Sommer, Palmen, Sonnenschein, was kann schöner sein? Auf die Frage, die seinerzeit die Ärzte stellten, fielen mir damals schon tausend Dinge ein, die schöner gewesen wären. Auf dem Friedhof rumgeistern oder in finsteren Discohöhlen zu düsteren Klängen schlurfen zum Beispiel. Hätte mich seinerzeit jemand gefragt, ob ich nicht Lust hätte, Gothic-Konzert in Strandkörben sitzend zu verfolgen, ich hätte womöglich einen dieser Gothic-Flüche ausgesprochen. Denn diese Dinger sind die aus Korb geflochtenen Mahnmale gesellschaftlicher Dekadenz für Menschen, denen es am Strand zu sonnig, zu windig oder zu voll gewesen ist. Doch besondere Zeiten erfordern besondere Ideen und so wird diese bizarre Vorstellung der schwarzen Phantasie Wirklichkeit werden.
Beim sogenannten Strandkorb Open Air im Mönchengladbacher Sparkassen-Park hat man den Auflagen und Verboten, die Großveranstaltungen im Grunde genommen unmöglich machen, ein Schnippchen geschlagen. Ab Mitte Juli finden in dem Hockey-Stadion Konzerte statt, die man sich nicht wie bisher üblich, aus dem Auto heraus angucken konnte, sondern jeweils zu zweit aus einem Strandkorb heraus.
Die Betreiber haben sich dieses Konzept von der Landesregierung absegnen lassen und ist vermutlich zuversichtlich, die rund 450 Strandkörbe, die im Stadion im Abstand von 1,50 Metern verteilt werden, mit begeisterten Zuschauern zu füllen. Knapp 1000 Menschen können so das Geschehen auf der Bühne verfolgen. Gekühlte Getränke bucht man im Voraus, die dann kontaktlos vor dem entsprechenden Strandkorb gekühlt bereit gestellt werden.
Als ich Bands wie Brings oder die Höhner in der Ankündigung sah, die von den semi-witzigen Michael Mittermeier und Dennis aus Hürth flankiert wurden, hatte ich auch keine Zweifel, das dieses Konzept erstens aufgehen könnte und mir zweites am Arsch vorbeigehen würde. Allerdings scrollte ich weiter und erschrak: Las ich da etwa von VNV Nation, Mono INC, Schandmaul und She Past Away?
Da kriegst du die Pikes nicht zu! Bands, die eigentlich auf das Amphi-Festival oder das Mera Luna gehören würden, spielen ihre Düster- und Mittelaltermusik vor 450 Strandkörben? Sommer, Palmen, Sonnenschein? Wie groß musste die Not der Gruftis und Freizeit-Gothics sein, sich in einem Strandkorb sitzend die Konzerte ihrer Bands anzuschauen? Ich war mich sicher, das muss der ideologische Todesstoß für alles das sein, was Gothic ausmacht.
Offenbar ist die Not aber sehr groß, denn da das erste VNV-Nation Konzert bereits ausverkauft ist, flechtete man noch schnell einen Zusatztermin. Auch wir haben ernsthaft überlegt, ob das nicht eine interessante Abwechslung zum sonst Konzertfreien Sommer gewesen wäre. Natürlich nur zu Forschungszwecken. Unsere Unsicherheit kippte dann erst mit den Preisen endgültig gegen einen Besuch, denn für zwei Personen werden 100€ fällig. Das war uns zu teuer, auch wenn der Preis vielleicht angemessen gewesen wäre, hinsichtlich der Logistik, dem Aufwand und der begrenzten Zuschauerzahl. Letztendlich bin ich fast ein bisschen froh, dass mir die Entscheidung leicht gemacht wurde und das Gefühl, etwas zu verpassen, sich nicht einstellt.
Ich bin allerdings wirklich neugierig. Würdet ihr euch ein solches Strandkorb-Konzert anschauen? Ist das vielleicht ein gute Idee, Veranstaltungsbranche und Künstler zu unterstützen? Oder ist das der totale Ausverkauf von allem, was Gothic irgendwie ausmacht? Wir hier passend gemacht, was einfach nicht zusammenpasst?
Hm…. sagen wir es mal so: ein Konzert, das ohnehin bestuhlt gewesen wäre (also eher klassische Sachen oder Dead Can Dance als Beispiel aus unseren Reihen) könnte ich mir auch im Strandkorb vorstellen, irgendwann vergisst man vermutlich, worin man da sitzt. Allerdings frage ich mich ob der Höhe der Strandkörbe, wie es da mit der Sicht auf die Bühne sein soll? Das geht dann ja wohl nur, wenn die Ränge in der Höhe versetzt sind. Sonst sieht man doch nur massenhaft Strandkörbe von hinten ;-)
(Wenigstens hat man dann nicht das Problem, dass sich jederzeit ein viel größerer Mensch vor einen stellen und einem die Sicht aufs Geschehen nehmen könnte.)
Bei allen anderen Konzerten zwischen 1 und 3 Bands in Folge hätte ich wohl wenig Freude am Sitzplatz, denn da will ich zur Musik auch herumzappeln und -tanzen können. Sonst brauch ich nicht auf ein Konzert zu gehen.
Bei solchen Marathon-Festivals wie dem WGT hingegen wäre eine Sitzgelegenheit natürlich von Vorteil, wenn man zwischendurch mal nicht mehr rumstehen kann oder will, Aber da reicht dann ein kleiner Klapphocker völlig aus, Strandkörbe wären mir da viel zu wuchtig und würden auch das Festival-Erlebnis stören. Ich guck mich während Konzerten schon gerne mal nach den anderen Besuchern um. Wer alles so da ist, wie die Stimmung ringsum ist, interessante Stylings anschauen… und sich spontan mit anderen Leuten (die man im Publikum entdeckt oder ins Gespräch kommt) zusammenfinden. Das geht im Strandkorb natürlich nicht.
