Das Format „Spontis Backstage“ wurde von der internen Qualitätsprüfung verworfen, weil es thematisch langweilig erscheint und mit spröder Sachlichkeit am Thema vorbeigeht.
Nach 3 Monaten ist es endlich geschafft. Ich habe eine Lizenz für 4 alte Fotos erworben, auf denen die 2021 verstorbene Carla „Ratte“ Fliegner zu sehen ist. Sie stammen aus einer Reihe von etwa 40 Bildern aus den Jahren 1985-1995, die ich im Nachlass der verstorbenen Grufti-Ikone habe sichten können. Meinem Ziel, eine Ausstellung mit alten Bildern, Gedanken und Fanbriefen aufzuziehen, bin ich damit 5% näher gekommen. Die restlichen Bilder sind demnach nur noch ein Kinderspiel.
Es liegt eine gewisse Ironie in dieser Beschreibung, die feinsinnige Zeitgeister möglicherweise schon wahrgenommen haben. Ich wurde ermutigt, darüber zu schreiben, wie viel Arbeit es ist, alte Fotos öffentlich zeigen zu können. Überhaupt möchte ich Euch in „Spontis Backstage“ mehr hinter die Kulissen mitnehmen, mal sehen, ob das klappt.
Zurück zu den Bilder von Ratte. In Zeiten von Facebook, Instagram und anderen sozialen Netzwerken sind wir es gewohnt, alte Bilder einfach zu teilen und an Freunde und Bekannte zuschicken. Wenn das eigene und selbst gemachte Bilder sind, ist das alles in der Regel kein Problem, aber wenn es Bilder in Zeitschriften, Bildarchiven oder Magazinen sind, sieht die Sache völlig anders aus.
Da Carla häufig für solche Formate abgelichtet wurde – und auch die meisten Leser sie so kennengelernt haben – muss ich für einen Rückblick eben auf solche Fotos zurückgreifen.
Carla vor der Linse von Fotograf „Al Herb“
Ein Umschlag, der sich im Nachlass von Carla fand, war an ihre Adresse in London adressiert geschickt worden, an der sie für einige Monate zwischen 1986 und 1987 wohnte. Ein Fotograf namens „Al Herb“ bedankte sich darin schriftlich für die Zusammenarbeit an einem „Fotonachmittag in München“ und legte einige Bilder bei, die Carla unter anderem mit einer nackten Dame im englischen Garten zeigen.
„Ein leichter Fall!“, dachte ich, denn Al Herb war ein bekannter Münchener Fotograf, der neben seiner Tätigkeit als Jurist zwischen 1954 und 1997 das lokale Nachtleben fotografisch in Szene setzte. Nach seinem persönlichen Brief, den er Ratte damals zusammen mit den Bildern schrieb, war ich mir sicher, mit meinem Anliegen beim ihm auf offene Ohren zu stoßen. Leider wurde der Gedanke, ihm einfach zu schreiben, von dem traurigen Umstand zunichtegemacht, dass der Fotograf 2015 im Alter von 84 Jahren verstorben war. Ich hatte wohl unterschätzt, wie alt Al Herb schon gewesen ist, als er Carla vor seiner Linse in Szene setzte. Nun war guter Rat teuer.
Bei der Bildagentur der Süddeutschen Zeitung konnte ich allerdings wieder eine heiße Spur aufnehmen, denn hier fanden sie bei der Google Rückwärtssuche 2 der Bilder, die ich von der Serie aus Carlas Nachlass kannte. Also schrieb ich die SZ an und erkundigte mich nach den Bildern von Al Herb und wollte wissen, ob es noch weitere Bilder gab, für die man eine kostenpflichtige Lizenz anbot. Glücklicherweise erhielt ich Antwort:
„Wir haben schon seit langer Zeit Bilder von Al Herb bei uns. Vor etlichen Jahren waren wir auch nochmal bei ihm daheim und haben weitere Bilder übernommen. Ich denke eigentlich, dass er uns alles gezeigt hat (was er uns geben wollte). Somit ist der Bestand bei uns „abgeschlossen“, mehr Bilder haben wir nicht.“
Ich hatte also Bilder von Al Herb, die die SZ nicht hatte und war natürlich neugierig, ob ich diese für mein Museum verwenden konnte. Die SZ bot mir an, Kontakt zur noch lebenden Schwester von Al Herb aufzunehmen, um sich zu erkundigen, was mit den Bildern geschehen sollte, die ich in digitaler Form und Marcel, der Lebensgefährte von Carla, im Original hatte.
Unglücklicherweise zeigte sich die Schwester mit der Anfrage des Bildarchivs überfordert und so einigte ich mich mit der SZ darauf, dem Bildarchiv die unbekannten Bilder zur Verfügung zu stellen, damit ich die diese Bilder dann in digitaler Form, gegen die Zahlung einer Lizenzgebühr, verwenden konnte. Die Bildrechte am Nachlass des verstorbenen Fotografen lagen ja sowieso beim Bildarchiv.
Leider haperte es an der Scanqualität und so bat ich Marcel, den Lebensgefährten von Carla, die Bilder erneut und in besserer Auflösung einzuscannen, damit das Bildarchiv mit den Aufnahmen arbeiten konnte. Er zeigte sich darüber hinaus auch bereit, die Original „auszuleihen“, damit man sie bei der SZ in München noch einmal professioneller Scannen würde. Das wurde allerdings unnötig, denn die neuen Scans reichten aus.
Im Gegenzug erhielt ich die Genehmigung 4 der Bilder für „kleines“ Geld zeitlich unbegrenzt nutzen zu können. Mission erfolgreich.
So viel Aufwand für 4 Bilder?
Lohnt sich der ganze Aufwand für 4 Bilder? Nein, überhaupt nicht. Es gehört auf meiner Seite eine gehörige Portion Leidenschaft dazu, diese Hürden zu nehmen. Am langen Ende verdiene ich ja keine Cent mit der Bereitstellung solcher Inhalte und kann weder etwaige Lizenzgebühren erwirtschaften noch die damit verbundene Recherchearbeit abrechnen.
Nach einigen bösen Überraschungen in der Vergangenheit (Abmahnung wegen falsche CC-Lizenz oder Abmahnung wegen einer Nachlizensierung) ist sowieso kaum noch möglich, Inhalte von damals einfach abzubilden, daher bin ich dazu übergegangen, auf lizenzfreie oder private Werke, die ich verwenden kann, zurückzugreifen. Wer möchte, kann sie ja mal bei einem Anwalt durchlesen, was man alles beachten muss, um einfach ein Bild zu nehmen: eRecht24 – Bildrechte
Im Falle von Carla „Ratte“ Fliegner ist das allerdings nicht so einfach möglich, da sie auch ein mediales Phänomen war, das häufig und ausgiebig von Magazinen, Zeitungen und Zeitschriften abgelichtet wurde. Da mir diese – ihre – Geschichte sehr wichtig ist, muss ich eben investieren, denn diese alten Aufnahmen sind ein wichtiger Bestandteil vom Phänomen „Ratte“.
Ich hoffe, diese „Spontis Backstage“ hat euch einen kleinen Einblick verschafft. Wenn ihr selbst alten Aufnahmen der Münchener Szene oder von Ratte zur Verfügung stellen könnt meldet Euch! Wer Kontakt zu Fotografen von damals herstellen kann, möge sich gerne auch melden. Gesucht werden unter anderem ein „R. Kurzendörfer“ eine „Julia Oberer“ oder auch ein „Stefan“, der Carla eine Reihe von Bildern schickte. Meldet Euch!
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
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