Eine unvergessliche Nacht mit „The Cure“ im Londoner Troxy

Am 1. November 2024 erschien das lang ersehnte Album „Songs Of A Lost World“ von The Cure, Gothics aus der ganze Welt sprangen in einem Anflug von Freude aus ihren Särgen.  In einem exklusiven Konzert im Londoner Troxy, das die Band auch im Internet streamte, wollte man 3000 Gästen das Album präsentieren. Die heiß ersehnten Karten, die nicht etwa zu exorbitanten Summen, sondern zu regulären Preisen angeboten wurden, waren in einem Wimpernschlag vergriffen. Familie Klammer hat es allerdings geschafft und ihre Erlebnisse mitgebracht und aufgeschrieben. 

Ein unerschütterliches Cure-Fan-Girl und ihr großer Traum

Mein Name: Jeannette. Jahrgang: 1977. Aufgewachsen: in der DDR. Erster Berührungspunkt mit The Cure: 1989. Im staatlichen Rundfunkgeschäft stand eine Single: „Close to me“. Seither war es um mich geschehen. Ohne die Band oder Musik vorher gekannt zu haben, wusste ich: Das ist es. Das bin ich. Die kennen mich. Die wissen, was ich fühle. Die Single muss ich haben. Ich hatte nicht mal einen Plattenspieler und trabte daher Tage später mit der neuen Errungenschaft zum Opa. Der hatte nämlich einen. Was soll ich sagen? Seither bin ich ein Fan-Girl. Aus dem tiefsten Herzen, mit Leib und Seele. Ohne Wenn und Aber, unerschütterlich.

Der deutschen Geschichte sei Dank, durfte ich „The Cure“ später bei einem Konzert in Berlin. Hier allerdings in Begleitung meines Vaters, der mich ja noch „viiieeeel zu jung für sowas“ fand. Später sah ich sie bei einem Festival in Konstanz und viel später mit meinem zweiten Ehemann – mittlerweile war ja einiges passiert – in Berlin bewundern und wie Teenie anhimmeln.

Und dennoch träumte ich immer davon meine „Helden“, meine „Seelenverwandten“ einmal im Leben in einem kleinen Club in London zu sehen, hatte ich doch hin und wieder gelesen, dass „The Cure“ es sich nicht nehmen ließen, solche Gigs hin und wieder zu spielen. Jedoch, dem gemeinen Cure-Fan geläufig, wurde der Traum immer abwegiger, irrationaler und irrer.

Der große Traum rückt in greifbare Nähe

Zeitsprung, wir schreiben das Jahr 2024. Die mittlere Tochter studiert mittlerweile zu unserer Begeisterung und völlig verdient Theaterschauspiel in London. Ein Besuch unsererseits stand an. Die Planungen der Reise waren in vollem Gange, als die Neuigkeit einschlug wie ein Komet:

„The Cure“ wird anlässlich der Veröffentlichung ihres seit 16 Jahren heiß erwarteten neuen Albums ein Exklusivkonzert geben!

Erster Gedanke: Wow, da müssen wir hin! Zweiter Gedanke: Hey, da sind wir doch gerade sowieso in London! Dritter Gedanke: jetzt brauchen wir nur noch Karten. Das MUSS klappen! Angesichts der Tatsache, dass vermutlich tausende Fans genau den gleichen Gedanken haben, sind wir eingeschüchtert, aber zuversichtlich. Das Universum muss doch wissen, dass das UNSER Traum ist! Außerdem, so reden wir uns ein, haben bestimmt alle anderen die Ankündigung gar nicht gelesen.

Schritt 1: Album bestellen beim offiziellen Cure-Fan-Shop, um einen Code zu bekommen, mit welchem man angeblich Vorkaufsrecht an Tickets erlangt.

Schritt 2: Diverse Familienangehörige davon überzeugen, auch eine Bestellung zu tätigen, um für uns ebenfalls an einen Code zu kommen.

