Mehrfach hatte ich schon über das Archiv der Jugendkulturen geschrieben und auch aus meiner Mitgliedschaft keinen Hehl gemacht. Doch so spießig der Name auch klingt, umso wichtiger ist seine Aufgabe. Es sammelt Wissen und Informationen über Jugendkulturen und Szenen, engagiert sich in Aufklärung und Vermittlung, forscht selber auf neuen und unbekannten Gebieten und hat sich in den letzten Jahren auch mit zahlreichen Veröffentlichungen einen Namen gemacht. Das Archiv ist in Europa eine einzigartige Einrichtung. die Arbeit mehrfach ausgezeichnet und die Bibliothek einzigartig. Darüber hinaus bemüht man sich mit dem Projekt Culture on the Road das Wissen in die Republik zu tragen. Und jetzt, nach 12 Jahren Arbeit steht es kurz vor dem Aus.
Warum retten? „Seit zwölf Jahren arbeitet das Archiv der Jugendkulturen nunmehr schon als gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, differenzierte Informationen über Jugendkulturen zu erforschen und zu verbreiten, die in der (ver)öffentlich(t)en Meinung ja zumeist in simplen Schwarz-weiß-Rastern diffamiert werden. Das alles, obwohl wir bis heute keinen Cent Regelförderung erhalten. Die große Mehrzahl unserer MitarbeiterInnen arbeitet ehrenamtlich. Ich finde, das ist durchaus eine Erfolgsgeschichte. Die Kehrseite: Immer wieder müssen MitarbeiterInnen sogar privat Gelder spenden, um die laufenden Kosten zu zahlen. Damit ist die Existenz dieser in Europa einmaligen Einrichtung in regelmäßigen Abständen akut gefährdet. Auf Dauer braucht eine derartige Einrichtung wenigstens eine hauptamtliche Stelle und die Sicherung der Grundkosten.“
Warum finde ich das so wichtig? In Sachen Jugend kämpfen wir oft nur gegen die Symptome und lassen unsere Meinung von den Medien verzerren, wir erwarten Respekt von der Jugend, sind aber nicht bereit selber Respekt zu zeigen. Jugendliche, die nicht so aussehen, wie wir das erwarten landen in kleinen Schubladen aus denen sie unmöglich wieder entfliehen können, eine „Szene“ hat immer eine negative Tenor in unserer Gesellschaft. Hier schafft das Archiv Wissen und bereitet Informationen so auf, das wir sie verstehen. Es vermag Vorurteile abzubauen und der Sache mit anderen Augen zu begegnen. Viele Anhänger der Gothic-Szene beispielsweise sind mittlerweile erwachsen geworden und habe vergessen wie es war, als sie jung waren. Das Archiv hält die Erinnerungen bereit. Kostenlos. Und für jeden.
Ich möchte euch gar keine langatmigen Beiträge zu den Vorzügen des Archivs halten oder euch davon überzeugen Geld zu spenden, das macht das Archiv durch seine Arbeit von ganz alleine. Ich will euer Geld nicht, sondern wünsche mir, das man die Möglichkeiten der sozialen Vernetzung nutzt um dem Archiv zu helfen. Die Möglichkeiten sind zahlreich und nur einen Klick entfernt. Verfasst einen eigenen Beitrag in eurem Blog, verteilt die Information in euren Netzwerken oder erzählt es einfach euren Freunden.
Natürlich könnt ihr auch selbst einen Beitrag dazu leisten, auch über kleine Spenden freut sich das Archiv. Wenn ihr kein Geld habt, nutzt eure Möglichkeiten diesen Aufruf zu verbreiten. Für Spenden hat Klaus Farin, der Leiter des Archivs, einige Möglichkeiten eingerichtet:
Spendenkontonummer: 124 138 3853
BLZ: 500 502 01
Bank: 1822direkt Frankfurter Sparkasse
Konto-Inhaber: Klaus Farin
Zweck: Spende Stiftung
Für internationale Überweisungen: IBAN: DE85 5005 0201 1241 3838 53, BIC: HELADEF1822
Oder Paypal, die Adresse lautet: stiftung@jugendkulturen.de
Hier ein Banner, den mir Frank Kopperschläger freundlicherweise per E-Mail geschickt hat, danke dafür.
Herr Sponti, könnten Sie diesen Artikel bitte als „sticky“ markieren? Ich dachte, Sie lagen die ganzen Tage seit Veröffentlichung dieses Artikels auf der faulen Haut und muß nun feststellen, daß sich unter diesem Artikel noch einige neue Postings befinden. Unerhört!
Lieber Herr Postpunk, natürlich haben sie völlig recht. Ich werde dieses unverzeihliche Versäumnis nachholen und den Beitrag zunächst als solchen markieren. Eine entsprechende Umsetzung in Design und Form werde ich dann noch erarbeiten. Ich danke Ihnen für dieses Feedback, schätze ich Sie doch als kritischen, aber dennoch treuen und aufmerksamen Leser.
Danke für die Verlinkung!
