Hagens Rückblick: Mein WGT 2022 als Appetitmacher für Euer WGT 2023

Ja, für einen Rückblick auf das Wave-Gotik-Treffen 2022 bin ich etwas spät dran. Aber vielleicht schürt er die Vorfreude auf euer WGT 2023, denn ich werde nicht dabei sein. Warum erzähle ich euch ebenfalls in diesem Artikel. Transparenz muss sein.

WGT 2023? Ohne Nathalie und Hagen!

Schweren Herzens haben wir uns entschlossen, dieses Jahr nicht zum WGT zu fahren. Und je mehr wir uns umhören, umso mehr Leute bestätigen uns, dass sie auch zu Hause bleiben. Man kann es sich zwar leisten, man kann es als Jahresurlaub betrachten oder als „Must-have“ sehen, aber die Einsicht den doppelten Preis für eine Hotelunterkunft zu zahlen nur, weil ja alles teurer geworden ist und man den Depeche Mode Fans nun auch noch das Geld aus der Tasche zieht, will sich dann doch nicht einstellen. Zum Glück werden wir unsere Freunde und Bekannten dann doch noch woanders treffen, wo man ein wenig mehr auf dem Boden der Tatsachen bleibt. Ich hoffe nur, dass sich die Leipziger Hotellerie und das Tourismus-Business mit solchen Preisauswüchsen nicht ins eigene Fleisch schneidet und die Zimmer nach Abreise der DM Fans leer bleiben.

Leider hat man immer mehr das Gefühl, es geht nach dem Motto: Mal kucken, wie hoch man mit den Preisen gehen kann bis die Leute „Nein!“ sagen. Nicht nur in unserer Szenen, sondern auch allgemein. Vom Bratwurstpreis auf dem Mittelaltermarkt bis zum Ballermann-Festival für total Gestörte.

Natalie und Hagen spiegel sich in einer Schaufensterscheibe
Schemenhaft, werden wir 2024 wieder mit dabei sein?

Hagens Rückblick auf sein Wave-Gotik-Treffen 2022

Um es vorwegzunehmen: Das, was die Presse verkündet, ist wahr; wir werden älter! Bei vielen Besuchern haben sich in den letzten drei Jahren ein paar Sorgenfalten mehr in die Gesichter eingegraben. Bier, um Corona zu bekämpfen, formte manchen schönen Körper und man hat auch kein Problem damit mal am doch recht anstrengenden Anreisetag vor Mitternacht ins Bett zu gehen. Trotzdem war es ein besonderes WGT. Anders, ruhiger, aber auch irgendwie intensiver. Und die Zeit verging wie im Flug der Fledermaus.

Grübeleien

Auch ich habe mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht, ob man fahren soll, es gab einige Diskussionen mit Freunden und am Ende stand fest, meine Ehe-Gruftiline und ich fahren. Corona, natürlich immer noch eine Gefahr. Aber meine bessere Hälfte und ich sind dreimal geimpft, genesen, getestet und viermal chemisch gereinigt. Irgendwann muss es schließlich weitergehen. Ein Argument war die Frage, ist Leipzig und den Flüchtlingen damit geholfen nicht zu kommen? Ist es besser, kein Geld in die Stadtkassen in Form von Steuern, die Hotels und Gastronomie abführen, zu spülen? Geld mit dem auch Flüchtlingen geholfen werden kann und um der Veranstaltungstechnik nicht endgültig den Todesstoß zu versetzen.

Denn wir erinnern uns noch allen den Spruch: „Ohne Kunst und Kultur wird es still!“ Und leider ist es ein Teil der Wahrheit: Es geht ums Geld. Wir waren da, haben geschaut, beobachtet, geredet und auch diskutiert. Und es hat der Seele gutgetan. Nun ein paar persönliche Eindrücke, die natürlich jeder anders empfunden haben kann.

Ganz ohne Maske ging es leider noch nicht.

Die Besucher

Es war an vielen Orten leerer. Mir kam es so vor, dass weniger verkleidete und weniger blutverschmierte Zombies unterwegs waren. Allerdings meiden wir auch die Fotografen-Hotspots wie das viktorianische Picknick und die Innenstadt. Wie es dort zuging, kann ich bedauerlicherweise nicht beurteilen.

