Die 90er-Jahre läuteten ein völlig neues Gothic-Zeitalter ein. Mit dem Fall der Mauer und den Szene-Kindern, die langsam erwachsen wurden, sprudelte ein nie dagewesene Form der Kreativität aus den Poren der schwarzen Szene. Neue Musikrichtungen, unzählige neue Bands, die aus der Szene entstanden und ein unbändiger Hunger nach einer düsteren Alternative zum quietschbunten Wummern der Techno-Szene formen die Szene in diesem Jahrzehnt. Die Band Charitona ist so ein Spross dieser Zeit. Zum 25-jährigen Jubiläum ihres Albums „Fürst der Finsternis“ hat man eine Remastered-Version herausgebracht, wie man uns mitteilte. Ich bat die Band, uns von ihren 90er-Jahren zu erzählen, denn das Jahrzehnt ist eine dunkle Ära, in der vielen Bands im Dunkeln geblieben sind und der Underground blühte. Hagen Flemming nimmt uns auf eine Zeitreise in die frühen 90er-Jahre mit und erzählt von einer faszinierenden Zeit, in der Romantik, Mystik und Vergänglichkeit zum Szene-Puls gehörten und nicht nur Begriffe auf einer schwarzen Verpackung waren.
[lwptoc]Die Entstehung von Charitona: Eine besondere Zeit
In den frühen 90ern erlebte die Gothic-Szene in Deutschland ein Revival durch den Mauerfall und die Wiedervereinigung. Man sagte nicht Goth, sondern Grufti, und die Szene hatte einen besonderen Hang zum Mystischen und Finsteren. Friedhöfe, alte Kirchen, Vampirgeschichten und rüschenbesetze Romantik waren nicht nur Klischeevorstellungen, sondern durchaus angesagt. Bands wie „Das Ich“ und „Goethes Erben“ trafen mit ihrer morbiden Todessehnsucht den Nerv der Zeit. Gerade in Berlin schien vieles möglich. Neue Kulturräume entstanden und man konnte sich ganz unbedarft ausprobieren. So auch wir, Dörthe, Jacky und Hagen. Noch jung an Jahren und musikbegeistert, gründeten wir eine Musikgruppe, zunächst noch unter wechselnden Namen wie „Die Besinnlichkeit“ oder „Diener der Musik“, später dann dauerhaft „Charitona“. Unser erstes Equipment bestand nur aus einem Keyboard, einem Mikrofon und einem Kassettenrecorder als Aufnahmegerät. Das reichte aus, um unserer Liebe zu romantisch düsteren Klängen Ausdruck zu verleihen.
Die Musik war entsprechend minimalistisch, rein elektronisch, mit klassischen Stilelementen. Darüber thronte der Mezzosopran von Dörthe, die damals an einer Musikschule klassischen Gesang erlernte. Obwohl wir inhaltlich ähnliche Themen hatten, wollten wir uns von den NDT-Bands insofern abgrenzen, als dass wir unsere Texte nicht in Rezitativen vortrugen. Wir favorisierten den Gesang, da er für uns weitaus harmonischer Text und Musik verband. Der allererste Song, der so entstand, hieß „Der Vampir“ und handelte von einer einsamen und verlassenen Seele als Spiegelbild dieser Zeit, in der sich vor allem viele Ostdeutsche verloren fühlten.
Von Anfang an schwebte uns eine Art Musiktheater vor, denn wir wollten anhand von kleinen Geschichten unsere Musik auch auf die Bühne bringen. Der Weg dorthin war allerdings mit vielen Schwierigkeiten verbunden, denn auch wenn ein Demo-Tape bei dem damals bekanntesten Szene-Magazin Zillo Aufmerksamkeit bei einem gewissen Sven Freuen erregte, waren wir weit davon entfernt, eine professionelle Band zu sein. Unser Selbstvertrauen wuchs aber mit jeder neuen Aufnahme und immer, wenn ein Song fertig war, gingen wir in die „Endstation“, eine kleine Bar gegenüber unseres „Homestudios“, und stießen mit Dracula an. So hieß ein Ingwer-Likör, den man stilgerecht aus Reagenzgläsern trank. In den Nächten waren wir auch in der Berliner Szene unterwegs, besuchten Konzerte auf der Insel in Treptow, gingen in den „Lifeclub“ im Friedrichshain oder statteten dem Belvedere in Potsdam einen Besuch ab, das damals noch eine verwunschene Ruine war.
