25 Jahre WGT: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig sucht Menschen, Moden und Musik

Für eine Ausstellung mit dem Thema „25 Jahre Wave-Gotik-Treffen“ sucht das Stadtgeschichtliche Museum in Leipzig Menschen, ihre Geschichten und Erinnerungsstücke. Mit der im Frühjahr 2016 eröffnenden Ausstellung möchte das Museum die Historie des WGT möglichst authentisch aufgreifen und darstellen. Jennifer Hoffert, die zusammen mit dem Museum die Ausstellung plant, hat mich angeschrieben und darum gebeten, den Aufruf zu verbreiten. Für sie geht mit dieser Zusammenarbeit ein Traum in Erfüllung, denn seit 2005 ist sie vom WGT begeistert. 2009 zog sie nach Leipzig und brachte während ihrer Tätigkeit für den Plöttner-Verlag zusammen mit Alexander Nym das Buch „Black Celebration – 20 Jahre Wave-Gotik-Treffen heraus. Jetzt möchte sie dem Museum dabei helfen, die Ausstellung möglichst authentisch vorzubereiten.

Selbstredend, dass ich zugesagt habe, zu helfen, schließlich würde ich selbst gerne so eine Ausstellung besuchen, in der das WGT und seine Besucher im Mittelpunkt stehen. Zum einen möchte ich also den Aufruf des Museumsteams verbreiten und zum anderen etwas über die Hintergründe der Ausstellung erfahren und wissen, warum gerade so ein Museum sich mit der – im Vergleich zur Historie der Stadt Leipzig – doch recht jungen Geschichte des Wave-Gotik-Treffens auseinandersetzt. Erfreulicherweise hat sich Ann-Kathrin Reichenbach vom Stadtgeschichtlichen Museum Zeit genommen, auf meine Fragen zu antworten.

Was wird überhaupt gesucht?

Das Museum sucht möglicht facettenreichen Input aus der Szene. Nicht nur das WGT soll gezeigt werden, sondern auch die Leipziger Szene von den 80ern bis heute. Zehn bis zwölf Leute sollen mit ihren Fotos, Objekten und Interviews porträtiert werden. Auch ein Erklärungsversuch der Mode möchte man unternehmen, dazu sucht man vor allem individuelle Mode der Besucher, die nicht aus einem Laden zusammengekauft wurde. Der offizielle Aufruf:

Liebe WGT-Fans! Seit 1992 macht das Wave Gotik Treffen Leipzig jährlich zu einem besonderen Treffpunkt in Europa. Deshalb wird das Stadtgeschichtliche Museum ab März 2016 in einer Ausstellung die mehr als 25 Jahre Revue passieren lassen, die Szene und ihre Geschichte vorstellen.

Menschen, Moden, Musik und Stile sollen gezeigt werden. Wir würden uns freuen, wenn viele dazu beitragen könnten. Wir suchen Geschichten, Kleidung, Accessoires, Erinnerungsstücke oder Bildmaterial zu früheren Treffen. Interesse? Dann schreiben Sie uns bitte eine E-Mail mit Fotos eurer Sammlerstücke und einer kurzen Beschreibung von Ihrem Stil an folgende Adresse: stadtmuseum@leipzig.de (Betreff: WGT2016)

Wir suchen:

  • Kleidung im Trad-Goth, Industrial, Steampunk, Batcave, Dunkel-Romantik und EBM Stil
  • besonders: Schuhe und Stiefel jeden Stils
  • Perücken (schon gestylt wäre sehr toll)
  • Camping Sachen (Hat jemand ein besonders tolles Zelt und Fahnen vom WGT? Was darf beim Zelten zum WGT auf keinen Fall fehlen?)
  • Reisetaschen und Koffer, die im Gothic Stil personalisiert sind
  • eigene Kreationen aus alten WGT-Bändchen
  • alte Szene-Magazine und Fanzines
  • Kindersachen: WGT-gestylte Kinderwagen, Kinder-Kleidung im Gothic-Stil, Kinder-Hörschutz
  • Nicht-WGT Sachen: WGT ist nur ein Teil der Leipzig Szenegeschichte. Wer besitzt alte Flyer, Plakate und Karten von anderen Veranstaltungen außerhalb von Pfingsten?

Wir suchen auch ihre Geschichten: 1992 … Wer war da? – Wir möchten die ersten WGT-Besucher hören. Wer war 1992 da? Waren Sie jedes Jahr von Anfang an auf dem WGT? Wie hat sich das Treffen mit der Zeit geändert? 2000 … das Chaos WGT – Wie war es für Sie? Haben Sie skurrile oder lustige Geschichte zu erzählen? Das Museum will auch die Geschichten von Gruftis in Leipzig VOR dem Wave-Gotik-Treffen erzählen. Sind Sie Ur-Leipziger Grufti? Melden sie sich!

