„Es war nicht schlecht. Aber so richtig gut war es auch nicht.“ So könnte man den Eindruck zusammenfassen, der nach dem Konzert von Project Pitchfork in der KuFa in Krefeld blieb. Vielleicht lag es an der langen Wartezeit vor dem Pitchfork-Auftritt, vielleicht an den Vorbands oder daran, dass Peter Spilles Stimme mittlerweile fast durchweg mit Mega-Hall-Echo durch die Halle kracht und nur wenig Variationen bietet. Aber fangen wir vorne an.
Um 19 Uhr 30 war Einlass. Wir waren schon etwas früher da, denn inzwischen offensichtlich antiquierte Erfahrungen – gepaart mit grenzenloser Naivität – hatten mich glauben lassen, dass die alte Formel noch gilt: Wer früh da ist, steht relativ weit vorne und sieht die Band statt die Rücken der Zuschauer. Aber es kam etwas anders.
(Anmerkung Robert: Glücklicherweise habe ich in weiser Voraussicht der gruftigen Eitelkeit einen viel früheren Konzertbeginn vorgegaukelt, um gemütlich und entspannt einen guten Parkplatz zu ergattern. Wo ich stehen würde, war mir egal, ICH bin ja groß genug ;))
Nachdem wir – ziemlich durchgefroren – endlich rein durften, mussten wir feststellen, dass der Auftritt von Project Pitchfork erst um 22 Uhr 15 beginnen sollte. Also erst einmal rein ins KuFa-Cafè und heißen Kakao trinken! Der war übrigens richtig lecker! Robert pflegte derweil seine Erkältung – mit schwarzen (!) Taschentüchern. Klischee olé!
(Anmerkung Robert: Eigentlich waren wir nur durchgefroren, weil Aufregung und Vorfreude uns aus dem warmen Auto getrieben hatten und wir gruftig statt praktisch angezogen waren. „Sollen wir nicht im Auto warten?“ – „Nein, komm, es ist gar nicht kalt.“ Ganz abgesehen davon kann wohl niemand von mir erwarten, dass ich mein extrem gruftiges Antlitz mit einem weißen Taschentuch ruiniere!)
Als wir danach am Merchandise-Stand vorbeischlenderten, ahnten wir Schreckliches. Dort hingen T-Shirts mit der Aufschrift „Hass mich, Stahlschlampe!“ – oder so ähnlich. Brrrrrr! Nach und nach bekamen wir dann mit, dass die erste Vorband nicht DE/VISION sondern Deviant UK sein sollte (Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!) Drei Minuten Zuhören genügten, um uns nach draußen ins beheizte Raucherzelt zu treiben. Und noch ein Kakao! Danach spielten dann „Stahlmann“. Hört sich an wie Rammstein und sieht aus wie Karneval im Militärcamp. Keine schlechte Band, aber ich steh nicht so auf martialisches Eingepeitsche mit doofen Texten. Also legten wir uns auf den Tischen im Café zur Ruhe und warteten den Krach ab.
(Anmerkung Robert: Vorbands? Ich würde es mit Ohrenfolter beschreiben. Man wird das Gefühl nicht los, dass sich das Management und nicht die Künstler für die Vorband entscheiden. Während Deviant UK mit Lustlosigkeit und furchtbarem Gesang glänzten, imitierten Stahlmann Rammstein, brachten aber halbwegs authentische Energie herüber.)
Endlich dann der Umbau für Project Pitchfork. Es begann ganz gut. Wir standen relativ weit vorne und warteten. Von irgendwoher tauchten plötzlich jedoch aufgedrehte Disko-Mäuschen auf, nervten mit ihrer Mainstream-Girl-Art, mit ihren dämlichen strassbesetzen Uhren und mit aufgekratzdem Party-Biergesaufe. Und außerdem hatte ich die Dauerwelle der einen Schnickse ständig im Mund, weil sie ihre Mähne rücksichtslos beim Posen in die Gesichter der Umwelt schmiss. Als Pitchfork dann auf die Bühne kamen, sah ich nur noch die Displays ihrer trendigen iPhones und nachdem ich Gefahr lief, durch ihre aufgesetzt ekstatischen Bewegungen mit Bier überschüttet zu werden, flüchteten wir an den Rand des Geschehens. Dort standen Szeneleute, die einem nicht die Ellenbogen ins Gesicht hauten.
