Einigen Smartphone-Enthusiasten wie mir ist bereits vor dem WGT 2024 aufgefallen, dass der fast schon obligatorische WGT-Guide nicht mehr mit Updates befüllt wurde. Für dieses Jahr musste der Faltplan herhalten, der leider aufgrund seines farblichen Designs und der Anfälligkeit für Wind nicht wirklich gut nutzbar war. Doch was ist mit dem WGT-Guide passiert? Wurde die seit über 10 Jahren – in meinen Augen – beste App für die Festivalplanung in Leipzig eingestellt?
Wir haben mit Tobias, dem Menschen hinter dem Guide, gesprochen.
Tobias ist seit über 20 Jahren, mit Ausnahme der Corona-Jahre auf dem Wave-Gotik-Treffen unterwegs, arbeitet in einer Digital-Agentur und hatte in seiner Freizeit Lust, eine Smartphone-App zu entwickeln, mit der er beruflich nichts zu tun hat.
Spontis: Den WGT-Guide als Handyapp gibt es mittlerweile seit 2011. Wie kam es dazu, eine solche App zu entwickeln?
Tobias: Tatsächlich gibt es die App bereits seit 2011. Die Idee kam mir, als ich, wie so viele WGT-Besucher:innen damals versuchte, mir mit langen Listen und Ausdrucken einen Überblick über das Programm zu verschaffen. Das erschien mir schon damals unzeitgemäß – obwohl Smartphones, wie wir sie heute kennen, damals noch eine Rarität waren. Tatsächlich konnte ich die erste Version der App auf meinem eigenen Handy gar nicht nutzen, als ich anfing sie zu entwickeln und musste mir ein Gerät von einem Bekannten leihen, um sie zu testen. Ziemlich verrückt eigentlich, wenn man heute darüber nachdenkt :) Vielen WGT-Gänger:innen ging es damals ähnlich, daher war das Interesse an der App in ihrem Debüt-Jahr 2011 noch recht verhalten. Aber das sollte sich bald ändern.
Über die Jahre hast du die App stets weiterentwickelt und Userfeedback berücksichtigt, was mit über 10000 Downloads honoriert wurde. Wie lange sitzt man eigentlich an so einer App und seiner Befüllung?
Ich kann nicht mal grob einschätzen, wie viel Zeit über die Jahre in die Entwicklung geflossen ist. Aber da sind sicher einige tausend Arbeitsstunden zusammengekommen. Zum einen wurde die App von Jahr zu Jahr weiterentwickelt und verbessert. WGT-Guide sollte mehr sein als nur eine Programm-App. Sie sollte auch zur Vernetzung beitragen. Über die Verbindung zu Facebook konnten App-Nutzer:innen sehen, für welche Veranstaltungen sich ihre Freund:innen interessierten und in welchen WGT-Locations sie zuletzt „eingecheckt“ hatten. Ich glaube, diese Funktion hat ganz wesentlich dazu zur Beliebtheit der App gegenüber anderen Lösungen beigetragen.
Hinzu kam die jährliche Befüllung der App mit hunderten von Künstler:innen und Programmpunkten. Es war schon immer mein Anspruch, einen kompletten Überblick über das schwarze Pfingstprogramm in Leipzig zu vermitteln, denn das WGT lebt ganz wesentlich von der Kreativität seiner Besucher:innen und gerade die vielen inoffiziellen Programmpunkte und Treffen machen meiner Meinung nach den Charme des Treffens aus. Daher wurden von Anfang an auch inoffizielle Events in die App aufgenommen, was allerdings für zusätzliche Arbeit und auch die eine oder andere Nachtschicht sorgte.
In diesem Jahr gab es überraschend keine Updates mehr für die App, was ist passiert?
Ich würde sagen, eine Mischung aus Zeitmangel und akuter WGT-Unlust.
Bereits in den letzten Jahren hast du dich immer wieder klar von (Zitat): „rechten und rechtsextremen Inhalten auf dem WGT“ distanziert und Acts, die einen entsprechenden Hintergrund hatten oder solchen Inhalten eine Bühne boten, aus der App entfernt. Immer, wenn man solche Dinge anspricht, werden die Rufe laut, man müsse das WGT boykottieren, wie siehst du das?
