Die Band „Deine Lakaien“ sind aktuell auf einer Planetarium-Tournee, bei der die Band – neben ihrer Musik – eine speziell entwickelte 360 Grad Projektions-Show zur Visualisierung ihrer Songs präsentieren. Für unsere Autorin Maren war klar, dass sich bei einem solchen Konzert dabei sein wollte und so nahm sie die 470km bis in Planetarium nach Jena gerne in Kauf, um sich verzaubern zu lassen. Wir freuen uns sehr, dass sie ihre Erlebnisse aufgeschrieben hat.
„Our pale reason hides the infinite from us.“ (Jim Morrison)
Sehnsucht danach, sich einfach in der schwarzen Unendlichkeit des Universums zu verlieren. Dieses Gefühl machte sich besonders letztes Jahr im Sommer in mir breit. „Deine Lakaien“ lieferten die passende Musik dazu und ließen mich über dunklen Abgründen schweben. Ist es da ein Wunder, dass der Wunsch in mir erwachte, sie live auf einem Konzert sehen zu wollen?
Aber es gab nur drei Auftritte im Zeiss-Planetarium in Berlin hintereinander an einem Wochenende ohne Brückentag. Beinahe Lichtjahre von der Hauptstadt entfernt beheimatet, ließ ich den Gedanken, sie dort zu sehen, fallen. Die Vernunft hatte gesiegt, aber die Sehnsucht nagte.
Dann plötzlich im Juni dieses Jahres die Ankündigung: Deine Lakaien wollen weitere Konzerte in Planetarien anderer Städte geben! Ich wollte und konnte nicht länger warten: Jena ist zwar auch nicht gerade nebenan, aber 470 Kilometer am Wochenende sind machbar!
Präsens zweier Ausnahmekünstler in den Weiten des Universums
Für die Planetariumskonzerte der Lakaien war speziell eine 360°-Projektionen Show zur Visualisierung ihrer Musik entwickelt worden. Dass dies ermöglichen würde, die Songs des Duos noch einmal auf besondere Art und Weise zu erleben, stand für mich außer Frage, aber würden die Projektionen von schwebenden Himmelskörpern nicht die Musiker völlig in den Hintergrund drängen? Wären sie nicht überflüssig bei dieser Veranstaltung, weil man ihre Musik nur einfach zu der Himmelsshow aus der Konserve abspielen könnte? Dass Alexander Veljanow und Ernst Horn in ihrer Experimentierfreude nicht einmal von der Unendlichkeit des Universums verschluckt werden können, wurde schnell klar. Im Publikum zuvor: Gemurmel, Geraschel, Geschwätz, das unnötig Atemluft verbraucht.
Kaum betraten jedoch Ernst Horn und Alexander Veljanov die Bühne, zogen sie alle in ihren Bann. Sie wurden mit Applaus bedacht, danach kehrte ehrfürchtige Stille ein. Horn nahm am Flügel Platz, dem an diesem Abend die einzige instrumentale Begleitung der Songs zugedacht war. Veljanov ging zum Mikrophon. Dabei war eine unglaubliche Präsenz zu spüren. Mit einem schlichten „Guten Abend!“ begrüßte er das Publikum.
Dann entlockte Horn seinem Flügel die ersten Klänge und Veljanov setzte zu einem Song an, der perfekt als Opener für dieses Konzert geeignet war:
„The walk to the Moon“
Ein Text voller Schönheit gepaart mit Trauer und Verzweiflung, vorgetragen von einer dunklen, sanften Stimme, die das schwarze Herz so zu durchdringen vermag, dass man vorher gut daran getan hat, wasserfesten Kajal zu verwenden. Bei seiner gesanglichen Darbietung kam Veljanov ohne jegliche Theatralik aus. Es folgten viele Songs aus dem Repertoire der Lakaien, die ebenso hervorragend zu dieser Reise durchs Universum passten. Dass es dabei nicht immer nur um ein sanftes Schweben durchs All ging, sondern auch einmal atemberaubende Lichtgeschwindigkeit an den Tag gelegt wurde, zeigte sich bei „Dark Star“:
Ernst Horn nötigte hierbei seinem Flügel alles ab. Er malträtierte auch dessen Eingeweide, da der Deckel aufklappbar war und verschaffte diesem unruhigen, düsteren Song so auch ohne Elektronik die passende Instrumentalisierung. Was beide Musiker auszeichnet, ist ihre hohe Konzentration auf das Zusammenspiel von Flügel und Gesang, wiederum passend zum Sternenhimmel. Es gab höchstens mal ein leise gehauchtes „Dankeschön“ von Veljanov ans Publikum, ansonsten keine Interaktion, aber das hätte auch nur die Reise gestört.
