NDW war nur die Oberfläche – Die wahre Deutsche Welle

Wer denkt bei dem Begriff Neue Deutsche Welle nicht an Nena mit ihren 99 Luftballons oder Markus und seinem unbändigen Verlangen nach Spaß? An der NDW scheiden sich die Geister, die Kritiker finden es einfach nur noch peinlich, es sei das schlechteste aus Deutschen Landen und die Befürworter halten es für ein Stück deutscher Geschichte, für Kult. Überall steckt ein Fünkchen Wahrheit drin, nichts ist wirklich richtig.

Wie so viele innovative Musikrichtungen begann auch die NDW mit dem Punk und ist fast eine unausweichliche Konsequenz aus der Neugier und dem zu dieser Zeit vorherrschenden musikalischen Kreativitätsvakuum. Während man international von New Wave sprach und damit den verstärkten Einsatz von elektronischen Hilfsmitteln in der Musik meinte, begann man in Deutschland damit zusätzlich wieder Deutsch zu singen. Die ersten Synthesizer wie der MS-20 werden erschwinglich und finden verstärkt Einzug in die eigenen vier Wände, eine ganze Generation Jugendlicher entdeckt die selbstgemachte Musik und kann ihrer musikalischen Kreativität freien Lauf lassen. Alfred Hilsberg prägt mit seinem Artikel „Neue Deutsche Welle – Aus grauer Städte Mauern“ im Oktober 1979 den Begriff der NDW und beschreibt die aktuelle Deutsche Entwicklung sehr treffend:

In Westdeutschland und Westberlin findet eine neue Musik statt. Sie wird gemacht und wird gehört. Einige nennen es immer noch Punk und wollen es sein. Andere wissen mit diesem Begriff nichts mehr anzufangen. Dutzende von Gruppen arbeiten in Wohnzimmern, Übungsräumen, Studios. Manche spielen, um sich und ihren Fans Spaß zu bringen.Andere haben ernstere Ansprüche, entwickeln Konzepte, neue Töne. Und arbeiten mit deutschen Texten. Sie spielen in wenigen Clubs, organisieren bereits erste Tourneen. treten auf Lastwagen auf. Keiner lebt von der neuen Musik, Sie gehen arbeiten, zur Schule, studieren, nehmen Kredite auf, wohnen zu hause oder in einer Kommune. Manche sind erst 15, andere bald 30. 1

Die Musikbranche befindet NDW zunächst als nicht vermarktbar, da es bei Bands wie auch bei den Fans starke Widerspruch gegen eine Zusammenarbeit mit der Industrie gab und Bands die auch nur Gespräche mit den „Plattenbossen“ führten, wurden innerhalb der Szene abgelehnt. Als Bands wie Fehlfarben, DAF oder Abwärts immer größere Erfolge feiern beginnen die Plattenfirmen damit, eigene Retortenbands zu züchten und durch einfache, unkritische und einprägsame Produktionen eine breite Masse anzusprechen. Hubert Kah, Markus, UKW, Nena, Trio und Peter Schilling sind wohl die prominentesten Vertreter dieser Entwicklung die schnell nationale Erfolge feiern und in den Hitparaden landen.

Die Musikvermarktungsstrategie geht nun voll auf. In allen Medien ist die Neue Deutsche Welle präsent, Hitparadensendungen, Jugendsendungen und Reportagen drehen sich nur noch um ein Thema, beinahe alle Musikzeitschriften steigen auf diesen Trend ein und stilisieren die Retortenbands zu Ikonen einer ganzen Generation. Die Geschwindigkeit mit der man dabei vorgeht ist atemberaubend und so wundert es nicht das der 1980 im Untergrund angefangene Trend 1984 einen frühen Tod stirbt, der Markt ist einfach übersättigt.

Auf der Ausläufern der Neuen Deutschen Welle können sich jedoch einige deutsche Bands etablieren und passen in den allgemeinen Trend, wieder Deutsche Texte zu singen. Herbert Grönemeyer, BAP, Die Ärzte oder auch die Toten Hosen konnten nie mit dem Genre verglichen werden, sind aber Nutznießer der Popularität und größtenteils heute noch sehr erfolgreich.

Somit spielt sich die Neue Deutsche Welle auf mehr oder weniger 2 Ebenen ab. Im Untergrund wird weiter experimentiert und mit kritischen und durchaus politischen Texten der Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten, während man auf der Oberfläche die Menschen mit unkritischen Texten und eingängiger Musik befriedigt.  Viele der Musiker verschwanden ebenso schnell in der Versenkung wie aus ihr emporschossen. Verdunstet man das Wasser der Belanglosigkeit bleibt eine feiner und erlesener Bodensatz zurück, von denen viele auch heute noch musikalische aktiv sind. Die Humpe-Schwestern beispielsweise, die sich für die Gründung der Neonbabies 1979 verantwortlich zeichnen sind auch heute noch sehr erfolgreich, Inga die zuletzt mir 2Raumwohnung erfolgreich war und Anette, die mit Ich + Ich große Erfolge verzeichnet.

Es scheint unmöglich alle Bands dieser Zeit zu erfassen, erst in Zeiten von Internet ist es möglich die Informationen darüber zu teilen und auch heute noch entdecke ich für mich völlig neue Stücke aus dieser Zeit. Dabei ist die Zuordnung zu diesem spezielle Genre äußerst schwer, begannen sich die Musikrichtung unter dem New Wave/Neue Deutsche Welle Genre damit, sich auszudifferenzieren.  Ich habe zu diesem Zweck ein Playlist erstellt, die euch eine kleine Zeitreise in den Untergrund der Neuen Deutschen Welle von 1979-1984 mitnimmt. Es sind einige großartige Raritäten dabei, die ihr euch nicht entgehen lassen solltet. Mit dabei sind unter anderem: Der Moderne Man, Malaria!, Abwärts, Hans-A-Plast, DAF, Fehlfarben, Nichts und X-mal Deutschland

Nicht alle Lieder die einer Würdigung würdig wären haben hier Platz gefunden, deshalb habe ich auf die beschränk, die einen winzigen Einblick in diese Zeit geben. Es lohnt sich immer wieder in alten Beständen zu forschen und auszugraben was uns damals im Untergrund verborgen geblieben ist.

In Zeiten von Retro-Shows und Ausschlachtung alter Genre werden immer wieder Musiker dieser Zeit reanimiert und in Fernsehshows des Privatfernsehen vermarktet. Merke: Nicht überall wo neue Welle draufsteht ist auch neue Welle drin. Informationen über die wahre Deutsche Welle findet man dazwischen aus, man muss nur die Augen aufhalten: Die wohl umfangreicheste Sammlung von Zeitschriften und Artikel über die Zeit aus der Zeit findet man bei R. Fuchs von Information Overload, eine recht gute Übersicht über die Musik aus dieser Zeit gibt es bei Ich will Spass.

Einzelnachweise

  1. Headliner aus dem Artikel der Sound 10/79 von Alfred Hilsberg[]
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frank
frank (@guest_50468)
Vor 9 Jahre

nena selber haben sich allerdings nie als ndw band gesehen, sondern als deutsche pop-band ( daher ist die sängerin für mich die uroma der dt popmukke…;-) )…. es gibt ein interessantes buch von rolf brendel , dem damaligen nena schlagzeuger, über die ganze erfolgreiche zeit der band. genau dort wird auch der ndw mythos von nena widerlegt…

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