Das WGT hat eine lange, traurige Tradition rechter Vereinnahmungsversuche. Bands mit klarem Bezug zur rechten Szene sind dort über die Jahre ebenso zu einer Selbstverständlichkeit geworden wie der Bücherstand des VAWS-Verlags, der schon vor vielen Jahren vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurde und dennoch Jahr für Jahr seinen Stammplatz in der Agra-Markthalle einnehmen darf. Vor dem Hintergrund sorgte die Ankündigung von Lisa Eckhart letztes Jahr zwar für kurze Empörung, sollte aber eigentlich keinen Menschen überrascht haben. Im Gegenteil: Von allen Comedians dieser Welt ausgerechnet, eine Künstlerin einzuladen, die ihr Geld
damit verdient, öffentlich gegen alles und jede:n zu hetzen, das dem rechtskonservativen BILD-dir-deine-Meinung-Publikum gegen den Strich geht, passte leider nur zu gut ins Bild.
Wenig überraschend warb letztes Jahr vor allem der VAWS-Stand mit zahlreichen Plakaten für Eckharts Auftritt. Dieses Jahr trat sie als einer der Haupt-Acts in der Agra-Halle auf. Viele WGT-Besucher:innen scheinen sich damit abgefunden zu haben oder schauen gezielt in die andere Richtung. Nach dem Motto: Mach dir nichts draus, so ist das eben hier im Osten. Mir fällt das zunehmend schwer. Vor dem Hintergrund steigender rechter Tendenzen in unserer Gesellschaft ist es heute so wichtig, klare Kante gegen rechts zu zeigen – auch auf einem Gothic-Festival, das immer wieder vorgibt, unpolitisch zu sein.
Die Frage, ob Menschen das WGT boykottieren sollten oder nicht, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Aber wer sich ein Ticket kauft, sollte sich zumindest bewusst sein, dass er damit eine Organisation unterstützt, die rechten Gruppierungen und Narrativen gegenüber alles andere als abgeneigt ist, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Du hast angesprochen, dass der Zeitaufwand für die Pflege einer solchen App enorm ist, wäre es eine Option das Projekt auf mehr Schultern auszulagern?
Tatsächlich war ich in den letzten Jahren schon mehrmals im Gespräch mit Menschen, die
Unterstützung angeboten hatten. Leider ging daraus bislang keine Zusammenarbeit hervor. Eine WGT-App ist eben ein zeitaufwändiges Hobby und nur wenige Menschen sind dazu bereit, dafür einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Freizeit zu opfern. Mitunter gab es auch kommerzielle Angebote, allerdings wäre es mir lieber, wenn WGT-Guide ein unabhängiges Community-Projekt bleiben würde.
Wie sieht die Zukunft der WGT-App aus? Wird es 2025 weitergehen?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen benötigt die App dringende Updates für deren Umsetzung ich bisher keine Zeit fand. Dann braucht es Unterstützung, denn aus eigenen Kräften will und kann ich das Projekt nicht mehr stemmen – was unter anderem der Tatsache geschuldet ist, dass der Großteil der vielen hundert Programmpunkte noch immer händisch zusammengetragen werden muss, da es keine zentrale Datenquelle gibt.
Am Ende bleibt aber die Frage, ob ich weiterhin meine Freizeit opfern will, um ein Festival zu unterstützen, das sich nicht klar nach rechts abgrenzt und dessen Inhalte teilweise äußerst problematisch sind. Zumindest dieses Jahr habe ich diese Frage mit einem klaren Nein beantwortet.
Ein Bericht der einen noch mehr zum Thema WGT ins grübeln bringt. Und vielleicht sollte der ein oder andere auch mal langsam mit dem grübeln anfangen.
Nun, ich glaube zu wissen, worauf dein Kommentar zielt. Doch ich bleibe dabei: Ich finde, durch stete Kritik (wie sie auch Tobias hier äußert) das WGT von innen heraus zu verändern, ist für mich die deutlich bessere Wahl. Auch den Besuch Leipzigs zu Pfingsten will ich mir nicht entgehen lassen.
Ich „grübele“ über dieses Thema bereits seit Jahren.