Am Ende jedoch lächelte Veljanov sogar, was bei ihm ja auch eher selten vorkommen soll. Mit „Bei Nacht“, der deutschen Version von „One Night“, als Zugabe entließen dann Deine Lakaien ihr Publikum in die Dunkelheit des nächtlichen Jenas. Beide hatten gezeigt, dass sie auch in der erhabensten Umgebung ihre Ausstrahlung als Musiker live voll zur Entfaltung bringen können.
Das Publikum dankte es ihnen mit Standing Ovations
Bewusstseinserweiternder Trip in der Dunkelheit
Die Idee zu dieser Symbiose zwischen der Dunkelheit des Universums und der Musik von „Deine Lakaien“ stammte übrigens von Tim Florian Horn, dem Chef der Berliner Planetarien. Er hatte auch die visuelle Komponente für die Konzerte beigesteuert. Zurückgelehnt in den Sessel, den Blick in die Kuppel gerichtet, konnte man sich der Illusion hingeben, durch die Weiten des Universums zu entschweben und vorbei an Spiralnebeln und Supernovas durch die Dunkelheit zu gleiten, hinein in ein Meer aus unendlich vielen Sternen: „My Goth, it’s full with stars.“
Es gab aber auch geometrische Konstruktionen, in die man eintauchen konnte, um sie durch Öffnungen zwischen Stangen und Rohren zu durchfliegen oder zu Mindmachine in eine riesige Ansammlung räderartiger Gebilde. Gab man sich dem Blick nach oben lange genug hin, konnte man der sensorischen Täuschung eigener physischer Bewegung erliegen. Ein Trip durch Raum und Zeit, der einem ermöglichte, die Nichtigkeit der eigenen Existenz zu überwinden angesichts der dunklen Unendlichkeit im All. Doch trotz der gewaltigen visuellen Illusion, die einen in ungeahnte Sphären mitnehmen konnte, holten Ernst Horn und Alexander Veljanov die Aufmerksamkeit des Publikums immer wieder aus den Weiten des Universums zu sich auf die Bühne zurück.
Zurück mit Veljanovs Stimme im Kopf
Am nächsten Morgen hieß es, die Rückfahrt antreten. Dabei hatte ich noch immer Veljanovs dunkle, eindringliche Stimme in meinem Kopf, spürte noch immer den wundervoll bittersüßen Schmerz und die Traurigkeit, den Deine Lakaien mit ihren Liedern ausgelöst hatten. Dafür war es das jeden einzelnen Kilometer wert, den ich zurückgelegt hatte!
Ein sehr schöner Bericht – das muss wirklich ein unvergessliches Erlebnis gewesen sein! Leider hatte ich von dieser besonderen Tour überhaupt nichts mitbekommen, sonst hätte ich sicher eines der Berliner Konzerte besucht.
Eine 360° Projektions Show? Wie cool ist das denn?
Ich habe davon leider auch nichts mitbekommen, muss aber auch zugeben das ich deine Lakaien gar nicht kenne.
Die ist komischerweise komplett an mir vorbei gegangen. Eventuell sollte ich ihre Musik mal anhören und vielleicht schafft die Band es in meiner Postpunk/ neue deutsche Todeskunst Sammlung rein.
Schöner Konzertbericht, aber irgendwie auch…Mist! Warum erfahre ich das erst jetzt!? Auch an mir ist das komplett vorbeigegangen.
Zwar habe ich schon sehr lange nicht mehr aktiv die Musik von Deine Lakaien angehört, doch gehören sie zweifelsohne zu meiner musikalischen Frühbildung als 90er Jahre Teenie. Zudem bin ich großer Fan von Planetarien!
Das hört sich wirklich toll an! Kein Wunder sind alle noch ausstehenden Veranstaltungen ausverkauft, ärgerlich! Naja vielleicht gibt’s im nächsten Jahr nochmal eine Chance darauf….
Schau mal auf Kleinanzeigen.
Dort werden immer mal ein paar Tickets für die Planetarien reingesetzt :)
So eine Show zu verpassen ist äußerst ärgerlich, da es einfach unfassbar toll war
Maren, danke dass du uns auf deine kleine Reise mitgenommen hast.
Und ich finde es gut, dass du dich entschieden hast, diese Kilometer auf dich zunehmen um dir einen Wunsch zu erfüllen. Ich kenne es nur zu gut, dass man sich selber manchmal wertvolle Momente und Erlebnisse nimmt, weil man irgendeinen Grund findet, warum man vll. doch nicht söllte. Und wie man deinem Text entnehmen kann, hat sich jeder Kilometer gelohnt 🙂.
