Nach 16 Jahren stellen Dead can Dance nun endlich ihr neues Album „Anastasis“ vor, das bereits im Vorfeld schon für Begeisterungsstürme sorgte und das ich jetzt schon in mein Herz geschlossen habe. Mit Hisute Pursuite grabe ich wieder einmal tief in der Genre-Mix-Kiste und stelle ihr Album „Tighten that muscle Ring“ vor, dass sich mit der Einordnung „Experimental Gay Post Industrial“ so gar nicht an die Konventionen halten will. Auch Steven Severin, der immer noch untrennbar mit „Siouxsie & The Banshees“ verbunden ist, kommt nicht zu kurz. Sein Solo-Album „Vampyr“ ist mir ebenfalls zu Ohr gekommen und entführt mich gleich noch in ein paar Klassiker der Filmkunst.
Dead Can Dance – Anastasis
Unglaubliche 16 Jahre musste man auf ein neues Lebenszeichen der Ausnahmeformation „Dead Can Dance“ warten. Auch wenn innerhalb dieser Zeit „Brendan Perry“ als auch „Lisa Gerrard“ einige Soloalben veröffentlichten, war die Begeisterung über ein gemeinsames Comeback enorm. „Anastasis“ heißt ihr neues Werk, griechisch für „Auferstehung“ bzw „Wiedergeburt“, passender könnte man es kaum formulieren. Denn während viele Künstler mit ihrem Comeback nicht wirklich überzeugen können und nur noch einmal ihre alte Zeit zelebrieren möchten, laufen „Dead Can Dance“ zu neuen Höhen auf. Während das letzte Album „Spirichaser“ mit seinen massiven Worldmusic Einflüssen nicht mehr alle Fans begeistern konnte, knüpfen sie mit ihrem neuen Meisterwerk an jene Zeit zwischen „Within the realm of a dying sun“ und „Into the labyrinth“ an. Das Album hat alles was das Dark Wave und Neoklassik Herz begehrt. Tiefe Melancholie, orientalische Elemente, eine verträumt wirkende Männerstimme mit fast schon poetischen Texten, eine himmlische Frauenstimme, welche in einer Fantasiesprache zu überzeugen weiß und eine großartige Auswahl der Instrumente. Es ist selten, dass ein Album, an welches so große Ansprüche gestellt wurden, diese noch um Weiten übertrifft. Auch wenn man sich bei „Children of the sun“ fragt, ob die beiden hier gezielt ein gegenteiliges Bild ihrer Fans zu dessen Text zeigen wollen: „We are the children of the sun. There is room for everyone, Sunflowers in our hair“. Ein Distanzierungsversuch á la „Sisters“? Das traue ich ihnen eigentlich nicht zu, erstaunt einem beim erstmaligen hören dieser Worte trotzdem. Ein absoluter Hörgenuss und mit Sicherheit eines der besten Alben der letzten Jahre, wenn nicht DAS beste.
Internetseite: Dead can Dance – Label: Pias – Preis: 15 Euro
Hisute Pursuit – Tighten That Muscle Ring
Definitiv kein Album für jedermann! „Hirsute Pursuit“ spielen eine Art „Experimental Gay Post Industrial“, eine durchaus interessante Kombination im – gelegentlich immernoch als sozialdarwinistisch, totalitär geltenden – (Post-) Industrial Bereich. Wenn man keine allzu großen Probleme damit hat, dass auch mal männliche Stöhngeräusche oder ein halbnackter –nicht gerade schlanker – und gut behaarter Mann auf der Innenseite des Albumhülle „posiert“, sollte man hier unbedingt ein Ohr riskieren. Besonders hervorzuheben sind bei diesem (zweiten) Album die Kollaborationen mit Boyd „NON“ Rice und Peter „Sleazy“ Christopherson (Throbbing Gristle, Psychic TV, Coil). Das eingänglichste Stück der Platte ist mit Sicherheit das mit – Mr. Intolerante himself – Boyd Rice aufgenommene Cover des halbjüdischen, androgynen Popstars David Bowie namens „Boys keep swinging“. Das ist Ambivalenz pur, wie man sie lange nicht mehr gehört hat. Zu diesem Lied wurde auch ein Video gedreht, welches man sich zu Gemüte führen sollte. Die zweite Überraschung: Auf dieser Platte sind die wohl letzten aufgenommenen Lieder mit dem leider viel zu früh verstorbenen Peter „Sleazy“ Christopherson (+ 25. November 2010). Ein Mann der definitiv (Underground-) Musikgeschichte geschrieben hat und als Mitbegründer des Industrial zählt, nahm hier 2 Stücke mit „Hirsute Pursuit“ auf. Doch auch der Rest des Albums klingt interessant, wenn man es
auch mit dem Gestöhne nicht selten übertreibt. Für alle Anhänger der Industrial Music wie Szene ein absoluter (Geheim-) Tipp.