Auch das Pressure Mag berichet:
https://www.pressure-magazine.de/
Nabend
Gibt es vielleicht einen Banner zu dem Archiv? Hätte noch Platz auf meinem Blog.
@Freddy: Gerne, ich habe auch deinen Link aus dem Kommentar hinzugefügt,
@happy-buddha: Gutes Stichwort, ich werde mal auf die Schnelle einen Rettungsbanner zusammenschneidern und hier anbieten. Darüber hinaus erlaube ich mir Dir eine E-Mail zu schicken, wenn er fertig ist. Danke für die Anregung!
@Robert Gern geschehen :)
Robert, ich hätte da mal eine Frage, die ich jetzt nicht gerne in einem Artikel verwursteln würde. Sie passt meiner Meinung auch viel besser hier hin. Ich muß erst einmal gestehen, daß ich dieses Archiv noch nicht besucht habe. Mich würde interessieren wie dieses Archiv mit Themen, wie z.B. „Nationalsozialismus“, „Frauenfeindlichkeit“,“Religion“ und „Homophobie“ umgeht? Punkte, die in teils durchaus verurteilenswerter Weise in Fanzines und Songs verschiedenster Jugendkulturen angesprochen wurden und werden. Gibt es diese Schriften, Songs im Archiv? Werden sie kommentiert? Teile von Jugendbewegungen definieren sich sehr oft über extreme, manchmal menschenverachtende Haltungen. Wie geht das Archiv mit dieser Thematik um? Wird zensiert?
@Postpunk: Sehr komplexe Fragestellung. Ich werde mein bestes Versuchen
Nationalsozialismus: Sehr präsent im Archiv, da Jugendkulturell sehr relevant. Sprechen wir von der Vergangenheit, kommen gleich Skinheads in den Sinn. Das Archiv räumt mit vergleichen zwischen den Skinhead und Neonazis auf und zeigt wie und wo etwas entstand und wieso die Nazis überhaupt auf so fruchtbaren Boden trafen. Doch die braune Brut ist schlauer geworden und heute nicht mehr als „Glatze“ so präsent wie früher sondern arbeitet eher subtiler, wie jüngst in dem Werk „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics“ dargestellt wurde.
Frauenfeindlichkeit: Ist in jugendkultureller Hinsicht nicht so präsent wie im „echten Leben“ und lässt sich nicht explizit einer Jugendkultur zuordnen, jedenfalls meiner bescheidenen Meinung nach. Es gibt als Gegenströmung aber auch rein weibliche Jugendszenen als Gegenströmung zu den klassisch männlichen Szenen. Die Gothic-Szene ist eine der wenigen homogenen Szenen in der es einen gleichen Anteil an Frauen und Männern gibt. Ich empfehle dazu das Werk „Krasse Töchter“ das im Archiv erschienen ist und das Thema sehr umfassend behandelt.
Religion: Ebenfalls ein sehr schwieriges Thema da es viele Jugendkulturen tangiert und thematisiert. Es gibt aber auch einige Publikationen zum Thema Religion in Jugendkulturen, wie beispielsweise „Jesus Freaks“ oder „God is a DJ“ zeichnet die Einflüsse von Religion in Jugendkulturen nach.
Homophobie: Die Ablehnung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen ist meiner Meinung nach ebenfalls ein Thema, das sich nicht explizit auf Jugendkulturen spiegel lässt, vielmehr streift es die nächste deiner Fragen nämlich die Ablehnung aus Jugendkulturen heraus.
Und ja, der Umgang mit all diesen Themen in Jugendkulturen ist teilweise sehr verurteilenswert, ebenso wie durch den Rest der Gesellschaft. Nicht alle Jugendkulturen gehen kritisch und Intelligent mit Thematiken um die Sie nicht verstehen oder die sie ablehnen. So ist beispielsweise im Hip-Hop beides vorhanden. Die, die ihrem Hass anderer Menschengruppen freien Lauf lassen und denen die damit intelligenter und kritischer Umgehen. Selbes gilt natürlich auch für Punk-Musik. Das Archiv bietet hier eigentlich alle erforderlich Quellen um sich ein umfassendes Bild von der einen, wie auch der anderen Sichtweise zu machen.
Die Sammlung wird nicht direkt kommentiert sonder die Kommentare in Form von Büchern publiziert. „Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland“ bietet zu Thema Musik und Rechtsextremismus einen guten Überblick.
Wie geht das Archiv mit der Thematik um? Relativ sachlich bis neutral würde ich sagen, ohne jedoch menschenverachtende Haltungen zu tolerieren. Zensiert wird meiner bescheidenen Meinung nach nicht, ich weiß natürlich nicht wie es sich bei staatlich verordneter Zensur (rechtsradikale Symbole etc.) verhält.
Es ist schwer umfassend auf deine Fragen einzugehen ohne ein paar Details zu erfahren, wenn du möchtest kannst du deine Fragestellung ja noch präzisieren, wenn ich Dir bis jetzt keine zufriedenstellenden Antworten geben konnte.