Vielleicht liegt es auch an mangelnden Alternativen. Die beiden anderen „großen“ Festivals glänzen durch die ewig langweiligen Line-Ups (zumal sich das Amphi mit And One auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert) und kleine Festivals sind zwar toll und familiär, üben aber keine überregionale Strahlkraft aus. Das Gespräch mit dem australischen Grufti, der zum Spontis-Treffen 2024 gekommen ist, würde es dort sicherlich nicht geben. Da heißt es: Freunde und Bekannte treffen, die man sowieso schon kennt. Darin ist nichts falsch, keine Frage, aber es „vereint“ die Szene nicht so sehr, wie das WGT.
Also was tun? Grübeln und frusten? Oder zumindestens nach Leipzig kommen? Klar, das ist teuer geworden, seit die Hotelpreise so explodiert sind. Aber es gab auch in diesem Jahr noch „günstige“, andere Zimmer.
Ich stelle die Frage abermals und vor allem Dir, weil ich weiß, dass du weiter denken kannst als der gewöhnliche Facebook-Schimpf-Kommentator.
Wo soll die Reise hingehen? Es ist absolut legitim, sich in seine Bubble zurückzuziehen und seine Zeit als Grufti zu genießen. Die Szene und ihre Entwicklungen links liegenzulassen und sich in seiner Melancholie feiern. Daran ist NICHTS falsch.
Doch das ist nicht mein Weg, weil ich die Szene als ein lebendiges, sich veränderndes und zu schützendes Gut betrachte. Und ich finde es toll, wenn die einmal im Jahr aus ALLER Welt in Leipzig zusammenkommt. Ich möchte dafür kämpfen, dass es so bleibt und besser wird. Das WGT ist in vielen Dingen schon „zahmer“ geworden, wie ich finde und irgendwann, ja, irgendwann haben wir auch den beschissenen Bücherstand rausgeekelt.
Was ist dein Weg?
Das du darüber nachgrübelst steht nicht in Frage. Wir reden ja schließlich oft genug darüber. Mein Kommentar geht eher in die Richtung Veranstalter. Wo will man in Zukunft hin, und wie will man sich der Öffentlichkeit präsentieren? Schweigen ist, glaube ich keine Option mehr. Schwurbelverlage machen Werbung für umstrittene Veranstaltungen um noch mehr zu provozieren und Ultra-Rechte Medien Berichten auf YT über friedlich feiernde Gothics während die Linken randalieren. Es wird alles immer mehr von politischen Gruppen vereinnahmt und so vertreibt man Leute. Alles einfach weiter so laufen zu lassen ist meiner Meinung nach der absolut falsche Weg. Und die Angabe von 18.000 Besuchern ist auch nebulös. Wieviel haben davon wirklich noch ein Ticket und welche kommen mal für eine Tag zum Schaulaufen oder kucken? Mein Eindruck: Immer mehr Leute fahren ohne Bändchen nach Leipzig, machen ihr eigenes WGT und feiern zum Beispiel das Viktorianische Picknick als Höhepunkt des Treffens. Obwohl es gar nicht zum offiziellen Teil gehört. Man geht zu Nebenveranstaltungen wir GPP, Dark Affair oder freie Lesungen. Ich möchte auch nicht, dass das WGT den Bach runter geht und ich werde bestimmt auch mal wieder hinfahren. Trotzdem bleiben immer diese Grübeleien was so manche Aussagen und Tätigkeiten sollen. Und für mich ist es auch nur noch eine Frage der Zeit bis die Medien sich auf das Festival stürzen und mal genauer hinterfragen warum Leute in WH Uniformen rumlaufen und warum rechte Verlage dort Stände haben. Und wenn es dann keine vernünftigen Auskünfte vom Veranstalter gibt werden sich die Medien diese selber suchen. Und da hab ich echt keinen Bock drauf. Das kennt man schon zu genüge aus den Endachtzigern und Anfangneunzigern wo jede Woche irgendwo ein Kamerateam stand und „Satanisten“ filmte.
Um das Nebulöse zu „lüften“ 18.000 ist die Zahl der Besucher mit Tickets. Ich glaube, die tatsächliche Anzahl der Besucher in der Stadt lag deutlich höher. Allein das VicPic war knüppelvoll und auch das heidnische Dorf chronisch überlaufen.
Das war doch schon immer so, oder nicht? Sagst es ja selber: In den 90er waren wir Satanisten, dann nach Sondershausen und Wittenberg latente Mörder. Später dann waren wir alle Fetischisten, Pferde und Latexsklaven. Die Medien machen sowieso was sie wollen, egal ob der Veranstalter nun vernünftige Auskünfte gibt oder nicht. Wenn die eine Geschichte wittern, dann wird die auch gemacht.
Allerdings könnte ein gewisser Druck auch von dieser Seite bewirken, dass man seitens des WGT zumindest die Grenzen absteckt. Deshalb ist ein wenig Druck nicht verkehrt, wie ich finde.
Das WGT ohne Bändchen zu besuchen, erhöht den Druck nochmals. Allerdings ist hier die Gefahr, die Basis der jährlichen Zusammenkunft zu torpedieren. Ohne das WGT würden die Nebenveranstaltung wohl auch nicht langfristig existieren können, oder?
Einigen wir uns auf den Nenner, dass KEINE Haltung 2024 keine gute Idee mehr ist. Da muss man als Festival-Betreiber schon mal eine Agenda raushauen, da gehe ich völlig mit Dir.
Ich denke optimistisch. Es wird und muss Veränderungen geben und irgendwann wird der Veranstalter das einsehen müssen oder scheitern.
Meines Erachtens geht die Reise momentan mehr in Richtung Vielfalt und immer weiter weg vom kommerziellen WGT. Die WGT-Idee funktioniert sozusagen als Fraktal und breitet sich autonom immer weiter aus. Dass der Veranstalter auf dem falschen Pfad ist zeigen die Kartenverkaufszahlen, die seit Jahren sinken. Heuer war die Agra für mein Empfinden erschreckend leer, die Markthalle füllt sich nur noch zu zwei Dritteln mit Ständen. Hingegen war der bändchenfreie „Dark Affair“ gestopft voll und viele qualitativ hochwertige Handwerkskünstler:innen waren genau dort zu finden und nicht auf der Agra.
Es gibt immer mehr Veranstaltungsorte, an denen WGT-Veranstaltungen stattfinden, die aber nicht unter der Bändchen-Knute laufen. Ob das Schauspiel nächstes Jahr noch einmal beim kommerziellen WGT mitmacht, ist die Frage. Wenn es wegfällt, fällt damit auch ein wichtiger Veranstaltungsort für die schwarzromantische Rubrik weg und täte dem Veranstalter schmerzhaft weh.
Wir hatten heuer den (mir bis dahin noch unbekannten) Studentenclub „TVClub“ aufgetan, in dem dann am Sonntag ganztags bei den „Waldgesängen“ fünf Bands aufspielten, die das schwarzromantische Herz mit tiefer Freude erfüllt haben dürfen. Und dies ganz ohne Beisein von Strammstehern und Patriotenidioten. <3
Es gibt immer mehr Menschen, die feststellen, dass auch ohne Bändchen ein WGT existiert. Denn es ist eine Idee, die von vielen getragen wird, nicht nur von einer Veranstaltungs-mbH. Das beobachte ich jedes Jahr wieder und daran glaube ich zutiefst.
Und um zur WGT-App zurückzukommen: Ich finde Tobias hat diese Entwicklung exakt mit seiner App wiedergespiegelt und zwar indem er alle Veranstaltungen (Bändchen und Bändchenfreie) aufgenommen hat. UND indem er Kram wie die Eckhardt aussortiert hat, was ich nach wie vor knorke finde.
Ich hoffe sehr, er findet den Mut weiterzumachen, denn er setzt damit auch ein Zeichen und fördert damit das autonome, freie WGT, sprich die Idee selbst.