Niedlich

Da wir am Samstag eine wunderschöne Führung über den Johannisfriedhof gemacht haben und dort erfuhren, dass auch der Erfinder der Schrebergärten dort bestattet liegt, machten wir uns am Sonntag auf den Weg zum Deutschen Kleingartenmuseum.

Führung über den Johannisfriedhof

Dort kann man durch eine kleine Ausstellung wandeln, die über die ersten Schrebergärten in Leipzig und andere Anlagen in Deutschland Auskunft gibt und danach geht man in die Gartenanlage, wo Mustergärten aus verschiedenen Epochen besichtigt werden können. Dort steht auch das älteste, größtenteils original erhalten Gartenhäuschen Deutschlands. Wenn das nicht ein Grund ist, dort einmal vorbeizuschauen. Seit Jahren ist dort für WGT Besucher der Eintritt frei und es fanden dort auch schon Steampunktreffen statt. Ein Biergarten lädt zum Verweilen ein und die Preise sind wirklich fair. Das Bier ist gut, das Essen lecker und die Menschen vor Ort wirklich nett.  In diesem Jahr kamen wohl laut Aussage eines Kellners vermehrt vor Hitze und Anstrengung dampfende Steampunks in den Kleingarten, weil sie den neuen Treffpunkt zum Picknick in einem Park nicht gefunden haben. Die Bedienungen und Kleingärtner konnten da aber leider auch nicht weiterhelfen.

Im Kleingarten ist alles geregelt. Auch die Form der Gartenlauben.

Lustig

Ich freue mich ja immer, wenn Leute was selber machen. So ist zum Beispiel der Robot-Dance am Samstag vor dem Werk II entstanden. An einer langen Tafel ist Equipment der letzten 100 Jahre Keyboardgeschichte aufgebaut. Dahinter Virtuosen, die in stundenlanger Improvisation das Publikum zum Tanzen und Mitmachen animieren. Wer möchte, darf gerne auch mal in eines der selbst gebauten Roboterkostüme schlüpfen und mittanzen. Achtung: Das ist nix für toupierte Haare!

Hier sind die Roboter. Bild ist von 2019.

Freude

Gefühlt jeder in Leipzig, mit dem man sprach vom Hotelier, die Taxifahrer bis zum Fahrgast in der Bahn oder unserem Falaffelbudenbesitzer des Vertrauens hat sich gefreut, dass wir wieder da sind. Wir erfuhren viel über die letzten drei schweren Jahren und dem Kampf ums Überleben besonders in der Tourismus- und Restaurantbranche. Auch ukrainische Flüchtlinge suchten das Gespräch und freuten sich über die Abwechslung in ihrem schweren Alltag weit weg von zu Hause. Das bestätigte eigentlich noch einmal, dass unsere Entscheidung richtig war zum WGT zu fahren.

Wir haben alte Freunde getroffen und neue Menschen kennengelernt. Es gab neben Spaß und Freude auch immer wieder ernste Gespräche über den derzeitigen Zustand der Welt. Und ich glaube, das zeichnet unsere Szene aus.

Endlich wieder Leipziger Allerlei auf jordanische Art

Enttäuschend

Am Sonntag war wieder Postpunk im wunderschönen Volkspalast angesagt. Es machte allerdings den Eindruck, dass man nicht dazu gekommen war, noch einmal nach der Obsession Party am vorherigen Tag durchzuwischen. Alles klebte, die WC Anlagen waren defekt und dreckig. Bei den Bierpreisen, die übrigens je nach Zapfer/Zapferin zwischen vier und fünf Euro variierten, ist doch bestimmt auch Geld für eine WC Reinigungskraft drin. Die Bands waren durchgehend hervorragend, aber der Sound war wie in den Vorjahren in der Kantine schlecht und die Luft konnte man auch mal wieder schneiden. Apropos schneiden, was Vernünftiges zum Essen auf Messer und Gabel wäre wirklich auch mal schön. Und da der Palast immer noch mitten in der Pampa liegt, muss man sich vor Ort mit einem Bratwurststand zufriedengeben. Es ist anscheinend zu aufwendig, auch mal etwas anderes anzubieten. Und wenn es nur Brezeln oder Baguettes sind.