Schritt 3: App herunterladen, um die Tickets dann zu kaufen und die Familie daran erinnern, dies auch zu tun!

Jetzt warten wir auf Tag X, den 17. Oktober 2024. Der Tag an dem der Vorverkauf der Tickets für das Konzert im Troxy losgehen soll.

Der Krimi um die Karten für das Konzert im Troxy

17.10.2024, 15.45 Uhr MEZ, 14.45 Uhr GMT. Es ist ein Donnerstag, mein Mann hat das Handy im Home-Office mit geöffneter App vor sich liegen, meine Tochter kündigt in der Uni an, kurz vor 16 Uhr ein wichtiges Telefongespräch mit Deutschland führen zu müssen, um die Räume rechtzeitig verlassen zu können und ich schließe meine Bürotüren und kündige den Kollegen an, für eine Zeit keine Gespräche entgegen nehmen zu können.

Der Countdown läuft, dieser ist auch in der App zu sehen. 3…2…1… „Kaufen“ drücken. Die sofortige Meldung „ausverkauft“. Was? Wie? Das war es? Aus der Traum? Vorbei? 1/2 Sekunde zu langsam? Die Tränen kann ich kaum aufhalten. Plötzlich ein „Piep“ aus dem Handy. Kai schreibt. Und? Nein, er hat es auch nicht geschafft. Gemeinsame Trauer. Noch ein „Piep“. Charis, die Tochter: „ich habe eure Karten“. WAAAAS? Sie hat Karten? Sie hat Karten? Sie hat es geschafft?

Ich möchte laut schreien, bin ganz irre vor Freude. Ich taumel und bekomme tatsächlich einen kleinen Schwächeanfall. Die Kollegen haben mich gehört, öffnen die Tür, fragen, was los ist. Ich stammel nur „ich kann gehen“, „ich werde The Cure sehen“! Ich lasse den Tränen freien Lauf, zittere am ganzen Körper, ich bin nicht mehr in der Lage, an dem Tag zu arbeiten.

Als ich nach Hause komme, springe ich meinem Mann entgegen; aber was hat er? Er schaut traurig aus. Was ist passiert?

Um den exorbitanten Weiterverkaufspreisen von Tickets entgegenzuwirken, ist die Weitergabe von Tickets nicht möglich. Aha. Und? Das heißt, unsere Tochter, Charis, wird zum Konzert gehen können und eine Person mitnehmen dürfen. Das wäre dann ich, hat sie gesagt. Mehr als zwei Karten konnte man nicht kaufen. Ich bin in einem Dilemma. Ich möchte mich freuen, und tue das auch. Aber ohne Kai, der wie ich, seit frühester Jugend ein Fan ist? Natürlich freut sich auch Charis, denn wir beide hatten beschlossen, beim nächsten The Cure Konzert gemeinsam zu gehen. Aber Fan seit frühester Jugend? Nein, das ist sie nicht. Die gegensätzlichsten Gefühle bestimmen die nächsten Tage.

Was wir zunächst nicht wissen: Charis hat dem Veranstalter geschrieben. Sie wird es mir später zeigen und mein Herz damit berühren. Sie schreibt, dass es ihr Wunsch ist, ihre Eltern gemeinsam zum Konzert gehen zu lassen und die Tickets auf uns übertragen lassen möchte. Es wird mehrere E-Mails geben, aber da es sich um eine „familieninterne Übertragung“ handelt, ist es möglich: Die Tickets werden auf uns beide umgeschrieben. Die Freude ist riesengroß, die Dankbarkeit auch.

„The Cure“ – Troxy, wir kommen!

Am Abend des 24.10.2024 ist es soweit. Das Auto ist voll bepackt, die Fahrt geht los. Nach 5 Stunden Fahrt und einer kurzen Übernachtung in Aachen und weiteren 3 Stunden Fahrt am nächsten Morgen geht es mit der Fähre von Dünkirchen nach Dover und weitere 2 Stunden später sind wir in London angekommen. Wir verleben ein tolles Wochenende mit vielen Erlebnissen (welche hier zu beschreiben dann wirklich den Rahmen sprengen würden) mit Charis und ein paar herrliche Tage im Dartmoor.

