Grundsätzlich bin ich ja skeptisch, wenn neue schwarze Trends oder Musikrichtungen aus dem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten zu uns schwappen. Das amerikanische Verständnis von „Gothic“ entspricht nicht im Entferntesten meiner Auffassung dieser Subkultur, Gothic Kreuzfahrten oder Gothic-Treffen in Disneyland sind nur die gefühlten Spitzen des Eisbergs.
So ähnlich ging es mir auch, als ich mich mit der aus San Diego stammenden Band PRAYERS beschäftigte, dessen Sänger Leafar Seyer (ein Anagramm seiner bürgerlichen Namens Rafael Reyes) von sich behauptet, der erste „Cholo Goth“ zu sein. Musikalisch wirkt die Band wie eine Kreuzung aus Depeche Mode und Snoop Dogg, die sich in ihren Texten mit dem Leben zwischen Gang-Alltag und der innerlichen Qual des Sängers und Autors Seyer auseinandersetzt. Ihr ahnt es bereits, die Neugier gewann das Duell gegen die Skepsis und je mehr ich mich mit der Band und ihrer Musik beschäftige, umso interessanter scheint es zu werden.
Die Videos der Band runden die Sache dann nur noch ab und verwirren zunächst, denn die Mixturen aus Friedhof, Gang-Gehabe, Grufties und tiefergelegten Pick-Ups zusammen mit der visuellen Erscheinung der Band sorgen für die üblichen Schubladen. Ich bin gespannt, ob die Band mit ihrem Gang-Gehabe und der eigenwilligen musikalischen Mischung bei uns auf neugierige Ohren stößt und was unsere Leser von der neuen Subkultur „Cholo Goth“ halten.
Cholo Goth: Kriminelle lateinamerikanische Grufties?
Cholos, so informierte ich mich, nennt man in den Vereinigten Staaten Kriminelle oder Gangster lateinamerikanischer Abstammung. Und Sänger Leafar passt wahrlich meisterlich in diesen Stereotypen. Der inzwischen 40-Jährige ist wegen Überfalls mehrfach vorbestraft und gilt in den USA als sogenannter „2-Striker“, jede weitere Straftat führt unweigerlich zu einem längeren Aufenthalt hinter Gittern. Als Teenager wird er Mitglied einer Gang und eröffnet 1994 zusammen mit seinem Vater San Diegos erstes vegetarische mexikanische Restaurant. Als sein Vater stirbt, übergibt es das Lokal an seinen jüngeren Bruder. Leafar verkraftet den Tod seines Vaters nicht und stürzt sich nach längerer Abstinenz wieder in die Sucht und wird straffällig. Als er 2010 für ein halbes Jahr einsitzt, beginnt er nachzudenken. Er schreibt den Roman „Living Dangerously“ und wird 2010 auch musikalisch aktiv und gründet dann 2013 zusammen mit Dave Parley, der die gleichen mexikanischen Wurzeln wie Leafar hat, die Band PRAYERS.
2014 wird Ian Astbury, Lead-Sänger der Band „The Cult„, auf die Musik der PRAYERS aufmerksam und nimmt sie als Vorband mit auf ihre Tournee. „Cholo Goth“ ist für Astbury die „Speerspitze einer musikalischen Revolution“, wie Leafar in einem Interview mit The Fix verrät:
Ian Astbury (lead vocalist for The Cult) said that it’s „the forefront of the music revolution.“ Cholo goth breaks stereotypes and it’s also my salvation. It’s music for outcasts, like myself. It’s rebellious and forgiving. We are here to shatter societal preconceptions!
Inzwischen scheint Leafar geläutert, hat Drogen und Alkohol abgeschworen und erscheint den meisten, die ihn schon länger kennen, wie ein Wirbelwind der Kreativität. Das spiegelt sich auch in den Werken der Band, denn hier tobt er sich nicht nur musikalisch aus, sondern ist auch für Design verantwortlich. Von Bauhaus, Christian Death, New Order und Joy Division kommt die Musik, die ihn in seiner Jugend beeinflusst. Er wächst mit ihr auf, ohne die Möglichkeit zu erhalten, selber welche zu kreieren, denn Cholos tragen Waffen, keine Instrumente. Er ist ein durch und durch sperriger Charakter, liebt seine eigene Isolation auch innerhalb der Gang-Gemeinschaft: „My homies still like to crack jokes when they get drunk. But that’s okay—I clown them on their weight or whatever the fuck I feel fit to clown them on. I’m a grown man and I know that what I represent is a lot bigger than what other people have lived or will even get to experience in their fucking life. Perfect example: I’ve only been doing music for three years. I’ve only been doing Prayers for 14 months. And a lot of people that didn’t wanna fuck with me in this city, who thought I was a poser, who thought I was fuckin’ joke—not only do they try to be like me now, they try to belittle me by saying, “Oh, hard work pays off.” I say, “No, motherfucker. It’s not hard work. It’s because I’m fuckin’ special.“
Für die meisten von uns bleibt das wohl eine schwer zu verdauende Mischung, wenn ein 40-jähriger Gangster-Goth mit mexikanischen Wurzeln das verkörpern möchte, was wir uns im Laufe der Jahre als „Gothic“ zurechtgelegt haben. Was mir zunächst als Cocktail erschien, bei dem sich die Bestandteil partout nicht mischen lassen wollen, ergibt auf eine bizarre Art und Weise Sinn. Gothic ist das, was wir daraus machen und so sind die Musik und die Ästhetik Katalysatoren für die eigenen Emotionen und Empfindung. Die sind natürlich geprägt vom Umfeld, in dem man aufwächst und das war bei den PRAYERS sicher kein leichtes. Und dennoch findet Leafar Ausdruck in seiner Musik und seinem Style und verarbeitet sein Leben in der Gang, seinen Selbstmordversuch oder auch den Tod des Vaters auf seine eigene Art, ohne die eigenen Wurzeln zu leugnen. In der Tat, auf seine ganz eigene Weise fasziniert mich das.
Ob die PRAYERS in der Lage sind, „Cholo Goth“ als Subkultur zu platzieren, halte ich für fraglich, das scheint aber auch nicht das Ziel zu sein. In der Welt aus Schubladen haben sie sich ihre eigene Schublade beschriftet, biedern sich keinem existierenden Stil an und machen ihr eigenes Ding.
Noisey, dem musikalischen Ableger von VICE erzählt Leafar: „This life has many faces. I’m like a diamond. There’s different cuts to me—gang life, music, art—all the things that make Leafar Seyer, without having to be disloyal to one or the other. The cholos have a hard time accepting me because of the part of me that’s gothic. The death-rockers and the goth kids have a hard time accepting me because I’m a cholo. So I have to find my own reality.“ In einer kleinen Dokumentation nehmen die sich dann der Band und dem „Cholo Goth Movement“ an.
Als ich die Überschrift gelesen habe, dachte ich zunächst nur „Oh je“, beim lesen der ersten Zeilen war ich dann fast überzeugt, dass das nur kruder Mist sein kann. Beim hören des ersten Liedes hab ich mich spontan so ein kleines bisschen begeistert wieder gefunden. Ich kann weder mit dem ganzen Ganstergehabe noch mit deren spachlichem Ausdruck was anfangen – aber die musikalische Verarbeitung reist es hier ganz klar raus (auch wenn ich nicht ganz so genau hinhören mag bei dem Text – das geht auch eloquenter – gehört aber wohl dazu).
Im Grunde ergibt das Sinn, ja, das raue Aufwachsen, die Hoffnungslosigkeit, Haltlosigkeit, alles das findet sich da auch im schwarzen Bereich wieder – Aggression und Gewalt wohl weniger, aber das drückt dem Stil ja mit seine Note auf.
Als Bezeichung für ihren eigenen Stil sicher passend – als Vorlage für eine subkulturelle Splitterung kann auch ich mir das jetzt nur schwerlich vorstellen. Ja, es gibt Schnittpunkte, aber die gibt es mit vielen anderen Stilrichtungen auch und das ist dann eben doch nicht das selbse Kraut. Und ich mache mir etwas Gedanken, was dadurch jetzt wieder auf die Szene projeziert und völlig fallsch interpretiert, verstanden und zugeschrieben wird. Aber ja, in Ameria hat man da eh ein etwas anderes Verständnis von.
