Während unzählige Helfer noch damit beschäftigt sind die Bühnen abzubauen und die Plätze wieder in ihren Ursprungszustand zurückzuversetzen, buhlen die Berichterstatter der Presse um Aufmerksamkeit. Da ich leider nicht dabei gewesen bin, fasse ich das 18. Wave-Gotik-Treffen mit den Pressestimmen für euch zusammen und lasse das von Kaiserwetter belohnte WGT Revue passieren.
Der MDR berichtet in seiner Radiosendung Figaro von einem friedlichen Fest der rund 20.000 Anhänger der schwarzen Szene und erwähnt sehr löblich die Neuerungen, wie die Friedhofsführungen und das umfangreiche Kinderprogramm in einem sehr positiven Licht.
Leipzig Live das Szeneportal der Leipziger Volkszeitung wartet mit einigen brandaktuellen Videos auf. Das Viktorianische Picknick auf der Wiese vor dem Parkschlösschen ist eine sehr gelungene und recht neue Spielart mit alten Elementen. Die Neo-Romantiker versammeln sich hier um sich und ihre meiste selbstgeschneiderten Kostüme zu präsentieren. Es ist faszinierend zu sehen, mit welcher Hingabe hier am äußeren gefeilt wird und eine angenehme Abwechslung für das D-Ring geschwängerte Auge des schwarzen Besuchers.
Im Heidnischen Dorf am Torhaus Dölitz feiert die Mittelalterszene der schwarzen Gemeinde sich und ihre Art das Mittelalter zu betrachten. Die Eindrücke aus der Leipziger Innenstadt sind gewürzt mit kurzen Interviews der Besucher, die das WGT einhellig als größtes Ereignis der Szene präsentieren. Die Fragen an die Leipziger Bürger sind da differenzierter, klar das die Geschäftsleute das ganze positiv sehen, Gothic sind friedlich und eine Spur dekadent was natürlich die Kassen füllt, die Bürger und Touristen zeigen sich verwirrt bis angetan vom schwarzen Treiben. (Anm.: Liebe Dame im schwarzen Blazer und dem Lila Oberteil: Gothic ist keine Frage des Alters, sondern der Überzeugung.)
Die Zeit Online fasst sich deutlich kürzer, bemerkt aber ganz richtig, das die Altersspanne immer größer wird – was natürlich die logische Konsequenz einer Jugendbewegung aus den frühen 80er ist, zu dem schlampt man hier auch noch mit der Rechtschreibung, den wie ein Kommentator richtig bemerkt schreibt man Addam´s Family mit zwei d. Die Magazine Focus und Spiegel-Online bekleckern sich nicht mit Ruhm, die Berichterstattung wirkt oberflächlich, aber die Begrifflichkeiten sitzen, man hat dazugelernt, der Aufhänger des Spiegels: Auffallen mit Kunstblut und Dornenkrone wirkt wie sein verwendeter Begriff künstlich. Das jetzt oft Menschen aus der Szene zitiert werden könnte daran liegen das die Autoren selbst eigentlich nicht wissen, was sie schreiben sollen – muss aber nicht so sein. Wenigstens eine Zeitung, wenn nicht sogar DIE Zeitung beschäftigt sich ganz seriös mit den Berufen der Gruftis.
Eine schöne Serie Mein erstes WGT besteht mittlerweile aus fünf Teilen (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5) die im Leipziger Internetmagazin zu lesen sind. Sehr offen und direkt geschrieben verströmt der Bericht tatsächlich den Charme eines Erstlingsbesuch, bei dem sich sicherlich der ein oder andere wiederfinden wird, auch wenn der fehlenden Background schon im Vorfeld sitzen sollte.
Auch in der Blogosphäre regen sich erste Geister. Foxxibaer vom Foxxiblog schreibt in seinem dreiteiligen WGT Tagebuch wie er sich von einer Taube erschreckt wurde: „Als Erstes hatte mich eine Taube erschreckt, von der ich zunächst annahm, sie sei künstlich. Als ich mir die „Skulptur“ dann aus der Nähe anschauen wollte, bewegte sich das Biest plötzlich.“ So ein Weichei ;)
In seinem Artikel Patchoulipolizei schreibt VEB Wortfeile sehr treffend: „da wünscht sich die geplagte nase gerne eine patchoulipolizei, die alle parfumflakons bei der ankunft beschlagnahmt und am Einlass lediglich tropfenweise wieder kontrolliert abgibt. Vieles wird einfach zu dick aufgetragen, um aufzufallen. Anämisches weiß im Gesicht, bunte röhren auf dem Kopf, gestalten zwischen Anorexie (Sensenmann) und Adipositas (Rubensromantik).“
Da ich regelmäßig Spiegel-online lese, und ich es eigentlich für ein gut gemachtes Online-Nachrichten-Magazin halte, muß ich ihm diesmal vorhalten, nur sehr oberflächlich recherchiert zu haben. Möglicherweise fällt es Außenstehenden etwas schwer, sich mit der Szene zu befassen, aber etwas mehr Mühe dürfte man sich doch geben. Auch wenn ich der Meinung bin, daß das WGT aufgrund der „dramatischen“ Berichterstattung auch zum Schaulaufen außergewöhnlich gestylter Persönlichkeiten wird. Auch die BILD berichtete, was ich recht lustig fand, auch wenn ein komischer Nachgeschmack blieb.
Auch der Express berichtet drüber, doch nicht gerade so toll : Fotos gucken ! Das Mega-Grufti-Treffen in Leipzig – sexy und abgedreht
Oder, diesmal ohne Link : Die irren Fans von Dr. Made
Ganz tolle Berichterstattung.
@Vizioon: Leider heißt es auch hier viel zu oft: Lasst uns mal schnell ein paar Zeile dazu raushauen. Nichts gutes, Hauptsache wir haben drüber berichtet. Nachrichten bei Spiegel-Online schwanken immer sehr (offenbar je nach Autor). Auch wenn es schwer fällt sich mit der Szene zu befassen, sollte man dennoch versuchen objektiv zu berichten und nicht in Polemik zu verfallen.
@Sebastian: Tolle Überschrift :) Hier wird einmal mehr deutlich (auch an den Bilder), das es sich offensichtlich um gekauften Content handelt, denn die Bilder gleichen sich und der Text ist ebenfalls wie aus einem Guss. Die irren Fans von Dr. Made kannte ich noch nicht, werde mich gleich mal reinlesen ;)
@ Robert: Gekaufter Content wird in vielen Medien immer mehr, glaube ich. Jedenfalls wenn man Stefan Niggemeier glauben darf, der immer mal wieder solche Beiträge bringt und Beispiele zeigt welche Zeitungen wortgenau die gleichen Artikel bringen.
Das ist wirklich traurig, wohlmöglich aber auch unausweichlich. Wenn man bedenkt wie sehr die klassische Print-Presse durch die Möglichkeiten des Netzes unter Beschuss steht, ist es nicht verwunderlich das man die Qualität auf lange Sicht nicht mehr halten kann. Man sollte meinen, das öffnet eine Lücke für guten Nischenjournalismus.Davon ist aber noch viel zu wenig zu sehen.