Überraschend

Am Montag ging es zum Westbad. New Days Delay hatten die schwere Aufgabe um 16:30 Uhr das Eis zu brechen. Zum Einlass um 16:00 Uhr bildete sich draußen schon eine Schlange. Damit hatten wir eigentlich um diese Uhrzeit nicht gerechnet.  Punkt 16:30 Uhr legten die Dame und die Jungs von NDD vor gut gefülltem Saal richtig los. Das Publikum ging trotz der frühen Stunde vom ersten Takt an mit. Die Getränkeversorgung lief und es gab einen kleinen Essensstand mit Snacks.

Beunruhigend

In der Agra Konsumhalle hat die Coronakrise leider schwer durchgefegt. Es gab wesentlich weniger Stände, teilweise auch kleinere Standflächen, aber mit erhöhten Preisen. Man kann nur hoffen, dass sich die Händler irgendwie berappeln und die Auswahl wieder größer wird. Einige schöne Stände gab es trotzdem. Neben den obligatorischen Schmuckbuden sei das Flediplüscheparadies Flez-Art genannt, das besonders bei den Damen immer viel Anklang findet. Was mir auch aufgefallen ist, neben der altehrwürdigen GPP, gibt es nun die schon bei SPONTIS angesprochenen Lesungen außerhalb des offiziellen WGTs und mehrere kleine Indie-Festivals, die teilweise auch noch Eintritt kosten. Ob sich dieser Trend durchsetzt, dass jeder, der kann, ein Nebenfestival veranstaltet, wird sich zeigen.

Hoffnungsvoll

Es gibt sie noch; die jungen Gruftprinzessinen und kleinen Vampire, die der alternden Szene die Stirn bieten. Das macht Hoffnung. Vielleicht wird alles auch wieder ein bisschen mehr „back to the roots“, aber mit neuem Elan. Wir werden die Krise hinter uns lassen und es wird weitergehen.

Schock

Am Montagmorgen erreichte uns die Nachricht, dass der Vater unseres Bassisten, guter Freund und Tourmanager in der Nacht verstorben sei. Da war erst mal das WGT gelaufen. Umso schöner ist es, wenn Freunde einen wieder aufbauen und einem ein Lächeln ins Gesicht zurück zaubern.

Nachwirkungen

Es tauchten vermehrt Bilder mit positiven Corona-Tests in den sozialen Medien auf. So manchen hat es erwischt. Besonders die GPP scheint ein Hotspot gewesen zu sein. Eigentlich war es ja auch nicht anders zu erwarten. Hoffentlich waren die Verläufe mild und alle wieder rasch gesund. Zum Schluss muss ich noch mal auf das leidige Thema alt werden zurückkommen. Kaum zu Hause angekommen, verabschiedete sich ein Weisheitszahn. Die Reste wurden einen Tag später gezogen. Weisheit ade, Altersweisheit sei willkommen!

Ein Schlusswort nach dem Rückblick: Die Hoffnung stirbt zuletzt

Vielleicht gibt es noch Last-Minute-Rabatte bei Hotels und Pensionen, da sie merken dass es doch nicht so klappt mit der Preissteigerung. Dann würde sich bestimmt so mancher ja doch noch bequemen und mit dabei sein. Denn einst steht fest: Wir werden euch bis zum WGT 2024 vermissen.

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Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 1 Jahr

Ich kann auch nur den Tip geben, sich nach privat vermieteten Unterkünften umzuschauen. Z.B. im WGT Forum flattern mmer noch täglich neue Angebote herein, wo man meist mit ca. 50 Euro pro Nacht und Person, teils auch günstiger wenn man zu mehreren ist und lange bleibt, unterkommen kann!

Letzte Bearbeitung Vor 1 Jahr von Tanzfledermaus
Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  das H.Gen
Vor 1 Jahr

Guck mal, hier sind aktuell noch keine Infos, dass das Angebot schon belegt sei vielleicht wäre da ja was dabei? Da hättet Ihr ne Wohnung für Euch allein:
https://www.wave-gotik-treffen.de/forumwgt3/viewtopic.php?t=25669
https://www.wave-gotik-treffen.de/forumwgt3/viewtopic.php?t=25648

Letzte Bearbeitung Vor 1 Jahr von Tanzfledermaus
Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  das H.Gen
Vor 1 Jahr

Alles klar, dann habt eine gute Zeit!

