Ruhpolding: Bergfriedhof (1738)

Der alte Bergfriedhof thront zusammen mit der Pfarrkirche St. Georg auf dem 706 Meter hohen felsigen Kirchberg, über der oberbayerischen Gemeinde Ruhpolding im Landkreis Traunstein. Mit dem Auto erreicht man diesen besonderen Ort der Stille nur von Süden aus, von Westen, Norden und Osten führen steile Fußwege zum Friedhof und zur Kirche.

Vor dem Friedhofsaufgang befindet sich am Fuße der Treppe an einer alten Linde eine lebensgroße „Schmerzhafte Muttergottes“, die jedem leidenden Besucher Trost spenden soll. Bei der Figur handelt es sich um eine spätbarocke Arbeit aus dem Jahr um 1740, die wie auch Teile vom Friedhof unter Denkmalschutz steht. Außerdem befinden sich beim Aufgang zwei Steinkreuze, die aus grobem Ruhpoldinger Marmor bestehen. Die beiden ursprünglichen Grabkreuze sind ohne Inschrift und sollen aus dem 16./17. Jahrhundert stammen.

Direkt nach dem Eingang findet sich eine private Familiengruft der Familie Zeller aus dem 19. Jahrhundert und gegenüber steht ein altes Pumpenhäuschen, welches die Wasserversorgung des Friedhofs sichert. Dazwischen soll sich früher ein Abstreifgitter befunden haben, was dafür sorgte, dass die Besucher keine geweihte Erde an ihren Schuhen vom Friedhof nach außen tragen. War das Auffangbecken voll, wurde die Erde wieder auf dem Gottesacker verteilt.

Beim Betreten fallen nicht nur der imposante Blick über das Tal und die Berge auf, sondern auch eine Vielzahl von schmiedeeisernen und geschnitzten Kreuzen aus vergangener und heutiger Zeit. Die Anlage ist terrassenartig in den Berghang gebaut worden, wodurch die Gräber früher und heute nur unter schwierigen Bedingungen anzulegen sind. Es herrschen sehr beengte Platzverhältnisse der Grabanlagen, weshalb an einigen Stellen eine Trittsicherheit und gute körperliche Verfassung von Vorteil sind. Die Positionen der Gräber sind alle Richtung Osten gelegen, was damals ein Zeichen der Hoffnung auf Leben nach dem Tod bedeutete. Es existieren Erzählungen, dass es auch so den Verstorbenen möglich sein soll, bei der Auferstehung auf ihr Dorf und ihr Haus schauen zu können.

Besonders eindrucksvoll ist auch die alte Friedhofsmauer, die um 1776 neu erbaut wurde und gegen starken Busch- und Baumbewuchs half. Nach alten Überlieferungen sollte die Mauer früher auch alles Schlechte von der Gemeinde fernhalten.

Am höchsten Punkt des Friedhofs steht die Gruftkapelle, die um 1758 erbaut und 1957 zur Grablegung für die Ruhpoldinger Pfarrer umgestaltet wurde. Im Inneren der Kapelle befinden sich alte Grabplatten und an der Decke malerische Bilder wie „Die Höll und Das Himmel Reich, Der Toth und das Gericht“. Auf dem Zwiebelturm hängt das Totenglöckchen, das früher beim Sterbegebet läutete.

An der heutigen Stelle der Gruftkapelle befand sich früher eine alte gotische Kirche, die im 18. Jahrhundert aufgrund ihrer Baufälligkeit gesperrt wurde. Im Jahr 1699 wandten sich die Ruhpoldinger Bürger mit einem Brief nach München an den Kurfürsten. In der Beschwerde wurde sich über die Störung der Totenruhe, starker Verwesungsgeruch und die Ausbreitung von Seuchen und Krankheiten beklagt.

Die Verstorbenen wurden damals nur in Leichentüchern und mit wenig Erde bedeckt bestattet. Durch die freiliegenden Gebeine war der Gestank kaum auszuhalten. Die Obrigkeit gab nach und so wurde der Friedhof und die Kapelle umgebaut.

Oberhalb der Zeller Gruft befand sich bis ins 19. Jahrhundert ein eigener Teil für Kindergräber. Hier wurden in einem gesonderten Areal nicht getaufte oder notgetaufte Kinder bestattet.

Aktuell sollen sich ca. 520 Ruhestätten auf dem Friedhof befinden, viele auch mit historischer Bedeutung. Es finden sich einige ortsbekannte Persönlichkeiten wie Bürgermeister, Ehrenbürger, Pfarrer oder Erbauer, die der Gemeinde Ruhpolding sehr nahe standen.

Besonders erwähnenswert ist das Grab des hingerichteten polnischen Zwangsarbeiters Adam Gorzela aus dem Zweiten Weltkrieg. Er arbeitete als Kriegsgefangener bei einem Bauer und galt als beliebt und integriert. Aufgrund einer nicht bewiesenen Anschuldigung wurde Adam Gorzela 1943 zu Unrecht erhängt. Die Ruhpoldinger Bürger hätten noch vergeblich versucht, das zu verhindern.

Der Friedhof wurde nach Südosten noch einmal erweitert, doch das reichte besonders durch die vielen Anfragen nicht aus, so dass die Gemeinde 1953 südöstlich der Pfarrkirche St. Georg einen neuen Friedhof anlegte.

Ein genaues Alter des Bergfriedhofs lässt sich nicht genau bestimmen. Vor rund 1.000 Jahren soll sich am Ort der heutigen Gruftkapelle, ein Vorgänger der gotischen Kapelle in Form einer kleinen Kirche gestanden haben, die nach Überlieferung der Erzbischof Thiemo von Salzburg im 11. Jahrhundert geweiht haben soll. Auch ist die Rede von einer Kultstätte heidnischer Vorfahren auf dem Kirchberg, was aber ebenfalls nicht sicher ist.

Der alte Bergfriedhof diente auch schon als Filmkulisse im Film „Wer früher stirbt, ist länger tot“ von Marcus H. Rosenmüller. Auch virtuell lässt sich dem Gottesacker durch ein Schulprojekt der 8. Klasse der Mittelschule Ruhpolding ein Besuch abstatten.

Quellen: