Wie die Veranstalter des Wave-Gotik-Treffens am 26. April in einer Mitteilung bei Facebook verkündeten, sei das Treffen aller Voraussicht nach nicht durchführbar. Natürlich hält man sich auch dieses Jahr wieder „die Option der Durchführung einer Veranstaltung zu Pfingsten, wie auch immer geartet, offen.“ Unklar lässt man allerdings, wie diese Durchführung aussehen könnte, angesichts der in Kraft getretenen Bundesnotbremse und einem Leipziger Inzidenz-Wert von über 100. In einer Mitteilung der Stadt Leipzig ist zu lesen, das auch die städtischen Bühnenhäuser bis Pfingsten geschlossen bleiben und die LVZ berichtet, dass die Veranstalter des WGT mit einer Absage rechnen, aber an „einer kleineren, coronakonformen Variante“ weiterhin festhalten.
Statement der Veranstalter vom 26. April 2021
https://www.facebook.com/WaveGotikTreffen/posts/4219771201401250
Auch die Veranstalter trifft die „Kulturlosigkeit“ hart und daher hat man in den letzten Wochen und Monaten verschiedene Konzepte erarbeitet, das Treffen trotz der angespannte Lage durchzuführen. Wie die aussehen, lässt man allerdings offen und spricht lediglich von abweichenden Veranstaltungsorten und den unterschiedlichsten Hygienekonzepten. Die Verantwortung, sich wochenlang in Schweigen gehüllt zu haben, schob man der Regierung zu:
Wir sind bewußt mit den vielfältigen Überlegungen nicht an die Öffentlichkeit gegangen, da die Halbwertszeit der Aussagen der Legislative dafür keine seriöse Basis bot.
In der Tat folgen die Entscheidungen der Regierungen keinem erkennbaren Muster und auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass es sich möglicherweise um reine Willkür handelt. Allerdings lässt man dabei völlig außer Acht, dass auch die Regierung immer auf das reagieren muss, was das Virus macht und wie die Bevölkerung damit umgeht. Da aber die Regierung und Behörden die Instanzen sind, die letztendlich verbieten oder genehmigen, sieht man sich seitens der Treffen & Festspielgesellschaft, die das WGT veranstaltet, offenbar nicht in der Position, selbst Entscheidungen zu treffen.
In den sozialen Medien wird das Statement zu größten Teilen als Absage gewertet. Bruno Kramm von der Band „Das Ich“ schrieb: „Wir, Das Ich sind tief betrübt über ein weiteres Jahr ohne unser geliebtes Familientreffen, das für uns eine besondere Bedeutung hat.“ Viktoria Edler von der Band „Other Day„: „Als Band Other Day leiden wir mit euch und vermissen die Atmosphäre bei euch – sowohl als Künstler als auch als Gäste.“
Nach Wochen des Schweigens liegt jedes Wort auf der Goldwaage
Trotz der Herzlichkeit, die auch das Team vom Wave-Gotik-Treffen in seiner Mitteilung verströmt, bleibt viel Raum für Kritik. Wie auch 2020 schiebt man die Verantwortung für die Ausrichtung des Treffens in fremde Schuhe. Nicht das Virus scheint im Vordergrund zu stehen, sondern die Regeln der Regierung über das, was man darf oder eben nicht darf. Wie bereits im Januar in einem Artikel geschrieben, halte ich nichts von derartigen Veranstaltungen, die von Behörden getroffene Regeln ausreizen, um Menschen zu versammeln. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass solche Veranstaltungen stets zur einer lokalen Verschlimmerung der Corona-Lage führen und wenig kulturellen oder wirtschaftlichen Nutzen bringen.
Es scheint der Drang nach sozialer Interaktion zu sein, dessen Verlust vielen Menschen zu schaffen macht, einen Drang, den ich durchaus nachvollziehen kann. Genau wie es dem Team des WGT geht, geht es mir auch. Ich vermisse das Wave-Gotik-Treffen, seine Besucher, Künstler und auch die Stadt Leipzig. Aber nicht um jeden Preis.
Auch die im Statement erwähnte „Kulturlosigkeit“ stößt auf harsche Kritik, so sei es doch das ein „Schlag mitten in die Fresse all jener Künstler:innen, die sich in den letzten 12 Monaten (im Gegensatz zu euch, liebe WGT-Orga) sichtbar und schmerzhaft drölfzigtausend Beine ausgerissen haben“ um allerlei Online-Veranstaltungen zu organisieren, so eine Userin bei Facebook. Auch wenn hier Worte auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt werden, so enthalten diese empörten Statements berechtigte und nachvollziehbare Kritik. Viele Veranstaltungen, wie das Dark-Stream-Festival haben gezeigt, dass man durchaus noch Kultur zu Menschen bringen kann und Künstler, Musiker und Bands händeringend nach Möglichkeiten suchen, ihre Kunst unter die Menschen zu bringen um zu überleben.
Verbundenheit und Zuversicht
So viel Kritik auch verteilt wird, so laut sich auch einige empören und so ernst die Lage der Kultur auch ist, am Ende scheint immer noch ein wenig Sonne hinter dem Völkerschlachtdenkmal. In warmen Worten bedanken sich die Macher des WGT für die „Verbundenheit und Treue„, die viele Besucher und Künstler vermitteln und auch die Treffen & Festspielgesellschaft erscheint mir in ihrer Herzlichkeit authentisch. Einem Treffen 2022 steht offenbar nichts im Wege.
Nichts wird besser, wenn man verzweifelt einen Schuldigen sucht. Die Regierung hat dem Impfstart verkackt und bekleckert sich in ihren Entscheidungen nicht unbedingt mit Ruhm, die vom WGT tun sich mit ihrer Intransparenz und Verschwiegenheit auch keinen Gefallen und die Fans des WGT, die ihrem Ärger zwischen Empörung, Verschwörung und apokalyptischen Endzeitszenarien Luft verschaffen, tragen nicht dazu bei, die Pandemie zu überstehen. Es aber richtig zu kämpfen und der Kultur, wenn sie wieder so kann, wie alle sie wollen, maßlos zu unterstützen und vermeintlich tot geglaubte mit neuem Leben zu fluten. Vielleicht lernen wir ja alle aus unseren Fehlern.
Ich stimme Deinen Worten sowas von zu, Robert!
Vor allem das hier möchte ich fett unterschreiben:
Ich habe gestaunt, dass nach den letzten Jahren der Kommunikationslosigkeit, das Orga-Team nun doch erstaunlich viele und auch persönliche Worte gefunden hat, um die aktuelle Lage und ihre Sichtweise in Worte zu fassen – nicht nur sich zu rechtfertigen und rauszuwinden, sondern man merkt, da scheint wirklich mit den Besuchern mitgefühlt zu werden. Warum das im letzten Jahr nicht so gehandhabt wurde, weiß der Geier (vermutlich nicht mal der).
Wir werden es nie erfahren. Allerdings war das WGT nicht allein mit seiner „Strategie“, eine Absage so lange wie möglich hinauszuzögern. Natürlich darf man auch nicht vergessen, das die Lage, wie das mit Corona sich entwickeln würde, unklar war. Sogar heute weiß doch keiner so genau, wann es Impfungen im großen Stil gibt, ob wir wirklich die letzte Mutante auch noch besiegen und ob wir nicht noch vor ganz neuen Problemen stehen, die wir nicht in der Hand haben. Daher gehört immer auch ein bisschen Risiko dazu, ein Festival abzusagen.
Bemängeln darf man allerdings die Kommunikation, die dieses Jahr deutlich besser ist, die Besucher und Künstler wohl mehr einbezogen hätte in die Unsicherheiten einer Organisation.
Diesen Stil der letzten „Absage“ könnte das Klima rund um das WGT deutlich verbessern, wie ich finde.