Ich finde es bemerkenswert, zu welchen Ideen Künstler kommen können, wenn es um deren Auftritte geht, und wie sie ihrem Publikum damit einen unvergesslichen Moment schenken. Spontan muss ich da auch an Kraftwerk denken, die kürzlich vor der Dresdener Semperoper spielten und auf dieser quasi eine Projektionsshow hatten.
Wie schade, das ging total an mir vorbei! 😔
„Deine Lakaien“ sind immer ein ganz besonderes Erlebnis. 2007 traten sie mit der „Neuen Philharmonie Frankfurt“ in der Frankfurter „Alten Oper“ auf.
Da denke ich heute noch sehr gerne daran zurück.
Aber dies hier toppt das wahrscheinlich noch… 😊
Danke für Eure Kommentare. Es freut mich, dass mein Bericht Euch gefallen hat. Gleichzeitig kann ich gut das Bedauern derjenigen nachempfinden, die jetzt auch gerne in eines dieser Konzerte gegangen wären. Berlin war übrigens nicht Teil der diesjährigen Tour sondern schon letztes Jahr. Ich muss auch sagen, dass es ewig gedauert hatte, bis die Planetariumskonzerte angekündigt wurden . Erst sah es lange so aus, als ob es dieses Jahr nur Einzelkonzerte von Veljanov und ihren gemeinsamen Auftritt auf dem Mera Luna geben würde – dann plötzlich die Ankündigung. Es ging dann auch ziemlich schnell mit dem Kartenverkauf. Bochum war schon nach einem Tag ausverkauft. In einem Interview hat Veljanov gesagt, dass es Anfragen aus Planetarien anderer Städte gäbe. Es besteht also die Hoffnung, dass sie doch noch irgendwann weitere Konzerte dieser Art geben. Ich empfehle, die Homepage und die Facebook Seite der beiden im Auge zu behalten. Sollte ich auf etwas stoßen, werde ich es auch gerne hier in den Kalender eintragen.
Das wäre prima, denn ich bin nicht bei Facebook und habe auch nicht vor, das zu ändern. Schade dass viele Bands ihre Webseiten nicht mehr pflegen sondern nur noch auf Facebook agieren…
Absolut. Ich finde es traurig, dass sich das ganze „Szeneleben“ nur noch auf FB und Co. abspielt. Ich bekomme auch nur noch wenig mit und muss oft im Nachhinein feststellen, dass da oder dort wieder ein Konzert war oder sowas in der Art. Leider. :(
Das stimmt, daß man Vieles leider nicht mehr mitbekommt, wenn man sich nicht in Facebook bewegt.
Allerdings glaube ich, daß man deutlich mehr an Lebensqualität gewinnt, wenn man darauf verzichtet.
Und das sage ich als Informatiker, der eigentlich eine gewisse Affinität dazu haben sollte. 🙈
Bisher konnte ich mich erfolgreich dagegen wehren und es ist davon auszugehen, daß dies auch so bleiben wird. 😄
John Doe Tanzfledermaus Phoenix ;
Ja, es ist schade, dass man vieles nur über Facebook mitbekommt. Und selbst wenn man sich dort bewegt, läuft man Gefahr wirklich interessante Veranstaltungen nicht mitzubekommen, weil sie von dem ganzen Schrott, der sich dort befindet, verdeckt werden. Im Fall von Deine Lakaien war es allerdings so, dass sie ihre Konzerte sowohl über ihre Homepage als auch über ihre Facebook Seiten bekannt gegeben haben. Das Problem war wohl eher der schnelle Verkauf der Tickets. Wie auch immer, falls die beiden sich irgendwann entschließen sollten, auch noch in anderen Planetarien aufzutreten und ich es mitbekomme teile ich die Information wie gesagt gerne über den Veranstaltungskalender.
Im Übrigen kann ich Eure Facebookabstinenz absolut nachvollziehen, habe aber auch Gründe, warum ich (noch!?) dort bin.
Liebe Maren, danke für den Beitrag. Scheint, als wäre es dein erstes Lakaien Konzert gewesen? Zumindest achtest du auf Details, die mir, als regelmäßiger Lakaien Konzert Besucher, eher als normal erscheinen.
Heute in Bochum im Planetarium ist mein 70. Lakaien Konzert, seit 1997 bin ich von dieser Symbiose gefesselt 😉
Also 470km sind durchaus machbar und jeden Meter wert, deswegen versuche ich auch immer, bei der ganzen Tour dabei zu sein.
Danke Dir für Deinen Kommentar. Ja, es war mein erstes Lakaienkonzert. Wie zu Anfang gesagt, entstand der Wunsch in mir, sie live zu sehen, letztes Jahr im Sommer. Auf Deine beachtliche Anzahl an Lakaienkonzerten werde ich es sicher nicht mehr bringen, aber ich hoffe sehr, sie auch noch einmal wieder live erleben zu können!