Das Navigationssystem zeigt den Weg zum Ziel

01.11.2024

Nach 5 Stunden Fahrt vom Dartmoor zurück nach London machen wir uns ausgehfertig (unseren supernetten Gastgebern Reny und Richard sei an dieser Stelle herzlichst gedankt!!!). Mit der U-Bahn geht es dann los, knapp 1 Stunde Fahrt. Als wir die U-Bahn-Station verlassen, sehen wir die ersten Mitstreiter, kommen schon ins Gespräch. Wir sehen das Troxy. Und dann die Schlange! Oh weh, denke ich, das wird wohl nix mit erster Reihe.

Pünktlich 18 Uhr geht’s los, die Schlange schiebt sich dem Eingang entgegen. Alles geht reibungslos und schnell, die Organisation ist perfekt. Die Absprache mit Kai: er geht zum Merch-Stand, ich sicher die Plätze so weit vorn an der Bühne wie möglich. Kaum sind wir im Vorraum, sprinte ich ganz ungruftihaft los, werde aber von den Ordnungskräften zu langsam gehen angehalten. Dennoch schaffe ich es bis in Reihe zwei, da die meisten derer, die sich noch nicht beim Merch angestellt haben, sich in einer Traube vor der Mitte der Bühne sammeln.Der Merchandise-Stand beim Cure-Konzert im Londoner Troxy Schnell füllt sich der Saal, Kai kommt bepackt mit Merch (das T-Shirt für 20 Pfund, der Hoodie für 40 Pfund; da kann man nicht meckern) dazu. Die Zeit vergeht nun wie im Flug, wobei ich die ganze Zeit versuche, die unangenehmen US-amerikanischen „Fans“ direkt vor mir zu ignorieren. Er im Spiderman-Kostüm, sie mit leuchtend rosa Wackel-Fühlern auf den Kopf… Wenn ich mir überlege, wie viele richtige Fans sich nichts sehnlicher gewünscht hätten, als hier dabei zu sein, macht es mich fast wütend, sowas zu sehen. Aber ich versuche, mir die Stimmung nicht verderben zu lassen, schließlich soll das der Abend des wahr gewordenen Traums werden!

Die Klammers kurz vor dem Konzert im Troxy

Und dann geht’s los, die ersten Noten, meine Helden betreten die Bühne und mir schießen die Freudentränen in die Augen. So nah werde ich ihnen wohl nie wieder sein. Das komplette Album „Songs Of A Lost World“, welches wir selbstredend auf der Fahrt vom Dartmoor nach London vorangehört haben. Unglaublich, welche Kraft diese Stimme immer noch hat! Die Songs legen sich wie eine schützende Hülle über mich, umarmen mich und nehmen mich vollkommen ein. Für mich schließt sich mit dem Album die Lücke, die spätestens nach „Bloodflowers“ von 2000 – über die Alben wie „The Cure“ von 2004 und „4:13 Dream“ von 2008 gehe ich mal hinweg – entstanden ist.

Und spätestens, als all die großartigen alten Stücke gespielt werden wie „Plainsong“, „Burn“, „Desintegration“, „At Night“, „A Forest“ gibt es kein Halten mehr, der Saal singt und tanzt, als gäbe es kein Morgen.

Leider bringen mich die rosa blinkenden Fühler der Tante vor mir hin und wieder ein bisschen aus der Stimmung und dem Ganzen die unrühmliche Krone setzt ihr Begleiter, als er allen Ernstes zu „Lullaby“ auch noch die Spiderman-Maske aufzieht und rumhampelt wie ein debiler Teenager, doch sogleich blende ich das wieder aus und gebe mich wieder voll und ganz den Klängen hin. Mein persönliches Highlight ist natürlich „Close to me“, schließt dieser Song doch meinen persönlichen Kreis.