Für unser erstes Liveprogramm hatten wir drei Schauspieler und eine Regisseurin engagiert, die uns dabei unterstützen sollten, die Geschichte einer jungen Frau auf die Bühne zu bringen, die allein in ihrer Kammer sitzt und in ihrem Tagebuch blättert. Dabei sollten ihre Erinnerungen Gestalt annehmen und als unheilvoller Dämon, als liebende Mutter und als kindlicher Pierrot die Sehnsüchte und Zweifel der jungen Frau widerspiegeln. Zu jeder Probe stimmten wir uns mit Musik und verschiedenen Schauspielübungen ein. Eine dieser Übungen bestand darin, sich paarweise gegenüberzusetzen und sich tief in die Augen zu blicken, ohne zu lachen. Wie sich herausstellte, war das gar nicht so einfach. Das eigentliche Programm zeichneten wir stets mit einer Videokamera auf, um im Nachhinein eine objektivere Kontrolle über die einzelnen Szenen zu haben. Dabei erkannten wir schnell die Grenzen unserer Fertigkeiten. Später wurde dann die Regisseurin über einen längeren Zeitraum krank und wir brachen frustriert die Proben ab.
Das erste Album von Charitona: „Der Fürst der Finsternis“
1994 lernten wir Andreas Starosta kennen, der damals der Herausgeber des Black Books war, eines Musikmagazins in Postkartengröße, das sich inhaltlich mit Rezensionen und Veranstaltungstipps befasste und das in den Berliner Clubs zu haben war. Mit Andreas nahmen wir die neuen Songs erstmals digital auf und lernten den Umgang mit der Software „Cubase“ kennen. Mitte des Jahres veranstaltete Andreas wieder eine seiner „Vampirella Overdrive Partys“ und Charitona sollte als kleine Einlage mit einem Minikonzert aufwarten. Jacky hatte die Idee, eine musikalische Performance daraus zu machen, was wieder ein Schritt in Richtung Musiktheater sein sollte, wie es uns ursprünglich bei unserem ersten Programm vorschwebte. Wir spielten zum ersten Mal vor einem einschlägigen Szenepublikum und wussten aus eigener Erfahrung, wie intolerant es gerade in Berlin zugehen konnte.
Aber die Resonanz war, wider Erwarten, gut. Das bestärkte uns, wieder an einem längeren Bühnenprogramm zu arbeiten. Wir alle liebten die Vampirchronik von Anne Rice und so war die Idee geboren, um die ersten drei Bände ein Konzept zu entwickeln. Jacky hatte uns im FEZ in der Wuhlheide einen Proberaum organisiert, in dem wir die neue Musik auf uns wirken ließen und uns nach und nach kleine schauspielerische Handlungen ausdachten, um den Zuhörern unsere Empfindungen und Gedanken, die wir beim Lesen der Vampirchronik hatten, zu vermitteln. In den eisigen Wintermonaten fuhren wir jeden Dienstag raus ins FEZ, wo wir unser Programm „Fürst der Finsternis“ probten.
Zunächst hatten wir nur einen engen Raum in einer Baracke, in der auch andere Bands ihr Können lautstark auf Schlagzeug und E-Gitarre zu Gehör brachten. Für uns, deren Musik dagegen kläglich leise aus einem Kassettenrecorder kam, war es kaum möglich, in die mystische Stimmung unseres Programms einzutauchen, konnten wir doch das Gewummer der anderen Bands kaum übertönen. Schließlich bekamen wir im Hauptgebäude einen größeren Raum und kamen von da an gut voran. Für den geplanten Auftritt ließen wir uns von einer Maskenbildnerin Federmasken anfertigen, ähnlich denen, die wir im Film „Farinelli“ gesehen hatten. Unser Live Programm führten wir in Berliner Off-Theatern auf. Das waren genau die richtigen Orte, um eine intime Atmosphäre zu schaffen. Die Besucher konnten sich zurücklehnen und in unsere Welt auf der Bühne eintauchen.