Wow, dann haben wir ähnlich viele gesehen. Mein erstes Lakaienkonzert war im Feb. 1992 auf der Insel der Jugend in Berlin.
Seitdem haben sie mich nicht mehr aus ihrem Bann gelassen. Ich war sowohl im Berliner Planetarium als auch jetzt in Bochum. 😍
Das klingt einfach wundervoll, da wär ich gern dabei gewesen… nicht nur dass ich die Lakaien leider erst einmal live gesehen habe, auf dem Amphi… ich finde ein derartiges Event passt eigentlich auch viel besser zu ihnen als eine typische Festivalbühne (auch das hier hätte ich z.B. damals nur zu gerne live gesehen: https://www.youtube.com/watch?v=_i2AC0D3eLE )
Danke für diesen Bericht :)
Danke für den Link :)! Ich kenne die Aufnahme und liebe diesen Song gerade in dieser Version ganz besonders. Ja, das muss live auch eine außergewöhnliche Erfahrung gewesen sein und diejenigen , die daran teilhatten können sich glücklich schätzen.
Merci für den gelungenen Rückblick.
Die Eindrücke kann ich nur bestätigen. Als Jenenser und großer Bewunderer von Deine Lakaien bin ich sehr froh, dass die Bedenken im Vorfeld, ob sich drei Konzerte nacheinander im Planetarium auch verkaufen, schnell ausgeräumt werden konnten. Der Ernst-Abbe-Stfitung, der das Planetarium Jena gehört und dieses auch betreibt, bin ich auch sehr dankbar, dass sie dem technischen Leiter die Freiheit auch geben, Konzerte solcher Art zusätzlich zum klassischen Bildungsprogramm im Planetarium durchzuführen. So gab es bereits beeindruckende Konzerte von z. B. Empathy Test und Heppner, und es wird sicherlich auch noch Weitere geben ;-)
Da Jena mitten in dem schwarzen Gravitationsbereich (dieser Vergleich muss bei einem Planetariumskonzertbericht erlaubt sein ;-) von Dresden, Erfurt und Leipzig liegt, ist es nicht einfach, auf solche Konzerte und auch Tanzveranstaltungen aufmerksam zu machen. So gab es zusätzlich am Samstag sowohl eine dunkle Tanzveranstaltung „Die dunkle Party von Devote“ im M-Pire mit DJ Spinne und evtl. nicht ganz szenetypisch aber auch außergewöhnlich eine Bohème Sauvage im Volkshaus Jena, damit sich die lange Anreise für manch eine Person noch mehr lohnt. Umso mehr hoffe ich, dass die Werbung auf solche Veranstaltungen die ein oder andere Person zukünftig auch eher erreicht.
Es freut mich, dass mein Rückblick Deine Zustimmung gefunden hat. Danke, auch für die Hintergründe zum Veranstaltungsort. Was sonst in Jena noch an diesem Abend stattfand , war natürlich zu mir in der Ferne nicht durchgedrungen. Vermutlich wäre Tanzen nach dem Konzert eine gute Option gewesen.
Tanzfledermaus , Lola , Norma Normal , graveyardqueen , John Doe , Phoenix , Durante
@ alle anderen, die Interesse haben.
Soeben habe ich mitbekommen, dass es weitere Planetariums Konzerte von Deine Lakaien gibt, und zwar am 15., 16. und 17. Februar in Berlin. Wie ich versprochen habe, habe ich die Veranstaltung umgehend in den Kalender eingetragen, mit Link für weiteren Informationen zur Homepage von Deine Lakaien. Sie haben auch noch zwei Open Air Akustik-Konzerte für den Sommer angekündigt. Wenn Ihr ins Planetarium wollt, empfehle ich Euch, sofort Tickets zu kaufen, da die im Sommer schnell weg waren.
Hallo Maren, vielen lieben Dank!
Ich habe gleich mal geschaut, aber 50 Euro ist mir dann leider doch zu teuer für ein Einzelkonzert (ich mag Deine Lakaien zwar, bin aber kein Mega-Fan). Ich hab nächstes Jahr zwei größere Reisen geplant und das WGT wird auch wieder ganz schön am Geldbeutel nagen…
Maren ich schließe mich der Tanzfledermaus an! Danke für den Tipp, aber auch bei mir hat das WGT finanziell Vorrang, eventuell nehme ich vorher eins zwei kleinere Konzerte in Leipzig mit, aber wirklich planen kann ich auch nicht, da aktuell beruflich ein großer Umbruch ansteht und ich noch nicht einschätzen kann, was das für mich bedeutet. Wenn das Jahr beschissen zu Ende geht dann leider richtig 😐.