Kurz um – Ganz nett und gar nicht mal soooo schlecht wie gedacht – auch wenn das sicher nichts sein wird, was ich in meine Playlist packen muss^^
Wir leben in einer äußerst brutalen rauen Zeit…vielleicht mehr als je zuvor. Oder aber durch dauernde Präsenz globaler Medien wird es nur sehr viel öfter gezeigt. Darum passt für mich beides sowohl Text als auch Musik. Ich finde neue Einflüsse gut. Alles muss sich verändern ohne würde alles absterben in Eintönigkeit und Vergessen versinken.
Die Amis haben wirklich ein hohes Maß an Kreativität, wenn es darum geht, diese schwarze Meute zu repräsentieren. Was wohl an der Mentalität liegen könnte. Denn während sich der Europäer an Traditionen krallt, lebt der Amerikaner die Kultur, die er wirklich in seinem Land verwurzelt sehen kann, nämlich der des Pop.
So zumindest erkläre ich mir die Ausflüge nach Disneyland, oder Kreuzfahrten. Welche munter zelebriert werden, während sich einem hierzulande schon bei den einsten Gebaren der NPC die Fußnägel aufrollten. Wobei man zugeben muss, dass das auch mehr Geprolle war, als eine schwarzgerüschte Kleinfamilie neben Mickey Mouse.
Mich persönlich kann diese Sparte / Band nicht überzeugen. Nicht weil ich grundsätzlich neues ablehne… es sei denn dieses besitzt für mich keinen Klang. Und dieses ist hierbei der Fall. Zugegeben, ich bin in der Materie »Gothmusik« nicht sattelfest, aber erkennt man in dem pseudo-80´er-Plastikgedudel wirklich den Hauch des Urgoths? Für mich klingt das wie tiefenloser Tralala-Synthiepop. Aber ich lasse mich da gerne verbessern.
Doch Fakt ist, mir geht der Gesang tierisch auf den Nerv. Das ist eine Stimme, bzw. eine Stimmlage, auf die ich allergisch reagiere. Und die für mich nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Entweder soll der Text geraunt bzw. enthusiastisch ausgestoßen werden… oder eben gesäuselt werden. Aber nicht beides, was sich im Kern abstößt, in Kombination.
Auch fehlt mir die Härte. Nur weil gelegentlich ein »Fuck« fällt verneige ich mich noch lange nicht für diese abgebrühte Provokation. Doch ich muss zugegeben, der Live-Auftritt, über den ich bei YouTube stolperte, klang zumindest musikalisch besser.
Wie auch immer. Wenn ich einen Tipp abgeben sollte, dann würde ich sagen, dass dieses in Mitteleuropa nicht Fuß fassen kann. Vielleicht gerade so musikalisch, wenn man es verdauen kann, aber sicherlich nicht vom Stil her. Das Klischee des Mara Salvatrucha mit schwarzem Lippenstift ums Bandenbärtchen und Anna-Varney-Gedächtnisschmuck über den Tattoos, das zieht hier nicht.
Weil man sich mit der Mentalität in keiner Weise identifizieren kann. Das Mittel- wie Südamerikanische Bandenwesen ist uns ebenso fremd und unwirklich als wenn ein Rudel Yakuza finstere Haiku schmettern würde. Davon mal abgesehen, dass ich es völlig neben der Spur finde, sich die Tränen einfach so ins Gesicht zu schmieren, wenn doch dieses Tattoo für die Träger eine einschneidende Bedeutung besitzt.
Sollte es sich innerhalb einer Nische halten können, dann wird es wahrscheinlich nur ein solches Dasein fristen wie der J-Rock, der sich einst auf diversen Festivals versuchte. Und im Grunde nur noch von jenen gehört wird, die jene Szene auch nur am Rand gelegentlich zu streifen gedenken.