(Anmerkung Robert: Ich war unaufmerksam. Während ich verzweifelt versuchte, Dauerwellen zurückzuhalten und durch Einnehmen einer stabilen Position einen Schutzraum zu generieren, ist mir entgangen, wie das Umfeld die Atmosphäre zerstören kann. Es ist, als würde ein schöner Traum unterbrochen werden. Während man sich auf die Musik einlässt und mit der Performance verschmelzt, schreckt man immer wieder hoch und wird das Gefühl nicht los, dass Musik und Publikum nicht zueinander passen. Erst als wir uns verstört und geprügelt in die Augen blickten, ergriffen wir die Flucht an den Rand des Geschehens.)
Bei der Songauswahl lagen Project Pitchfork hundertprozentig richtig. Erst ein paar Klassiker zum Aufwachen – das Publikum ging richtig gut mit – dann was vom neuen Album und dann wieder Altbekanntes. Herr Spilles wirkte zunächst etwas eingerostet, taute dann aber auf und schoss seine Energie ins Publikum. Dennoch hatte man den Eindruck, dass der Winter – inklusive Winterspeck – ihm noch etwas zu schaffen macht. Auf den Sommerfestivals wirkte er irgendwie frischer und kraftvoller. Ich weiß, dass es Geschmackssache ist und ich weiß, dass Peter Spilles noch nie der beste Sänger war, aber diese neue Unart, bei jedem Song ein Mega-Echo aufs Mikro zu legen und die Stimme durch den Verzerrer zu jagen, gefällt mir persönlich nicht so gut. Ob es wirklich ein Verzerrer ist, weiß ich nicht – bin ja kein Tontechniker – klingt jedenfalls so. Zumindest bei den alten Songs, sollte man die melodiösen Parts so lassen, wie sie waren. Dennoch hat das Konzert Spaß gemacht und Peter und Scheubi haben immer wieder den Kontakt zum Publikum gesucht und gefunden. Nett, sympathisch, gut!
Fazit: War ein schöner Abend. Ohne Vorbands und Disko-Mäuschen wäre es noch besser gewesen!
(Anmerkung Robert: Es ist ein wenig erschreckend, wie einzelne Begebenheiten ein Konzerterlebnis trüben können. Ich meine, Project Pitchfork ist aufgetreten! Ich sollte mich nicht so anstellen. Und dennoch haben mich Vorbands, Wartezeit und komische Leute in meiner Erinnerung beeinflusst. Die Songauswahl war großartig und ich fand Peter und Scheubi richtig gut, auch wenn der schwangerschaftsgleiche Bauch von Herrn Spilles gnadenlos offenbarte, dass wir alle älter werden. Entweder haben wir uns verändert oder das Publikum. Ich weiß es nicht. Letztendlich stimme ich aber zu: Ein schöner Abend. Auch wenn die Schönheit nicht dort lag, wo ich sie vermutete.)
Genial mehrdimensionaler Bericht. Hier verweben sich nicht nur Eure Sichtweisen, auch Euer Miteinander spielt hinein. Das liest sich so vertraut, schlussendlich würde ich mit Euch immer gern zu einem Konzert gehen. ;)
Übrigens kann auch mir die lautblöde Art gedankenloser Rartyleute die Freude verderben, ob da nun Szenegötter auf der Bühne tagen oder nicht. Gothseidank habt Ihr noch einen angenehmen Winkel gefunden.
Anfang der 90er hatten die mich begeistert, weil sie mal frischen Wind in die Wave-Szene brachten. Die ersten paar Alben hab ich heute noch (sogar die olle „IO“-Box, irgendwo staubschützend in Folie eingesargt). Später mutierten sie halt zur belanglosen, selbstzufriedenen Pop-Band.
Mir ist das Umfeld unsympathisch. Ich mag weder Spilles (heute nur noch eine sich peinlich präsentierende Gestalt – da wundert mich auch keine Kooperation mit Unheilig mehr), noch den Manager Lotze. Ich könnte mir nicht vorstellen, auch nur eine Stunde lang mit denen einen Raum zu teilen.
Macht in dem Falle keinen Unterschied. Pitchfork unterstützen diese Sachen doch nur und haben da vermutlich auch das letzte Wort. Sie waren es sogar, die Rammstein Mitte der 90er in der Szene mehr oder weniger populär machten.
Wie Altgruftipunk hat auch mir Euer gemeinsamer Konzertbericht sehr gut gefallen. Bitte mehr davon.