Wir hatten für „Fürst der Finsternis“ 13 Lieder geschrieben, genug Material, um ein Album aufzunehmen. Am 8. März 1997 war es dann so weit. Die Musik war komplett und wir zogen für drei Tage ins „Studio Schönhauser“.
Julius Krebs, der Inhaber des Tonstudios, eilte zwischen Mischpult und Mikrofon hin und her, entwirrte in Windeseile elektronische Kabel und tippte auf dem digitalen Aufnahmegerät herum wie auf einer Schreibmaschine. Wir blickten besorgt zu Dörthe hinüber, die auf der anderen Seite des Glasfensters stand und uns nicht hören konnte. Die ersten Töne von „Wolfskiller“ schallten durch das kleine Studio. Man konnte sich schlecht der Stimme von Dörthe entziehen. Wenn ihr warmer Klang durch den Raum schwebte, war es, als führte ihre Stimme ein Eigenleben. Dieser Live-Moment war immer etwas Besonderes.
Für die Aufnahme des Gesangs brauchten wir fast zwei Tage, danach nahmen wir noch zwei akustische Instrumente auf. Jacky spielte die Schellen bei „Verführung“, während Dörthe bei „Jene, die bewahrt werden müssen“ noch einen Part mit der Violine einfügte. Die restliche Zeit brauchten wir für die Abmischung. Wir hörten bestimmt ein Dutzend Mal alle 13 Lieder rauf und runter. Kopfschmerzen stellten sich ein und der Zeitpunkt, an dem wir unsere eigene Musik nicht mehr hören konnten, war längst erreicht. Die CD wurde im Zillo vorgestellt und durch den Verkauf kamen bald mehr Besucher in unsere musikalischen Theatervorführungen. Manchmal war der Andrang größer als die Besucherkapazität der Zuschauerräume. In solchen Fällen mussten wir die Leute leider auf das nächste Mal vertrösten.
Night of no Light – Unschöne Einblicke ins Musikbusiness
Ein Anruf von Andreas Starosta sollte uns die Möglichkeit geben, in einem größeren Rahmen aufzutreten. Er hatte die Idee eines „Night of no Light“-Festivals mit anschließender „Black Book“-Party und wir ließen uns darauf ein, als eine der Vorbands von „Goethes Erben“ aufzutreten. Das Ganze sollte am 7. Mai 1997 in den BKA-Zelten in Berlin über die Bühne gehen. Nach unserer Zusage lernten wir auch den Veranstalter kennen, der die Aufgaben eines Managers übernahm und uns in den nächsten Monaten ein paar unschöne Einblicke ins Musikbusiness gewährte.
Er wollte uns in nur drei Monaten berühmt machen. Lächelnd und erstaunt über die Kühnheit seiner Aussage fuhren wir am 22. März ins BKA-Haus zu einem Interview mit der BILD-Zeitung.
Es war das erste Interview der Band, und unvorbereitet, wie wir waren, trafen wir auf eine ebenso unvorbereitete Journalistin, die im Verlauf des Gesprächs zwanghaft nach einem Aufhänger suchte, um uns als Story vermarkten zu können. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, wir würden über die Grufti-Szene berichten, über Friedhöfe und schwarze Messen. Da wir aber damit nicht dienen konnten, blickte sie ziemlich ratlos unter ihren blonden Locken hervor, zog einen Schmollmund und überlegte, was sie uns sonst noch fragen könnte. Die Frau hatte keinerlei Ahnung von Musik.
Im Zuge des geplanten Festivals versuchte uns unser Manager in der Presse und in Veranstaltungsflyern zu platzieren. Wir hatten keinerlei Kontrolle darüber und waren mit seiner Auswahl auch nicht immer einverstanden. Den Tiefpunkt hatte er nach unserer Auffassung erreicht, als unser Band-Foto in verschiedenen Kulturinfos und Stadtzeitschriften unter dem Namen „Goethes Erben“ erschien. Wir vermuteten sogar, dass er die Fotos absichtlich vertauscht hatte, um eine größere Werbewirksamkeit zu erzielen.