Oder es pufft mal kurz als neue, derbe, harte Junggoten-Rebellion auf. Um gegen die ewige Depeche Mode- oder Joy Divisions-Leier der Eltern aufzubegehren. Und wird ebenso schnell mit dem erwachsenwerden der Hörerschaft zusammenfallen wie einst das ganze Cybertum. Aber wie gesagt, wenn überhaupt.
Flederflausch: Ich muss zugeben, dass mich zuerst das visuelle gereizt hat, nicht die Musik, denn ich finde die Cover-Version von „It’s a Sin“ nicht sonderlich gelungen, dafür finde ich die anderen Stücke interessanter. Auch ich würde mir das nicht in meine Playlist packen, einfach weil ich den Sound nicht mag. Dennoch: Eine durchaus interessante Entwicklung in Übersee! Vielleicht entdecken die Amerikaner dann doch irgendwann ihre kollektive Traurigkeit und entwickeln eine ganz eigene Szene, die nicht unbedingt auf Kreuzfahrt geht oder in Freizeitparks rumgruftet.
@Noire: Gut gesprochen. Genauso nehme die Musik auch auf und denke, dass Inhalte und Ausdruck einfach mit dem Zeitgeist gehen müssen. Wir haben uns damals in den Texten und im Sound wiedergefunden. Mit jeder neuen Generation braucht es neue Texte und einen neuen Sound eben dieses Gefühl zu erhalten. Und ja, vielleicht gehört da irgendwie auch eine Gangsta-Rap Attitüde dazu.
Guldhan: Deiner Einschätzung kann ich nur folgen, für den geneigten Mitteleuropäer ist das nichts. Es fehlt jeder Bezug zur eigenen Realität. Nichts desto trotz ist es gerade für ambitionierte Jung-Goten ein neuer Einstieg in die schwarze Welt, Depeche Mode oder Joy Division hören sich in den Ohren der Teens wohlmöglich an wie für mich damals Joe Cocker oder Roger Whittaker. *grusel* Sollen sie ruhig aufbegehren, diese jungen Leute. Vielleicht so, vielleicht anders. Ich habe nichts dagegen, dass zumindest ein neuer Einfluss mit Inhalt und Attitüde daherkommt und nicht nur stumpf und mit leuchtenden Camping-Stick die Tanzfläche bevölkert.
What the fuck … diese Scheisse braucht wirklich niemand, ich bin entsetzt was aus unserer schönen Musik geworden ist.
Amerika ist war schon immer ein Land , das übertrieben hat .Es ist zwar schön eine Entwicklung zu sehen , aber sowas ? Nee , echt nicht , ist nicht meins und wird es auch nicht werden . Neue Musik ist ja ganz schön und gut , nur eben gibt es wenig neues gutes . Ein paar schon , aber die Mehrheit an neuem – ist halt nicht so toll … aber dafür werden sich auch einige begeistern .
Und zur Coverversion – kann ich nur sagen , da wird ja alles zusammen geschmissen , bißl Goth,bißl Punk ,bißl Trip Hop … klingt echt nicht aufregend .
Defintiv letzteres. So ist beispielsweise die Zahl der Straftaten in den USA gesunken, die Anzahl der Berichte aber deutlich gestiegen.
Sicher, nicht alle ist Friede, Freude, Eierkuchen, zwar sind wir (als Mitteleuropäer) weniger von Krieg und existenzieller Not betroffen, dafür wirken sich die Globalisierung, Individualisierung etc. auf uns aus und konfrontieren und mit neuen Herausforderungen, sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Trotz dem (und all den Misständen und Benachteiligungen, due herrschen) würde ich behaupten wir leben durchschnittlich noch in einer verdammt guten Zeit und vor allem am richtigen Ort.
Ich denke, wir sollten das mehr zu schätzen wissen.
Wie gesagt, als individuellen Ausdruck finde ich es auch spannend und finde man sollte sich damit (allgemein mit neuen Strömungen) zumindest konstruktiv auseinander gesetzt haben – ablehnen kann man es immer noch.