Nach drei wundervollen Stunden geht aber auch der Konzertabend zu Ende. Seelig lächelnd verlassen die anwesenden Stück für Stück den Saal. Noch einmal schlängelt sich die Merch-Schlange durch das gesamte Foyer, welche noch immer von Absperrungen in die richtigen Bahnen gelenkt wird.

Aber noch will ich nicht gehen, will auch die letzten Stimmungsfetzen in mich aufnehmen und so erkunden wir das Troxy einfach ein wenig. Treppe rauf, Gang rüber, noch eine Treppe rauf und wer läuft vor uns? Simon! Ein kleiner Fingertipp auf seine Schulter und er dreht sich herum. Leider ist er für ein Foto nicht bereit „not today“, ein klein wenig Verständnis ist schon da, aber trotzdem, ein kleines Foto wäre schon toll gewesen.

Immer noch beseelt geht’s nochmal am nunmehr leeren Merch-Stand vorbei, ein weiteres Shirt, ein weiterer Hoody passen schon noch in die Taschen und dann lässt sich der Abschied wirklich nicht mehr rauszögern, es geht gen Ausgang.

Zurück bleiben jede Menge Fotos, diverse neue Kleidungsstücke, ein Poster, ein Pin und die Erinnerung an einen der großartigsten Abende meines Lebens! Was den Abschied leichter macht ist Roberts Versprechen auf ein Wiedersehen – und das nehme ich angesichts der offensichtlichen Freude an Spielen, die sie allesamt auf der Bühne gezeigt haben, ernst. Und so wird es auch nächstes Jahr wieder heißen: „The Cure“ – wir kommen!!!

The Cure im Londoner Troxy – Die Fotos

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Kommentare

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graveyardqueen
graveyardqueen(@graveyardqueen)
Vor 14 Stunden

Ich muss gestehen, als ich „The Cure“ las, dachte ich „Nicht schon wieder 🙈“. Den Artikel habe ich mir dennoch durchgelesen und fand ihn ganz gut. Auch wenn ich diese Achterbahn der Gefühle, welche es beim Erwerb der Karten gab, nicht nachvollziehen kann. Aber ich weiß wie es ist, wenn man den Traum hat eine Lieblingsgruppe Live zu sehen oder welche Emotionen in einem hoch kommen können, wenn man eine Lieblingsgruppe Live sieht. Sogar das mit dem erwähnten Störfaktor (das verkleidete Paar) kann ich nachvollziehen. Es ist nervig, wenn die Konzentration, welche der Bühne dient, immer wieder auf etwas anderes gezogen wird. Bei mir war es dieses Wochenende die poggende Gruppe beim Konzert von Freunde Der Italienischen Oper. Ich kenn’s ja schon vom Konzert im Sommer, das je weiter das Konzert fortgeschritten ist, desto mobiler ist die Masse. Dennoch ist es für mich störend, wenn ich ständig schauen muss, von wo der nächste kommt, um in Abwehrhaltung zu gehen, um nicht umgestoßen zu werden. Aber solch Störfaktoren gehören wohl zum Konzert irgendwie mit dazu. Und da gibt es noch weitaus mehr davon…
Schön, dass es im Fall der Autoren, dem Konzerterlebnis keinen Abbruch tat.

Jensi aus Königsbrück
Jensi aus Königsbrück (@guest_66049)
Vor 1 Stunde

Dieser Bericht ist einfach spannend und genial geschrieben. Erinnert mich an mein allererstes The Cure Concert 1990 in Dresden. Die Aufregung damals an Karten zu kommen lief ähnlich ab. Und dann als im Osten geborener 18jähriger seine Lieblingsband zu sehen war traumhaft.
Freu mich für euch das ihr in London sein durftet. :-)

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