Ja, das ist auch meine auf Erfahrung beruhende Sichtweise. Für Menschen aus Australien beispielsweise ist das schwarze Dasein in ihrer Heimat viel schwieriger als bei uns, wie auch ich in einem Gespräch erfahren habe. Ich habe gehört, wie wichtig für sie das WGT ist. Wie sie gibt es viele schwarze Seelen, die nach Leipzig kommen und froh sind, wenn sie auf andere schwarze Seelen zum Andocken treffen. Genau dieser Möglichkeit würden sie aber beraubt werden, wenn der berechtigte Ekel vor Kackbraun zu viele zum verständlichen und natürlich auch berechtigten Rückzug veranlasst. Ich fürchte nämlich, dass genau dieser Rückzug dazu führen könnte, eben jenen, die diese widerliche Farbe unter ihrer schwarz getünchten Fassade verbergen mehr Raum zu überlassen.
Das kann ich natürlich aufgrund mangelnder Erfahrung nicht beurteilen, auch wenn ich einiges über Peinlichkeiten in der Vergangenheit gelesen habe. Genau deswegen ist es ja auch wichtig, dass Leute die den größeren Überblick haben solche Dinge zu kritisieren. Genauso denke ich aber ist auch der Einzelne zur Wachsamkeit aufgerufen, um möglichst zu erkennen, wenn Schwarz als Tarnung missbraucht wird. Damit meine ich, auch mal selber recherchieren, wenn ein Symbol oder eine Band mit ihren Texten mir in dieser Hinsicht verdächtig vorkommen. Ich hoffe, Robert, du hast Recht, und dieser Bücherstand verschwindet wirklich irgendwann!
Ich muß gestehen, dass ich total oldschool bin und mir tatsächlich alle interessanten Acts inklusive Datum, Ort und Uhrzeit auf einen Zettel vermerkt habe und dann angefangen habe mir das entsprechende der Tage zu ordnen. Neumodischen Entwicklungen verwehre ich mich gern und so braucht es für mich noch nicht Mal eine App 🤷🏼♀️. Vor Ort habe ich mir dann noch die entsprechenden Bahnen notiert und per Handy abfotografiert, so dass ich meine Infos bequem bei mir hatte 😁.
Was das WGT selber betrifft, so fehlen mir einige Jahre um etwas über die Entwicklung zu sagen, aber natürlich bekomme auch ich einzelne Diskussion mit. Sei es nun über rechte Tendenzen, teure Preise im bezug auf Unterkunft oder Karte oder das vorhandene Line Up.
Persönlich muss ich sagen, habe ich viel verpasst, so dass ich es aktuell genieße die Möglichkeit zu haben viele Bands live zu sehen und das ohne große vorherige Anreise. Daher kann ich entsprechende Punkte ganz gut ausblenden. Und selbst dieser Schwarze Karneval, wie er Pfingsten in Leipzigs Straßen zelebriert wird, schaffe ich vor Ort gut auszublenden, auch wenn ich Gegner von Verwässerung und Karneval bin.
Natürlich wäre es schön, der Szene und dem Festival etwas vom alten Spirit wiederzugeben, was man ganz klar mit minimieren schaffen würde und in dem man das Angebot der verschiedenen Stile einkürzt. Aber sind wir ehrlich, das ist Wunschdenken.
An anderer Stelle hatte ich es ja schon angerissen und jetzt nach dem Pfingstwochenende bin ich noch mehr der Meinung…es geht um das Dark Affair und die Möglichkeit es als etwas eigenes fernab des WGT’S aufzuziehen. In meinen Augen hat es ganz klar Potential! Allerdings muss ich gestehen, frag ich mich wie das Dark Affair sich dauerhaft finanzieren wird und will, wenn der Eintritt lediglich für das Verkaufszelt verlangt wird 🤷🏼♀️?
Wiederum muss ich auch zugeben, dem offenen Zugang deswegen skeptisch gegenüber zu stehen, weil wirklich jeder vor Ort ist und es stellenweise Volksfest-Charm hat. Gleichzeitig kann es natürlich für die Schwarze Szene neues Leben bedeuten, wobei auch hier sich wieder der Gedanke einschleicht, wie viel Spirit und Szene-Gedanke, quasi Substanz, erhalten bleibt bzw. vorhanden ist.