Uff, Danke! Umfangreiche Antwort! Der Begriff „Frauenfeindlichkeit“ war natürlich kompletter Blödsinn. Ich meinte natürlich Sexismus wie er im Hip Hop oder auch im Reggae in Songs verbalisiert wird. Das Gleiche trifft sicherlich auch auf die Homophobie zu. Wichtig wäre mir, daß eine Jugendkultur, wie z.B. Hip Hop nicht so dargestellt wird, daß diese Themen unreflektiert wiedergegeben werden. Gewisse Tendenzen in Jugendkulturen sind eben mitnichten kulturelle Leistungen, sondern schlichtweg menschenverachtend. Mich würde es interessieren, inwieweit es gelingt, diese kulturellen Auswüchse unzensiert wiederzugeben und dennoch keine geistige Brandstiftung zu betreiben. Ist eben eine ziemliche Gratwanderung.
Insoweit kann ich Dir folgen. Das Archiv ist aber hinsichtlich der Tendenzen in einigen Jugendkulturen kein Meinungsmacher, sonder stellt sehr sachlich die Fakten zusammen. Schwierig wird das natürlich durch die Tatsache, das man sehr viele Szeneleute selbst zu Wort kommen lässt, hier ist natürlich eine gewisse Art von Anspruch gegeben die Aussagen nicht zu glorifizieren.
Prinzipiell stellt es aber auch die kulturellen Auswüchse dar ohne sie zu zensieren, so jedenfalls in der Werken die ich bis jetzt gelesen haben. Ich denke grundsätzlich wäre es nicht richtig etwas zu verschweigen oder wegzulassen, denn es existiert ja und lässt sich nicht totschweigen.
Das Archiv geht aber auch noch einen Schritt weiter und versucht Vorurteile durch Fakten widerlegen. „Gothics sind Satanisten“ wird nicht nur durch Zitate in den Büchern, sondern auch faktisch widerlegt. Auf spezielle Beispiele in Sachen Sexismus und Homophobie kann ich jetzt aus dem Stehgreif nicht eingehen.
Grundsätzlich stimme ich Dir zu, Menschenverachtung hat nichts mit Kultur zu tun. Hier ist die Grenze zwischen Meinung, Provokation und Verachtung natürlich fließend und gefährlich zugleich. Es reicht eben nicht zu konsumieren sondern auch zu hinterfragen. Und genau dazu brauchst wiederrum das Archiv, denn da findest du das nötige Wissen.
LOVE for THIS ARCHIVE and Klaus Farin!
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Welchen Beitrag haben die denn zur Gothic-/Wave-Kultur abgeliefert? Ich hatte mir dort mal Bücher bestellt, aber daraus nix umwerfend Neues erfahren. Da hat selbst Wikipedia mehr Inhalt. Wenn sie so viel Wissen archivieren, warum verwenden sie’s dann nicht?
@Death Disco: Es kommt natürlich darauf an, welche Bücher du meinst. Darüber hinaus bis du vielleicht auch mit eine falschen Erwartungshaltung an diese Werke gegangen. Einem Szene-Insider etwas über die Szene zu vermitteln, der sich selbst seit Jahren in der Szene bewegt, halt ich für sehr schwierig. Zur Wave-Kultur im speziellen gibt es noch nicht wirklich ein Werk. Darüber hinaus muss man bei Wikipedia anmerken das die Quellen teiweise auch auf der Arbeit des Archivs beruhen, Kirstin Walraff’s Werk beispielsweise.
Dem Archiv geht es in erste Linie um die Erhaltung des Wissens, nicht um die Auswertung die immer auch nur eine Interpretation dessen sein kann, auf dem es beruht. Und sie verwenden es sehr wohl: In unzähligen Publikationen (nicht nur über Gothics) sondern auch direkt in der Arbeit mit dem Projekt „Culture on the Road“.
Umso wichtiger ist es, alles zusammenzutragen. Vielleicht wärst du auch der Richtig für ein Werk über einen Teil der Gothic-Szene?
Melde dich bitte auch bei mir, wenn das Banner fertig ist.
Danke!
Hallo Ralf,
leider sind noch nicht allzuviele Banner eingegangen. Ich sehe mich leider außerstande selbst etwas zu kreieren. Von Frank Kopperschläger kam per E-Mail ein Vorschlag in klassischer Größe, den ich in den Beitrag oben eingefügt habe. Vielleicht kannst du damit ja etwas anfangen oder hast sogar Lust auf etwas Eigenes.
Wow, finde ich super dass ihr so einen Wirbel um den Verein erzeugt. Ich hatte mit dem Verein auch vor einigen Jahren mal Kontakt. Bei dieser Gelegenheit werde ich auch mal wieder etwas spenden.
An die Leute die im Verein sind: Macht weiter so – ich find die Idee klasse!
Und? Hast du schon gespendet? Ich konnte deine Namen leider noch nicht unter den Spendenden lesen, wäre schön wenn du etwas beitragen würdest!