Lange Rede, kurzer Sinn: ich hätte wohl kaum Freude an solchen Veranstaltungen, auch wenn ich dafür auf längere Zeit auf Konzerte verzichten muss. Ich kann verstehen, dass die Veranstalter nach Lösungen suchen, um wenigstens ein paar Einnahmen zu bekommen und etwas bieten zu können. Daher kann ich nur hoffen, dass sich genug Leute finden, die das Konzept finanzieren.
Tröste dich, uns ging es bei VNV Nation und She Past Away genau so. Und wir haben uns aus den gleichen Gründen dagegen entschieden. Letztendlich wäre es einfach nicht das Gleiche. Nach dem Motto: Ganz oder garnicht, lieber gar nicht.
So wie ich das verstanden habe wirst du nicht an den Strandkorb gefesselt. Du hast um deinen Strandkorb eine Art privat area und da darfst du auch stehen.
Ich habe 2 Karten für Mono Inc. Normal würde ich mir die nicht anschauen, aber mir kommt das sehr entgegen. Da ich Herzkrank bin und nicht lange stehen kann muss ich mich sonst vorab um Sitzgelegenheiten kümmern. Und da dieses Jahr eh nicht viel stattfinden wird, finde ich den Preis auch nicht tragisch.
Ist mal ne Abwechslung vom Alltag und man gönnt sich ja sonst nichts. Und es ist ja hoffentlich kein Dauerzustand. Obwohl ich nicht glaube das vor Sommer/Herbst 2021 wieder größere Veranstaltungen stattfinden werden.
Knapp 100€ für zwei Tickets ist ja bei vielen größeren Bands oder Veranstaltern fast schon ein Standardpreis.
Die Idee mit den Strandkörben find´ich nicht schlecht, um Veranstalter und Künstler zu unterstützen. Besser als diese Autokonzerte. Wobei ich mich den Fragen von Tanzfledermaus anschließe.
Wie sehr mir Konzerte abgehen? Wie verzweifelt bin ich? Tja, ich würd ja sagen…alles gut…hab mich voll im Griff. Ach ja, gibt es jemand der einen Strandkorbpartner sucht für She Past Away? Ich…..äh…..hmmm….frag für einen Freund……
Tanzfledermaus : Ja, auch ich bin eher dem Verzicht zugetan, als mit angezogener Handbremse Festivals oder Konzerte zu verfolgen. Allerdings finde ich den Ideenreichtum, trotzdem etwas zu veranstalten, sehr bewundernswert und hoffe genau wie du, dass sich die Leute damit über Wasser halten können, bis es wieder richtig losgeht.
Armin Reimer : Dann passt es natürlich mit der Sitzgelegenheit :) Allerdings hast du mit deinen Argumenten auch recht, denn die Ablenkung vom Alltag ist wirklich etwas, was total zu kurz kommt. Ohne WGT, ohne Convention, ohne Disco, Minicave oder sonstige Ablenkungen, ist es schon etwas anstrengend.
Wichtlhexe : Findest du 50€ für das Konzert einer Band tatsächlich normal? Uff, da lebe ich wohl finanziell hinter dem Mond. Wenn ständig Festivals besuchst, wo gleich einen ganzen Haufen dieser Bands sehen kannst, wird man wohl etwas verwöhnt, oder? Da fällt man fast etwas vom Glauben ab, wenn jedes Jahr über die Ticket-Preise vom WGT gemoppert wird. Ich höre sie noch rufen: „130€ Euro für das WGT?????“ – „Das ist doch alles totaler Kommerz und viiiieeeeel zu teuer!“ :)
Robert
Ich musste jetzt echt meine ganzen Ausgaben für Konzerte und Festivals in den vergangenen Jahren mal Revue passieren lassen. Es ist sowohl von der Band als auch vom Veranstaltungsort abhängig, was den Ticketpreis bestimmt.
Ticketpreise, für Konzerte, die zwischen 30 und 50 Euro liegen, sind größtenteils echt normal. Ich wäre dieses Jahr u.a. zu Danzig und den Ärzten gegangen. Für Danzig 55,30€ pro Ticket, für die Ärzte 58€ pro Ticket. Letztes Jahr war ich bei „Punk in Drublic“ in Würzburg, da war der Tribünenplatz-Preis bei knapp über 50€ (okay, war für ein 1-Tages-Festival ein echt guter Preis). 2018 hab ich für „David J. and Peter Murphy play Bauhaus“ auch irgendwas zwischen 40 und 50 Euro gezahlt.
Also für nicht so ganz bekannte Bands sind Preise um die 20€ pro Ticket fürs Konzert normal.
Natürlich sind die Preise für Festivals im Vergleich zu einzelnen Konzerten nicht zu schlagen. Da kommen einem dann 46€ pro Ticket für ein einzelnen Konzertabend teuer vor. Tja, was soll man sagen. Mein allererstes „großes“ Festival war das Southside Festival im Jahr 2003. Ticketpreis war damals 70€. Ich glaub, der Ticketpreis für dieses Festival liegt bei nun bei ca. 120€. Und das Festival geht nur von Freitag bis Sonntag.
Ja, das leidige Thema Ticketpreise. Ich hab irgendwann angefangen mich über die Bier- bzw. Getränkepreise bei Konzerten und Festivals zu beschweren. Die sind nämlich auch ganz schön happig. Das stört mich viel mehr :)