Irgendwie erinnern mich Eure Schilderungen ein wenig an den Auftritt von De/Vision, Camouflage und And One Ende letzten Jahres. Auch hier hat der Qualität des Abends unter dem Publikum in unmittelbarer Nähe gelitten. Typen, die ihr halbes Bier auf dem Boden verteilen, damit man anschließend kaum noch die Füße vom klebrigen Untergrund lösen kann. Displays, die einem die Sicht nehmen (Warum nur muss alles mitgefilmt und zig Fotos gemacht werden?) Und nervige Menschen, die zum einen ihren Mund nicht halten können (Wer geht eigentlich auf ein Konzert, um sich gegenseitig die gesamte Lebensgeschichte zu erzählen?) und zum anderen ihre Ellbogen nicht unter Kontrolle haben.
das bestätig schon wieder meine Annahme das es bei gewissen Szenegrößen besser ist die Konzerte im Osten (Wroclaw, Warschau, Budapest) – je weiter weg desto besser zu besuchen.
Nicht nur dass der Trip an sich schon einiges an Interessanten Sachen zu bieten hat, sondern das Publikum deutlich besser drauf ist. Zudem „wenn die Musi spielt“ hält man dann auch im Publikum die Klappe obwohl die dort viel Redefreudiger sind.
Mit den Vorbands ists auch so eine Sache. Hatte da Fields im Coliseu do Porto 2010. und die Vorbands – nun ja Geschmackssache. Zum Glück gibts ja ne Bar um sich anderweitig zu beschäftigen.
Ich finde es erstaunlich, wie sich die Musik von Pitchfork in eine breitere Masse gekämpft hat. Ich finde nicht, dass man die Musik als „Pop“ bezeichnen kann, sie hat nach wie vor noch ihre Ecken und Kanten, auch wenn das ein oder andere Stück, sicherlich Massentauglich ist. Nehmen wir „Radical Buisness“ als Beispiel ), das mit seiner melodischen Art und gebügelten Harmonie durchaus in den Chats Platz finden würde. Doch das war mit „I live your Dream“ von Eon:Eon ganz ähnlich ). Stellt sich mir die Frage, was aus Künstler-Sicht daran falsch ist, schließlich möchte jeder mit seiner Musik Geld verdienen. Vor allem Inhaltlich ist PP auf der Strecke geblieben, ich vermag den neuen Stücken nicht die gleiche Energie abzugewinnen, wie einigen der älteren.
Dazu kommt: Spilles wird alt, ich finde seine Stimme hat sehr unter den Jahren gelitten. Vielleicht ist auch das der Grund, warum heute alles durch den Verzerrer geschreddert wird. Zugegeben, ein Gesangstalent war er noch nie, aber ich früher einfach besser, frischer und kraftvoller. Gut sind sie immer noch, keine Frage. Ein Konzert lohnt sich noch, auch wenn die Energie spürbar nachgelassen hat, oder nach 4 Stücken verbraucht ist.
Wenn man die ersten Alben „Dhyani“ und „Lam-‚bras“ mit den Werken der Mitt-/End-90er vergleicht: in meinen Ohren komplett andere Musik. Die ersten Alben ließen sich ganz klar im Wave-Bereich verorten, waren für eine breitere Masse viel zu rauh.
In der zweiten Hälfte der 90er stürmten sie die Charts. Kein Wunder, war die Musik doch inspiriert von aktuellen Musikströmungen wie Breakbeat, Techno, Trip Hop und Crossover-Geschrammel. Das fing irgendwann mit „Corps d’armour“ und „Alpha Omega“ an (da noch nicht so deutlich) und fand seinen Höhepunkt in „Chakra:Red“, „Eon:Eon“ und eventuell „Daimonion“. Die Herangehensweise an die Musik hatte sich deutlich gewandelt, wenn du mich fragst. Früher waren Pitchfork experimenteller, die Rhythmen waren teils vertrackter. Und dann dieser Wechsel zwischen den Oktaven, der ja erst diesen Gänsehaut-Effekt hervorrief (nimm nur Souls als bekanntes Beispiel).
Später blitzte halt immer stärker dieser Selbstzufriedenheits-Pop mit stinknormalen Pop- und Rockrhythmen durch. Steelrose mag da noch positiv herausstechen, aber Timekiller ist der Popsong schlechthin, kräftig gewürzt mit Techno-/Dance-Elementen. I Live Your Dream klingt wie ’ne Robert-Miles-Schnulze. Furchtbar. Ungenießbar.
Es kann schon sein, dass sie sich irgendwann erneut gewandelt hatten. Ich hab das nicht mehr verfolgt und es interessiert mich auch nicht mehr sonderlich. Stimme durch den Verzerrer geschreddert, schreibst du? Das könnte aber auch daran liegen, dass Pitchfork offensichtlich den aktuellen Trend in Richtung Combichrist-Gekloppe begrüßen. Da muss man sich in Sachen Härte anscheinend anpassen… ;-)