Schließlich war der Tag da, an dem wir bei dem Festival auftreten sollten. Nach einigem Herumirren fanden wir schließlich einen Zugang zum Veranstaltungsraum, in dem sich schon die Techniker und Bühnenarbeiter zwecks Soundcheck aufhielten. Dann tauchte auch der Veranstalter auf und teilte uns mit, dass wir doch lieber einen Titel weniger spielen sollten, was wir ihm zusicherten, aber dann doch nicht taten. Dörthe stand inzwischen auf der Bühne, die mit einem großen Schlagzeug fast zugebaut war. Überall lagen dicke zusammengerollte Kabel herum, ein Lichttechniker war damit beschäftigt, mit einer Leiter die Scheinwerfer zu richten.
Als Dörthe dann inmitten dieses geschäftigen Treibens anfing zu singen, wandten alle der Anwesenden überrascht den Kopf. Damals war es im Gothic-Bereich noch ein Novum, eine klassisch ausgebildete Stimme zu vernehmen. Erst später sollte sich das immer mehr etablieren. Oswald Henke stand schon eine ganze Weile vor der Bühne und lauschte versunken der Musik. Was in ihm vorging, konnte man nur erahnen. Seitdem unser Manager verschwunden war, schien sich niemand mehr um uns zu kümmern. Also nahmen wir alles selbst in die Hand, erklärten die kleine Nische hinter der Bühne zu unserem Umkleideraum und bereiteten uns so gut es ging auf unseren Auftritt vor. Pünktlich um 21 Uhr gingen wir raus auf die Bühne. Wir hörten vereinzelte Lacher im Publikum, wahrscheinlich wegen unserer aufwendigen bunten Federmasken, die sich kontrastreich von den überwiegend schwarzgekleideten Zuschauern abhoben.
Der Techniker teilte uns mittels Handzeichen mit, dass es erst in fünf Minuten losgehen sollte. Der Grund dafür war klar: Der Einlass war noch im vollen Gange und draußen warteten noch Besucher darauf, ins Zelt zu gelangen. Also verließen wir wieder die Bühne. Nach ein paar weiteren Einsatzschwierigkeiten absolvierten wir dennoch unser kurzes Programm. Bis auf einen Unverbesserlichen im Publikum, der versuchte, Dörthes Gesang nachzuahmen, hatten wir den Eindruck, dass wir die Mehrzahl der Zuschauer erreicht hatten. Aber wir waren uns auch einig, dass wir den „Fürst der Finsternis“ vor so einem großen Publikum nicht mehr aufführen wollten. Der intime Zauber, der sonst immer bei unseren Theateraufführungen zu spüren war, ging hier im BKA-Zelt natürlich vollkommen verloren. Wir absolvierten noch ein Radio-Interview, dann war die Zusammenarbeit mit dem Veranstalter vorbei.
Eiskalter Charitona Videodreh in einer bäuerlichen Ruine
Ein paar Wochen später fuhren wir mit ein paar Freunden nach Brandenburg aufs flache Land, um in einer abgelegenen Ruine ein Musikvideo zu dem Song „Gebet an Pierrot“ zu drehen. Als wir schließlich inmitten weiter Felder die Ruine gefunden hatten, waren wir zunächst enttäuscht. Das Gemäuer erwies sich als ehemaliges Bauerngehöft und war zudem noch von Brennnesseln und anderen Pflanzen überwuchert.
Auf dem einzigen Trampelpfad, der sich von den Mauerresten des Hauses zu einem verwitterten Brunnen schlängelte, lag ein toter Vogel und in der Mitte des Hofes befand sich eine Morast-artige Vertiefung. Aber nachdem wir ein paar Möglichkeiten gedanklich durchgespielt hatten, begannen wir, den Transporter zu entladen und die Lichttechnik aufzubauen. Leider wurden wir immer wieder von gewittrigen Regenfällen überrascht und kamen nur langsam voran. Wir hofften, dass es wenigstens in der Nacht trocken blieb, denn mit dem Einbruch der Dunkelheit wollten wir mit dem Dreh beginnen.