Ich finde das einen interessanten Gedanken. Das wäre tatsächlich eine Überlegung die mit plausible erscheint, wobei ich auch da denke, dass man das differenziert betrachten muss, mit der Szene in Amerika kenne ich mich jetzt nicht so gut aus, deshlab möchte ich mich da mit einem Urteil nicht aus dem Fenster lehnen, aber ich würde schon behaupten, dass es auch in Europa unter gewissen Leuten diese Tendenzen gibt.
Das fast sehr gut zusammen, warum ich mir das hier nicht als eine eigene etablierte Strömung vorstellen kan. Unterschiedlicher Habitus.
Ich finde da auch durchaus spannende Elemente drin, für mich wirkt es visuell allerdings nicht wirklich rund und teilweise sehr überschraubt. Aber auch das ist Geschmackssache.
Ich denke man muss da trennen, zwischen den persönlichen Vorlieben, dem Werdegang und dem was hier als „Norm“ gilt. Man muss es weder mögen noch in sein eigenes Weltild einfügen, aber ich finde, man kann es als etwas sehen was sich in einem Teil einem ähnlichen Stilelement bedient hat und möglicherweise ähnliche emotionale Hintergründe hat. Zumindest ich begreife es als einen Ausdruck, der sich entsprechend einigen Elementen bedient, den ich aber nur bedingt als integrationsfähig betrachte. Daher finde ich auch den Zusatz „Gothic“ diskussionswürdig.
Das ist eben sehr geschmacklich geprägt (auch wenn ich dir im Großem und Ganzem zustimme) und ich folge da Roberts Meinung, dass die Jugend heute möglicherweise andere Ausdrucksweisen bedarf und mit der „unseren“ eher weniger anfangen und diese möglicherweise auch nicht mehr als protestfähig empfindet.
Gefällt mir prinzipiell besser als der ganze cyberkram. Aber wegen der Stimme geht’s für mich gar nicht!
Diese Entwicklung muss jeder für sich einordnen. Es geht mir – und das bezieht sich vor allem auf die zahlreichen Kommentare bei FB – auch nicht um die allumfassende Toleranz neue Musikstile zu akzeptieren. Man kann „Cholo Goth“ scheißen finden und man darf „Cholo Goth“ gut finden. Ich selber, so so schrieb ich bereits, packe es mir nicht auf eine Playliste.
Worum es mir viel eher geht ist die Form der „Zusammenführung“ von amerikanischer Lebensweise und europäischer Subkultur, denn ich unterstelle, dass Goth nunmal ein europäisches (britisches) Phänomen ist, während Gangs dann doch eher in den USA zu finden sind. Von dem Genre „Gangster-Rap“ mal ganz abgesehen.
Goth in den USA ist meiner Ansicht nach ein abzuwaschendes Abziehbild unserer Subkultur. Die machen aus Goth das gleiche was sie aus Samhain gemacht habe (Halloween) und das gleiche, was sie aus Weihnachten gemacht haben (Weihnachtsmann). Ich nenne das liebevoll „Kaugummi-Metamorphose“. Und ehrlich: Gothic in Disneyland, Gothic Kreuzfahrten und Gothic X-mas sind doch rein amerikanische Phänomene.
Die PRAYERS sind da schon fast eine Erleuchtung, denn das ist meiner Ansicht nach eine eigene Interpretation von „Goth“. Prüft doch mal für euch, was alles drinsteckt, was ihr als „Goth“ bezeichnen würdet. Was genau lehnt ab? Das Gang-gehabe? Das Erscheinungsbild?
Die Stimme ist allerdings ablehnungswürdig, die passt mir auch nicht wirklich :)
Naja, ich weiß nicht. Das erste Video konnte ich mir nicht länger als eine Minute ansehen. Den zweiten Song finde ich aber gar nicht so verkehrt.
Es erschließt sich mir aber nicht wirklich, wie aggressives Gang-Gehabe und melancholisch-verträumtes Gruftitum unter einen Hut zu kriegen sind. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei aber wirklich um ein amerikanisches Phänomen, eine Reaktion auf die gesellschaftlichen Verhältnisse dort, die wir als Europäer vielleicht nicht ganz (be)greifen können. Daher hat „Cholo Goth“ wahrscheinlich auch irgendwie seine Berechtigung, nur habe ich persönlich keinen Zugang dazu.