Das Interview

WGT-Becher
Zu Beginn des Wave-Gotik-Treffens wurden Sammelbecher für die Besucher angefertigt. Die Becher sind damit das erste „Merchandise-Produkt“ des Treffens.
(c) Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Doch was steckt hinter der Idee eine Ausstellung über das WGT, seine Besucher und ihre Ausstellung zu organisieren? Jennifer vermittelte mich an Frau Sieblist und Frau Dr. Sänger, die beiden Kuratorinnen der Ausstellung, um ein paar Fragen loszuwerden:

Das Stadtgeschichtliche Museum beschäftigt sich in der Regel mit viel weiter zurückliegenden Ereignissen der Leipziger Stadtgeschichte. Das WGT gibt es nun erst seit 25 Jahren in Leipzig. Was ist die Idee hinter der geplanten Ausstellung „25 Jahre Wave-Gotik-Treffen“?

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich ein stadtgeschichtliches Museum mit wichtigen Ereignissen der Geschichte einer Stadt, wie zum Beispiel Jubiläen, oder herausragenden Persönlichkeiten, auseinandersetzt. Dem Stadtgeschichtliche Museum Leipzig ist dieser rein historische Ansatz aber nicht genug, sondern es zeigt in Ausstellungen immer wieder gegenwartsbezogene Themen oder wagt Experimente, mit denen Dinge in Frage gestellt werden.
Mittlerweile ist das Wave-Gotik-Treffen ein fester Bestandteil im Jahresprogramm der Stadt Leipzig. Viele junge und inzwischen nicht mehr ganz junge Menschen zeigen nicht nur zu Pfingsten ihre Zugehörigkeit zur Schwarzen Szene, sondern leben sie das ganze Jahr über. Und auch Leipziger, die nicht dieser Szene angehören, blicken jedes Jahr wieder stolz auf dieses in Deutschland einzigartige Festival.
Somit finden wir es ganz selbstverständlich, dass zum 25-jährigen Jubiläum des WGT eine große Ausstellung gezeigt wird. Die Ausstellung ist übrigens die erste überhaupt, die nicht nur ein Subgenre wie beispielsweise Steampunk oder Cyber herausgreift, sondern die neben der Geschichte des WGT auch das Lebensgefühl, die Inspirationsquellen und die Vielfältigkeit der Szene in den Fokus stellt. Klar ist jedoch, dass auf Grund der Heterogenität der Szene nicht jedes Subgenre aufgegriffen werden kann.

Hat das WGT Ihrer Ansicht nach Leipzig und seine Geschichte beeinflusst?

In der Messestadt Leipzig treffen sich seit Jahrhunderten die unterschiedlichsten Menschen mit exotischem Kleidungsstil, fremdem Aussehen und eigenem Habitus, um miteinander zu handeln. Vielleicht hat diese Weltoffenheit bis heute Tradition. Durch die verhältnismäßig kurze Zeitspanne von 25 Jahren kann man noch nicht von einer Beeinflussung der Stadtgeschichte durch das WGT sprechen; die Wahrnehmungen, sowohl von Außen als auch von Innen, haben sich jedoch erheblich gegenseitig beeinflusst. Vielleicht beäugen die Einen die Anderen neugierig, es mag sich auch mancher nach dem Sinn hinter dem Ganzen fragen, aber die Akzeptanz und Toleranz ist beachtlich. Die Schwarze Szene versteht sich selbst als friedliebend und wird auch als solche wahrgenommen.

Jedenfalls ist eindeutig festzustellen, dass es nach anfänglichem Misstrauen mittlerweile eine einzigartig friedliche Koexistenz zwischen Gruftis und Bürgern der Stadt Leipzig gibt. Außerdem haben die Leipziger auch den kommerziellen Mehrwert des WGT erkannt. Viele Geschäfte bieten zu Pfingsten spezielle Angebote an, wie schwarze Pizza oder schwarzes Eis. Mehrere Mode- und Accessoire-Boutiquen haben sich in Leipzig angesiedelt und verkaufen hier ganzjährig ihr Sortiment. Interessant ist auch, dass Leipzig nicht nur zu Pfingsten ein Mekka für Gruftis ist. Das ganze Jahr über finden zahlreiche Konzerte von Szene-Bands statt.

Eintrittskarten WGT
Einige alte Eintrittskarten für das WGT
(c) Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Welche Beziehung haben Sie persönlich zum WGT und wie nehmen Sie das Festival wahr?

Das Team um die Kuratorinnen der Ausstellung ist selbst kein Szenegänger. Das WGT stößt bei allen Mitarbeitern des Museums aber auf großes Interesse. Die Faszination und der Reiz an der Schwarzen Szene und dem WGT von Seiten des Stadtgeschichtlichen Museums führten bereits vor einiger Zeit zu Kontakten in die Szene, auf die wir nun aufbauen können. Der große Zuspruch von Außen und das Interesse der Gruftis an Kulturgeschichte machte uns die Entscheidung leicht, eine Ausstellung zu konzipieren, die sowohl den Leipziger Bürger als auch den Szenegänger anspricht. Mit der Ausstellung möchten wir auch die Sammlungen des Museums erweitern. Kleidung, Accessoires oder Bild- und Tonmaterial zeugen von der Lebendigkeit und Diversität der Subkultur in Leipzig und sind eine Bereicherung für das Museum.
Um jedoch fundierte Einblicke in diese vielschichtige, heterogene Szene zu erlangen, greifen wir auf unsere Kontakte aus der Szene zurück, unter denen sich Publizisten befinden, die seit vielen Jahren tief in dieser Lebenswelt verwurzelt ist.

