Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 ändert sich für die Menschen alles. Anders zu sein bedeutete in der DDR häufig, unter Beobachtung zu stehen. Die daraus resultierende Gemeinschaft basierte auf Vertrauen und war geprägt durch ein ständiges Versteckspiel der subkulturellen Zugehörigkeit. Die neu gewonnene Freiheit macht diese Gemeinschaft zunächst überflüssig, jeder kümmerte sich um sich selbst und versuchte, seinen Platz in der wiedervereinigten Gesellschaft zu finden.
Rund 600 Gruftis waren kurz vor der Wende in Unterlagen der Stasi registriert. Viele standen unter Beobachtung, andere hatte bereits für ihre subkulturelle Zugehörigkeit in Untersuchungshaft gesessen. Mithilfe von Spitzeln versuchte das Ministerium für Staatssicherheit die Szene von innen heraus zu torpedieren. Die „negativ-dekadenten Jugendlichen„, wie sie in der Kartei genannt wurden, waren Staatsfeinde im bröckelnden Sozialismus.
Die DEFA-Dokumentation „Unsere Kinder“ greift die Zeit kurz vor der Wende auf und zeigt die Welt der Jugendlichen. Einen ausführlichen Artikel zu Film findet ihr hier.
Im Zuge des Mauerfalls zerfielen auch die Strukturen, die die Ostdeutsche Szene zusammengehalten hatte. Nur engste und lokale Freundeskreise überstanden die Wirren der Wiedervereinigung. Die Lebensentwürfe jedes einzelnen veränderten sich, Perspektiven war über Nacht verschwunden und nachdem der Freudentaumel abgeklungen war, blieb Orientierungslosigkeit das bestimmende Gefühl.
„Schmerzlich vermisst habe ich in diesen Monaten den inneren Zusammenhalt der Szene. Früher hast du einfach eine Anzahl Leute getroffen. Wir brauchten dazu keine großen Anlässe, wir haben uns einfach einander gefreut und hatten immer viel zu reden.“
Als Michael Brunner und sein Freund Sandro Standhaft nach einem gefühlten halben Jahr der Leere mit ihrem Moped durch Leipzig fahren, entdecken sie vor der Villa in der Karl-Tauchnitz-Straße eine Gruppe schwarzer Gestalten. Man kommt ins Gespräch und die Beiden beschließen, ihre eigenen Feten zu veranstalten.
Standhaft war heißblütiger Cure-Fan und galt als Robert Smith von Leipzig, doch hinter der musikalischen Melancholie blühte ein aktiver Charakter, Schlagzeugspieler und Plattenaufleger, der den verträumten Brunner um die wichtige Eigenschaft des „Anpackens“ bereicherte.
„Sandro und ich haben von Zuhause alles, was wir an Boxen, Material, Kabel und Plattenspieler und Verstärker hatten, zusammengetragen und haben das dort im Keller aufgestellt und ein bisschen Licht reingebaut uns los ging es. Man hat sich um 18 Uhr an der Villa verabredet du um 7 ging es los, und sobald du die Tür aufgemacht hast, sind die Leute auch schnell rein und sobald die Musik anging, sind die Leute auch auf die Tanzfläche. Man war halt äußerst dankbar, jeder Minute die Musik zu genießen, und die Zeit war auch von unglaublicher Selbstverständlichkeit und Toleranz innerhalb der Gruppe geprägt.“ 1
Einzelnachweise
- Michael Brunner im Museumsbuch Seite 27[↩]