Es wurde eine sternenklare, aber eiskalte Nacht, und durchnässt, wie wir alle waren, hüllten wir uns in warme Wolldecken, die wir glücklicherweise dabeihatten. Wir hatten eine Art Drehbuch verfasst, an das wir uns ungefähr hielten, aber während des Drehs kamen wir auch auf spontane Einfälle. Eine gute Hilfe war der Monitor, auf dem wir die Kameraeinstellungen sofort für jeden sichtbar machen konnten. Als es am Morgen langsam heller wurde, hatten wir über zwei Stunden Filmmaterial zusammen, das nun nur noch zu einem Musikvideo zusammengeschnitten werden musste. Bis heute blieb es das einzige Musikvideo, das von Charitona selbst initiiert wurde.
Das Ende von Charitona: Gemeinsamer Drift zu neuen Ufern
Kurz danach flatterte ein Brief von unserem ehemaligen Manager ins Haus. Er schrieb über ein erneutes Projekt mit Goethes Erben namens „Kondition Macht“, das er zu Ostern 1998 im BKA-Zelt aufführen wollte, und dass er sich wieder eine Zusammenarbeit mit Charitona vorstellen könnte. Keiner von uns schien begeistert zu sein, aber wir arbeiteten gerade an unserem neuen Konzept „Dornröschens Erwachen“ und sahen eine Möglichkeit, es dort vorzustellen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir allerdings nur vage, wie dieses Konzept aussehen sollte. Wir hatten uns musikalisch voneinander entfernt, Jacky wollte etwas in Richtung Nikolas Lenz, Dörthe wollte modernere Einflüsse wie Drum ‘n‘ Bass oder Jungle, Hagen wollte die Musik vor allem tanzbarer. Wir verzettelten uns immer mehr und kamen letztlich zu keinem wirklichen Ergebnis. Auch eine Zusammenarbeit mit einer befreundeten Band konnte da nichts mehr ausrichten, zu verschieden waren die jeweiligen Arbeitsweisen. Ein letztes Konzert mit „Fürst der Finsternis“ gab es noch im Theater im Kino, aber obwohl ausverkauft, verlief das Konzert nicht besonders gut.
Wir spürten, dass die Luft raus war, und waren gedanklich nicht bei der Sache. So drifteten wir, ohne es gleich zu merken, auseinander und wenngleich es niemand aussprach, wusste wahrscheinlich jeder von uns, dass die Zeit mit Charitona vorbei war. Heute blicken wir auf diese Zeit mit Dankbarkeit zurück und freuen uns, wenn wieder mal aus irgendeiner Ecke der Welt eine Nachfrage nach unserem Album „Fürst der Finsternis“ kommt.
Charitona – 25 Jahre „Fürst der Finsternis“ Album
Besonders der Song „ Wolfskiller“ mauserte sich zum heimlichen Klassiker, da er über all die Jahre immer wieder mal in den einschlägigen Radiosendern für dunkle Musik gespielt wurde und auf verschiedenen Samplern zu finden ist. Das brachte uns auch auf die Idee, das Album noch einmal in einer erweiterten Jubiläumsauflage nach 25 Jahren neu aufzulegen. Die Songs nach all dieser Zeit wieder zu hören, war seltsam, aber auch wie die Begegnung mit einem alten Freund, den man lange nicht mehr gesehen hat. Es war uns ein besonderes Bedürfnis, dieses besondere Album aus einer besonderen Zeit noch einmal auferstehen zu lassen. Zufällig fiel es auch mit der Neuverfilmung der Vampirchronik zusammen, die vor Kurzem in Amerika als TV-Serie gestartet ist. Im Orkus-Magazin gab es einen kleinen Bericht über das Jubiläum, und auch auf unserer Charitona-Facebook-Seite wurde ein bisschen gefeiert.
Im Zusammenhang mit dem Jubiläum wurden wir oft gefragt, ob wir uns nach all den Jahren wieder eine Zusammenarbeit vorstellen könnten. Das ist zwar schmeichelhaft zu hören, aber die Zeit von damals kann man nicht mehr zurückholen. Es gibt in der Jugend nur ein kurzes Zeitfenster, in dem man besonders kreativ ist und die Dinge aus einem besonderen Blickwinkel angeht. Die Empfindsamkeit, mit der wir solch schwierige Themen wie Selbstfindung, Liebe, Trauer und Tod verarbeiteten, ist in dieser Weise nicht wiederholbar.