Was wird die geplante Ausstellung zeigen?

Die Ausstellung wird auf zwei Ebenen erzählt, zunächst auf der zeitlichen Ebene, die Entwicklung des WGT, die wir in ihre wichtigsten Zäsuren untergliedert haben. Dazu gehört auch die Schwarze Szene in der DDR.
Der zweite Erzählstrang erfolgt auf einer persönlichen Ebene. Besucher und Organisatoren berichten von ihren Erfahrungen und Vorstellungen. Untermauert werden die Aussagen durch Interviews per Video- und Audioaufnahmen sowie einzigartige Ausstellungsexponate wie spektakuläre Kleidung oder skurrile Fotografien. Die Ausstellung will mit Klischees spielen, Bürger und Gruftis gleichermaßen ansprechen und immer den Bezug zu Leipzig ziehen.

Ausstellungsdaten und Anschrift:

Leipzig in Schwarz
25 Jahre Wave Gotik Treffen
9.3.2016–29.5.2016,
Eröffnung: Dienstag, 8.3.2016, 18 Uhr
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Haus Böttchergäßchen
Böttchergäßchen 3, 04109 Leipzig

www.stadtmuseum-leipzig.de
stadtmuseum@leipzig.de

Fon: +(0)341/9651 340
www.facebook.de/stadtgeschichtlichesmuseumleipzig

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Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 9 Jahre

Was für eine coole Idee! Zwar war ich nur von 1993-99 als zahlender Besucher auf dem WGT, aber allein in diesem Zeitraum war die Entwicklung schon sehr spannend. Eine Ausstellung hierzu würde ich mir auf jeden Fall gerne anschauen (und wenn ich kann, auch was dazu beitragen). Die Treffenbecher habe ich aus dieser Zeit auch alle.

Ich horche mich auch gerne mal im Freundeskreis um und trage das Anliegen weiter.

Je nachdem, wann die Ausstellung stattfindet, wär das doch eine Gelegenheit, sich dort mal zu einem Besuch zusammen zu finden?

Animus
Animus (@guest_50945)
Vor 9 Jahre

Tja, da war noch das Mädel mit dem Buch mit den LVZ-Artikeln und allen Bändchen von 2001 bis 2015… Lieber wärs mir allerdings wenn das Museum noch eine Volontärin oder so für die Ausstellung suchen würde ;)

Starlight
Starlight (@guest_50946)
Vor 9 Jahre

Weißt du denn, ob man die Sachen nach der Ausstellung wieder bekommt?

Jen Hoffert-Karas
Jen Hoffert-Karas (@guest_50951)
Vor 9 Jahre

@Animus und Tanzfeldermaus: Ja, bitte schreib uns eine Email. Wir suchen gerade Interview Partners und genau solche Sachen für die Ausstellung. Mitmacher und Ideen sind sehr willkommen.

Und noch etwas bestimmtes: da unser geplante „Musik-Expert“ ausgefallen hat, suchen wir auch jemand der über der Vielfältigkeit der Szene-Musik ein Interview mitmachen will, am liebsten in Leipzig 18. oder 19. November.

@Robert, vielen, vielen Dank!

Ronny Rabe
Ronny Rabe (@guest_50955)
Vor 9 Jahre

Mein erstes WGT war zwar erst 1995 noch mit einer Tageskarte , dennoch habe ich so einige Erinnerungsstücke die vielleicht in die Ausstellung passen würde ;-)

Die Idee eine Ausstellung zum/über das WGT zu machen , ist wirklich super . Dadurch wird es für viele ein Stück näher gebracht und vielleicht ändern sich dann auch einige Meinungen , die das WGT als “ Karneval“ betiteln und ansehen.

Nenia
Nenia (@guest_51003)
Vor 9 Jahre

Ich finde die Idee klasse und bin schon gespannt auf die Umsetzung :) Leider besuche ich das WGT erst seit 2009 und habe somit nichts sonderlich spannendes beizusteuern, aber ich bin mir sicher, dass sich viele interessante Objekte und auch Interviewpartner finden werden.

Ronny Rabe
Ronny Rabe (@guest_51815)
Vor 8 Jahre

Ich habe mir die Ausstellung heute noch einmal in Ruhe angeschaut und wirken lassen.
Mir ist aufgefallen das wirklich mit sehr viel Herzblut diese Ausstellung zusammen getragen wurde.
Auf großen Bannern wird kurz aber auf den Punkt gebracht , das jeweilige Statement erläutert.
Zwar sagen mir einige Exponate – Leihgaben nicht zu , bzw. finde sie auch nicht passend für die Ausstellung – aber das ist wie so fast alles Ansichtssache.
Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall !!!

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