Internetseite: Hisute Pursuit@Facebook – Label: Coldspring – Preis: ~15 Euro
Steven Severin – Vampyr
Steven Severin, seines Zeichens Ex-Bassist der Post Punk/Goth Legende „Siouxsie and the Banshees“ sowie des Nebenprojekts mit Robert Smith namens „The Glove“, blickt nun schon auf eine lange musikalische Geschichte zurück. Umso erstaunlicher die Tatsache, dass er immernoch aktiv ist und heute eine ganz andere Art von Musik schafft. Heute liefert er Alben ab, welche zwischen „Soundtrack“ und „Dark Ambient“ anzusiedeln sind und genau in diesen Dunstkreis fällt auch sein neues Werk „Vampyr“. „Vampyr – Der Traum des Allan Grey“ von Carl Theodor Dreyer ist einer der ersten Vampirfilme überhaupt und kam fast zeitgleich mit „Dracula“ in Form von Bela Lugosi auf die Leinwände. Dennoch unterscheiden sich beide Filme erheblich, nicht nur weil Dreyer sich noch stark an den Stummfilmen den 1920er orientiert. Und genau diesen Soundtrack-lastigen Teil hat sich „Steven Severin“ verschrieben und seine eigene Intention davon geschaffen. Dieses – als dritten Teil seiner „Music for Silents“ Reihe bezeichnete – Werk klingt nicht nur nach einem Menschen der sein Handwerk versteht, es klingt als ob Herr Severin noch nie andere Musik gemacht hätte. Großartige Atmosphäre, welche eine Mischung aus Bedrohung, Schrecken, als auch manchmal einen leichten Anflug von Wohlgefühl zu verursachen vermag. Als besondere Hörprobe würde ich „The Mill“ empfehlen, für mich das stärkste Stück des Albums. Gerade die Mischung aus „Soundtrack“ und „Dark Ambient“ ergänzen sich hier hervorragend auf allen Ebenen. Dagegen wirkt der Film geradezu fröhlich und bunt…
Internetseite: Steven Severin – Label: Coldspring – Preis: ~13 Euro
Kein Widerspruch ? Dem schließ ich mich an. Insbesondere was die Beurteilung von „Anastasis“ angeht. :-)
Ja, dass Dead Can Dance noch mal von sich hören lassen, hätte ich auch nicht erwartet. Noch weniger, davon durch Spiegel Online zu erfahren, nun ja… ;) So richtig zum Probehören oder zum Kauf der CD bin ich noch nicht gekommen, aber das Stück ist schon mal vielversprechend.
Du schreibst übrigens so, Piet, dass ich schon am Text eine Tendenz ausmachen kann, ob mir das beschriebene Album zusagen wird: Hisute Pursuit tut’s nicht, obwohl ich Industrial eigentlich durchaus etwas abgewinnen kann – aber man kann nicht alles mögen.
Vampyr gefällt mir nach der Hörprobe dagegen sehr. Wie du schon schreibst, eine wunderbare Kombination von Soundtrack und Dark Ambient, die sehr atmosphärisch klingt. Eine Orientierung am Stummfilm der 1920er ist da sicherlich auch nichts Schlechtes.
@Irmin: Das freut mich, dass ich sowas kann:) Jaja das Hirsute Pursuit Album ist mit Sicherheit eines das stark polarisiert, deswegen auch diese Einleitung.
Danke Piet für diese wundervollen Musiktipps habe mir schon viel angehört und muss sagen viel besser als das meiste neue Zeug . Eben, weil es sich mehr an älterem orientiert zumeist.
Stimmt, allerdings hat mich z. B. „Amnesia“ von Dead Can Dance auch ein wenig an Massive Attack erinnert, also durchaus an neueres Zeug ;-) Aber auch nur ein wenig…
Was ich eigentlich noch loswerden wollte, ist eine andere Ähnlichkeit, die schon etwas skurriler ist: Der Anfang von „Upon My Death“ von dem Severin-Album hat mich stark an… die Hörspielfassung von Tolkiens Hobbit erinnert. Kein Witz. Die „bedrohliche Musik“ darin klingt schon recht ähnlich. Oder ich habe ein seltsames Gedächtnis, was durchaus auch möglich ist. Zusätzlich kommen mir auch noch der Anfang von „Leoné Smiles“ und „Phantom’s Journey“ aus dem gleichen Hörspiel bekannt vor. Es hat hier nicht zufällig auch jemand mal dieses Hörspiel sowie besagte Stücke gehört und könnte mich da bestätigen? ;-)
Wikipedia behauptet nebenbei bemerkt, besagtes Hörspiel wäre aus dem Jahr 2002. Das ist zwar schon zehn Jahre her (meine Güte, ich werde alt), aber damals hat man doch keine Kassetten mehr benutzt – oder? Ich habe das Ding nämlich noch auf selbiger.
Also ich hab den Herr Der Ringe als Hörspielvariante noch auf 30 Kassetten… Oje, war das immer ein ewiges Gespule :-) Ich hatte noch ewig lange Video-Kassetten. 2004 habe ich mir den ersten DVD-Player geholt. Und den benutze ich noch heute.