Ich kann Dich, Tobias, voll verstehen – traurig ist es dennoch. Dazu kommt, dass ich den Eindruck habe, dass der rechte Rotz dieses Jahr deutlich geschwächt war. Erstmals, seit ich das WGT besuche, habe ich keine Band auf der Liste entdeckt, die ich klar dem rechtsextremen Spektrum zuordnen würde – was ein Kontrast zu früheren Jahren mit bspw. Nasen wie dem Fire+Ice-Typen! Auch ständetechnisch hat der fragwürdige Stand (Runen- und Wikingergedöns in einer Aufmachung, die deutlich nicht gerade Heilunghörer ansprach, um es mal so zu formulieren) hinten im HeiDo hat selbiges durch seine Abwesenheit aufgewertet und in der Agra scheint sich VAWS ohne Logo in irgendeiner stillen Ecke verkrochen zu haben.
Letztes Jahr habe ich einige fragwürdige Gäste inkl. eines Hakenkreuz-T-Shirts gesehen – dieses Jahr fiel mir dergleichen nicht auf. Es kann natürlich auch nur Zufall sein und ich habe was fundamental übersehen – aber in meinen Augen war dieses WGT das am wenigsten zu Boykott einladende seit ich das Festival besuche.
Man muss auch klar sagen, dass die antirechte Filterfunktion mit der dahinterstehenden gründlichen Recherche durch Tobias auch ein wertvoller Beitrag war, der dieses Jahr schmerzhaft vermisst wurde.
Auch wenn es wahrscheinlich nicht der einzige Grund für deine Beobachtungen ist, wird denke ich da auf jeden Fall die aktuelle politische Lage in Sachsen und Leipzig eine Rolle spielen. Die Stadt war schon immer eine linke Hochburg im zum rechten Spektrum neigenden konservativen Sachsen. Als rechte Parteien und Ideale in Sachsen (und leider generell in Deutschland) erstarkt sind, war Leipzig umso lauter, wenn es darum ging, dagegen zu halten. Ich kann mir wie gesagt gut vorstellen, dass sich das natürlich auch aufs WGT auswirkt, das nun mal hier in Leipzig stattfindet. Schließlich beeinflusst der Veranstaltungsort und die Leute, die dort leben und mitwirken, auch das Festival; zumindest zu einem kleinen Teil.
Das halte ich für sehr gut möglich und wäre in dem Fall auch ein gutes Ding.
Rs gab die app WGT 2024 für android, die war wirklich toll. Ich kenne viele die eegen der offenheit zum rechts, völkischem spektrum nicht mehr zum WGT gehen, das festival wird kleiner und älter…
Einfach Zustände auszublenden was einem nicht gefällt und so zu tun als sei alles heile Welt ist keine Option. Rechte Tendenzen zu tolerieren, nur um einen Treffpunkt für die Szene zu erhalten ist auch keine Lösung. All das wird irgend wann dazu führen, dass es keine Freiheiten mehr geben wird ein WGT zu veranstalten, wenn man solche Tendenzen zulässt. Da muss die Szene schon den Arsch hoch bekommen und aktiv werden. Freiheit ist kein Normalzustand. Für Freiheit muss man schon was tun. Dem kann sich auch die schwarze Szene nicht entziehen.
Ich verstehe Tobias sehr gut. Als Ost-Grufti beobachte ich mit einem ziemlich flauen Gefühl, die rechten Tendenzen. Ich bin froh, dass gerade Leipzig da innerhalb von gerade Sachsen noch ein Gegenpol & und Lichtblick ist, würde mir aber sehr wünschen, dass das auch mehr aufs WGT abfärben würde.
Ich habe mir hier die Kommentare durchgelesen & dabei viel gesehen, was ich nur bestätigen kann. Ich finde den Ansatz von Tobias‘ App, die offiziellen & inoffiziellen Punkte zu vereinen & die rechten Sachen rauszufiltern super! Ich bin absolut auf Roberts Seite, dass man das WGT am besten von innen verändern müsste. Als Besucher_in zeigen, dass man Stände wie diesen Verlag nicht will & wenn fragwürdige Bands spielen, am besten gar nicht hingehen. Problem hier ist, dass da natürlich alle mitmachen müssten & seien wir ehrlich; es gibt leider auch innerhalb der Szene Menschen, denen es egal ist, ob eine Band rechte Tendenzen hat oder das schlimmstenfalls sogar feiern.