Dass diese Band es schafft, nun eine ganze Subkultur zu revolutionieren halte ich dennoch für äußerst fragwürdig. ;)
Nenia: Zu deinem Kommentar über die Vereinbarkeit zwischen Gang-Gehabe und Gruftietum, kann ich nur zustimmen, aber ich denke, nicht, dass alles seine Berechtigung hat, sonst haben wir dann schwarze Helene Fischer Fans irgendwann in den Clubs und die spielen dann „Atemlos“ … ;( What the fuck, jeden Scheiss brauchen wir wirklich nicht.
Auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen, aber mir gefällt es. Der Gesang ist natürlich speziell und nichts für jeden Tag, aber das ist bei einer Anja Huwe auch nicht anders. ;)
Zumal ich das Gefühl habe, das es Leafar Seyer durchaus ernst meint und nicht nur Effekthascherei betreibt. Klar ist da auch viel cooles Gehabe dabei, aber das kann man bei so vielen anderen auf dem WGT (nicht zuletzt bei den Spontismitgliedern selbst :P) auch vorfinden.
Tatsächlich eckt er mit seiner Art und der Verschmelzung von Gang und Goth in den eigenen Reihen an. Trotzdem hält er daran fest und glaubt an sich und das finde ich beeindruckend – denn entstehen nicht erst so neue Impulse, weil einer vorangeht und sich traut und auf die Meinung anderer keine Rücksicht nimmt? War doch bei Lacrimosa oder Umbra et Imago auch nicht anders (ja, ich bin ein Kind der 90er!). Alles, was Menschen dazu animiert, sich mit sich selbst auseinander zu setzen, kann nur gut sein. Früher mochte ich HipHop auch nicht, verachtete es regelrecht, aber ich durfte feststellen, dass auch Rap/HipHop intelligent sein kann.
Das einzige, was wirklich schlimm ist, ist dieses scheußliche Hawaihemd! >_<
…bin da grad drüber gestolpert, habe es etwas skeptisch gelesen und die Musik fand ich so schrecklich, das ich es nach 3 Minuten weg machen musste. Ich blicke auch gern über den Tellerrand. Einige Doom Metal – Drone Sachen sprechen mich an, ebenso wie manche NeoFolklore oder Dark Ambient Sachen. Aber Gothy Rap? ohje… Für mich keine Rebellion, sondern pure Angepasstheit. The Cult haben es ohnehin nur geschafft 3 halb brauchbare songs zu machen, soll sich mal nicht so weit aus dem Fenster lehnen der Ian. Zurück zum “über den Tellerand“ : Da finde ich die Entwicklung im Blackgaze Genre um Längen interessanter. Blackgaze ist eine Abart von Shoegazing. Ich bin mit Wave, Gothic Rock und Death-Rock Musik groß geworden und einiges, was die Shoegazing / Blackgaze Szene in den letzten Jahren an Kuriositäten hervorgebracht hat, erstaunt mich. Have a Nice Life, Sun Devoured Earth oder Les Discrets seien genannt. Obacht, da wird viel gähnender Mist veröffentlicht ala deafheaven, die ich ebenso furchtbar finde. Aber zeux wie Have a nice life ist schon ordentlich, zumindest interessanter als
dark hopper-stuff
, dies nur so als Anreiz.Ein gern gelesener Anreiz, Nossi. Habe mich auch mal kurz in Have a Nice Life gehört und finde mich wieder, vor allem wenn die Stücke so eine faszinierende Wendung nehmen. Bei „Cholo-Goth“ hat mich natürlich auch der visuelle Anreiz angesprochen, denn die Prayers (die ich persönlich weder gut noch schlecht finde) bringen ja gleich das ganze Paket mit. Musik, Habitus, Styling. So macht das betiteln einer „neuen“ Splitterform der Musik/Subkultur viel mehr Spaß. So ähnlich wie bei Witchhouse.
Ich werde aber weiterhin ein Ohr an Deine Vorschläge legen, um meine Horizont zu erweitern ;)