Victor von Void
Victor von Void(@vivovo)
Vor 1 Jahr

Man kann es sich zwar leisten, man kann es als Jahresurlaub betrachten oder als „Must-have“ sehen, aber die Einsicht den doppelten Preis für eine Hotelunterkunft zu zahlen nur, weil ja alles teurer geworden ist und man den Depeche Mode Fans nun auch noch das Geld aus der Tasche zieht, will sich dann doch nicht einstellen.

[…]

Ich hoffe nur, dass sich die Leipziger Hotellerie und das Tourismus-Business mit solchen Preisauswüchsen nicht ins eigene Fleisch schneidet und die Zimmer nach Abreise der DM Fans leer bleiben.

Ich bin so froh, das nicht nur wir das so sehen…

Durante
Durante(@durante)
Antwort an  Victor von Void
Vor 1 Jahr

Definitiv nicht, die Hotelpreise SIND einfach (für mich inakzeptable) Abzocke. H.Gen hat das wunderbar treffend beschrieben..

Gruftfrosch
Gruftfrosch(@gruftfrosch)
Vor 1 Jahr

Schade Marmelade, Hagen, aber durchaus nachvollziehbar. Nach dem bereits jetzt feststeht, dass dies für mich das teuerste WGT ever wird, werd ich mir das Ganze zum ersten Mal nach vielen Jahren ernster überlegen. SO geht es jedenfalls nicht weiter. Bei einem Bekannten werden in der Unterkunft 20 Euro für ein Frühstück aufgerufen. Gut, kann man weglassen, aber ernsthaft?!? Bei aller Liebe, das ist Wahnsinn und ich werd’s diesen Leuten nie verzeihen, dass sie Leute um das WGT bringen, die es sich eben nicht so einfach leisten können und ich sie damit nicht sehen kann.

Gruftwurm
Gruftwurm (@guest_62759)
Antwort an  Gruftfrosch
Vor 1 Jahr

Bei aller Liebe, das ist Wahnsinn und ich werd’s diesen Leuten nie verzeihen, dass sie Leute um das WGT bringen, die es sich eben nicht so einfach leisten können und ich sie damit nicht sehen kann.

Wie recht Du doch hast! Habe mich schon auf unser Wiedersehen nach all den Jahren gefreut. Trotzdem wünsche ich Dir eine schöne Zeit und Feier für mich mit. ;)

Gruftfrosch
Gruftfrosch(@gruftfrosch)
Antwort an  Gruftwurm
Vor 1 Jahr

Klaro, Ehrensache :-)

Gruftwurm
Gruftwurm (@guest_62756)
Vor 1 Jahr

Danke für den schönen Bericht und Deine Eindrücke vom letzten Jahr.
Liest sich nach einem recht entspannten WGT 2022, trotz dem kleinen Schock.
Dazu bekommen wir noch mal einen Rückblick und das Gefühl der Corona Zeiten. Auch für mich heißt es finanziell bedingt daheim bleiben – leider.
Man kann nur hoffen, das es nächstes Jahr mit den Preisen wieder entspannter wird. Auf diesem Wege wünsche ich allen entspannte Pfingsten, ob beim WGT oder sonst wo. ;)

Durante
Durante(@durante)
Antwort an  Gruftwurm
Vor 1 Jahr

Man kann nur hoffen, das es nächstes Jahr mit den Preisen wieder entspannter wird. Auf diesem Wege wünsche ich allen entspannte Pfingsten, ob beim WGT oder sonst wo. ;)

Da schließe ich ich mich einfach mal dem geschätzen Gruftwurm an – Bezüglich beidem. ;)

BlueLotus
BlueLotus(@blue-lotus)
Vor 1 Jahr

Ich finde auch, daß das WGT voriges Jahr leider noch etwas unter dem Schatten von Corona stand, man merkte auch, daß es weniger Besucher gab. Am stärksten in der Agra-Halle, da wird die neu gestartete Dark Affair auch nicht gerade hilfreich sein. Im Heidnischen Dorf war zum Glück alles wie immer :)
Zu den Preisen kann ich nur sagen, daß mein Stamm-Hotel jetzt 5€ pro Nacht mehr verlangt, das kann ich verschmerzen, hingegen ist der Flug doch wesentlich im Preis gestiegen. Übrigens war mein WGT 2022 für mich ungeplant das Billigste von allen: Ich war weniger oft essen und weniger shoppen, einfach, weil ich schon soviel Zeugs habe ;)
Bin gespannt aufs WGT 2023, los gehts!

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