Charitona würde wohl heute ganz anders klingen. Seit der Trennung von damals haben wir alle auch unterschiedliche künstlerische Wege eingeschlagen. Jacky Holan ist erfolgreich mit ihrem Berliner Fotokunst-Projekt Opalicon unterwegs und Hagen Flemming schreibt und zeichnet Comics. (Hier kann sein Comic-Album „Krocht“ anschauen). Nur Dörthe Flemming ist der Musik treu geblieben und führt Charitona mit ihrem musikalischen Projekt „Bacio di Tosca“ fort. Wir alle sind aber nach wie vor freundschaftlich verbunden und sehen uns auch manchmal, wenn es sich ergibt.
- Die Jubiläums-CD inklusive umfangreichen Booklet könnt ihr bei Ebay erwerben
- Bei Amazon und Spotify kann man das Album auch mit einem entsprechenden Abo streamen
- Bei Facebook könnt ihr ein „Gefällt mir“ dalassen.
Die Band sagte mir – als Berlinerin und in den 90ern sehr aktiv in der Szene unterwegs – erstaunlicherweise überhaupt nichts. Musikalisch spricht sie mich jetzt auch nicht so wirklich an, aber das ist ja Geschmackssache. Interessant finde ich das Konzept mit der Verbindung von Theaterperformance und Konzert.
Wie mir Hagen Flemming (von der Band) mitteilte, war das auch eine Form von Absicht, denn man hat selbst eine Einladung zu einem frühen WGT ausgeschlagen und auch sonst wenig unternommen und aktiv wahrgenommen zu werden. Daher dürfte es nicht wundern, wenn Dir die Band unbekannt geblieben ist.
Vielen Dank für den Bericht, tatsächlich sind mir Bacio di Tosca und Charitona bekannt, aber ich habe auch viel dazu gelernt. Genau wegen solchen Beiträgen lese ich Spontis gerne, bitte mehr davon. Vielen Dank für den Bericht!
Wir werden uns bemühen, weitere Perlen auszugraben. Mir macht es auch immer sehr viel Spaß, solchen Dinge auszugraben!
Danke für die Info’s :-) , CD bestellt und heute angekommen , Zeit zum reinhören , dunkle Grüße
Ich kann nur zustimmen: Die Jugend ist ein kurzes Zeitfenster, in der eine besondere Kreativität viel zu bewegen vermag! Ein wunderschöner Bericht, der mir gerade meinen Novemberabend versüßt.
Ein wirklich sehr schöner Bericht und hat mich sofort angesprochen. Leider war mir die Gruppe nicht bekannt. Beim reinhören trifft es aber meinen Geschmack. Besonders die Fotos zu dem Bericht sind ein Augenschmaus. Man verliert sich hier direkt in der Zeit, wo noch mehr Romantik, Mystik und Vergänglichkeit thematisiert wurde. Traumhaft. Bacio di Tosca habe ich damals als Vorband von Qntal mal live erleben dürfen und mir gleich nach dem Konzert eine CD gekauft. Mir hat sie damals sehr gut gefallen.
Das eine Zusammenarbeit von Charitona in dieser Art nicht mehr möglich ist, kann man nachvollziehen. – Aber auch schade…
Hatte inzwischen auch mal die Zeit in Ruhe reinzuhören. Weiß durchaus zu gefallen. Hatte von der Band auch noch nie gehört, hier hat also Spontis – mal wieder ;) – meinen Horizont erweitert!
(Habe zwar die dunklen 90er in den 2000ern teilweise musikalisch nachgeholt, aber das umfasste natürlich eher die üblichen Verdächtigen: Die Erben, Das Ich, Lacrimosa, Relatives Menschsein – Misantrophe und Gottesfinsternis waren die weniger bekannten… aber Charitona war mir jetzt bis 2022 wirklich völlig unbekannt.)
…und so Anekdoten aus erster Hand bez. etwas impovisierter Videodrehs o.ä. lese ich immer wahnsinnig gerne – Einfach authentisch durch und durch. 8)