Vielleicht wäre es auch langsam mal Zeit für frischen Wind in der Organisation & Veranstaltung des WGTs. Aber wie soll das gehen, wenn es immer dieselben Menschen sind, die dort in der Organisation sitzen & sich vermutlich seit Ewigkeiten kennen? Gibt es da überhaupt eine realistische Chance, dass neue Menschen, die nicht sowieso schon voll mit drin hängen, dazukommen & Neues schaffen können?
Ich stelle mir dazu so viele Fragen & finde keine zufriedenstellenden Antworten. Wie bringt man frischen Wind in ein Festival einer Szene, die immer älter wird & dazu neigt, an dem ihr bekannten festzuhalten, ohne die Nostalgie & den Geist des WGTs zu verlieren? Wie schafft man es, antifaschistisches Bewusstsein in einer Szene zu schaffen, in der so viele sagen, Politik spielt für sie keine Rolle & macht ihnen klar, dass rechst abzulehnen, eben nicht simpel politisch sein bedeutet, sondern es hier auch um die Sicherheit von Menschen, Individualität & ja; auch der Szene geht?
Da das WGT nicht von einem Verein, sondern einer Firma veranstaltet wird, hat man leider kaum Möglichkeiten von innen Einfluss zu nehmen. Da muss schon vom Publikum Druck gemacht werden. Schreibt Briefe, E-Mails, sonstige Formen der Nachrichtenübermittlung, hinterlasst möglichst viele Kommentare unter allem was mit dem WGT zu tun hat. Macht Druck und schweigt nicht!
Das WGT wird „rechter“ geredet, als es tatsächlich ist. Erwähnte rechte Probleme sind Randerscheinungen. Komisch, dass die linke Szene, die aktuell mit Aktionen wesentlich aktiver, radikaler, aggressiver und gewaltvoller auftritt, totgeschwiegen wird. Eine Modeerscheinung unserer heutigen Zeit?!
Whataboutism?
Oder anders gefragt: Was stört dich, dass man über rechte Probleme auf dem WGT diskutiert?
Ich bin damals (2006) mit meiner ersten band Adivarius im heidnisches Dorf aufgetreten. Schon 2006 fand ich die Homepage des WGT weder schön, noch übersichtlich, sondern schlicht lachhaft für eine so große Veranstaltung.
An der Homepage hat sich bis heute nichts geändert und bis heute ist die Aktualität bis kurz vor dem Festival einfach nur schlecht.
Es kann doch keine unzumutbare Investition sein mal jemanden zu engagieren und bezahlen, der eine vernünftig zu bedienende, Handyfreundliche und übersichtliche(!) Website programmiert. Solch eine APp ist doch ein Geschenk für jeden Veranstalter dieser Größenordnung. Warum der Mann dafür nicht einfach bezahlt wird und mit aktuellen, zentralisierten Informationen verosrgt wird/werden kann, ist mir ein Rätsel.
Und was die rechten Tendenzen angeht: Jeder Veranstalter der sich da nicht klar positioniert, gerade in solchen Zeiten wo es wieder salonfähig geworden ist Hitlergrüße zu zeigen und „Ausländer raus“ zu skanideren, muss sich zumindest der ANschuldigung des Mittätertums beschuldigen lassen.
Ich habe das bis zu diesem Artikel leider nicht gewusst und das Festival bekommt so für mich im Nachhinein ein ganz unschönes Geschmäckle.
Da kann man nur hoffen, dass die Veranstalter da mal ein bisschen Rückgrat zeigen.
In den letzten Jahren sind ja vermehrt Angebote dazugekommen, die nichts mehr mit dem Veranstalter zutun haben. In den Pandemiejahren haben wir ja auch gezeigt, dass wir den Veranstalter nicht unbedingt brauchen um uns zu treffen. Wir könnten die App umbenennen (Pfingst-Gotik-Treffen oder vielleicht sogar -nach Absprache, ganz ursprünglich- Moonchild) und den Fokus auf alle Veranstaltungen rücken die es zu der Zeit für unsereins in Leipzig gibt. Dann kann man immer noch Veranstaltungen vom WGT hinzufügen… für die, die eben noch mit der Ambivalenz leben können (dazu gehöre ich ja auch).
Ich wäre gern dabei! (als Entwicklerin und auch zum Daten einpflegen)