentar zu Apnea. Ich war vom Debüt „O.Children“ vor zwei Jahren sehr überzeugt und die Platte rotiert regelmäßig auf meinem „Plattenspieler“… so voller dunkler Atmosphäre und Tragik. Dazu diese wahnsinnig tiefe Stimme, um die ich Tobi sehr beneide. Allerdings muss ich die Entstehungsgeschichte von Apnea erwähnen, die unter einem sehr schlechten Stern stand. Der Sänger Tobi, der gebürtig Kalifornier ist, sollte abgeschoben werden. Nach einem Konzert wollte die Band zusammen feiern gehen und ist dabei auf dem Weg zur „Location“ mit der Bahn schwarz gefahren. Unglücklicherweise fand eine Kontrolle statt, bei der herauskam, dass Tobis Visum schon seit längerer Zeit abgelaufen war – selbst er war sich dessen nicht bewusst, da er schon als kleiner Junge in England lebte – und so begann ein Kampf mit den Behörden. Tobi sollte nach Nigeria abgeschoben werden, ein Land, so fern von seiner eigenen Welt, das ihm gänzlich fremd war. Er verfiel in Depressionen begann, Drogen zu nehmen, verlor seinen Job, seine Beziehung ging in die Brüche und er war völlig am Ende. Während dieser schweren Zeit war der einzige Lichtblick das Studio. In dem Moment, als Tobi wieder musikalisch aktiv war, fühlte er sich geheilt. Die Aufnahmen zu Apnea waren seine Therapie. Kurz nachdem das Album fertig war, erreichte ihn die Mitteilung, dass er ein freier Mann sei. Man hatte entschieden, dass er in England bleiben dürfe. Aus diesen Gründen und weil es mich sehr getroffen hat, als ich nach längerer Zeit des Wartens von Tobis Schickal erfahren habe, gebe ich dem Album von meiner mitfühlenden Seite her eine Chance, favorisiere jedoch trotzdem das dunklere Debüt-Album. Sicher werde ich in einiger Zeit anders denken, denn mein Geschmack variiert je nach Stimmung sehr (z.B. wie bei The Cure, an manchen Tagen brauche ich Songs a la Friday I’m In Love, an anderen sowas wie Cold). Ich wünsche der Band jedoch für die Zukunft viel Glück und dass sie immer ihrer eigenen Musik treu bleiben mögen, die sie so auszeichnet. Damit meine ich, dass sie die Musik machen sollen, die ihnen selbst gefällt und sich niemals verkleiden sollen, denn dieses Thema kennen wir ja alle, WGT sei Dank, es macht dich einfach nur unglaubwürdig.
So, nachdem mein Exemplar vom „Sturmläuten“ bei mir angekommen ist (manchmal bin ich doch recht spontan, was den Kauf neuer Musik angeht ;)), kann ich auch noch meine Eindrücke des ganzen Albums schildern.
Es gibt im Vergleich zu den Stücken, die man auf MySpace und Youtube findet, doch noch das ein oder andere Stück auf der CD, das etwas „martialischer“ daher kommt – allen voran natürlich das schon erwähnte „Rome is rising“. Dadurch ist eine recht große Spannbreite zwischen den einzelnen Stücken gegeben, was mir gefällt, da ich abwechslungsreiche Alben mag. (Fast) jedes der Lieder hat seine eigene, wunderschöne Atmosphäre. Einzig „Der schwarze Turm“ fällt ein wenig ab, weil das Stück sich wenig entwickelt und deswegen für meinen Geschmack ein wenig zu lang ist.
Das ist allerdings nur ein wirklich kleiner Kritikpunkt, alles in allem gefällt mir das Album sehr gut. Man bemerkt ein paar Ecken und Kanten in der Produktion, die aber durchaus auch zum Charme des Albums beitragen. Liedtexte im Booklet wären noch schön gewesen, die lese ich durchaus ganz gern – ob mit oder ohne Suche nach Reimen :>
Guldhans These, eine Rezitation der Texte statt Gesangs täte dem Album besser, möchte ich so nicht unterschreiben. Bei manchem Stück mag das durchaus funktionieren, aber ich glaube, aufs ganze Album gesehen eher nicht. Das fände ich persönlich nach einer gewissen Zeit wohl auch ein wenig langweilig. Außerdem gefällt mir der Gesang ;)